Köpf | Das Glück beim Krähenfüttern. Theater- und Filmgeschichten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 129 Seiten

Köpf Das Glück beim Krähenfüttern. Theater- und Filmgeschichten


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944818-30-6
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

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Für die einen sind Theater und Film eine Zauberwelt der Träume und Sehnsüchte, für die anderen aber eine Schlangengrube. In zehn teils ernsten, teils heiteren Erzählungen führt uns Gerhard Köpf in die Welt des schönen Scheins, des Films und der Zirkusmanege und zeigt, was in Wirklichkeit hinter dem Vorhang geschieht oder was sich ereignet, wenn dieser gefallen ist. Dabei wird uns klar, dass Schminke, Maske und Verkleidung, große Gefühle, aber auch Niederlagen und begrabene Hoffnungen nicht nur auf der Bühne zählen, sondern auch im alltäglichen Leben ihren festen Platz haben, eingedenk des Wortes von Arthur Schnitzler: »Wir spielen immer - wer es weiß, ist klug.« Gerhard Köpf, Jahrgang 1948, war 20 Jahre Literaturprofessor an verschiedenen Universitäten des In- und Auslandes, danach Gastprofessor an der Psychiatr. Klinik der LMU München. Für sein mehrfach übersetztes literarisches Werk erhielt er diverse Auszeichnungen wie den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung (Juror: Golo Mann), den Preis der Klagenfurter Jury beim Ingeborg-Bachmann-Preis, das Villa Massimo Stipendium Rom, den Förderpreis der Berliner Akademie der Künste und den Wilhelm-Raabe-Preis. Köpf lebt in München und spielt gelegentlich kleine Rollen in Film, Fernsehen und Theater.

Jahrgang 1948, war 20 Jahre Literaturprofessor an verschiedenen Universitäten des In- und Auslandes, danach Gastprofessor an der Psychiatr. Klinik der LMU München. Für sein mehrfach übersetztes literarisches Werk erhielt er diverse Auszeichnungen wie den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung (Juror: Golo Mann), den Preis der Klagenfurter Jury beim Ingeborg-Bachmann-Preis, das Villa Massimo Stipendium Rom, den Förderpreis der Berliner Akademie der Künste und den Wilhelm-Raabe-Preis. Köpf lebt in München und spielt gelegentlich kleine Rollen in Film, Fernsehen und Theater.

