'Die Autoren sprechen eine Sprache, wir eine andere', schreibt Ruth Klüger, 'sie sind gesättigt von ihren, wir von unseren Erfahrungen, sie werfen uns mit ihren Büchern ein Seil zu und ziehen an dessen einem Ende, wir am anderen, zwischen uns ist die Spannung.' Deshalb sind es die Fragen, die der Leser einem Text stellt, die ihm diesen öffnen. Ruth Klüger markiert die ihren: Wozu die Kulisse eines bitterbösen Krieges hinter so viel Menschenfreundlichkeit bei Lessings Nathan? Oder bei Kleist: Wieso schon damals diese Katastrophen, diese Feuersbrünste, Invasionen, Revolutionen, Massenmorde und Massenbewegungen - geniale, überreizte Gestaltungen von dem, was noch kommen sollte? Stifter lesend, fragt sie nach der Angst, die hinter den Barrikaden lauert, die er wie buntes Spielzeug vor einem immanenten Terror aufbaute. Außerdem gibt es Aufsätze über die jüdischen Gestalten bei Thomas Mann, den Antisemitismus im Werk jüdisch-österreichischer Autoren, über jüdische Gestalten in der deutschen Literatur des19. Jahrhunderts sowie über die Frage, ob es ein 'Judenproblem' in der deutschen Nachkriegsliteratur gibt. Den Band beschließen die neu aufgenommenen Reden Ruth Klügers zur Verleihung des Thomas-Mann-Preises und des Lessing-Preises. Im Wallstein Verlag erschienen: weiter leben. Eine Jugend (1992; Neuausgabe mit Hörbuch 2008); Gelesene Wirklichkeit. Fakten und Fiktionen (2006); Gemalte Fensterscheiben. Über Lyrik (2007)
Ruth Klüger, geb. 1931 in Wien, wurde nach Theresienstadt und in die Konzentrationslager Auschwitz und Groß-Rosen verschleppt. Nach dem Krieg emigrierte sie in die USA und lebt als Literaturwissenschaftlerin in Irvine/Kalifornien und Göttingen. Auszeichnungen u.a.: Rauriser Literaturpreis, Grimmelshausen-Preis, Marie-Luise-Kaschnitz-Preis, Prix Mémoire de la Shoa, Preis der Frankfurter Anthologie, Thomas-Mann-Preis der Stadt Lübeck, Roswitha-Preis, Lessing-Preis des Freistaates Sachsen.
Klüger
Katastrophen jetzt bestellen!
Weitere Infos & Material
1;Umschlag;1
2;Titel;4
3;Widmung;5
4;Inhalt;6
5;Vorwort;8
6;Gibt es ein »Judenproblem« in der deutschen Nachkriegsliteratur ?;10
7;Thomas Manns ju?dische Gestalten;41
8;Thomas Mann als Literaturkritiker. Dankesrede fu?r den Thomas-Mann-Preis der Stadt Lu?beck;61
9;»Die Ödnis des entlarvten Landes«. Antisemitismus im Werk ju?disch-österreichischer Autoren;73
10;Die Leiche unterm Tisch. Ju?dische Gestalten aus der deutschen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts;97
11;Der eingerichtete Mensch. Innendekor bei Adalbert Stifter;121
12;Freiheit, die ich meine. Fremdherrschaft in Kleists ›Hermannsschlacht‹ und ›Verlobung in St. Domingo‹;146
13;Tellheims Neffe. Kleists Abkehr von der Aufklärung;177
14;Kreuzzug und Kinderträume in Lessings ›Nathan der Weise‹;203
15;Sittah, Recha, Daja. Dankesrede 2007 fu?r den Lessing-Preis des Freistaates Sachsen;243
16;Nachweise;254
17;Impressum;257
Klüger, Ruth
Ruth Klüger (1931-2020) war von 1966 bis 1992 Professorin für Deutsche Philologie an verschiedenen amerikanischen Universitäten, zuletzt an der University of California / Irvine. Von 1978 bis 1986 war sie Herausgeberin der Zeitschrift »The German Quarterly«, von 1980 bis 1985 Vizepräsidentin der Internationalen Vereinigung der Germanisten (IVG). Sie war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Mit ihrer in mehrere Sprachen übersetzten Autobiographie »weiter leben« (1992) wurde sie einem breiten Publikum im In- und Ausland bekannt.
Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter: Roswitha-Preis (2006), Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2007),Bundesverdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland (2008), Ehrendoktorwürde der Universität Wien (2015), Bayerischer Buchpreis - Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten (2016).