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E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Kofler Rauhe Sonnseite

Eine Kindheit am Bergbauernhof
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7099-7475-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Kindheit am Bergbauernhof

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-7099-7475-9
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



BERÜHRENDE KINDHEITSERINNERUNGEN VOM LEBEN AUF EINEM OSTTIROLER BERGBAUERNHOF.

Hart war es, aber trotz allem schön - das Leben hoch oben auf der Sonnseite des Osttiroler Pustertales. In seinen Kindheitserinnerungen erzählt der österreichische Romanautor Franz Josef Kofler VON FREUD UND LEID DES BÄUERLICHEN LEBENS UM DIE JAHRHUNDERTWENDE. Locker, amüsant und detailgetreu berichtet er davon, wie es anno dazumal in Haus und Hof zuging, womit die Kinder spielten, was gegessen und angezogen wurde, wovor man sich fürchtete und worüber man sich freute.

Seine Geschichten über die Welt im Kleinen, über Dienstboten und fremde Leute, Heumahd und Dreschen, Osterzeit und Prozessionen erzeugen eine EINZIGARTIG AUTHENTISCHE ATMOSPHÄRE, DIE JEDEN IN IHREN BANN ZIEHT.

Mit einem Vorwort von Johannes Trojer.

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Wir Kinder
Im ganzen waren wir unser sieben Brüder. Einer starb früh an einer Kinderkrankheit, in einem kleinen Sarg trug ihn ein Mann vom Hof nach Sillian, ein kurzer Leichenzug ging dahinter her. Also blieben noch sechs Stück Buben, die wild durch Haus und Feld rammelten. Oft schrien wir so durchdringend und laut, namentlich wenn wir stritten, daß man uns auf der anderen Talseite, in Rabland und Gschwend, hörte, und nicht nur hörte, auch verstand, obwohl das Pustertal bei Sillian nicht sehr schmal ist, eine weite, grüne Ebene, durch die Straße und Draufluß ziehen, die eine am Fuße der Sonnseite, der andere gegenüber nahe der Schattseite. Wir waren alle rasch hintereinander gekommen, zuletzt noch ein süßes, sehr hübsches Schwesterchen, das gar nicht zu uns paßte und mit dem wir nichts Rechtes anzufangen wußten, und das wohl deshalb von den Engeln schon mit sieben Jahren wieder abgeholt wurde. Eine schwere Lungenentzündung hatte es weggerafft, sehr zu unserem Leidwesen und noch mehr zum Leidwesen der Mutter, die gerade eine Stütze an ihm gefunden hätte, denn mit uns war in der Küche nichts zu machen. Unseren Hof hatte erst der Großvater gekauft, wir wußten nichts von den früheren Bauern. Auf »Egg«, wo die Kofler früher hausten, waren die Felder mager und sehr steil gewesen und das Haus war von oben bis unten aus Holz gezimmert, nicht einmal das Erdgeschoß hatte Mauern. Dies alles, so sagte man uns, hätte dem Großvater nicht gepaßt und darum sei er in die »Ochswiese« gezogen, unser Hof, der eben zum Verkauf gestanden wäre. Der Hof war nicht groß. Vater und Mutter mußten zusammenhalten, damit am Schluß des Jahres noch etwas als Notpfennig übrig blieb. Freilich, der Staat hat sich nach dem Ersten Weltkrieg nicht im mindesten um diese sauer gesparten Notpfennige gekümmert und sie mir nichts dir nichts kaputt sein lassen. Sie wurden samt und sonders im wahren Sinn des Wortes »Kriegsopfer«, bittere, schwere Kriegsopfer. Die Mutter starb, noch bevor der Krieg aus war, der Vater mußte erst wieder neu zu sparen anfangen. Als Kinder wußten wir nicht, daß es so enden würde, und auch die Eltern wußten es nicht, die fast noch weniger. Das Geld, uns zu kleiden und zu nähren, brachten