E-Book, Deutsch, 762 Seiten
König Der Sechste Tag
8. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7565-3776-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 762 Seiten
ISBN: 978-3-7565-3776-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
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Im System der VESTAG-Planeten hat die Sonne ein kritisches Alter erreicht. Sie wird sich bald zu einem Roten Riesen aufblähen und sterben. Höchste Zeit für die Bewohner, sich nach einem anderen Lebensraum umzuschauen. Raumschiffe wurden ausgesendet, eine neue Heimat zu finden. Eines davon ist die VESTAG III. Am Rande einer fernen Galaxis findet Commander Kirhan ein System mit zwei Planeten, die endlich einen Erfolg für ihre Mission versprechen. Doch ihre Aufgabe beschränkt sich nicht nur auf die Suche nach einem neuen Lebensraum, sie sollen auch ihre DNA auf eine humanoide Spezies des Planeten applizieren, damit spätere Siedler eine ihnen genetisch verwandte Menschenpopulation vorfinden. Eine Gruppe von Experten wird aus dem Kälteschlaf geweckt und zur Sondierung des Sonnensystems entsandt. Die äußeren Himmelskörper sind eine einzige Enttäuschung; Eis- und Gasplaneten weit weg von jeglicher Chance auf menschliches Leben. Selbst Orbit 4, ein Planet, den man in die Klasse BLAU eingestuft hatte, entpuppt sich als eine lebensfeindliche rote Sandwüste. Erst als die vier Pioniere Pollan, Honak, Minsu und Kossa Orbit 3, den drittnächsten Sonnentrabanten, erreichen, sind sie überwältigt von dessen Schönheit. Es gibt Wasser in Fülle, Landmassen mit üppiger Vegetation und eine Atmosphäre mit hervorragender Atemluft. Mit einem Alter von 4,5 Milliarden Jahren befindet sich Orbit 3 in der Epoche, als auf VESTAG sich die ersten intelligenten Lebensformen entwickelten. Hier will man das tun, was Gott nach der heiligen Schrift am sechsten Tag tat: Menschen erschaffen! Doch noch bevor die wissenschaftlichen Vorarbeiten zur Erforschung des Planeten richtig beginnen können, unterläuft Astro-Biologin Kossa ein folgenschwerer Fehler...
Der Autor studierte an der TH in Darmstadt Informatik, arbeitete zunächst als Softwareentwickler und wechselte später in die Qualitätssicherung von Computersystemen für die pharmazeutische Industrie. Seine Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen entdeckte er bereits in der Schulzeit. Doch erst kurz vor seinem 39. Lebensjahr entschloss er sich zu einem ersten Roman. Unter dem Pseudonym Tim Goonshake, einem Anagramm seines bürgerlichen Namens, verfasste er mit Natalis Domini ein historisches Familien-Epos und siedelte es in seiner unmittelbaren Heimat, der Wetterau des 12. Jahrhunderts, an. Nun hat er mit seinem jüngsten Werk Der Sechste Tag den Sprung ins Science-Fiction-Lager gewagt.
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Panspermie
1 Lautlos glitt die metallene Tür zur Seite und integrierte sich vollständig in die Seitenwand. Erst als die junge Frau die Öffnung durchschritten hatte, schob sie sich wieder zurück in ihre ursprüngliche Lage und hinterließ nicht den Hauch einer Idee, dass hier eine Tür die Wände des Raumkreuzers teilte. Mit selbstsicherem Schritt durchmaß die Wissenschaftlerin die kahlen, mattsilbernen Gänge und folgte dem Hologramm, das ihr den Weg zur Brücke wies. Trotz des leichten Schuhwerks an ihren Füßen, hallte jeder Tritt metallisch wieder und erfüllte den Gang mit dem typischen Klack-Klack-Geräusch, das man an Bord des Schiffes fast überall hörte. In ihren zierlichen Händen hielt sie eine kleine Glaskugel von der Größe eines Golfballes und war bemüht den Behälter trotz ihres forschen Schrittes so ruhig wie möglich zu halten. »Wie weit ist es noch bis zur Brücke, Guide?«, frage sie, nachdem sie schon viele Korridore durchquert hatte. »Wenige Schritte«, antwortete das Hologramm und manifestierte sich für den Augenblick der Antwort in das neutrale Gesicht eines geschlechtslosen Wesens. Die Frau seufzte leicht und meinte: »Mach hin. Das Serum wird nicht ewig stabil bleiben. Ich muss es schnellstmöglich Calisa zeigen.« »Du hättest deine Chefin zu dir bestellen sollen, das wäre einfacher gewesen.