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Von der Seltenheit des Trostes
Gefunden werden wie ein Vogel im Gebüsch. Noch Federn, wäre schön. Dass man sieht: Das konnte einmal fliegen. Martin Walser: Messmers Momente   Man mag es nicht so recht glauben, und es widerstrebt einem, aber selbst auf Friedhöfen wird schamlos gelogen. Da gibt es Gräber, auf denen größer noch als der Name des Verstorbenen das Versprechen in Stein gehauen ist: Die Liebe höret nimmer auf. Oder: Das Leben geht, die Liebe bleibt. Derlei sollte einen zur Vorsicht mahnen, denn häufig sind dies Gräber, die ungepflegt wirken und deren Äußeres krass dem widerspricht, was da in großen Lettern beschworen wird. Auch weiß man von Grabreden, die nicht Nachrufe waren, sondern Nachreden der übelsten Sorte, geschickt verborgen hinter allerlei gleisnerischer Rhetorik. Und viele der an diesem Ort vergossenen Tränen waren Krokodilstränen. Auf meinen Spaziergängen über den Friedhof fiel mir ein Grab auf, das auf besondere Weise vernachlässigt war und mit seinem längst verrotteten Gesteck ein Bild des Erbarmens bot. Der halbhohe Grabstein immerhin aus Marmor war an den Ecken abgebröckelt und wirkte trotz seiner Glätte, die ihm offenbar auch Wind und Wetter nicht nehmen konnten, armselig. Das Grab hatte keine Einfassung, es lag wie ein schmales, ausgebleichtes Handtuch in der zweiten Reihe und drückte sich auf seiner linken Seite sowie mit dem Rücken wie Schutz suchend an eine Hecke. Das alles war umso bemerkenswerter, als die gut lesbare Inschrift auf dem Stein einen Namen verriet, den man mit allem anderen, nur nicht mit einem verkommenen Grab in Verbindung bringen mochte:   Rose Marie Gräfin zu Roche * 1873 – † 1955   Meine Friedhofswanderungen habe ich, den Schatten alter Bäume sowie Stille und Nachdenklichkeit suchend, im Hochsommer aufgenommen. Rasch fand ich, wonach ich mich sehnte, und gewöhnte mir bald eine feste tägliche Route an, die mich von Anfang an wie zwangsläufig an jenem vernachlässigten gräflichen Grab vorbeiführte. Zunächst schenkte ich ihm keine weitere Beachtung, denn solcherart vergessene Tote gibt es viele, doch irgendwann einmal muss ich wohl vor dem Stein stehen geblieben sein und seine Inschrift gelesen haben. Bald war der kaum noch erkennbare kleine Erdhügel vom herbstlichen Laub bedeckt, und es dauerte nicht lange, bis der erste Schnee den gesamten Friedhof in eine schier feierliche Stille versetzte. Auch das Vergessen schien unter der Schneedecke zu verschwinden. Und da sich der Winter ausnehmend lange hinzog und es auch nicht bedeutend wärmer wurde, sodass der Schnee hätte schmelzen können, unterschieden sich die gepflegten und die vernachlässigten Gräber in nichts, denn beide deckte dieselbe weiße Pracht. Lediglich die Spuren einiger Vögel, Krähen zumeist, und die Tapser von Eichhörnchen, die irgendwo ihre Nüsse vergraben hatten, ergaben bisweilen ein eigenartig verspieltes Muster, das mich auf meinen Spaziergängen, die ich auch bei schlechtestem Wetter nicht unterließ, ein wenig nachdenklich stimmte, glichen diese eigenartigen Zeichen im frischen Schnee doch einer geheimnisvollen Schrift, deren Bedeutung ebenso rätselhaft war wie ihr Verlauf. Wo war der Anfang dieser Botschaften, wo ihr Ende? Und vor allem: Wem galten sie? Man hätte meinen können, die Toten schrieben sich gegenseitig Briefe auf dem Schnee oder richteten Nachrichten an die Lebenden, die von diesen jedoch nicht entziffert werden konnten. Ich weiß nicht, ob jener alte Mann, den ich eines Tages ebenfalls über den Friedhof streichen sah und mit den Krähen sprechen hörte, als sei er auf der Suche nach einem bestimmten Grab, ähnliche Gedanken hatte. Er schien mir schon von Weitem, als ich ihn erblickte, in Grübeleien verstrickt, er ging gebückt, sodass sich sein Blick auf den schmalen Weg beschränkte, und die Sprache seines alten, von einem dicken Wintermantel beschwerten Körpers drückte nicht nur Niedergeschlagenheit aus, sondern auch tiefe Nachdenklichkeit. Näher kam ich ihm nicht, denn er bog in die eine Richtung ab, während es mich in die entgegengesetzte zog. Es mochte eine Woche oder mehr vergangen sein, als ich den alten Mann wiedersah. Diesmal streute er Vogelfutter aus einer Tüte und war sogleich von Krähen umschwärmt, die sich mit lautem Krächzen darauf stürzten. Und als ich nach wenigen Tagen Zeuge des gleichen Schauspiels wurde, beschloss ich, mich dem alten Mann zu nähern, um ihn mir ein wenig genauer anzusehen. Doch als hätte er es geahnt, hielt er augenblicklich mit dem Vogelfüttern inne, steckte die Tüte in die Tasche und ging, so zügig es sein Alter zuließ, seines Weges, sodass es mir nicht mehr möglich war, ihm wie zufällig nahe zu kommen. Zu offensichtlich wäre meine Absicht geworden, und es wäre mir peinlich gewesen, den