hauptsächlich die Ochsen herein, die der Vater im Herbst auf dem Markte in Sillian kaufte, über den Winter mästete und im Frühsommer, wenn der Fremdenverkehr begann, der im Hochpustertal schon damals beträchtlich war, dem Metzger Summerer in Innichen verkaufte. Sparen hieß es ja, aber geizig waren Vater und Mutter deswegen nicht, kein Bettler wurde abgewiesen, und wenn Taglöhner beim Kornschnitt oder beim Mähen aushalfen, kam auf den Tisch, als sei es ein Festtag. Es war nicht einfach, unsere Mägen zu füllen und unsere Blöße zu bedecken. Kam etwas Gutes auf den Tisch, was leider nur selten der Fall war, wurden wir überhaupt nie satt. Im Nu waren dann die Pfannen und Schüsseln leer, wir stemmten die Löffel auf die Tischplatte, als warteten wir auf eine weitere Pfanne. Jeder aß wie ein Drescher. Fünfmal in der Woche gab es Knödel, die mit viel Mehl, wenig Eiern und ganz wenig Speck zubereitet wurden. An ihnen hatten wir uns schon satt gegessen, wenn sie auf den Tisch gestellt wurden, noch übler war es am Freitag, wo Polenta hereingetragen wurde. Später hörte ich, daß Polenta nur die Italiener zu kochen verstehen, geahnt hatte ich es als Kind schon und meine Brüder auch. Wenn die Mutter auf dem hölzernen Fleischbrett den Speck für die Knödel schnitt, fehlte ich ungern. Ich stand neben ihr und sah ihr zu, obgleich mein Kopf nur wenig über die Herdplatte aufragte. Großartig, wie flink sie die kleinen fetten Würfel vom großen Stück herabschnitt. Manchmal, leider sehr selten, geriet einer größer, als die anderen waren. »Der paßt nicht in die Knödel«, sagte ich dann rasch. Bekam ich darauf nicht ein sehr deutliches und klares Nein, war der nach meiner Meinung zu große Würfel schon in meinem Mund verschwunden. Es geschah auch, daß einer der kleinen Würfel vom Haufen, der sich allmählich auf dem Brett angesammelt hatte, wegsprang, weil er keinen ›Familiensinn‹ hatte. »Der will nicht in die Knödel«, sagte ich wieder und wartete diesmal gar nicht erst lange auf ihre Antwort, packte den ›Verlorenen Sohn‹ mit zwei Fingern und schob ihn seiner Heimat zu. Noch weitere Möglichkeiten gab es, ein kleines Voressen zu halten. Ich sagte zur Mutter, daß ich das Brot holen wollte, wenn ich ein paar Speckwürfel bekäme. Nur an Tagen, wo ich mich nicht ordentlich aufgeführt hatte und unfolgsam gewesen war und eigensinnig und rechthaberisch und zornig, schwieg sie oder wies gar mit einer ganz leichten Bewegung der Hand zur Türe. Daß es Herrlichkeiten der Knödelkunst gewesen waren, was auf unseren Tisch kam, kann ich nicht sagen, sie hatten alle möglichen Formen, nur rund waren sie nie und das hätten sie doch zuerst sein sollen. Darüber hätte ich noch am ehesten hinwegsehen können, wenn nur mehr Speck und Fleisch und Eier in den Klößen gewesen wären. Aber wie hätte das sein sollen, bei unserer großen Familie. * Große kirchliche Festtage fielen auch daheim auf. Zwei Tage zuvor nämlich backte die Mutter kleine Germkrapfen, die im Pustertal »Nigelen« heißen. Sie waren zu jener Zeit das große Zeichen des großen Festes. Wenn sie am Herd das Schmalz in der Pfanne heiß machte und die kleinen Teigklumpen hineinlegte, vorsichtig, daß ihr das heiße Schmalz nicht auf die Haut spritzte, versäumten wir Kinder nie, ihr Beistand zu leisten. Sie legte zwar kein großes Gewicht darauf, aber sie schaffte uns auch nicht geradezu aus der Küche. Kamen die ersten Nigelen aus der Pfanne, ging das Betteln los, wenigstens ›kosten‹ wollten wir. »Sie sind zu heiß, ihr verderbt euch den Magen«, sagte