« Die Schöpfer des Hologuides hatten die künstliche Intelligenz ihres Produkts mit einer Prise Schalkhaftigkeit gewürzt, die der Hologuide immer wieder einzusetzen wusste. »Hab‘ ich versucht, du kleiner Klugscheißer. Aber der Commander beanspruchte ihre Anwesenheit auf der Brücke. Also, was macht eine pflichtbewusste Mitarbeiterin?« »Ich verstehe. Wir sind gleich da.« Wieder öffnete sich in der Wand eine Gleittür und gab den Blick in den Kommandostand des Kreuzers frei. Rund um den Raum spannte sich ein Ring aus mattglänzendem Glas. Winzige Leuchtpunkte formierten sich zu immer neuen Bildern und Informationen, die die Position des Schiffes im interstellaren Raum anzeigte. Für Kossa waren es unverständliche Hieroglyphen. Sie verstand nichts von Navigation, aber ihr Wissen reichte, um zu erkennen, dass sich das Sternenschiff VESTAG III wieder einem neuen Sonnensystem näherten. Oberhalb des Glasrings sorgte ein großes Panoramafenster für einen Blick hinaus ins Universum. Myriaden von Gestirnen malten in fast allen Farben des Spektrums Punkte, Nebel und Wolken auf das Schwarz der Unendlichkeit. In der Mitte des Raumes kontrollierte ein mittelgroßer Mann, der nach Kossas Einschätzung am Ende seiner besten Jahre angekommen schien, den Flug des Schiffes. Ins Auge stach Kossa sofort sein langes schlohweißes Haar, das er zu einem Knoten gewunden und auf dem Kopf festgesteckt hatte; nur eine Strähne fiel aus diesem Knoten heraus und hing ihm über den Rücken. Der ungewöhnliche Schopf verlieh dem Mann eine gewisse Aura von Autorität. Bekleidet war er mit dem silbergrauen Overall der Konföderation, gleicher Machart, wie ihn jedes Mitglied der VESTAG-Besatzung auf dieser Mission trug. Die Frau neben ihm war das Ziel Kossas Besuches auf der Brücke. Die Chef-Biologin und Bordärztin der VESTAG verantwortete neben der Gesundheit ihre Kolleginnen und Kollegen, auch das biologische Entwicklungsprogramm ihrer Mission. Kossa war Mitarbeiterin ihres Teams. Die Frau mittleren Alters trug eine modische Kurzhaarfrisur. Ihr dunkelblondes Haar rahmte ein attraktives Gesicht, das durch fast nicht wahrnehmbare Fältchen gereift war. Calisa lauschte, ihren Blick auf eine Sternformation des Weltraums gerichtet, den Erklärungen Kirhans, der ihr mit gestenreichen Worten die Szenerie hinter dem Panoramafenster erläuterte. Kossa trat durch die entstandene Öffnung und sogleich erlosch das Guide-Hologramm, das sie hierhergeführt hatte. Commander Kirhan unterbrachen abrupt das Gespräch mit Calisa und blickte zu ihr herüber. »Oh, da ist ja die viel gerühmte Brühe!«, begrüßte sie der Mann und erhob sich von seinem Sitz. Kossa sah den Mann heute erstmals aus nächster Nähe. Sie hatte ihn beim Aufbruch ihres Schiffes auf der Begrüßungsveranstaltung von weitem gesehen und kannte ihn ansonsten eigentlich nur aus der 3D-Animation, die von jedem Bordmitglied verteilt worden war. Als er sich erhob, bemerkte sie sofort, dass der Commander unübersehbar ein Halbandroid war. Die hybrid-organische Prothese ersetzte seinen menschlichen Körper von der Hüfte an abwärts. So etwas hatte Kossa so noch nie zuvor gesehen. Dass jemand seine Beine durch Kunstglieder austauschen musste, war nichts Besonderes. Doch dieser Mann hatte sogar den gesamten Unterleib auswechseln lassen. Ein Anflug von Bedauern legte sich auf Kossas Gemüt. Wie der Commander ohne seinen Pullermann auskommen konnte, war ihr ein Rätsel. Das Leben musste ihm schon so manches abverlangt haben. »Brühe!?« Kossas Augen zogen sich merklich zu Schlitzen zusammen. »Wissen Sie eigentlich, wie viel Arbeit in der Entwicklung dieser Brühe steckt, Commander?«, entgegnete sie. Sie hatte Mühe, die Erregung aus ihrer Stimme zu verbannen, denn was sie in den Händen hielt, war das Ergebnis harter Forschungsarbeit. Allein heute hatte sie über elf Bordstunden im Labor gestanden, um das Panspermie-Serum in einer weiteren Stufe zu stabilisieren. Sie war müde und abgespannt von der Tätigkeit und fand es respektlos, dass man das Ergebnis ihres Schaffens als Brühe bezeichnete. »Schon gut, Kossa«, besänftigte die Chef-Biologin und Medizinerin den Unmut ihrer Mitarbeiterin. »Commander Kirhan weiß wohl zu schätzen, was wir für die Mission leisten. Dass du gerade jetzt das Serum in einen stabilen Zustand versetzen konntest, kann man fast als Fügung des Schicksals bezeichnen. Commander Kirhan hat mir soeben mitgeteilt, dass wir in Kürze ein weiteres SOL-G2 System erreichen. Unsere Mission steht nach all den bisherigen Fehlschlägen kurz vor einer neuen Bewährungsprobe. Da kann das Ergebnis deiner Arbeit für unseren Erfolg sehr hilfreich sein.