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E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: dtv- premium

Kloeble Home made in India

Eine Liebesgeschichte zwischen Delhi und Berlin

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: dtv- premium

ISBN: 978-3-423-43241-2
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine hinreißende Liebesgeschichte
Die Inder, die Deutschen und ein Autor, der sich fragt: Was ist Heimat? Seit seiner Heirat mit Saskya aus Indien ist Christopher Kloeble eine staatlich verbriefte 'Person indischer Herkunft'. Was es für ihn bedeutet, zwischen den Kontinenten zu pendeln, dem spürt er in diesem Buch nach: einfühlsam, unterhaltsam, nuanciert. Klischees und Vorurteile gibt es hier wie dort – Inder mokieren sich gerne über die Ungeduld und Regelgläubigkeit der Deutschen, während die Deutschen oftmals ein recht exotisches Bild von Indien im Kopf haben: Ob Saskya wohl auf einem Elefanten zur Schule geritten ist? Kloeble schildert Verständigungsschwierigkeiten und kulturelle Differenzen. Vor allem aber schreibt er über die Menschen, denen er begegnet.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Teil I Wie es dazu kam
1 Ein Bub aus Bayern und eine Tochter Delhis
Zug’roaster Der singende Klößle Solange ich schreiben kann Erste Begegnung und letzter Abschied 100 Seiten E-Mails Wo es sich besser küsst Zug’roaster
In seinem pränatalen Stadium trug dieses Buch den Arbeitstitel ›Ein Bayer indischer Herkunft‹. Es gab noch andere Varianten. Jede von ihnen rückte den Kontrast zwischen Indien und Bayern in den Vordergrund. Modisch: ›Turban und Lederhose‹. Filmisch: ›Von Bayern nach Bollywood‹. Kulinarisch: ›Zwischen Curry und Wurst‹. All diese Titel verwarf ich. Abgesehen von der Simplifizierung störte mich vor allem der Fokus auf Bayern. Ich bin mir nicht sicher, ob ich einer von dort bin. Manch ein Weißblauer würde mir widersprechen: Ich wurde in München geboren und habe die prägenden Jahre meines Lebens im Voralpenland verbracht – wie könne ich kein Bayer sein? Lassen Sie mich ein paar Jahre zurückgehen, lassen Sie mich Ihnen einen molligen, hellstimmigen Bub vorstellen, dessen Augenfarbe – graublaues Grün – so unentschieden ist wie sein Verhältnis zu Bayern.   Im Sommer 1983 wagen meine Eltern einen radikalen Schritt. Noch in meinem ersten Lebensjahr ziehen wir von München ins Voralpenland: nach Königsdorf in Oberbayern. Meine Eltern wollen nicht, dass ihr Sohn in der Stadt aufwächst. Das Land, glauben sie, sei besser für mich. »Dort kennen sich die Leute, Kinder können im Freien spielen und die Schule ist nur einen Spaziergang weit entfernt!« Doch meine Eltern unterschätzen, wie bayerisch dieses Land ist. Stammtisch, Frühschoppen, Schützenmärsche, Erzkatholizismus, Alpenpanorama, Fußballhuldigung, Schweinsbratenaroma, weißblau geringelte Maibäume. All diese Klischees entsprechen der Wahrheit und dem Leben in Königsdorf. Dort wachse ich als Kind einer hessischen Mutter und eines badischen Vaters auf. Ich könnte ebenso aus dem Ausland kommen. Bin also ein »Zug’roaster«. Einer von woanders. Als ich kaum drei Jahre alt bin, reißt ein aus der Wohnzimmerwand ragender Nagel ein Loch in meine Wange und heile Kleinkindwelt. An den Schmerz erinnere ich mich nicht. (Wir Kloebles sind ausgezeichnete Verdränger.) Der Arzt, der die Wunde flickt, verspricht meinen Eltern, sie werde spurlos verheilen. Er irrt