Eindruck zu erwecken, als verfolge ich einen harmlosen alten Mann, der auf dem winterlichen Friedhof Krähen füttert. Ich entschied mich, für die nächsten Wochen eine leicht geänderte Route zu wählen, und sah den Herrn bisweilen nur noch aus großer Entfernung um die Gräber streichen. Doch auch von weit weg erweckte er den Eindruck, als sei er auf der Suche nach einem ganz bestimmten Grab. Dann verschwand der alte Mann eines Tages von der Bildfläche, und ich sah ihn wochenlang nicht mehr. In Anbetracht der skandinavischen Kaltfront, die das Land über einen Monat fest im Griff hatte, war dies auch weiter nicht verwunderlich. Er tauchte erst wieder auf, als das Frühjahr kam und die ersten kräftigen Sonnenstrahlen die Schneeschmelze einleiteten. Ich nahm wieder meine vertraute Route auf und konnte beobachten, wie die Märzensonne die unter den schattigen Resten von schmutzigem und müdem Schnee liegenden einzelnen Gräber zum Vorschein brachte. Und während sich hier und dort bereits die zarten Knospen von Schneeglöckchen und anderen Frühlingsblumen zeigten, sahen die von Haus aus ungepflegten Gräber noch elender und verkommener aus. Der alte Mann jedoch schien fündig geworden zu sein. Jedenfalls sah ich ihn wenigstens einmal wöchentlich vor jenem besonders heruntergekommenen Grab stehen, in dem, wie ich wusste, die Gräfin zu Roche ruhte. Bald aber begann der Mann den restlichen Schnee vom Grabstein zu wischen, die verdorrten Zweige zu sammeln und die Erde zu säubern. Schließlich steckte er sogar eine grüne Plastikvase in die noch immer vom Nachtfrost leicht gefrorene Erde und versah sie mit einem bescheidenen Blumensträußchen. Das alles geschah nicht auf einmal, sondern war die Tätigkeit wiederum mehrerer Wochen. Seit ich jedoch beobachtet hatte, dass sich der alte Mann um das Grab der Gräfin zu Roche kümmerte, machte ich erneut einen Bogen um die Stelle, um die beiden nicht zu stören, zumal mir war, als höre ich den alten Mann bisweilen etwas murmeln oder halblaut vor sich hin sprechen. Als es auf Ostern zuging, war das gräfliche Grab bereits in einem recht ordentlichen Zustand. Eine schmale grüne Einfassung fiel ebenso auf wie einige Blumen, die in die Erde gepflanzt worden waren. Sogar eine kleine Grablampe war jetzt aus meinem gebührenden Abstand zu sehen, in der ein rotes Licht brannte. Ich zog für mich daraus den Schluss, es handle es sich bei dem alten Herrn vermutlich um einen Nachfahren der Gräfin, und wenn ich die fast beharrliche Regelmäßigkeit seiner Besuche in Betracht zog, so hätte es durchaus der Enkel oder ein später Neffe sein können, wenigstens aber einer aus dem weitverzweigten Geschlecht derer zu Roche ... Ich ließ, je öfter ich über diesen anderen Friedhofswanderer nachdachte, meiner Fantasie ein wenig freien Lauf und malte mir, dabei großzügig die Grenzen der Jahreszahlen sprengend, aus, dass es sich am Ende auch um einen verheimlichten Sohn der Gräfin handeln könnte, einen Nachzügler, der, erst nach Jahren von ihrem Tod erfahren, sich auf die Suche nach dem Grab seiner Mutter gemacht hatte oder von weither angereist war, um nunmehr sein Verzeihen über den Tod hinaus durch die Pflege des Grabes zu bekräftigen. Womöglich waren Mutter und Sohn aufgrund unseliger Umstände jahrelang getrennt gewesen, hatten sich am Ende gar aus den Augen verloren, weil jeder den Spuren seines eigenen Lebens hatte folgen oder Rücksicht auf allerlei Standeskonventionen nehmen müssen, und nun waren sie glücklich unglücklich wieder vereint. Am Ende hatte dies womöglich sogar mit den geheimnisvollen Briefen zu tun, welche die Vögel als die Boten der Toten in die Schneedecke geschrieben hatten. Jedenfalls war das Grab der Gräfin zu Roche von Stund an nicht mehr ungepflegt, sondern in bescheidenem Maße geschmückt, sodass man unzweifelhaft erkennen konnte, dass sich jemand regelmäßig darum kümmerte. Junger Efeu rankte sich um den Stein. Solchen romantischen, von einschlägiger Literatur und traurig schönen Melodramen inspirierten Erklärungsversuchen hing ich nach, als ich mir eines Morgens, es war noch früh am Tag und außer uns beiden alten Männern kein Mensch unterwegs, ein Herz fasste, an jenem Grab von Rose Marie Gräfin zu Roche stehen blieb, eine Zeit lang schwieg und schließlich den fremden Herrn von auffallend zartem Wuchs ansprach. Jetzt sah ich, dass seine Kleidung durchaus den gängigen Vorstellungen von einem Repräsentanten des verarmten Adels entsprach. Hemdkragen und Manschetten waren abgewetzt und abgestoßen, am englisch geschnittenen Tweed-Jackett mit schräg aufgesetzten Taschenpatten und einem Extratäschchen für die Billets fehlte ein Knopf, die Krawatte mit weinrotem Paisleymuster, die um den mageren Hals geschlungen war und von einem locker...



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