« Kirhan nickte. Über sein leicht pockennarbiges Gesicht, huschte ein einschmeichelndes Lächeln: »Bitte entschuldigen Sie meine verbale Entgleisung. Wie könnte ich gegenüber zwei so bezaubernden Damen Abwertendes im Schilde führen? Ohne Ihre Arbeit wäre unsere Reise weiter ein einziges Lotteriespiel. Jetzt aber könnten wir uns berechtigte Hoffnung machen, unserer Mission mit Erfolg zu krönen.« Er deutete auf die kleine Kugel in Kossas Händen. »Denken Sie, dass diese Charge des Serums der Durchbruch ist?« »Ich bin überzeugt, meine Arbeit bringt uns dem Ziel ein ganzes Stück näher«, nickte die junge Frau und reichte die Kugel ihrer Chefin. Calisa hob die Kugel und prüfte sie gegen das Licht. »Wie lange konntest du die Stabilisationsphase ausbauen?« »Die letzten Versuche haben ein Minimum von zwölf Stunden ergeben. Tendenz steigend. Wenn ich weiter Parameter optimieren kann, ist eine Haltbarkeit von einem oder gar mehreren Tagen sicherlich keine Illusion mehr.« Wortlos aktivierte Calisa den Extruder in der Kommandokonsole vor ihnen und tippte einen Code auf die sensitive Folie. In Sekundenschnelle baute sich ein mit Plasma gefülltes Gefäß auf, in das Calisa die Kugel vorsichtig eintauchen ließ. »Computer: Datenauswertung und Transmission!«, bestellte sie den entsprechenden Service und wand sich ihrer Kollegin zu. »Wir werden es in wenigen Augenblicken wissen. Laut Commander Kirhans Aussage erreichen wir morgen das Zielsystem. Eine erste Analyse unserer ausgesandten Diagnosesatelliten hat ergeben, dass von den acht SOL-G2-Planeten zwei in der habitablen Zone des Sterns liegen. Sie könnten also für unsere Panspermie-Mission geeignet sein. Mit deinem Serum ist der Erfolg greifbar.« Kirhan trat neben die Chef-Biologin und musterte deren junge Mitarbeiterin mit unverhohlenem Interesse. »Sie sind noch sehr jung. Wie lange arbeiten Sie schon an dem Serum?« Sein Blick glitt langsam taxierend an Kossa herab. Er kannte sie nur flüchtig, denn auch dem obersten Kommandanten des Schiffes war es unmöglich, alle Mitglieder der Mission in jeder Einzelheit im Gedächtnis zu haben. Doch was er sah, brachte ihn zu dem Schluss, dass es sich durchaus lohnte, Kossa näher zu beachten; er hatte ein Faible für attraktive Frauen. Viele davon liefen ihm im Augenblick jedoch nicht über den Weg. Die VESTAG III war ein Raumschiff der K-Klasse, wobei K für Kryostase – Kälteschlaf – stand. Im Volksmund wurden die Schiffe auch Schläferschiffe genannt. Die riesigen Distanzen, die Raumfahrzeug der K-Klasse zurücklegen mussten, um ihrer Mission gerecht zu werden, konnten von ihrer Besatzung nur überlebt werden, indem sie die meiste Zeit tiefgefroren in den Kältekammern verbrachten. Kirhan wusste genau, dass die Mehrheit seiner Crew im Moment noch in den Schlafkabinen darauf warteten aufgeweckt zu werden. Nur gut ein Dutzend Wissenschaftler – und natürlich ihn, den Leiter der Expedition – hatte der Bordcomputer vor drei Wochen aus dem Kälteschlaf geholt, um sie auf die Ankunft im System des G2-Sterns mit der Leuchtkraft V vorzubereiten. Kossa war Mitarbeiterin im Stab der Astro-Biologen, die vor Erreichen eines neuen Zielsystems die tiefgefrorenen Sourcen des Panspermie-Serums aufbereiteten, um daraus eine brauchbare und stabile Charge des Impfstoffes herzustellen. Der Auftrag der VESTAG-Konföderation für die Panspermie-Mission war klar umrissen: Eine neue Welt für die Ausbreitung menschlichen Lebens musste gefunden werden, da die zu erwartende Restlebenszeit ihrer Heimatsonne die kritische Periode von einer Million Zyklen unterschritten hatte. In weniger als einer Million Jahren würde die Kernfusion ihres...