Kneifl Die Tote von Schönbrunn
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7099-7330-1
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein historischer Wien-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 2, 272 Seiten
Reihe: Historische Wien-Krimis
ISBN: 978-3-7099-7330-1
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
SISI UND DER FRAUENMÖRDER VON SCHÖNBRUNN
Die schöne Kaiserin Sisi wurde eben erst zu Grabe getragen, da fallen gleich mehrere adelige Damen in der Nähe von Schloss Schönbrunn einem brutalen Serienmörder zum Opfer.
Und alle haben sie auffallende Ähnlichkeit mit der jungen Kaiserin. Eindeutig ein Fall für den Privatdetektiv Gustav von Karoly. Aber ist er dem Frauenmörder von Schönbrunn gewachsen?
Mit Karolys zweitem Fall entführt Edith Kneifl noch tiefer ins Herz der Donaumonarchie und beweist ihr goldenes Händchen für das kriminelle Wien der Jahrhundertwende.
LESERSTIMMEN:
"Edith Kneifl versteht es, Krimispannung mit historischem Flair kunstvoll zu verbinden! Mit authentischen Figuren und viel Lokalkolorit entführt sie uns in das alte Wien zur Jahrhundertwende und spart nicht mit Morddetails - absolute Leseempfehlung!"
"Ein Buch für starke Frauen: Die Geschichte rund um die Mordermittlungen ist gezeichnet von der Befreiung aus alten Frauenrollen und die Ablehnung von historischen Vorstellungen der adeligen Männerwelt. Mutig, spannend, mitreißend!"
WEITERE HISTORISCHE WIEN-KRIMIS MIT PRIVATDETEKTIV GUSTAV VON KAROLY:
"Der Tod fährt Riesenrad"
"Totentanz im Stephansdom (erscheint im Herbst 2015)"
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
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Dorothea, die fünfundzwanzigjährige Tochter von Veras verstorbener Freundin Valerie Palme, wohnte vorübergehend bei ihnen. Sie wartete auf einen Studienplatz in Zürich, da sie unbedingt Medizin studieren und so wie ihr Vater Arzt werden wollte. Veras Jugendfreundin hatte einen Hamburger jüdischer Herkunft geheiratet, der in Wien Medizin studiert hatte. Nach Dorotheas Geburt war sie ihm in die deutsche Hansestadt gefolgt, wo er ein paar Jahre später an der Cholera starb. Doktor Palme hatte sich in dieser Stadt der reichen Pfeffersäcke um die Ärmsten der Armen gekümmert und sich bei ihnen angesteckt. Valerie war nach seinem Tod mit ihrer Tochter nach Wien zurückgekehrt. Vergeblich hatte sie in der Kaiserstadt darum gekämpft, Medizin studieren zu dürfen. Da sie jahrelang mit ihrem Mann zusammengearbeitet und viel von ihm gelernt hatte, setzte sie seine Tätigkeit in den Elendsvierteln von Wien fort, behandelte hauptsächlich Kinder und Frauen, die unter Keuchhusten, Bronchitis oder der Krätze und Ekzemen litten. Als sie wegen Kurpfuscherei angezeigt und verhaftet wurde, hatte sie einen Nervenzusammenbruch und wurde in die k.k. Irrenanstalt auf dem Michelbeuerngrund eingeliefert. Ihre ohnehin angegriffene Gesundheit verschlechterte sich rapide durch die brutalen und rückständigen Behandlungsmethoden der Ärzte. Man versetzte sie in Schockzustände, indem man in ihrer unmittelbaren Nähe Pistolenschüsse abfeuerte, und schmierte ihren kahl geschorenen Kopf mit Zugsalbe ein. Die Güsse mit eiskaltem Wasser mitten im Winter überlebte sie nicht. Sie starb vor nunmehr fast drei Jahren an einer Lungenentzündung. Vera sprach damals von Mord. Dorothea war nach dem Tod ihrer Mutter allein in der Zwei-Zimmer-Wohnung in der Josefstadt geblieben und hatte als Gasthörerin eifrig Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät besucht. Auf einen ordentlichen Studienplatz in Wien hatte sie aber keine Aussicht. Vor einem halben Jahr hatte ihr Vermieter, nachdem sie seine lästigen Annäherungsversuche