Komarek | Doppelblick | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Komarek Doppelblick


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-7099-7429-2
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-7099-7429-2
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



DANIEL KÄFERS TURBULENTES WIEDERSEHEN MIT DEM AUSSEERLAND Nach dem plötzlichen Tod seines Bruders braucht Daniel Käfer dringend eine Auszeit - da führt ihn ein UNERWARTETER AUFTRAG SEINER FIRMA IN DAS SALZKAMMERGUT. Dort soll er ein geeignetes SEMINARZENTRUM FÜR DAS MEDIENUNTERNEHMEN finden. Wenn da nicht die EIGENSINNIGEN AUSSEER wären, die seine Begeisterung anfangs überhaupt nicht teilen. Und seine FREUNDIN SABINE, DIE LIEBER SCHOTTISCHE SCHAFE FOTOGRAFIERT, als ihre gemeinsame Zukunft zu planen. Als Käfer endlich im KAISERGELBEN BAD ISCHL auf großes Interesse für sein Projekt stößt, macht er plötzlich eine NEUE ENTDECKUNG, DIE SEINE URSPRÜNGLICHEN PLÄNE DURCHKREUZT ... EIN MORBIDES HAUS UND EIN SELTSAMER BEWOHNER: DANIEL KÄFERS NEUGIERDE IST GEWECKT! DER DOPPELBLICK IST EIN HALB VERFALLENER GASTHOF mit einem verschrobenen Bewohner, der UM KEINEN PREIS VERKAUFEN WILL. Das Gebäude ist RUINÖS UND VERKOMMEN, sein Besitzer in einer selbstauferlegten POESIE DES UNTERGANGS GEFANGEN. Er hat sich völlig dem schönen Verfall hingegeben und wartet nur darauf, GEMEINSAM MIT DEM HAUS ZU STERBEN. All diesen Tatsachen zum Trotz, oder vielleicht gerade deshalb, übt der Doppelblick einen UNWIDERSTEHLICHEN REIZ AUF DANIEL KÄFER aus ... Er ist gleichermaßen FASZINIERT UND VERSTÖRT. Doch Freunde wie Bekannte raten ihm, DRINGEND DIE FINGER DAVON ZU LASSEN! - DER DOPPELBLICK SEI GEFÄHRLICH UND UNBERECHENBAR. Allen Warnungen zum Trotz, macht sich Daniel Käfer mit seiner für ihn typischen Neugier auf zu schwierigen Verhandlungen - UND WIRD JEDES MAL WIEDER ABGEWIESEN. Muss Daniel Käfer seine TRÄUME IM AUSSEERLAND BEGRABEN? INSIDER ALFRED KOMAREK ZEIGT EIN AUSSEERLAND ABSEITS DER TOURISTENPFADE Spätestens seit der VERFILMUNG MIT PETER SIMONISCHEK, KALR MARKOVICS UND NICHOLAS OFCZAREK, sind Alfred Komareks Romane um Daniel Käfer allseits bekannt. Der vierte und abschließende Daniel-Käfer-Roman bringt die WIEDERBEGEGNUNG MIT DEN VON DEN LESERN LÄNGST LIEBGEWONNENEN MENSCHEN DES AUSSEERLANDES und verbindet Daniel Käfers Weg mit dem nostalgisch verklärten GLANZ DES EHEMALIGEN KAISERSTÄDTCHENS BAD ISCHL. Mit leichtem Augenzwinkern und VIEL INSIDERWISSEN vermittelt Alfred Komarek die Eigenheiten des BILDGEWALTIGEN SALZKAMMERGUTS und seiner Bewohner.

1945 in Bad Aussee geboren, lebt ALFRED KOMAREK heute als freier Schriftsteller in Wien. Neben zahlreichen Auszeichnungen für sein vielfältiges Schaffen erhielt Alfred Komarek 1998 den Glauser-Preis für 'Polt muss weinen'. Im Haymon Verlag erscheinen u.a. Komareks Polt-Romane sowie seine Salzkammergut-Romane rund um den sympathischen Eigenbrötler Daniel Käfer. 2019 erschien sein Buch 'Alfred'.
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1


Es war Frühling und Heinz war tot. Um Daniel Käfer war es dunkel. Jene helle Welt, die sein Bruder verlassen hatte, lag irgendwo draußen. Hier drinnen war es kalt und still, keine Spur von Frühling. Aber es gab auch keine Schläge ins Gesicht, keinen Tritt in den Bauch, kein Niederdrücken.

Heinz war da. Tut mir leid, Daniel, dieser Abschied, aber gegen Magenkrebs war sogar ich als Anwalt machtlos – das Urteil unanfechtbar, gültig in letzter Instanz, das ist zu akzeptieren. Auch in der Schuldfrage bin ich einsichtig: zu viel Disziplin, zu viel Anspannung, zu viel Ärger in all den Jahren. Ich habe mein Leben schlecht behandelt und es hat sich mir entzogen. Nachher ist man klüger. Aber jetzt komm mit nach draußen, wir sollten dem Pfarrer die Ehre geben. Ich wusste nie etwas mit dem katholischen Glauben anzufangen, doch diesmal, na ja …

Das Gold da draußen, Heinz, die Sonne, der Weihrauch und diese verdammte Heiligkeit …

Komm schon, Daniel.

