Knodt / Corcaci | Europäische Integration | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 250 Seiten, Gewicht: 405 g

Knodt / Corcaci Europäische Integration

Anleitung zur theoriegeleiteten Analyse
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8463-3361-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Anleitung zur theoriegeleiteten Analyse

E-Book, Deutsch, 250 Seiten, Gewicht: 405 g

ISBN: 978-3-8463-3361-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wie funktioniert europäisches Regieren in der EU? Dieses Lehrbuch bietet Studierenden am Beispiel der Regionalpolitik erstmalig eine systematische Anleitung zur theoriegeleiteten Analyse europäischer Integration. Mit der schrittweisen Erarbeitung und Anwendung eines Analysedesigns pro Kapitel ermuntert es Studierende zu selbstständigem und reflektierendem Arbeiten. »Endlich ein Buch zum Regieren in der EU, das den Studierenden anhand der im europäischen Mehrebenensystem eingebetteten Regionalpolitik einen Überblick über theoretische Ansätze wie empirische Analysen in didaktisch überzeugender Weise eröffnet. Diese Innovationsleistung macht es zu einem echten ?Lehr-Buch?, das in keinem EU-Seminar fehlen sollte.« Dr. Karl Buck (Abteilungsleiter Generalsekretariat des Rates der EU, a.D.). Michèle Knodt lehrt als Jean Monnet Professorin für Vergleichende Analyse politischer Systeme und Integrationsforschung am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt. Andreas Corcaci promoviert derzeit als DFG-gefördertes Mitglied des Exzellenzclusters 243 'Die Herausbildung normativer Ordnungen' am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.

Michèle Knodt lehrt als Jean Monnet Professorin für Vergleichende Analyse politischer Systeme und Integrationsforschung am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.
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Einleitung 9
Literatur 18
1. (Neo-)Funktionalismus und die funktionalen Triebkräfte
der regionalpolitischen Integration 21
1.1 Theorie des (Neo-)Funktionalismus 21
1.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung
der Hypothesen aus dem Neo-Funktionalismus 27
1.3 Neo-Funktionalistische Erklärung der Etablierung der Regional und
Strukturfondspolitik auf europäischer Ebene 31
1.4 Fazit 38
2. (Liberaler) Intergouvernementalismus und die wirtschaftspolitische
Koordinierung souveräner Staaten in der Strukturfondspolitik 41
2.1 Theorie des (liberalen) Intergouvernementalismus 41
2.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung der Hypothesen
aus dem liberalen Intergouvernementalismus 47
2.3 Erklärung der Strukturfondsreform von 1988 aus Sicht
des liberalen Intergouvernementalismus 53
2.4 Fazit 66
3. Sozialkonstruktivismus und der Einfluss regionaler Politikstile
auf die angemessene Umsetzung europäischer Paradigmen 71
3.1 Sozialkonstruktivistische (Meta-)Theorie 71
3.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung der Hypothesen
aus dem sozialkonstruktivistischen Ansatz 79
3.3 Paradigmen der europäischen und regionalen Strukturpolitik 87
3.4 Fazit 98
4. Multi-Level Governance und der institutionelle Wandel beim ebenenübergreifenden
Regieren in der europäischen Strukturfondspolitik 105
4.1 Der Ansatz des Regierens im europäischen Mehrebenensystem 105
4.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung der Hypothesen
aus dem Ansatz des Mehrebenenregierens 108
4.3 Erklärung des regionalen institutionellen Wandels in der Strukturfondsförderung
aus Sicht des Mehrebenenregierens 115
4.4 Fazit 128
5. Europäisierung und die nationalen Rückwirkungen europäischer
Regionalisierungspolitik 133
5.1 »Theorie« der Europäisierung 133
5.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung
der Hypothesen aus dem Europäisierungsansatz 140
5.3 Erklärung der Rückwirkungen der EU-Regionalisierungspolitik
aus Sicht des Europäisierungsansatzes 147
5.4 Fazit 167
6. Interessenvermittlung und der Einfluss von Regionen
auf die europäische Regionalpolitik 173
6.1 Interessenvermittlung im europäischen Mehrebenensystem 173
6.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung
der Hypothesen in Bezug auf die Interessenvermittlung 177
6.3 Erklärung des Einflusses deutscher Länder im interaktiven
europäischen System aus einer Perspektive der Interessenvermittlung 186
6.4 Fazit 202
7. Zivilgesellschaftstheoretischer Ansatz und die Legitimierung
regionalpolitischer Prozesse in der Europäischen Union 207
7.1 Legitimationseffekte zivilgesellschaftlicher Beteiligung 207
7.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung der Hypothesen
aus dem zivilgesellschaftstheoretischen Ansatz 210
7.3 Zivilgesellschaftstheoretische Erklärung von Partizipationseffekten
in der Strukturfondsförderung 221
7.4 Fazit 228
8. Neo-Gramscianismus und die kritische Analyse des strukturellen
Wandels in den Kandidatenländern der Europäischen Union 235
8.1 Die Perspektive des Neo-Gramscianismus 235
8.2 Das Problem, die Fragestellung und die Ableitung
der Hypothesen aus dem Neo-Gramscianismus 242
8.3 Neo-gramscianische Untersuchung der Heranführungshilfen
für Kandidatenländer der Europäischen Union 248
8.4 Fazit 257


