Knor DSA 87: Dunkle Tiefen
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86889-888-0
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Roman Nr. 87
E-Book, Deutsch, Band 87, 304 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-86889-888-0
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Daniela Knor wurde am 30.10.1972 in Mainz geboren. Zunächst studierte sie Anglistik, Ethnologie und Vor- und Frühgeschichte, wechselte dann aber zu Geschichte, Neuerer deutscher Literaturwissenschaft und Psychologie. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie einen biologisch bewirtschafteten Obstbaubetrieb gepachtet und lebt nun in Würzburg. Sie ist hauptberuflich Schriftstellerin geworden und in insbesondere für ihre Fantasy- und historischen Romane bekannt.
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1. KAPITEL
Eine kleine Binge der Angroschim, westlicher Eisenwald, 1028 BF
Der helle Klang von Metall auf Metall hallte von den Wänden des schmalen Stollens wider. Ping, ping, ping. Drei schwere Schlägel prallten in einem sich stetig wandelnden Rhythmus auf die Eisen, deren Spitzen sich in das erzhaltige Gestein fraßen.
Wenn es nur mal noch erzhaltig wäre, dachte Ortosch missmutig. Die paar Bröckchen lohnen doch kaum den Aufwand. Sicher war das hier ein guter Erzgang, als Großvater ihn entdeckt hat. Aber wir hätten längst nach einer tieferen Lagerstätte Ausschau halten sollen, anstatt diese Strecke immer weiter zu treiben.
Diese Gedanken spukten ihm schon seit Beginn der Schicht durch den Kopf. Sie drehten sich im Kreis, verwoben sich mit dem Klingen von Eisen und Stein, dem leisen Echo und dem unermüdlichen Gesang der kleinen Swerkablaumeise in ihrem Käfig. Sie formten ein Lied, das sich in endloser Folge wiederholte, während er selbst dazu den Takt schlug. Es beschäftigte seinen Verstand, hüllte ihn in Selbstvergessenheit, während seine Arme wie von Zauberhand bewegt ihre monotone Arbeit verrichteten.
Kleine Felsstücke und Staub rieselten unter seinen Händen zu Boden, und wenn ein größerer Brocken fiel, wichen seine Füße in den ledernen Stiefeln der Gefahr ganz ohne sein Zutun aus. Er war für diese Arbeit geboren worden. Die Stiele seiner Werkzeuge lagen in seinen Fäusten, als seien sie mit ihm verwachsen. Die Muskeln der kräftigen, behaarten Arme zeigten noch immer kein Zeichen der Ermüdung, obwohl er bereits zwei Stunden auf das Gestein einhämmerte.
Dennoch fühlte er sich dabei nicht glücklich. Er spürte zwar die grimmige Befriedigung, sich Stück für Stück weiter in das Innere des Gebirges zu fressen, doch die tiefe Zufriedenheit, von der ihm seine Verwandten schon als Kind berichtet hatten, wollte sich bei ihm einfach nicht einstellen.
Was Vater nur wieder darin bestätigen würde, dass mein Weg eben der des Drachenkämpfers ist... wenn er davon wüsste, was in mir vorgeht.
»So, Trinkpause!«, verkündete Fadrim Sohn des Fobosch. »Mein Hals fühlt sich schon an wie eine Schutthalde.«
Ortosch blinzelte irritiert, als der Rhythmus, der ihn getragen hatte, so plötzlich abbrach. Wie aus weiter Ferne kehrte sein Bewusstsein zu den anderen Angroschim in den Stollen zurück. Erst jetzt bemerkte er, dass auch seine Kehle rau geworden war und seine Kopfhaut unter dem gefütterten, stählernen Helm juckte.
Der junge Xorrox, dessen Bartstoppeln erst ein paar lächerliche Rim [Zwergisches Längenmaß: 1 Rinn = etwa 0,4 cm] lang waren, stellte die Schaufel ab, mit der er das von den Hauern losgeschlagene Gestein in einen Eimer beförderte. War der Kübel voll, leerte er ihn in die Lore aus, neben deren Gleis der Wasserschlauch lag, den Xorrox nun holte.
»Hat jemand Hunger? Soll ich auch was zum Essen mitbringen?«, fragte er in die Runde.
Die drei älteren Männer schüttelten die Köpfe und nicht einmal Ortosch konnte sich ein Grinsen verkneifen. Jeder von ihnen wusste, dass Xorrox Sohn des Schrogrim mit einem unersättlichen Appetit gesegnet war und nur einen Vorwand gesucht hatte, um die Notrationen antasten zu dürfen.
»Dann eben nicht«, grummelte der dicke Lehrjunge.
Er reichte seinem Großvater als Erstem das Wasser, wie es dem erfahrenen Angroscho mit seinen zweihundertzwölf Jahren zustand. In Fadrims feuerrotem Haar zeigte sich seit einer Weile erstes Weiß und sein sorgfältig gekämmter Bart, dessen zwölf hineingeflochtene Zöpfe für die Anzahl der von ihm besiegten Gegner standen, wallte bis weit über den breiten, ledernen Gürtel. Unerschütterliche Zuversicht lag in seinen dunkelgrünen Augen.
Die Ähnlichkeit zwischen dem untersetzten Fadrim und seinem für gerade einmal dreiundzwanzig Jahre viel zu beleibten Enkel Xorrox war unübersehbar. Sie lag nicht nur in dem ebenfalls flammend roten Haarschopf, der struppig unter dem Helmrand hervorlugte, sondern auch in den rundlichen Gesichtszügen. Darüber konnten selbst die kohlschwarzen Augen des Lehrjungen nicht hinwegtäuschen.