sich. Eine Narbe bleibt. Sie markiert die erste Verletzung meines Lebens. Die nächste folgt sogleich: Nachbarskinder nennen mich »Preiß«, Preuße. Und das, noch bevor ich lerne, wer oder was überhaupt ein Preuße ist. Instinktiv spüre ich aber, was die Bayern damit sagen wollen: Ich bin nicht von hier. Jemand, der von hier ist, geht sonntags zur Kirche, spricht nicht hochdeutsch und trägt einen Familiennamen, der sich auf mindestens einem Straßenschild in der Umgebung finden lässt. Eine lieblichere Erfahrung schenkt mir die blonde Christine, als sie sich einverstanden erklärt, mich zu heiraten. Wir sind fast sechs Jahre alt und besuchen den Königsdorfer Kindergarten, unter dem Regime katholischer Ordensschwestern. Sie bezeichnen Coca-Cola als Teufelszeug und verdammen uns selbst im Hochsommer dazu, heißen, ungezuckerten Kamillentee zu trinken. Und Schwester Alfonsa, die Diktatorin, lässt uns keinmal aus dem Kindergarten, ehe wir nicht unsere Schnürsenkel selbst gebunden haben. (Ich trage ausschließlich Schuhe mit Klettverschluss.) Christina und ich versprechen einander, gleich nach der Schule vor den Altar zu treten. Und mindestens drei Kinder zu haben! Leider wird daraus nichts. Eine Woche nach unserem Schwur teilt sie mir mit, dass sie sich nun doch für ihren Tischnachbarn Stefan entschieden habe. Der kann im Bastelunterricht nämlich besser als ich, alias Speckfinger, mit der Schere umgehen. Meine einzige Chance auf wahre Liebe – dahin. Tagelang weigere ich mich, den Kindergarten zu besuchen. Ich kann ja nicht wissen, dass fast 6.000 Kilometer südöstlich von mir meine zukünftige Frau aufwächst.   Saskya wird in Ahmedabad im indischen Bundesstaat Gujarat geboren, aus dem auch Mahatma Gandhi und der spätere Premierminister Narendra Modi stammen. In ihrem zweiten Lebensjahr zieht sie mit ihrer Familie nach Delhi. Ausgerechnet 1984. Kurz vor einem Fernsehinterview mit Peter Ustinov wird Indira Gandhi von ihren Sikh-Leibwächtern erschossen, an denen sie trotz der Separationsbewegung der Sikhs festgehalten hatte. Ausgangssperren werden verhängt. Dennoch ziehen rachsüchtige Mobs durch die Straßen. Polizei und Politiker der regierenden Kongresspartei sehen weg. Rajiv Gandhi, Indira Gandhis Sohn, rechtfertigt die Ausschreitungen mit den Worten: »When a big tree falls, the earth shakes.« Saskya, ihr Bruder und ihre Eltern wohnen zu diesem Zeitpunkt im Stadtteil Jangpura, wo auch viele Sikhs leben, die nach der Teilung Britisch-Indiens dort Zuflucht gefunden haben. Aus Angst vor Übergriffen verbarrikadiert sich die Familie tagelang im Haus; nachts sammelt Saskyas Vater Ziegelsteine, um sie im Notfall vom Dach auf Angreifer werfen zu können. Es gehen Gerüchte um, dass der Mob das Grundwasser vergiftet habe. In den Tagen nach dem Attentat werden über dreitausend Sikhs ermordet.   In derselben Zeit veranstalte ich in Oberbayern mit der Nachbarstochter Schlangenspiele: Wir finden Gefallen daran, Seile über unsere nackte Haut gleiten zu lassen und dabei leise zu zischen. Meine Welt damals beschränkt sich auf den Radius, in dem ich alle Viertelstunde die Kirchenglocken hören kann. Das Zentrum meines Daseins heißt Königsdorf. Hier erlebe ich jeden Tag Abenteuer, die meisten sind idyllischer Natur. Ich schminke unseren Hund mit Mutters Lippenstift von Cartier. Ich löse die Handbremse unseres Autos, das am Hang parkt. Ich ersticke fast in einer selbst gebauten Schneehöhle. Ich