[21]1. (Neo-)Funktionalismus und die funktionalen Triebkräfte der regionalpolitischen Integration

Das erste Kapitel betrachtet ein Teilphänomen der EU-Strukturfondspolitik aus neofunktionalistischer Perspektive. Dabei wird im Folgenden die Vergemeinschaftung des Politikfelds »Regionalpolitik« auf der europäischen Ebene untersucht, die sich in den 1970er Jahren vollzog. Zur Darstellung der funktionalistischen Sichtweise der Strukturfondspolitik wird in drei Schritten vorgegangen: Zunächst folgt eine Einführung in die Theorie des (Neo-)Funktionalismus. Aus dieser werden dann die Fragestellung entwickelt und Hypothesen zur Erklärung abgeleitet. Der letzte Schritt erklärt die Strukturfondspolitik anhand dieser Hypothesen theoriegeleitet.2

1.1 Theorie des (Neo-)Funktionalismus

Der Funktionalismus bzw. Neo-Funktionalismus stellt die Frage nach den Triebkräften der Integration. Um die Antwort der Funktionalisten auf diese Frage zu verstehen, muss man die Voraussetzungen ihrer Argumentation kennen. Sie gehen dabei von folgenden Prämissen aus (vgl. Wolf 1999 : 39):

1. Die Welt ist pluralistisch, d. h. eine Vielzahl von Akteuren und Institutionen ist an politischen Entscheidungen beteiligt.

2. Diese Entscheidungen werden aber auch von den bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen beeinflusst. Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gruppen sorgen für deren Vermittlung.

3. Moderne Gesellschaften sind durch eine zunehmende Arbeitsteilung gekennzeichnet. Diese führt zur Differenzierung und Segmentierung der Gesellschaft sowie zur Abhängigkeit zwischen den einzelnen Segmenten.

In diesen Prämissen werden die wichtigen Triebkräfte für die gesellschaftliche Entwicklung, so auch der europäischen Integration, vermutet. Dabei stehen Strukturen und Funktionen im Mittelpunkt und nicht normative Zielvorgaben, Macht und Interessen einzelner Akteure.

Der Ausgangspunkt für die funktionalistische Erklärung der europäischen Integration liegt in den Arbeiten des Diplomaten David Mitrany, der seine zentralen Gedanken in seinen beiden Hauptwerken » von 1933 [22]und »A von 1943 als Reaktion auf die negativen Erfahrungen mit dem Völkerbund als konfliktregelnde internationale Instanz dargelegt hat.

Mitrany hat früh erkannt, wohin die Schwächen der Konstruktion des Völkerbundes führen würden und ein funktionierendes internationales Systems für die Staatengemeinschaft skizziert.