»Hat unsere Arbeit hier denn überhaupt noch Sinn?«, wagte Ortosch einzuwenden, während Fadrim den Beutel an seinen Sohn Balbarosch weitergab. »Natürlich verstehe ich nicht annähernd so viel davon wie du, Onkel, aber mir kommt es vor, als enthielte das Gestein kaum noch Erz.«
Balbarosch, der im Gegensatz zu seinem Vater und seinem Neffen eher grobknochig als feist gebaut war, schoss Ortosch einen strafenden Blick zu.
Was fällt einem Kurzbart wie dir ein, die Entscheidungen der Älteren in Frage zu stellen!, stand darin deutlich zu lesen.
Ortosch hatte nichts anderes erwartet. Seit seiner Feuertaufe vor vier Jahren schenkte man selbst halben Kindern wie Xorrox mehr Aufmerksamkeit als ihm, dem unerprobten Jungmann, der weder Verdienste um die Sippe noch ruhmreiche Heldentaten, ja nicht einmal besonderes Geschick in einem Handwerk vorzuweisen hatte. Manchmal fühlte er sich wie ein rohes, ungeschmiedetes Stück Eisen aus der Schmelze, das völlig nutzlos war, solange es niemand in eine brauchbare Form brachte. Doch bis Angrosch aus ihm ein Werkzeug oder eine Waffe geschmiedet haben würde, mochten nach Ansicht der anderen noch hundert Jahre vorübergehen. Ortosch selbst bezweifelte, dass es jemals dazu kam.
»Dein Eindruck trügt dich nicht«, gab Fadrim freimütig zu, woraufhin Balbarosch erstaunt die dichten Brauen hob.
»Was willst du?«, wandte sich der Älteste an seinen Sohn. »Soll ich meine eigenen Fähigkeiten verleugnen, nur um den Jungen zurechtzuweisen? Diesen Fels noch zu verhütten, wäre eine Verschwendung unserer knappen Holzkohle.«
Balbarosch setzte den Trinkschlauch an den Mund und zog es vor zu schweigen.
»Aber warum sind wir dann noch hier?«, wollte stattdessen Xorrox wissen.
»Weil ich es in der Nase habe, dass wir ganz nah an irgendetwas dran sind«, erklärte Fadrim verheißungsvoll. »Sieh her und lerne! Was fällt dir an dem Gestein auf, in das wir in den letzten Tagen vorgedrungen sind?«
Ortosch nahm von Balbarosch das Wasser entgegen und spülte seinen Mund damit, bis es zwischen den Zähnen nicht mehr knirschte, während Xorrox ratlos die mit den charakteristischen Schrämspuren überzogene Stollenwand musterte.
»Es ist heller?«, rätselte der Junge.
»Soll das alles sein, was dir dazu einfällt?«, hakte sein Großvater streng nach.
Xorrox riss sich zusammen und erinnerte sich an seine früheren Lektionen. Unbewusst das Gehabe seiner Lehrer imitierend, betastete, schmeckte und beroch er den Fels. »Es führt weniger Erz, eigentlich kaum etwas«, meinte er dann. »Außerdem ist es brüchiger, spröder, vielleicht auch trockener.«
»Na, bitte, du kannst es doch«, lobte Fadrim zufrieden.
»Meinst du, wir müssen die Decke abstützen?«, erkundigte sich Balbarosch mit einem skeptischen Blick nach oben.
»Noch nicht«, urteilte sein Vater. »Das wird schon noch halten. Aber ich hatte erwartet, so weit unter dem Berg auf härteres Gestein wie zum Beispiel Granit zu stoßen.
Dass es im Gegenteil lockerer wird und so trocken ist, macht mich neugierig. Also los! Sehen wir uns das genauer an!«
Er griff sich sein Werkzeug vom Boden und nahm die Arbeit wieder auf. Die drei jüngeren Angroschim taten es ihm nach. Sogleich erfüllte das Lied von Eisen und Stein aufs Neue den matt erleuchteten Stollen. Ortosch fand zurück in den leicht versetzten Dreiklang der Schlägel und tauchte wieder ein in seine triste, innere Welt, an deren Rand stets ein dunkler Abgrund gähnte. Manchmal schob er die Kante von sich fort, doch an anderen Tagen blickte er direkt hinab in die finsteren Tiefen, von denen er spürte, dass ihre Leere ihn zu verschlingen drohte.
Irgendetwas ist anders, meldeten seine Sinne nach einer Weile und zogen ihn damit in die äußere Wirklichkeit des Gebirges zurück. Ja, er konnte es fühlen. Die Schwingung, die der Aufprall in Werkzeug und Fels erzeugte, hatte sich verändert.
Auch die beiden anderen Hauer hielten nun inne und tauschten einen vielsagenden Blick.
»Was ... was ist denn?«, fragte Xorrox verwundert.
»Diese Wand ist hohl«, bestätigte Fadrim, was Ortosch instinktiv geahnt hatte.
Der Lehrling riss überrascht die Augen auf. »Wirklich? Meint ihr, wir finden eine richtige Grotte? Eine, die noch kein Angroscho je betreten hat?«
Die Aufregung des Jungen brachte seinen Großvater zum Schmunzeln. »Wer weiß? Ortosch, du nimmst das Gestein über uns weg, damit weniger auf uns fällt, falls die Wand nachgibt! Schau nicht so, Balbarosch! Die Decke wird halten. Komm, wir versuchen hier einen Durchbruch! Ich würde den Hort des grausamen Yskandur darauf verwetten, dass der Fels hier am dünnsten ist.«
Fadrim und sein Sohn gingen mit neuem Eifer zu...