Käfer öffnete die Augen und schaute auf seine Hände. Dann hob er den Kopf. Die Basilika von Mariatrost am Stadtrand von Graz kannte er seit seinen Kindertagen. Sie war die Pfarrkirche der Familie Käfer. Das Elternhaus, später das Haus seines Bruders, stand am Fuß des Kirchberges, nicht weit vom Fischteich entfernt, der im Winter als Eislaufplatz genutzt wurde. Daniel war ein geschickter Eisläufer gewesen, wild und fantasievoll. Sein Bruder hatte es schon als Kind vorgezogen, sorgfältig und verlässlich seine Runden zu drehen, fernab jeder spielerischen Ausschmückung.

Und da lag er nun im Sarg, auf halbem Weg zwischen den Trauergästen und dem Priester, der den Toten sachte und feierlich den Seinen entzog, ihn an sich zog, um ihn einem geglaubten oder auch nur behaupteten Wesen in die unbegreiflichen Hände zu legen.

Der Volksaltar war schlicht, doch hinter dem Rücken des Pfarrers war der Tisch des Herrn kunstvoll und kostbar gedeckt und überhöht, all das Schimmernde, Glänzende strebte nach oben, wo es die Erdenschwere schon nicht mehr gab und Engel den Strahlenkranz der Gnadenmutter trugen. „Solatium vitae nostrae“, Trost unseres Lebens, stand über ihrem Haupt zu lesen. Auch Trost unseres Todes? Heinz Käfer war nicht besonders fromm gewesen. Eines Tages hatte er der Kirchenbeitragsstelle mitgeteilt, dass er es für sinnvoller erachte, die vorgeschriebene Summe fortan der Caritas zu überweisen. Auf einen Rechtsstreit lasse er es gerne ankommen. Immerhin brauche er wenigstens keine Anwaltskosten zu befürchten. Das Ansinnen wurde dann offenbar stillschweigend geduldet. Daniel Käfer hatte diesen letztlich wohlmeinenden Eigensinn seines Bruders immer sehr gemocht. Er lächelte, legte den Kopf in den Nacken und verlor sich im Hellblau der Kuppel, einem gemalten Himmel, bevölkert von jubilierenden Engeln angesichts einer nun vollends in höhere Sphären entrückten Maria. Auch der wirkliche, der profane Himmel war zugegen und schickte das kühle Sonnenlicht des späten Morgens durch Dachöffnungen mit schönem Gitterwerk. Käfers Blick folgte zwei langen Seilen tief hinunter in den Altarraum. An den Enden waren große silbrig glänzende Engel befestigt. Beide boten mit dem ausgestreckten rechten Arm je ein brennendes Herz dar. Als Kind hatten ihn diese geflügelten und doch unbeweglich schwebenden Gestalten fasziniert. Engel konnten ja fliegen, mit einer einzigen Ausnahme, Luzifer, der bekanntermaßen höllisch tief gefallen war. Warum aber hingen die Silberengel an Seilen? Vermutlich wollte man diese Himmelsboten so am Weiterfliegen hindern. Sie waren wohl dereinst zum höheren Ruhm dieser Kirche vom Pfarrer eingefangen worden, bestimmt unter Mithilfe eines unerschrockenen Mesners. Wohin waren sie damals unterwegs gewesen, wer hatte die brennenden Herzen bekommen sollen, welcher coelestische Auftrag blieb unerfüllt?

Daniel Käfer spürte eine Berührung auf dem Unterarm, wandte den Kopf und schaute in das Gesicht von Therese, der Witwe seines Bruders. „Der Trauergottesdienst, Daniel!“

„Was ist damit?“

„Du sollst ihm folgen und nicht träumen. Die Leute beobachten dich!“

„Ja, gut.“ Daniel Käfer hatte seine Schwägerin nach dem Tod ihres Mannes in ratloser Verzweiflung erlebt, wie sie weinte, so heftig und ausdauernd, wie er noch nie einen Menschen hatte weinen gesehen, wie sie dann aufschaute mit weit geöffneten Kinderaugen im nassen Gesicht und immer wieder fragte: „Was jetzt, Daniel, was jetzt?“

Ohne Heinz blieb für Therese nur noch wenig Sinnvolles übrig. Sie hatte ihn ausgefüllt mit bedingungsloser Liebe und ihn eingesponnen in umfassende Fürsorglichkeit, so eng, dass nicht einmal für Kinder Platz gewesen war. Was jetzt? Daniel Käfer hatte in den letzten Tagen mit Argwohn bemerkt, wie Therese ihn nachdenklich betrachtete.

Heute bot sie das eindrucksvolle Bild gefasster Trauer, wie es der Witwe eines angesehenen Anwalts zukam. Ein letztes Mal trat sie mit Heinz gemeinsam an die Öffentlichkeit und sie wollte keinen Zweifel daran lassen, dass diesem Ereignis in ihrem ganzen künftigen Leben nichts Vergleichbares folgen konnte.