Doch aus welcher Situation heraus erarbeitete er diese Konzeption? Nach dem Ersten Weltkrieg hatte man versucht, ein friedliches Zusammenleben der Völker durch die Etablierung einer internationalen Organisation – eben den Völkerbund – sicherzustellen. Er sollte die Konflikte zwischen den Staaten auf friedliche Weise beilegen und so zu einem homogenen weltpolitischen System führen. Der Ausgang des Unterfangens ist bekannt – der Zweite Weltkrieg bereitete diesem Versuch ein definitives Ende. Präsident Wilsons Idee einer liberal-demokratischen Weltregierung, zu welcher der Völkerbund ein erster Schritt sein sollte, konnte aus mehreren Gründen keine Gestalt annehmen. Einige der wichtigsten seien holzschnittartig und im Hinblick auf das spätere Verständnis der Darlegungen Mitranys an dieser Stelle genannt:3 (1) Die USA selbst, als die wirtschaftlich und finanziell stärkste Macht auf der internationalen Bühne, blieb dem Völkerbund fern. (2) Großbritannien und Frankreich konnten ihre unterschiedlichen Vorstellungen zur Konzeption des Völkerbundes nicht in Einklang bringen. Während Frankreich den Völkerbund zum Eckpfeiler eines kollektiven Sicherheitssystems ausbauen wollte, sah Großbritannien ihn nur als ein zusätzliches und ergänzendes Instrument zum klassischen »Konzert der Mächte«. (3) Die dritte alliierte Hauptmacht, Italien, wendete sich nach der Regierungsübernahme Mussolinis immer entschiedener vom Völkerbund ab und trat 1937 aus. Zuvor hatten dies schon die totalitären und faschistischen Regime Japan und Deutschland im Jahr 1933 getan. (4) Die Sowjetunion spielte die Rolle eines isolierten Außenseiters — sie gehörte dem Völkerbund nur in den Jahren zwischen 1934 und 1939 an und wurde dann ausgeschlossen. (5) Innerhalb des Völkerbundes spielten eher Beamte und Diplomaten aus klein- und mittelgroßen Staaten wie Belgien, Spanien, Griechenland und den skandinavischen Ländern eine Rolle. Die Großmächte hingegen sprachen dem Völkerbund keineswegs ein Monopol für die internationale Politik zu. Sie verlagerten zahlreiche diplomatische Aktivitäten auf andere Ebenen und Institutionen – etwa auf Botschafterkonferenzen, die an die Bündnispraxis des Ersten Weltkriegs anknüpften. Die sich so etablierende Konferenzdiplomatie zeichnete sich durch eine variable Besetzung und eine Themenvielfalt aus und bewegte sich im Bereich der »4. (6) Von der Erörterung der zentralen Reparationsprobleme und der Frage [23]der Abrüstung blieb der Völkerbund ausgeschlossen. (7) Unter dem Eindruck sich häufender Völkerrechtsverletzungen entwickelten die demokratischen Großmächte in den 1930er Jahren eine Strategie der »Zweigleisigkeit«. Im Völkerbund schloss man sich dem Ruf der Klein- und Mittelmächte sowie innerstaatlicher Gruppen nach Sanktionen als politisches Mittel der Konfliktregulierung an; um politische und militärische Konsequenzen zu vermeiden, signalisierte man jedoch gleichzeitig über diplomatische Kanäle Entgegenkommen. Die Folge waren halbherzige und wirkungslose Sanktionen und Ansehensverluste des Völkerbundes. Das System der »kollektiven Sicherheit« wurde zunehmend ausgehöhlt. (8) Darüber hinaus war der Völkerbund fast ausschließlich mit sicherheitspolitischen Fragestellungen befasst. Im Hinblick auf Wirtschaftspolitik konnte er keine langfristige Wirksamkeit entfalten. Vor allem die Weigerung der Franzosen, internationale Organisationen in die Diskussion von Kernfragen der Wirtschafts- und Finanzordnung einzuschalten, beschränkte seine Funktion auf Not- und Aushilfsmaßnahmen. Die Forderung der Weltwirtschaftskonferenz 1927 nach freiem Welthandel blieb unbeantwortet. Zugleich schlug die Londoner Währungs- und Wirtschaftskonferenz 1933 in ihrem Bemühen fehl, den Abrüstungswettlauf zu stoppen und das internationale Währungssystem zu stabilisieren (vgl. Heideking 1983).