energisch abgewiesen hatte, plötzlich kein alleinstehendes junges Frauenzimmer mehr in seinem Haus haben wollen. Daraufhin war Dorothea zu ihrer Patentante Vera von Karoly gezogen. Gustavs Verhältnis zu Dorothea konnte man nicht gerade als entspannt bezeichnen. Valerie Palme hatte ihre Freundin Vera fast jedes Jahr mit ihrer Tochter in Wien besucht. Gustav hatte damals oft mit der Kleinen gespielt oder auf sie aufgepasst, wenn die beiden Damen zu sehr ins Gespräch vertieft gewesen waren und auf das Mädchen fast vergessen hatten. Als Kleinkind hatte er sie entzückend gefunden und sich gefreut, wenn sie über seine Grimassen und Blödeleien gelacht hatte. Heute stritten sie oft über Gott und die Welt und hatten nur mehr selten Spaß miteinander. Obwohl – Dorotheas perlendes Lachen gefiel Gustav heute noch. Aber er fühlte sich von der um elf Jahre jüngeren Frau nicht ernst genommen, da sie des Öfteren und meist zu den unpassendsten Gelegenheiten über ihn lachte. Der böhmische Kutscher Edi, der früher zur Untermiete bei ihnen gewohnt hatte, musste, solange Dorothea bei ihnen weilte, in den Stallungen schlafen. Edi hatte ohnehin fast nie die Miete bezahlt. Dorothea würde eines nicht allzu fernen Tages von einer Großtante väterlicherseits ein kleines Vermögen erben. Einstweilen erhielt sie nur eine monatliche Rente. Sie bestand jedoch darauf, für Essen und Unterkunft einen Beitrag zu leisten. Vera schämte sich, dass sie von ihrem Patenkind Geld annahm. Aber sie waren darauf angewiesen, denn das Wasser stand ihnen bis zum Hals. Mit Gustavs Einkünften aus seinen detektivischen Ermittlungen bestritten sie momentan mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt. Vera schrieb Artikel für die Österreichische Illustrierte und redigierte Dissertationen reicher, aber fauler Studenten. Die mickrigen Honorare, die sie dafür bekam, gingen für Sonderausgaben wie Konzertkarten, Bücher und Kleidung drauf. Wäschermädeln und Weißnäherinnen wollten ebenso bezahlt werden wie Kutscher und Dienstmänner, die man hin und wieder gezwungen war, in Anspruch zu nehmen. Zum Glück führte ihnen Josefa, Gustavs ehemaliges Kindermädchen, den Haushalt praktisch gegen Kost und Logis. Sie bekam zwar fast jeden Monat ihren Lohn ausgezahlt, aber die paar Kronen gab sie meistens im Delikatessengeschäft aus. Denn Gustav war in ihren Augen viel zu dünn. Schon als Kind war er ein schlechter Esser gewesen und bis heute äußerst heikel. Nur das Beste vom Besten war ihrer Meinung nach gerade gut genug für ihren Liebling. Dazu kam sein empfindlicher Magen, den er von seinem Großpapa geerbt hatte. Die alte Frau lebte in der ständigen Angst, dass er, genauso wie Albert von Karoly, ein Magengeschwür bekommen könnte. Dorothea pflegte sich hin und wieder über Josefas Fürsorglichkeit lustig zu machen, die in ihren Augen schwer übertrieben war. Sie beteuerte manchmal, dass sie ja irgendwann einmal relativ wohlhabend sein würde und Josefa dann ihrem geliebten Gustav täglich ein zartes Filetstückchen oder gar Beluga-Kaviar servieren könne. Gustav musste an Dorotheas Spötteleien denken, als Josefa ihn nötigte, ein paar Löffel warme Hühnersuppe zu sich zu nehmen. „Du hustest schon wieder“, sagte sie, die selbst unter schwerem Asthma litt. „Raucherhusten, das weißt du doch.“ „Du musst viel Milch trinken. Das ist gut für die Lunge.“ „Bitte, Josefa, lass mich in Frieden. Mir ist heute nicht nach Essen zumute.“ Josefa verzog das Gesicht. „Sei nicht immer gleich beleidigt. Ich hab’s nicht bös gemeint. Unsere Kaiserin ist ermordet worden, ich bekomme jetzt keinen Bissen hinunter!