E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Lukas Born
Kohl Der war schon tot
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-766-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Niederrhein Krimi
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Lukas Born
ISBN: 978-3-96041-766-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein humorvoll-lakonischer Kriminalroman vom Niederrhein.
Warum lief Lenni mitten in der Nacht kilometerweit durch den strömenden Regen? Und warum hat er sich anschließend bei Sonsbeck splitterfasernackt auf die Straße gelegt und überfahren lassen? Lukas Born, passionierter Dauercamper und Privatermittler, schlittert unverhofft in den mysteriösesten Mordfall seiner Karriere. Nebenbei muss er die schwarzbunte Heike finden, seine Freundin davon abhalten, eine spießige Doppelhaushälfte anzumieten, und Sohn Bastian aus den Klauen einer Erpresserbande befreien . . .
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1
Sonntag, 9.00 Uhr »Komm, ich zeig dir mal, wie man Rock’n’Roll tanzt.« Ich will mich noch wehren. Keine Chance. Eine Minute später wirbelt Gerda mich vor der Bühne umher wie eine Flipperkugel unter Starkstromeinfluss. Immer wieder pralle ich vor ihre verschwitzten Airbags, um im selben Augenblick wieder weggeworfen zu werden wie eine heiße Kartoffel. Alles um mich herum dreht sich, die sichtlich amüsierte Band zieht noch mal ordentlich das Tempo an. »Nein!«, schreie ich aus voller Kehle. Dann spüre ich eine Hand auf meiner Stirn. Ich öffne langsam die Augen und blicke in das besorgte Gesicht von Linda. »War es so schlimm gestern?« Ich brauche eine Minute, um meine Gedanken zu ordnen. Mein Shirt klebt an der Brust. »Nee, war ganz lustig«, antworte ich, noch etwas gequält. »Und wie war deine Nacht? Bist spät dran.« Linda verzieht das Gesicht. Selbst eine Grimasse schneidend finde ich sie unwiderstehlich. »Hast nichts mitbekommen, was?« Ich schüttle den Kopf. So spontan könnte ich nicht einmal sagen, wann ich nach Hause gekommen bin. »Das war ein richtiges Unwetter heute Nacht. Der Augustusring war hinter Xanten gesperrt, weil irgendwo ein Baum umgestürzt ist. Ich musste einen Riesenumweg fahren. Und dann hatten wir noch einen Flüchtling. Der war übrigens auch gestern Abend bei dem Konzert.« »Flüchtling?« In meinem Kopf kreisen undefinierbare Bruchstücke, aus denen sich absolut keine Erinnerung zusammenschrauben lässt. Ohne Kaffee weigert sich mein Verstand, die Arbeit aufzunehmen. Zumal die Augen gerade Bilder einer sich ausziehenden Linda in mein Bewusstsein befördern, verbunden mit dem dringenden Bedürfnis, unser Gespräch auf hinterher zu verschieben. »Ein junger Mann, der kam gegen elf mit dem Rettungswagen an. Er ist wohl im Zelt umgefallen und hat sich das Nasenbein gebrochen. Wir haben die Laborwerte noch nicht, aber ich schätze mal, der war zugedröhnt bis unter die Halskrause.« Klingelingeling, der Verstand ist wach. Lenni trinkt keinen Alkohol. Deswegen also. »Und der war so unzufrieden mit euch, dass er sich wieder vom Acker gemacht hat? Kann ich mir gar nicht vorstellen.« Apropos vorstellen. Linda zieht als Letztes ihren Slip aus und geht mit einem Handtuch bewaffnet Richtung Dusche. Kurz vor dem Bad dreht sie sich um. Sie wirkt nachdenklich. »Der Kerl war über ’ne halbe Stunde in der Notaufnahme, dann haben sie ihn zu mir auf die Station gebracht. Ich wollte ihn zehn Minuten später fragen, ob er noch was braucht für die Nacht, da schlief der schon tief und fest. Eine halbe Stunde später will ich nach ihm sehen, da sitzt er komplett angezogen auf der Bettkante und rubbelt mit einem roten Filzstift auf einer Serviette herum. Als er mich sieht, springt er hoch und geht grußlos an mir vorbei aus dem Zimmer. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.« »Was hat er denn auf die Serviette gekritzelt?« »Keine Ahnung, das hat mich auch nicht interessiert. Machst du bitte Frühstück? Ich bin zu aufgedreht fürs Bett.« Sagt sie und verschwindet ins Bad, ohne den Alternativvorschlag abzuwarten, der mir gerade über die Zunge spaziert. Ich schäle mich aus dem nassen T-Shirt und schleppe mich träge zur Kaffeemaschine. Manolo gähnt einmal kräftig und schließt danach wieder die Augen. Von wegen. »Kannst schon mal Brötchen holen, du Nachtschwärmer.« Als ich nach Hause komme, ist mein Labrador-Bordercollie-sonst-was-Mischling auf nächtlicher Streife über den Platz. Seit Kuschel, unser Platzwart mit polnischen Wurzeln und westfälischem Migrationshintergrund, meine Fliegenschutztür gegen ein fettes Trinkgeld so umgebaut hat, dass sie sich von einer Hundeschnauze in beide Richtungen aufstoßen lässt und sanft zurückfedert, geht Manolo gerne mal nachts auf die Rolle. Ich hänge meinem knötternden Freund die Brötchentasche um den Hals. Nach einem Blick in den Kühlschrank pfeife ich ihn zurück, kritzle »6 Eier« auf einen Kaffeefilter und schmeiß ihn in den Beutel. Die Eier von den megaglücklichen Biohühnern sind der Hit. Nicht umsonst trägt der Platz den Namen »Happy Eiland«. »Lauf vorsichtig, mein Freund.« Wenn Blicke töten könnten. Dafür wird er gleich wieder mit Streicheleinheiten und Applaus verabschiedet. Für die Dauercamper ist das Normalität, aber die Sommergäste sind jedes Mal außer sich vor Freude, wenn Manolo sich zur Theke durchdrängelt, sich von Lissy die Brötchen in die Tasche legen lässt und wieder davontrabt. In den sozialen Netzwerken kursieren unzählige Bilder von meinem Hund mit der Tasche um den Hals. Einmal im Monat liegt eine Rechnung drin. Dürfte bald wieder so weit sein, fürchte ich. Inzwischen ist der Kaffee durch und der Tisch gedeckt. Linda setzt sich nach einem flüchtigen Kuss auf die Eckbank. Manolo knallt mit einem Schwung die Tür auf und setzt sich vor mich hin. Ich lege die Eier ins kochende Wasser, Manolo schickt mir ein Wimmern hinterher. Ich schneide ein Brötchen auf, schmiere dick Leberwurst drauf und werfe es ihm hin. »Wie ist euer Flüchtling denn mitten in der Nacht an ein Taxi gekommen?«, frage ich betont nebensächlich und gieße Kaffee ein. Linda sieht mich irritiert an. »Das wird er sich bestellt haben, was soll die Frage?« »Er hat bei dem Sturz sein Handy verloren. Seine Freunde wollen es ihm heute bringen.« »Meine Güte, vielleicht hat er sich eines geliehen. Oder die Kollegin am Empfang hat ihm ein Taxi bestellt. Sag mal …« Ihr Blick wird streng. »Der hat dich nicht etwa mit irgendwas beauftragt?« »Nein, Quatsch«, antworte ich wahrheitsgemäß, »ich bin immer noch auf der Suche nach Heike. Du hast es hoffentlich noch keinem erzählt!