E-Book, Deutsch, 260 Seiten
Koidl Blender
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-455-85026-0
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Warum immer die Falschen Karriere machen
E-Book, Deutsch, 260 Seiten
ISBN: 978-3-455-85026-0
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sie sind schlechter ausgebildet, zeigen seltener soziale Kompetenz und sind längst nicht so engagiert wie ihre Kolleginnen. Sie verdienen mehr, arbeiten weniger und besetzen immer noch fast alle Top-Positionen: Blender. Warum? Roman Maria Koidl entlarvt den Blender, der zum Inventar jeder Firma gehört.
Intriganten, Pöstchenjäger, Luftpumpen und Schlipswichser: Sie alle gehören zum Inventar einer ganz normalen Karriere von Frauen, die eigentlich nur eines wollen: die Aufgabe besonders gut und zuverlässig erledigen. Dabei treffen sie auf männliche Platzhalter, die sich, schlechter ausgebildet, sozial wenig kompetent und längst nicht so engagiert wie ihre weiblichen Kollegin-nen, durch den Büroalltag mogeln. Dafür sahnen Blender mehr Lohn ab und fallen auf magische Weise die Karriereleiter hinauf. Schonungslos entlarvt Roman Maria Koidl Strategien, Rhetorik und Taktik der Schaumschläger und erklärt, warum Frauen Blendern auch noch gern zuarbeiten, statt an die eigene Karriere zu denken.
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Angestellte
Der Konjunktiv-Mann
Mirko ist ein Mann, der Leiden schafft. Er ist neununddreißig und Angestellter in einem Konzern für Bürosysteme, ohne weitere Aufstiegschancen, also Inhaber einer Karriere, die irgendwo zwischen narkotisiert und perspektivlos zu verorten ist. Gut an seinem Job sind jedoch zwei Dinge: Die Firma bietet vielen weiblichen Leistungsträgern Chancen, was Mirko recht eigennützig für sich zu nutzen weiß, und er hat einen Job im Außendienst, was ihm Freiräume verschafft. Abzurechnen gibt es zudem auch immer etwas. Mirko hat sich in der Wohlfühlzone eines Konzerns eingerichtet, den er im weitesten Sinn als Jagdgebiet für amouröse Anbandelungen versteht. Er ist groß und starrt auffallend oft nach unten. Seine Kolleginnen hielten das anfänglich für Schüchternheit, bis sie darauf kamen, dass Mirko grundsätzlich Brüste anstarrt. Dabei ist es egal, ob die Betreffende gerade ihre Ausbildung in seiner Abteilung begonnen hat oder in geselliger Runde in den Ruhestand verabschiedet wird. Es ist ein Zwang, ein Reflex, den er nicht unter Kontrolle hat. Männer, die es sich in der Wohlfühlzone eines Unternehmens bequem gemacht haben, erkennt man an dem zur Meisterschaft geführten Leben im Konjunktiv. Es sind die »Man sollte« -, »Man müsste« -, »Man könnte mal« -Kollegen, die sich schon lange von der Realisierung von Plänen, Projekten und Perspektiven verabschiedet haben und in einer Welt der inhaltsleeren Ankündigung eines längst begrabenen Selbst leben. Mirko ist ein beruflicher Konjunktiv-Mann mit reichlich Zeit dafür, nach alternativen Betätigungsfeldern zu suchen. Sein Lieblingssatz ist: »Man müsste einen Puff aufmachen.« Aber dazu hat Mr Balls nicht die Eier. Nach oben geht’s im Job für ihn schon länger nicht mehr. Seitlich, in anderen Funktionen des Unternehmens, wo sich ihm vielleicht Aufstiegschancen böten, kann man keine Spesen abrechnen, und wer will schon nach unten? In Ermangelung von Aufgaben hat Mirko deshalb seine Freizeitbeschäftigung professionalisiert: Kolleginnen flachlegen. Die Erfolge hält er in einem ausgeklügelten Punktesystem fest. Praktikantin, geringer Schwierigkeitsgrad, ein Punkt, Auszubildende, ebenfalls geringer Schwierigkeitsgrad, zwei Punkte, Kollegin, zwei Punkte. Vorgesetzte, drei Punkte, Abteilungsleiterin, sieben Punkte, Frau