“ Die alte Frau wandte sich ab und begann mit dem Geschirr zu klappern. „So hilf mir doch, Vera“, bat er seine Tante, die das Geplänkel amüsiert verfolgt hatte. „Ich werde mich hüten“, sagte sie leise. Wieder einmal beklagte Gustav sein Schicksal. Mit drei starrköpfigen Frauen zusammenzuleben, war kein Honiglecken. Pflichtschuldig kostete er die brühend heiße Hühnersuppe. „Vorsicht, heiß!“ „Verdammt!“, fluchte er. „Hast du dir die Zunge verbrannt?“ Vera lächelte ihn spöttisch an. Dorothea würde bald von ihrem Konzert im Musikverein nach Hause kommen. Gustav war sich sicher, dass alle Theatervorstellungen und Konzerte abgesagt worden waren. Er war auf dem Heimweg einigen Besuchern des k.k. Hofoperntheaters begegnet. Da er keine Lust hatte, sich heute mit den drei streitbaren Frauen in seinem Haushalt auseinanderzusetzen, machte er sich bald wieder auf den Weg in die Innere Stadt und mischte sich unters Volk. Hunderte Wiener zogen durch die Hofburg und standen eine geraume Zeit dicht an dicht im großen Hof, wo sie lautlos verharrten, so als wollten sie dem Kaiser, den sie in der Burg wähnten, hierdurch ihr Beileid ausdrücken. Gegen acht Uhr abends strömten die Massen aus den Vorstädten, wohin die traurige Kunde inzwischen ebenfalls gedrungen war, in den ersten Bezirk. Viele hofften, hier genauere Auskunft über das Verbrechen zu erhalten. Andere wiederum fuhren aus dem Zentrum hinaus in die Vororte, um ihren Familien die furchtbare Nachricht zu überbringen. Die Pferdetramways waren ebenso überfüllt wie die Elektrische. Die Fiaker hatten Hochbetrieb. Ein richtiger Ansturm erfolgte auf die Telegrafenämter, besonders auf dem Haupttelegrafenamt am Börseplatz drängten sich die Menschen um den Schalter. Die Telefone ruhten keinen Moment. Auch die Kaffeehäuser waren voller als an gewöhnlichen Abenden, denn hier versammelten sich die Leute, um von dem einen oder anderen Bekannten neue Mitteilungen zu erhalten. Gustav betrat das Café Schwarzenberg am Ring. Dort kam ihm sogleich der erste Satz zu Ohren, den Seine Majestät der Kaiser angeblich gesagt hatte, nachdem ihm die Botschaft von Sisis Ermordung überbracht worden war: „Mir bleibt wirklich nichts erspart.“ Der Egoismus und die Gefühllosigkeit des alten Herrschers empörten ihn. Plötzlich bildete er sich ein, diese Anarchisten verstehen zu können. Nicht dieses Schwein, das Ihre Majestät umgebracht hatte. Vielleicht hätte der Lucheni lieber deren alten Gatten ins Jenseits befördern sollen, dachte Gustav und bestellte einen zweiten Einspänner. In seinem Stammcafé hatten sich viele Besucher aus dem Musikverein und dem Konzerthaus eingefunden. Ausnahmsweise befanden sich heute zahlreiche Damen der guten Gesellschaft in dem beliebten Kaffeehaus, das sonst eher den Männern vorbehalten war. Dieser Samstag, der 10. September, war eben ein ganz besonderer Tag, ein Tag, der in die Geschichte eingehen würde. Gustav kehrte erst spät abends nach Hause zurück. Er saß noch lange im Dunkeln in dem bequemen Ohrensessel seines Großvaters beim Fenster, starrte auf die nächtliche Stadt hinaus und sann über sein eigenes Leben nach. Sein Großvater Albert von Karoly war Ungar gewesen und wegen seiner Verdienste als Stallübergeher des Kaisers nicht nur geadelt worden, sondern hatte auch eine geräumige Dienstwohnung über den k.k. Hofstallungen zugewiesen bekommen. Er hatte eine schöne Frau von älterem Adel geheiratet und gemeinsam mit ihr und den beiden Töchtern ein relativ sorgenfreies Leben geführt. Als er starb, ließ er seine Töchter und seinen Enkel nicht unversorgt zurück. Da beide Töchter nie geheiratet hatten, war das väterliche Erbe bald aufgebraucht. Gisela, Gustavs Mutter, hatte als stadtbekannte Operettensängerin auch ein eigenes Einkommen gehabt, doch als sie mit kaum vierzig Jahren schwer...