die Mutter. Ein wenig warteten wir daraufhin. Wenn sie etwas abgekühlt waren, schob sie jedem eines zu und deutete mit dem Gesicht, daß dort drüben die Tür sei. Wir wären auch sonst gegangen, denn wir hielten es mit den Hennen, die auch abseits ziehen, wenn sie einen guten Brocken erwischt haben. Auf dem Vorsöller bissen wir fröhlich hinein, auf dem Anger ging der Rest zur Ruhe. Gern hätten wir gleich mehrere hintereinander gegessen, aber so viele hätte uns die Mutter nie gegeben. So blieben wir eine Zeitlang im Freien, dann gingen wir doch wieder in die Küche, wir wollten sehen, wie weit die Mutter mit dem Backen gekommen sei. Sie war schon weit gekommen. Die eine Schüssel war ganz voll von den goldgelben Nigelen. Wir hofften, daß ihr eines auf den Boden fiele, das hätte sie uns gewiß überlassen, aber sie wechselte, bevor es geschah, einfach die Schüssel. Am Festtag wurden die Nigelen mit Zucker- oder Honigwasser, wenn es Honig gab, und gestampftem Mohn angemacht auf den Tisch gestellt, aber sie schmeckten uns lange nicht mehr so gut wie am Tage, da die Mutter sie gebacken hatte. Den Rest hatte sie in eine »Reiter« (Getreidesieb) gelegt, die droben in der Ehekammer stand. Von dort ›tröpfelte‹ immer wieder ein Nigele in unsere Hände. Wenn uns die Mutter allein hinaufschickte, gaben wir wohl acht, daß es nicht die kleinsten Nigelen waren, die wir erwischten. Zwei oder drei hätten wir nie genommen, wenn uns die Mutter nur eins gestattet hatte. Den Zucker gab es in Form von Zuckerhüten unterschiedlicher Größe in Panzendorf zu kaufen. Wenn die Mutter einen Zuckerhut mit dem Küchenbeil zu kleinen Brocken aufschlug, achteten wir sehr darauf, ob nicht ein Stück über den Rand der Schürze, die auf dem Fußboden untergebreitet worden war, hinwegspritzte, denn es gehörte uns. Leider gab die Mutter sehr acht und klopfte so vorsichtig mit dem schartigen Beil, daß sich die Bröcklein wie Kücken in der Schürze sammelten. Es gab damals nicht viele Feste im Jahr, wo Nigelen gebacken wurden, zu Weihnachten und zu Ostern, und vor allem an den Kirchtagen. Heute sind die Nigelen- und Krapfenfeste weit zahlreicher, aber sie haben damit auch das Große, Feierliche verloren. Noch seltener war ein anderes Schmalzgebäck, die »Strauben«. Strauben wurden seinerzeit auf den Höfen nur gebacken, wenn ein Hochzeitslader angesagt war, der Vater oder Mutter, meistens beide, in einem alten Spruch, den er auswendig gelernt, oder mit einem neuen, den er selber angefertigt hatte, zur Hochzeit eines Nachbarn oder Verwandten einlud. Er sagte in der Stube den Spruch her, dafür mußte man ihm einen Stock Strauben vorsetzen, sie waren ›hochoffiziell‹. Ich weiß nur ein einziges Mal, daß ein solcher Hochzeitslader auf den Hof kam. Er war längst angesagt und hatte keine kleine Aufregung bei der Mutter und bei der Bas Nanne, unserer Tante, verursacht, beide hatten noch nie in ihrem Leben Strauben gebacken, wenngleich sie wußten, wie es ungefähr zugehen mußte. Es fehlte schon die...


Franz Josef Kofler, geboren 1894 in Heinfels bei Sillian/Tirol, gestorben 1961 in Schwaz. Priester, Lehrer, Literat, Käferforscher. Seine Käfersammlung mit 50.000 Exemplaren befindet sich heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Lange Zeit nach Der Sieger. Bergroman (1922) erschien Rauhe Sonnenseite. Erinnerungen an eine Kindheit am Bergbauernhof 1985 erstmals im Haymon Verlag. Sein literarischer Nachlass besteht aus 700 Manuskripten.



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