Daniel Käfer hatte ihr beim Versenden der Traueranzeigen geholfen. Den meisten waren persönliche Einladungen zum Totenmahl beigelegt. Es gab nur noch wenige Verwandte, doch offenbar war Heinz mit zahlreichen Menschen vertraut gewesen und viele Namen kannte Käfer aus den Medien. Ob es nicht ein wenig familiärer zugehen könne, hatte er Therese gefragt. Das sei ohnedies nur der engste Kreis, war die würdevolle Antwort gewesen.

Heinz?

Ja, Daniel?

Wie soll ich von dir Abschied nehmen, vor all den Leuten?

Gar nicht. Komm morgen wieder, wenn das Theater vorbei ist. Dann regeln wir das unter uns.

Zum Teufel mit all dem Brimborium. Wenn früher ein Kartäusermönch gestorben ist, haben die trauernden Brüder die Kapuze über sein Gesicht gezogen und ihn ohne Sarg im Garten begraben. Dein Garten ist doch wunderschön, Heinz.

Und du wüsstest mich lieber dort, nicht wahr?

Ja. Ohne kalten Grabstein. Könntest du dich mit einem Kirschbaum anfreunden, weiße Blüten im Frühjahr und im Sommer Früchte, dunkelrot und zum Platzen reif?

Hör auf damit, Daniel.

Warum?

Meine Frau … Und jetzt schnell, bevor die Sargträger kommen. Dann ist es nämlich mit der Nähe erst einmal vorbei. Mit meinem Leben habe ich nichts mehr zu schaffen. Aber vielleicht könntest statt mir du dich seiner annehmen, so nebenbei, meine ich? Dann ging’s ja doch irgendwie weiter …

Ich will es gerne versuchen, großer Bruder. Und irgendwie ist mir leichter.

Als die Träger den Sarg auf ihre Schultern hoben, kämpfte Daniel Käfer dann doch mit den Tränen. Er legte seinen Arm um Therese, zog sie an sich, spürte ihren Widerstand, ließ los, erhob sich und folgte mit ihr dem Priester und dem Toten zum Kirchentor. Von oben schwebte Orgelklang in den Raum, füllte ihn aus, und als Käfer den Kopf hob, sah er zwischen silbrigen Pfeifen und goldenem Zierrat Engel tanzen. Sie freuten sich wohl über einen, der das irdische Jammertal verlassen durfte. So betrachtet sollte eigentlich die ganze Trauergesellschaft tanzend und jubilierend dem Verblichenen auf seinem Weg himmelwärts folgen. Na ja, unterwegs zum Fegefeuer wäre dann allenfalls verhaltenes Frohlocken angebracht, und ginge es darum, einen zur ewigen Strafe verdammten Sünder höllenwärts zu tragen, bliebe nur noch betretenes Schaudern. Für einen Augenblick gelang es Käfer, diesen Gedanken originell zu finden. Er nahm auch den Frühlingstag wahr, flüchtiges Pastell, eingehüllt in dünnes Sonnenlicht, sah die hellen Blüten im Laub der Hainbuche neben jener altmodischen Jausenstation, in der es nebenbei auch alles zu kaufen gab, was ein frommer Mensch so brauchte für Leib und Seele.

Dann aber legte die Blasmusik dunkel tönende Schatten über das Bild und der Trauerzug setzte sich in Bewegung.

Daniel Käfer fühlte sich schwer und müde. Ohne viel darüber nachzudenken, war er davon überzeugt gewesen, dass ein alter, zäher Anwalt wie sein Bruder nur noch älter und noch zäher werden konnte, nicht aber sterben. Und jetzt war es aus, einfach so.

Flucht … weggehen, ein paar Schritte nur, sich auf die Wiese legen, Gras und Erde riechen und den Himmel zur Hölle wünschen. Unmöglich, schon gut. Also dieses Begräbnis hinter sich bringen, später mit Heinz ins Reine kommen und ihn mitnehmen in die eigene Lebenszeit. Ja, und Therese …, natürlich ein paar Tage bei ihr bleiben, ihr auch später helfen, so gut es ging.

Der Friedhof. Begehen der Wege auf eigene Gefahr. Mitbringen von Hunden und Rauchen nicht gestattet. Fahrradfahren verboten. Gegen Münzeinwurf zu entnehmende Gießkannen, adrette Abfallkörbe: ein kleiner, beschaulicher Totengarten am Abhang des...


1945 in Bad Aussee geboren, lebt ALFRED KOMAREK heute als freier Schriftsteller in Wien. Neben zahlreichen Auszeichnungen für sein vielfältiges Schaffen erhielt Alfred Komarek 1998 den Glauser-Preis für "Polt muss weinen". Im Haymon Verlag erscheinen u.a. Komareks Polt-Romane sowie seine Salzkammergut-Romane rund um den sympathischen Eigenbrötler Daniel Käfer. 2019 erschien sein Buch "Alfred".



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