König | Horizont der Zeiten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 507 Seiten

König Horizont der Zeiten

Franzosenzeit
4. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7598-9721-3
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Franzosenzeit

E-Book, Deutsch, 507 Seiten

ISBN: 978-3-7598-9721-3
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Anno 1800. Vieles im Dorf Morle hat sich verändert. Feuersbrünste und blutige Kriege haben seine Einwohner geprägt, und selbst der Name des Dorfes durchlief in den 650 Jahren, die seit den Tagen des jungen Konrad aus der Erzählung Natalis Domini vergangen sind, eine Metamorphose. Aus Morle wurde Mörlen. Der Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert konfrontiert nicht nur Familie Mathes aus Ober-Mörlen mit drama-tischen Umbrüchen. Nach der Annexion der linksrheinischen Gebiete durch Frankreich und der Auflösung von Kurmainz, wird das Dorf dem Machtbereich des hessischen Landgrafen Ludwig X. zugeschlagen. Was sich zunächst nicht wie eine große Veränderung anfühlt, wird bald zu einem Problem. Zum einen macht sich ein Unteroffizier des Landgrafen in der Dorfbevölkerung unbeliebt und schikaniert die Menschen. Doch dann muss Hessen auch noch dem Rheinbund beitreten und die jährlichen Abgaben werden immer erdrückender. Napoleons Kriegsmaschinerie braucht das Geld zur Finanzierung der Kriege. Die Machtgier des französischen Kaisers verändert nicht nur Europa, sondern wirkt bis hinein in das Dorf an der Usa. Franz Johann Mathes, seine Frau Katharina und die gesamte Familie werden vor ungeahnte Schwierigkeiten gestellt. Bald wachsen sich diese zu Herausforderungen aus, die sich nicht ohne persönliche Opfer bewältigen lassen. Dieses Schicksal zu ertragen, bringt Franz und Katharina an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Was erwartet wohl die Familie in dieser Franzosenzeit und wie geht es für sie weiter hinter dem Horizont Der Zeiten?

Thomas W. König, Jahrgang 1955, studierte an der TH in Darmstadt Informatik, arbeitete zunächst als Softwareentwickler und wechselte später in die Qualitätssicherung von Computersys-temen für die pharmazeutische Industrie. Der Einstieg in die Romanwelt gelang ihm Ende des letzten Jahrhunderts mit der historischen Erzählung »Natalis Domini«. Doch erst im Ruhestand beschäftigte er sich intensiv mit der Publikation und ließ seinem Erstlingswerk weitere Bücher folgen. Schnell fand er sein Publikum. Die Wetterauer Zeitung schrieb in Nachbetrachtung einer Lesung »Die Leser dürfen sich auf fesselnde Storys mit viel Hintergrundinformation freuen«, was er auch im vorliegenden Roman wieder unter Beweis stellt. Heute lebt T. König mit seiner Frau in Bad Nauheim.
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Ein neues Jahrhundert


1799 - 1800

Die Ziffern Eins und Sieben hatten endlich ausgedient. Mit diesem 1. Januar brach nicht nur ein neues Jahr an, diesmal war es gleich der Beginn eines völlig ungebrauchten Jahrhunderts. Franz Johann Mathes und seine Frau Katharina Theresia begingen den Jahreswechsel in aller Stille. Sah man einmal von der Geburt ihrer beiden Söhne Karl Heinrich und Johann Remigius in den Jahren 1797 und 1799 ab, so hatte das alte Jahrhundert nichts dazu beigetragen, etwas zu schaffen, woran sie mit ihren Herzen hingen. Infolgedessen kamen in dieser Silvesternacht auch keine wehmütigen Sentimentalitäten auf, derentwegen sie dem vergangenen Jahrhundert nachtrauerten.

Selbst ihre Eheschließung vor fünf Jahren war nicht unbedingt die Liebesheirat, von der ein junges Paar träumte. Ihre Väter hatten die Ehe ausgehandelt und die beiden Kinder hatten dieser Entscheidung Folge zu leisten, basta!

Der Handel, den Josef Mathes mit seinem Dorfgenossen Heinrich Scheibel im Jahr 1794 eingefädelt hatte, war nicht zu ihrem materiellen Nachteil gewesen. Neben den üblichen Brautgaben wie einem Bettgestell, einem Strohsack und Bettzeug, bestehend aus zwei Daunendecken und drei Kopfkissen, die der Bräutigam in die Ehe mit einzubringen hatte, sowie einer Mitgift der Braut von Bettwäsche, Handtüchern, Tischdecken, Koch- und Essgeschirr, waren dabei auch achtzehn Morgen Land von guter Qualität in den Besitz der Hochzeiter übergegangen. Jede Familie hatte neun Morgen Ackerboden beigesteuert. Dazu kam die leerstehende Hofreite in der Hintergasse, wo bereits Katharinas verstorbene Großeltern gelebt hatten. Zwei Kühe, eine Muttersau mit fünf Ferkeln, drei Schafe und eine kleine Schar Gänse vervollständigten den neuen Besitz der Brautleute. Alles in allem eine grundsolide Basis für die Gründung einer Familie.