vom Chef, höchster Schwierigkeitsgrad, zehn Punkte und damit volle Punktzahl. Das höchste der unsentimentalen Gefühle ist der sogenannte »High Mile Club«, HMC genannt. Die Punktezahl bemisst sich nach der Flughöhe. Wer mag, kann sich in einem gleichnamigen Onlineportal mit seinem Score als Senator auch ohne spermizide Goldcard verewigen. Frauen wären entsetzt, wenn sie wüssten, wie viele Männer kleine Büchlein führen oder Slips in Kartons sammeln, um ihre Jagderfolge zu dokumentieren. Mirko hat kleine Büchlein nicht nötig, er arbeitet mit einer »Access Datenbank«. Seine Kolleginnen, die er andauernd bei irgendetwas am Computer um Hilfe bittet, haben nicht die leiseste Ahnung davon, dass Mirko überhaupt weiß, was »Access« ist. Mit diesem Programm hat Mirko eine kleine Software aufgesetzt, die ihm Informationen, Erlebnisse und Erfolge zu seinen Amouren auflistet. Und die sind zahlreich. Denn obwohl Mirko in seinem Job die innere Emigration pflegt und nur das Notwendigste unternimmt, um ihn nicht zu verlieren, braucht er das Neue, die Veränderung, den Wechsel als täglichen Kick. Mirko geht es um ein müheloses Leben. Sein Lieblingsbuch ist Milan Kunderas Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, und sein Credo lautet »Freiheit«, auch wenn er die nur nach außen simuliert und in einem Anschein dessen sucht, was er selbst für ein freies Leben hält: sich nicht einengen lassen, tun und lassen, was man will, und dabei vor sich selbst den Eindruck erwecken, man sei in seinen Entscheidungen, der Art, wie man das eigene Leben führt, unabhängig. Feste Beziehungen kann Mirko gar nicht eingehen, er summt von einer Blüte zur nächsten, und wenn er doch einmal eine Frau findet, die er mag und zu der er sich besonders hingezogen fühlt, wird er es nicht unterlassen, ihr seine Vorstellungen von Swingerpartys, Partnertausch und »MMF« vorzutragen, der sexuellen Konstellation Mann-Mann-Frau, oder »FFM«, Frau-Frau-Mann, also wenigstens den »flotten Dreier«. Darf es auch ein bisschen mehr sein? Das ist nicht nur in der Metzgerei der Schlachtruf der Fleischeslustigen. Der Mann aus dem Vertrieb liebt das Wort »Polyamorie«, in ihm sieht er die Kondensation seines Erlebnishungers, nach Abenteuern voller neuer Reize und Spannung. Auf Frauen wirkt er deshalb in der Regel sehr attraktiv. Er ist der richtige Kollege im Unternehmen für einen Seitensprung, wenn es mit »Papi« nach vier Jahren auf dem Sofa etwas langweilig geworden ist. Er wird seine neue Flamme mit zum Indoor-Klettern nehmen, Wochenendreisen planen, beim ersten Date in seiner Wohnung Rosenblätter verteilen und überall Kerzen anzünden. Da ihm richtige Gefühle weitgehend fremd, ja fast unheimlich sind, bedient er sich des Pathos, der Sentimentalität, einer aus Film und Fernsehen geliehenen Romantik. Die leicht überzogene Theatralik, die er nicht immer treffsicher beherrscht, seine auf Wirkung und Effekt angelegte Persönlichkeit und der große Gestus könnten ihn verraten, wenn die umschwärmten Frauen sich nicht in der Idee verlieren würden, es hier nun endlich mit einem Mann zu tun zu haben, der ihnen die Liebe buchstabieren kann, der es versteht zu faszinieren. Wer leise Kritik an ihm äußert, ist ja »nur neidisch« auf diesen attraktiven Mann. Die Kollegen können im Zweifel gar nicht nachvollziehen, von wem die Zimmernachbarin da so begeistert redet, denn privat ist Mirko ja tatsächlich viel spontaner als im Büro, kreativ sogar, und steht mit seiner Kontaktstärke schnell im Mittelpunkt, was die Frauen, die ihn umgeben, mit einem gewissen Wohlgefallen zur Kenntnis nehmen. Seine große Angst ist, mit neununddreißig schon zum alten Eisen zu gehören, und so ist er