E-Book, Deutsch, 862 Seiten
Klug Rotverschiebung
4. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7549-3101-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
4 x queer crime
E-Book, Deutsch, 862 Seiten
ISBN: 978-3-7549-3101-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ria Klug, geisteswissenschaftlich vorgeschädigte Ex-Tischlerin, schreibt seit 2008 Kriminalromane und Kurzkrimis, einige unter dem Pseudonym Edi LaGurki und zusammen mit Thea Krüger als Goest&Patsch. Dazu verfasst und vertont sie Radiokolumnen, Reportagen und Satiren. Daneben agierte sie gelegentlich als Bürgermeisterin Seehofer, Therese auf Berliner Bühnen. Ria Klug ist Mitclit bei den Berliner Mörderischen Schwestern, des Syndikats, des TrIQ e.V. und des Berliner Transgenderradios. Weitere Veröffentlichungen sind auf der HP der Mörderischen Schwestern Berlin aufgelistet.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Rotverschiebung
4 x queer crime mit Nel Arta
Texte:© copyright by Ria Klug
Umschlaggestaltung:© copyright by Ria Klug
Verlag:
Ria Klug
Suchlandstraße 9
12167 Berlin
riaklug@web.de
Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Einführung zum Sammelband Rotverschiebung-4 x queer crime mit Nel Arta
Sorry, das muss sein, aber man kann es auch überspringen.
Als mich 2008 die unüberwindbare Idee, ich könnte einen Krimi schreiben, anfiel, hatte ich noch keine Ahnung, wo die Reise hinführen würde.
Ich schrieb drauflos und je mehr Seiten dazukamen, desto besoffener war ich von meinem eigenen Text.
Auf Einwendungen von Freund:innen, es handele sich um ein Spartenthema, erwiderte ich lapidar, im Fernsehen liefen Krimis, in denen der Kommissar nur einen Arm hat und die meisten Zuschauer:innen dagegen mindestens zwei. Oder in Krimis träten Polizist:innen mit Liebeskummer und Alkoholproblemen auf und das läsen oder schauten auch beziehungsferne Misantrop:innen und überzeugte Abstinenzler:innen.
Aber machen wirs kurz. Erst nachdem ich mir ein Online-Seminar zum Krimischreiben leistete, erkannte ich, dass Schreiben ein zu erlernendes Handwerk ist und ich bis dato keinen erdenklichen Anfänger:innenfehler ausgelassen hatte. So wurde der zweite Roman mit Nel Arta vor dem ersten fertig, viel besser war er aber noch nicht.
Schließlich waren alle drei Nel-Arta-Geschichten in der richtigen Reihenfolge von 2011 bis 2013 erschienen, eine vierte in Teilen geschrieben, aber sie dümpelten unter der Wahrnehmungsschwelle des Buchmarktes.
Eine mutige Neuedition des Debuts Kleine Betriebsstörung von Dead Soft floppte 2016 leider ebenfalls.
Da ich aber stur und immer noch von der Figur und den Stories überzeugt bin, habe ich mich daran gemacht die Reihe nochmal als eBook herauszugeben und um den 2019 fertiggestellten vierten Band Nachts Zündeln zu ergänzen.
Beim neuerlichen Lesen fiel mir auf, wie viel ich inzwischen dazugelernt habe und, peinlicherweise, wie hölzern und ungelenk die Schreibe in Teilen war.
Beim Überarbeiten habe ich mich bemüht den Charakter zu erhalten und trotzdem den Text aufzubrezeln, um so etwas von den dreizehn Jahren Schreiberfahrung einzubringen.
Ganz nebenbei ergab sich dadurch die Gelegenheit dem dritten Band mit Popelige Mauscheleien wieder seinen ursprünglichen Titel zurückzugeben, der vom damaligen Verleger unter tätiger Beihilfe des ehemaligen Chefredakteurs der Leipziger Volkszeitung als »zu ekelhaft« abgelehnt worden war.
Ob ein fünfter und abschließender Band folgen wird, weiß ich nicht. Ideen dazu gibt es, aber die reichen ja bekanntlich nicht.
Nel Arta kann man auch in anderen Geschichten begegnen. Manchmal läuft sie nur wie Alfred Hitchcock in seinen Filmen durchs Bild. So in Die Zärtlichkeit der Hubschrauber (2013 als Edi LaGurki veröffentlicht) und in Zehntausend Kilometer. In Gefährliche Vergangenheit und Urinstinkt hat sie Co-Hauptrollen. Auch Isabel, ihrer brasilianischen Freundin und Karla, der Berliner Taxifahrerin, kann man da und dort begegnen.
Diese wunderbar inspirierende Idee, die einige meiner Bücher verbindet und sicher noch verbinden wird, habe ich mir von dem südafrikanischen Autor Deon Meyer abgeschaut.
Im ersten Band, Kleine Betriebsstörung, gibt es etliche Passagen mit Einsprengseln in Portugiesisch. Es ist eben so, dass man in einem fremden Land mit fremder Sprache häufig nichts versteht. Man kann also wie Nel durch Brasilien radebrechen und stolpern.
Für diejenigen, die das nicht ertragen, gibt es anhängend ein Glossar, zu dem man über die Endnoten gelangt, wenn man nicht wie Nel rätseln und nach und nach lernen mag, was da gesagt wird.