Dass Katharina eigentlich mit dem Sohn eines Handwerkers aus Ziegenberg kokettiert hatte, war für keinen der Väter ein Hinderungsgrund gewesen. »Man heiratet nicht weg vom Dorf!«, war seinerzeit Heinrichs wichtigstes Argument gegen das Techtelmechtel seiner Tochter mit dem jungen Mann aus dem Nachbardorf gewesen. Es hatte zweifelsfrei seine Vorteile, jemand aus dem Ort zu heiraten. Die Familien kannten sich seit Generationen, die Äcker des jungen Paares lagen alle in der gleichen Gemarkung und vor allem waren beide katholisch getauft; ganz im Gegensatz zu Katharinas ursprünglicher Schwärmerei. Ziegenberg war nun einmal protestantisches Gebiet und man kannte ja die Schwierigkeiten, die solch eine Mischehe mit sich brachte. Nein, Franz war die bessere Partie und so waren sich Heinrich Scheibel und Josef Mathes denn auch rasch einig geworden.

Zur Überraschung der beiden jungen Leute hatte die Zeit den Vätern sogar recht gegeben. Katharina wurde Franz eine gute Ehefrau und Franz sorgte für das Wohlergehen der Familie. Aus der ursprünglichen Zweckehe war mit den Jahren so etwas wie der Beginn einer Liebe gewachsen. Je besser sich die Brautleute kennenlernten, desto mehr wandelte sich die anfängliche Wertschätzung in Sympathie und daraus erwuchs eine gegenseitige Zuneigung. Spätestens mit der Geburt der beiden Söhne hatten sich auch ihre Herzen gefunden. Heute konnte sich Katharina nicht mehr vorstellen, einen anderen Mann als Franz zu lieben.

»Hoffen wir mal, dass sich nicht nur die Zahlen, sondern auch die Zeiten ändern werden«, meinte Franz, als er sich zur späten Stunde ins Bett begab. Auch seine Frau hatte bereits das Nachtgewand übergestreift und war dabei, sich für die Nacht vorzubereiten. Sie saß auf der Bettkante und kämmte ihr langes Haar aus. Bevor sie es zu einem Nachtzopf flechten konnte, meldete sich ihr Sohn Johann lautstark aus der Wiege zu Wort.

»So schnell ändert sich nichts, Franz!«, seufzte sie müde und nahm den Jungen aus seinem Bettchen. »Auch wenn jetzt eine achtzehn vor der Jahreszahl steht, der Hans will immer noch seine Nachtmahlzeit.«

Als sie ihn hochhob, schlug ihr ein bestens bekannter Geruch entgegen. Die junge Frau drehte den Hintern des Säuglings zu ihrer Nase. Lächelnd verzog sich ihr Gesicht. »Und die Windeln hat er auch schon wieder voll!«

»Sieh zu, dass der Bub rasch wieder einschläft«, gähnte Franz und drehte sich zur Seite. Der gerade einmal sechseinhalb Wochen alte Hans war schließlich nicht seine Aufgabe.

Katharina legte eine Decke auf ihr Bett und wickelte ihren Sohn aus dem Paket von Lein- und Wolltüchern.

»Ach Bub, was haste dich wieder verschissen.«

Mit spitzen Fingern befreite sie ihn von seiner Notdurft und warf die verschmutzte Wäsche in einen blechernen Eimer. Zur Geruchseindämmung schob sie rasch einen Deckel darüber. Gleich morgen früh würde sie die Windel auswaschen.

Anschließend säuberte sie das Kind mit einem weichen Tuch, wusch es und puderte Genitalbereich und Po mit reichlich Kartoffelstärke ein. Dann legte sie dem Jungen eine neue Windel an, schlang ihn wieder in eine Wolldecke und schob ihr Nachthemd über die schweren, mit Milch gefüllten Brüste.

Hastig sog Hans die ersten Tropfen aus ihrer Brust. Doch schon nach wenigen Zügen fielen ihm wieder die Augen zu. Katharina strich ihm aufmunternd mit ihrem Finger über die Wange. Sie war sich bewusst, dass er mehr trinken musste, wenn er nicht gleich wieder von neuem zu quengeln beginnen sollte. Auch sie war müde und wollte wenigstens einige Stunden ihre Ruhe haben.

Ein Blick auf Franz zeigte ihr, dass ihr Mann schon eingeschlafen war. Mann müsste man sein, dachte sie und motivierte Johann zu ein paar weiteren Schlückchen Milch. Ihre liebevollen Streicheleinheiten weckten den Kleinen. Mit großen Augen strahlte er seine Mutter an. Sein Lachen entschädigte Katharina für den aufgeschobenen Schlaf.