regelmäßig auch im Internet auf der Suche nach Eroberungen, hat sich unauffällig in einer Tagesklinik nach Botox und Haartransplantation (Motto: »Nur keine Scham«) für Männer erkundigt, liebäugelt mit einem alten Porsche Carrera und kauft »Regaine«, ein Mittel gegen hormonell bedingten Haarausfall, gleich literweise in der Apotheke. Auch wenn er seine Kumpel abends an der Bar mit großem Gejammer anderes glauben machen will, der berufliche Aufstieg ist nicht sein Ding, seine Position im Vertrieb ist für ihn Gold wert. Mirko hat seinen Job in maximal vier Stunden am Tag im Griff, in der überschüssigen Zeit kann er bestens seine hysterische Angst vor der Vergänglichkeit ausleben und sich von einem Liebesabenteuer ins nächste stürzen. Denn Mirko hat seinen Abenteuern eine professionelle Struktur gegeben, die er aus seinem beruflichen Kontext als Vertriebsmitarbeiter abgeleitet hat. Der Verkäufer von Kopiermaschinen ist ein sogenannter »PUA«, ein Pick Up Artist. Denn, davon ist Mirko überzeugt, Liebe ist auch nur ein »Job«, und irgendeiner muss ihn ja machen. Wie wenig es Männern um die Sache gehen muss, um ein Ziel zu erreichen, kann man wunderbar an der Art und Weise ablesen, wie sie das Thema Liebe für sich professionalisiert haben. Im Rausch royaler Hochzeitsmeldungen fragte eine britische Frauenzeitschrift zur Vermählung von Prinz William und seiner Kate etwas hinterlistig, ob es denn ein zielführendes Konzept sein könne, eine Beziehung wie eine Firma zu führen. Wer stellt so unromantische Fragen? Natürlich ein Mann. Ein englischer Kolumnist gab zur »Hochzeit des Jahres 2011« einen ungewollt komischen Einblick in Männerträume – geheimer Wunsch von Männern war es schon immer, zu rationalisieren, was irrational erscheint, Gefühle zu managen und in jene Welt zu überführen, die Männern vertraut ist: Technik und Beruf. Vor Emotionen haben die Meister der linken Gehirnhälfte weit mehr Angst, als Frauen es sich überhaupt vorstellen können. Und so ist der Versuch, Ordnung in den Gefühlsladen zu bringen, schon in einer Beziehung angelegt, bevor es überhaupt so richtig losgeht. In Seminaren, Internetforen und Büchern erklären selbsternannte »Alpha-Männer« mit klingenden Pseudonymen wie »Mädchenverführer«, »KingKoitus« oder »TheMystery«, durch welche Techniken und stupide einstudierte Sprüche Frauen von ratsuchenden »Betas« schon beim ersten Date »erlegt« werden können. Hunderttausende sind in diesen Foren organisiert, so unglaublich das ist. In einer Szene, von der die meisten Frauen noch nicht einmal gehört haben – den sogenannten Pick Up Artists (PUA). Wer das nicht glauben will, muss sich nur die Ratgeber ansehen, die derzeit die Bestsellerlisten bevölkern: Der Bro Code, Das Playbook oder Master dein Opening. Sie können auf den PUA-Kongress gehen, der im letzten Jahr erstmals in Berlin stattfand, sich PUA-Schulungsfilme ansehen oder im PUA-Training lernen, wie man professionell eine Frau verführt. Natürlich gibt’s eine Erfolgsgarantie – und eine schöne Urkunde obendrauf. Nur das Rückgaberecht der »erlegten« Frauen ist bisher offenbar ungelöst. Die Szene der Pick Up Artists besteht ausschließlich aus Männern. Eine Gemeinschaft von Kerlen, die, höflich gesagt, nicht die hellsten Lampions am Kindergeburtstag sind. Und immer dann, wenn Männer intellektuell oder emotional überfordert sind, bedienen sie sich zweier Sprachen, die kaschieren sollen, dass sie von Tuten und Blasen keine Ahnung haben: entweder des pseudotechnischen Vokabulars oder Wörtern aus dem Pool der Gesetze und Paragraphen. Tendenz: Je weniger Ahnung, desto mehr. Und so haben auch die PUAs eine eigene Sprache entwickelt, die in ihrer ganzen...