Wenn sich im vierten Band Nachts Zündeln gelegentlich das Gefühl einschleicht, dieser oder jener Name einer Figur wäre aus einem anderen Zusammenhang bekannt, so ist das kein Zufall, sondern mit einem Augenzwinkern gewollt.
Mehr sei hier nicht verraten.
Geneigte Leserschaft, hier hältst du also die erste und einzige Krimiserie mit einer Transfrau als Hauptfigur in den Händen.
Ich wünsche gute Unterhaltung.
Ria Klug, Dezember 2021
Nel Arta 1
Kleine Betriebsstörung
Oktober 2006
»Du glaubst, du weißt immer alles besser.«
Sabrina beugte sich vor und stellte ihren prallen Busen auf den Tisch. Damit wollte sie ihren Worten Nachdruck verleihen.
Mit der großen Klappe und dem schrillen Getue drängelte sie sich immer in den Mittelpunkt.
Sie quoll fast aus ihren blümeligen Fetzen. Nicht nur mit dem rosa Lippenstift, den sie reichlich über ihre Schlauchbootlippen verteilte, war sie die Karikatur einer Frau.
Alles an ihr wirkte prall. Der Lockenkopf, das üppig bemalte Gesicht, die Fettpolster, die dicken Ringe an dicken Fingern, die Handgelenke mit den unzähligen Armreifen, der fette Hals eingewickelt in kilometerlange Halsketten.
Am prallsten war ihr Arsch, in den ich sie gerne getreten hätte.
Hey, ich konnte sie einfach nicht leiden. Seit ich sie mal auf einer Sexparty bei Pinkelspielen gesehen hatte, nannte ich sie insgeheim Latrina.
Mochte ja sein, dass sie recht hatte und ich eine verflixte Besserwisserin war, aber in diesem Fall hatte ich wirklich recht. Ich fand es unerträglich und falsch, dass Julie ihrer Krankenkasse in diesem jämmerlichen Ton schrieb. Sie sollte ihren Willen kundtun und aufhören so rumzukriechen, erst dann würden die sie ernst nehmen. Sie konnte doch verdammt noch mal verlangen, dass die sie nicht immer mit »Sehr geehrter Herr Tolksdorf …« anschrieben.
Julies Blick irrlichterte eingeschüchtert zwischen mir und Sabrina hin und her. Das war wieder typisch für TransForm, unsere Selbsthilfegruppe. Rat und Tat für Transgender.11
Oder Zank, Zwist und Doofheit für und von Transgendern, ganz wie es beliebt.
Jason zupfte mich am Ärmel.
»Dann schreibts halt so, wie ihr denkt, wenn ihr euch mit dem Gejammere besser fühlt«, sagte ich.
Sabrina verdrehte die Augen und schnaufte. Wenigstens hielt sie jetzt die Klappe.
»Lass die mal machen«, sagte Jason und gurgelte den Rest aus seiner Bierflasche. Er schloss einen dezenten Rülpser an und lehnte sich zurück, weil er etwas aus seiner Hosentasche ziehen wollte. Nicht so leicht, bei seinem Wanst. Er förderte einen verknüllten Wisch hervor und faltete ihn sorgfältig auseinander.
»Das hat Cristina heute Abend gemailt«, sagte er und rieb sich die stoppelige untere Gesichthälfte, dabei starrte er versonnen auf das Papier.
»Ja, was denn? Wie siehts aus? Komm ich auch ran? Gib doch mal her.«
Jason verzog den Mund. »Ich weiß nicht, ob ich dir das wirklich geben soll. Du bist auf einmal so scharf auf dieses Geschnippel. Ich frage mich wirklich, ob du dir das gut überlegt hast.«
»Los, gib her, Blödmann. Ich weiß was ich tue.«
Ich beugte mich zu ihm hinüber und wollte ihm den Zettel wegnehmen. Er hielt ihn blitzschnell weit entfernt von mir. Obwohl ich mich ganz lang machte, fiel ich nur auf ihn drauf. Jason umfasste mich mit dem anderen Arm, rückte mich zurecht und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
»Ich mache mir halt Sorgen um dich«, sagte er, während er mich losließ und mir den Zettel überreichte. »Du hast so ein Talent Unheil anzuziehen wie Kacke die Fliegen.«
Ich gab keine Antwort, denn Cristinas Mail hatte mich in ihren Bann gezogen.
Ihr putziges Deutsch war schwer zu verstehen, aber ich entdeckte sofort, was ich wissen wollte. Am neunten November konnte ich drankommen. Einen Tag nach ihr.
Mir wurde ein bisschen flau. Wie immer, wenn es ernst zu werden drohte.
Ich blickte zu den anderen rüber, die sich um Sabrina und Julie klumpten und die Köpfe zusammensteckten. Ein richtiger Haarauflauf, in allen Schattierungen. Einiges davon Horn, anderes Kunststoff. Von denen hatten das schon einige hinter sich und hockten trotzdem hier, um ihre Weisheiten zum Besten zu geben. Wieder mal fühlte ich mich fremd und fragte mich, ob die OP daran etwas ändern könnte.
Von Ärzten und Krankenhäusern bekam ich Panik. Mein ganzes Geld würde für die Aktion draufgehen. Vielleicht machten die mich dafür zum Krüppel. Ein Sozialfall war ich schon.
»Angst?« fragte...