Nachdem Hans fertig getrunken hatte, legte sie ihn über ihre Schulter und wartete, bis er mit einem geräuschvollen Bäuerchen seine überschüssige Luft ausgestoßen hatte. Dann bettete sie ihn zurück in die Wiege und löschte die Kerze.

Die Frau lag noch lange wach und fand keinen Schlaf. Ein neues Jahrhundert. Was es wohl bringen wird? Das Alte hatte viel Elend und Not in seinem Gepäck. Bei der letzten Jahrhundertwende dauerte es nur wenige Jahre, bis ein verheerender Brand fast das gesamte Dorf ausgelöscht hätte. Zündelnde Kinder hatten im Sommer 1716 gar nicht weit von ihrem heutigen Wohnhaus entfernt eine Feuersbrunst entfacht. Die meisten Gebäude im Ort waren ihr damals zum Opfer gefallen. Selbst die große steinerne Kirche hatte es erwischt und sie war bis auf wenige Reste des Hauptschiffes und des unteren Teils des Turmes völlig zerstört worden. Von ihrem Großvater wusste sie, dass man vierzehn Jahre gebraucht hatte, um die Kirche wieder an gleicher Stelle aufzubauen. Seitdem besaß die Remigiuskirche eine andere Turmhaube. Früher stieg die Turmspitze in einer vierseitigen Pyramide in die Höhe. Heute fand man dagegen eine achteckige, sich in drei Abschnitten verjüngende Haube auf dem Turm. Ganz oben zierte nun ein vergoldeter Wetterhahn die Spitze und war von überall im Dorf gut zu sehen.

Auch der weitere Verlauf des alten Jahrhunderts hatte nicht mit Nackenschlägen gegeizt. Der siebenjährige Krieg hatte die Wetterau nicht verschont und war auch über ihr Dorf hergezogen. Vom Mai 1756 bis nach dem Winter 1762/63 stritten sich die Großmächte Europas wieder einmal, wer welche Gebiete in Übersee als Kolonie beanspruchen dürfe. Massive Handelsinteressen hatten den Krieg zu Lande und zu Wasser bis nach Amerika und Indien getragen.

Katharina verstand nicht viel von der großen Politik. Aber es interessierte sie, was um ihre Heimat herum passierte. Als der Krieg 1762 die Wetterau erreichte und eine erbitterte Schlacht am Johannisberg ausgetragen worden war, musste es für ihr Dorf schlimm gewesen sein. Sie war damals noch nicht geboren und das war gut so. Es schauderte ihr bei dem Gedanken. Hoffentlich würde ihrer Familie und ihr ein solches Schicksal erspart bleiben.

Bei dem Gedanken, dass einer ihrer Söhne Karl oder Johann in eine Schlacht ziehen müsse, zog sich ihr das Herz zusammen.

»Lieber Gott, beschütze meine Kinder, meinen Mann und mein Dorf«, murmelte sie und machte ein Kreuzzeichen. Doch dann wurde ihr bewusst, wie nahe sie auch heute wieder vor einer furchtbaren Auseinandersetzung standen. Die Franzosen – wer auch sonst – bedrohten zum wiederholten Male Europa. Schon vor über zehn Jahren hatten sie sich gegen ihren König Ludwig XVI. gestellt und ihn 1793 sogar hingerichtet. Eine blutige Revolution war ausgebrochen und seitdem war das Franzosenland in Aufruhr.

Sie war damals schon eine junge Frau und hatte mitbekommen, wie sich ihr Vater mit anderen Männern über die Zustände im fernen Frankreich unterhielt. War dieses Land für sie auch weit entfernt, so wusste Katharina doch, dass französische Truppen Mainz besetzt hielten – und das schon seit 1792. Ober-Mörlen, ihr Dorf, gehörte noch immer offiziell – genau wie die Nachbardörfer Nieder-Mörlen, Oppershofen und Rockenberg – zu den kurfürstlichen Enklaven in der Wetterau. Damit lagen sie also durchaus in Reichweite und vor allem im Interessensgebiet der Franzosen.

Immer wieder fielen die westlichen Nachbarn auch bis in heimatliche Gebiete ein und brachten Dörfern und Städten Not und Zerstörung. Im Oktober 1792 hatten sie die Saline in Nauheim überfallen, Salz im Wert von fünfzigtausend Talern geraubt und an Frankfurt verkauft. Hundertfünfzig tapfere Männer standen damals eintausendfünfhundert Franzosen gegenüber. Die Brandschatzung Nauheims konnten die Soldaten um Hauptmann Mondorf zwar verhindern, den Salzraub jedoch nicht.

Und jetzt drängte ein neuer Führer nach vorn. Ein...



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