« Linda schüttelt amüsiert den Kopf. Sie hat Schweigepflicht. Der Auftrag ist einfach viel zu brisant. Schön wäre es. Als Privatdetektiv mit einem chronisch abgegrasten Konto kann man nicht wählerisch sein. Stattdessen lieber verschwiegen. Denn sollte jemand auf dem Platz erfahren, dass ich von einem Landwirt engagiert worden bin, eine gestohlene oder zumindest entführte Kuh zu suchen, dürfte ich beruflich kaum noch ernst genommen werden. Während ich die Eier abschrecke, will mir die Frage nicht aus dem Kopf gehen, warum dieser Lenni mitten in der Nacht sein Auto holen musste. Warum nicht am nächsten Tag und vor allem: in fahrtüchtigem Zustand? Ich verkneife mir weitere Nachfragen. Geht mich nichts an. Linda trinkt den Rest ihres Kaffees aus und sieht mich mit ernstem Blick an. »Wir müssen heute Mittag mal reden. Über unsere Zukunft.« Ich verschlucke mich heftig am Kaffee. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Sätze aus dem Mund einer Frau, die mit den Worten »Wir müssen reden« oder so ähnlich beginnen, nie ein gutes Ende verheißen. Wenn die Zukunft im Spiel ist, schon mal gar nicht. »Wieso? Was ist damit?« »Heute Mittag, jetzt bin ich zu müde«, sagt sie, schmatzt mir ein Küsschen auf die Wange und verschwindet Richtung Schlafgemach. Nachdenklich räume ich den Tisch ab. Ich brauche dringend frische Luft. In jeder Faser meines Körpers steckt eine Nacht im stickigen Zelt mit zu viel Bier und schriller Popmusik. Manolo gähnt wieder ausgiebig, entschließt sich dann aber doch, mich zu begleiten. Wir laufen den schmalen Trampelpfad zwischen einem Maisfeld und dem Abenteuerspielplatz entlang, auf dem bereits die ersten Kinder toben. Was meinte Linda damit? Habe ich irgendwas falsch gemacht? Manolo jagt einen Hasen durch die Maisreihen. Über den Amselweg gehen wir zurück in die Richtung von Lissys Bistro, an dessen Rückseite die Briefkastenanlage des Platzes angebracht ist. Beim Anblick meines leeren Fachs fällt mir ein, dass ich erst gestern Nachmittag hier war. Es gibt gute und schlechte Zeiten. In guten Zeiten ziehe ich einmal in der Woche, spätestens jedoch wenn Kuschel mich ermahnt, einen Wust Werbung aus dem Schlitz und entsorge ihn. In schlechten Zeiten sehe ich dreimal täglich nach, ob jemand die Dienste des besten Privatdetektivs von Happy Eiland in Anspruch nehmen möchte. Die Suche nach Heike drückt mir verdammt schwer aufs Gemüt. Um elf bin ich mit Heikes Herrchen verabredet. Um die Zeit bis dahin totzuschlagen, setze ich mich in den Biergarten und bestelle einen Pott Kaffee. Manolo legt sich neben mich und schläft sofort ein. »War ’ne lange Nacht, was?« Die gertenschlanke Lissy stellt den Kaffee ab und sieht mich süffisant an. In ihrem Gesicht steht ständig dieser Ich-weiß-alles-Blick, und das gar nicht mal zu Unrecht. Seit die damals Fünfundvierzigjährige den Laden vor zehn Jahren übernommen hat, wurde das Bistro immer mehr zum gesellschaftlichen Mittelpunkt auf Happy Eiland. Da wird viel erzählt. »Woher weißt du das?« »Haben mir Gerdas Augen vorhin verraten.« Lissy räumt zwei Frühstücksgedecke vom Tisch, will sie gerade in die Küche bringen, da fällt mir etwas ein. »Sag mal, Lissy … Was meint eine Frau, wenn sie sagt: Wir müssen über unsere Zukunft reden?« »Oh, oh!« Sie sieht mich mitleidig an. Gefällt mir gar nicht. Nun rede doch endlich. Dann wird es ernst. »Ist Linda schwanger?« »WAS?« Manolo fährt hoch, mein Puls ebenso. »Wie sollte das sein …? Ich meine …« »Nun, das ist ganz einfach. Wenn eine Frau und ein Mann sich richtig doll lieb haben …« »Lissy!« Lissy lacht lauthals. Sie merkt, dass mir jedoch nicht danach ist. »Linda lebt mit und bei ihren Eltern auf einem Campingplatz, du lebst mit Manolo hier. Ihr habt euch hier kennengelernt und...