Die Konsequenz aus diesen Defiziten des Völkerbundes war die Flucht in Nationalismus, Bilateralismus und Autarkismus. Aus diesem nicht funktionierenden System heraus konzipierte Mitrany seine Theorie des Funktionalismus. Mitranys zentrales Anliegen war es, ein auf Dauer gestelltes, den Frieden sicherndes System zu schaffen.5

Die zentrale Frage lautete also: Wie ist Frieden herzustellen? Dies sollte indirekt über die Zusammenarbeit von Staaten erreicht werden. Die Zusammenarbeit sollte sich dabei auf die Bereiche konzentrierten, in denen die Staaten gemeinsame Interessen aufwiesen. Auf diesen Sachbereichen liegt dementsprechend auch der Fokus der Analyse. Sie stehen im Mittelpunkt und sind Ausgangspunkt der Erklärung, nicht hingegen die Interessen der souveränen Nationalstaaten. Aus einem solchen Sachbereich heraus ergeben sich sachlogisch Art und Umfang der internationalen Zusammenarbeit.

Diese kausale Verknüpfung konstituiert das Prinzip des Funktionalismus und Neo-Funktionalismus, das Mitrany bereits 1933 auf die lakonische Formel » brachte. Die Form der Zusammenarbeit ergibt sich demzufolge aus der Funktion innerhalb eines spezifischen Sachbereichs. Die Formel » ist bereits aus der Architektur und dem Design bekannt und erklärt sich durch die Rückbesinnung auf diese Bereiche meist besser. So folgten die klaren Formen des Bauhauses in Architektur und Design aus den 1920er Jahren, die den schnörkelreichen [24]und ausladenden Jugendstil ablösten, dem gleichen Prinzip: Die Funktion eines Gegenstandes bestimmt seine Form. Ein Stuhl muss funktional sein, d. h. er muss der Funktion »Sitzen« optimal entsprechen. Diese Entsprechung bestimmt als Kriterium sein Aussehen. Anders verhält es sich dagegen bei einem Stuhl aus der Epoche des Jugendstils, bei dem die dekorative Form im Vordergrund steht und die Funktion »Sitzen« nachrangig ist.

Zurück zu Mitrany: Im Mittelpunkt steht somit die funktionale Zusammenarbeit in einem Sachbereich bzw. einem spezifischen Sektor, der von den Beteiligten als gemeinsam über die Staatsgrenzen hinweg zu bewältigende Aufgabe definiert wird. Die Beteiligten sind Eliten im Sinne von Mitgliedern der Administration sowie Techniker, die sich mit der Materie des Sektors befassen und zusammen ein administrativtechnisches transnationales Netzwerk bilden. Damit dieses Netzwerk seine Arbeit planen und ausführen kann, ist die Einrichtung einer technischen Behörde notwendig. Die Konzentration auf Techniker und Administratoren soll die zu regelnde Sachmaterie »entpolitisieren«. Die Zusammenarbeit dieser Elite stellt sich als primär »unpolitisch« und rein technisch dar. Politisierte Konfliktsituationen zwischen den beteiligten Staaten sollen somit vermieden werden; Kooperation findet nur auf unkontroversen Sachgebieten statt. Diese Kooperation soll es den staatlichen Entscheidungsträgern erleichtern, Souveränitätsrechte auf die technische Behörde und damit auf eine supranationale Ebene zu übertragen. Mitrany geht dabei durchaus von einer Akteursvorstellung aus, die auf rationalistisch und utilitaristisch handelnden Akteuren beruht. Diese entscheiden aufgrund utilitaristischer Wohlfahrtsabwägungen. Daher wird es nur dann zu einer Kooperation kommen, wenn die...


Knodt, Michèle
Michèle Knodt lehrt als Jean Monnet Professorin für Vergleichende Analyse politischer Systeme und Integrationsforschung am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.

Corcaci, Andreas
Andreas Corcaci promoviert als DFG-gefördertes Mitglied des Exzellenzclusters 243 »Die Herausbildung normativer Ordnungen« am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.



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