finde ein vierblättriges Kleeblatt. Ich stehle Abziehbildchen aus einem aufgeschweißten Kaugummiautomaten (und lege sie zurück, als mein Vater mich darauf hinweist, dass Undercover-Polizisten mich womöglich beim Klauen beobachtet haben). Ich rutsche beim Spielen auf dem benachbarten Bauernhof aus und lande in einem dampfenden Kuhfladen, sodass meine Mutter mich mit dem Gartenschlauch abspritzen muss. Außerdem bemühe ich mich um Integration. Ich bin ein Zug’roaster mit hehren Intentionen! Aber meine Versuche, Bayrisch zu sprechen, bringen Einheimische bestenfalls zum Lachen. Ich vermag es nur, jemanden, der kein Bayrisch kann, davon zu überzeugen, dass ich Bayrisch kann. Unsere Nachbarin Anni, eine Bäuerin, die mit ihren vierzig doppelt so alt aussieht, rät meiner Mutter und mir einmal, wir sollten ein Ohr in unsere Garage legen, damit der Marder die Gummischläuche unseres Autos nicht anknabbert. Meine Mutter und ich staunen. Woher sollen wir ein Ohr bekommen? Anni kann doch unmöglich ein menschliches meinen. Ein Schweinsohr vielleicht? Auf Nachfrage hin erläutert Anni: »A Hühnerohr.« – »Ein Hühnerohr?«, fragt meine Mutter. »Haben Hühner Ohren?« – »Naaa!«, ruft Anni über den Zaun, als würde sie mit Taubstummen sprechen, »a OA! A frisch g’legt’s!« Erst da begreifen wir. Es ist aber nicht allein die Aussprache, die meinen Eltern und vor allem mir zu schaffen macht. Selbst wenn ich jedes einzelne Wort verstehe, kann ich oft nicht ganz folgen. Bayern kommunizieren anders miteinander als Nicht-Bayern. An einem Nachmittag durchquere ich mit einer Gruppe Kinder einen Nachbarshof, da kommt der Bauer aus dem Stall und schimpft, wir sollen von seinem Grund und Boden verschwinden. Ich denke, er meint das ironisch. »Nein«, scherze ich, »wir gehen nicht!« Und grinse breit. Ich komme mir ziemlich witzig vor, fühle mich bestätigt durch das Kichern meiner Altersgenossen – die sich allerdings zurückziehen. Im nächsten Moment begreife ich, warum. Der Bauer jagt mich mit einer Mistgabel auf und davon. Eine weitere meiner Anstrengungen, als einer von hier wahrgenommen zu werden: Fußballspielen. Es heißt schließlich immer, Fußball verbindet. Bayerische Buben können dribbeln, bevor sie sprechen lernen. Ungläubig beobachte ich die innige Beziehung ihrer Füße zum Ball. Fantastisch, wie sie in vollem Tempo rennen und dabei den Ball mit ihren Füßen scheinbar mühelos vor sich hertragen. Bisher ist noch jeder Ball meinen Füßen davongesprungen. Dennoch strenge ich mich an, trainiere, weil ich denke, so kann ich Eindruck schinden. Im Dribbeln bin ich talentfrei, doch beim Elfmeterschießen im eigenen Garten verwandele ich fast jeden Schuss in ein Tor – mein Vater bekommt den Ball nie zu fassen. Leider stellt sich bald heraus: Dies ist kein Beweis für mein Können, sondern für das meines Vaters. Seinem Sohn zuliebe wirft er sich jedes Mal darstellerisch überzeugend in die falsche Ecke. Seinen Trick durchschaue ich erst, als mir im Sportunterricht kein Tor gelingen will. Danach überrascht es mich nicht, dass Michi, der Kapitän meiner Mannschaft, mich bittet, möglichst nicht ins Spiel einzugreifen, um uns nicht unnötig zu schwächen. Meine Aufgabe lautet, hinter der letzten Abwehrreihe darauf zu warten, dass ein gegnerischer Stürmer sich dem Tor nähert. Ich soll nicht versuchen, ihm den Ball abzunehmen. Nein. Wie sollte ich, der Fußballantigott, das auch bewerkstelligen. Stattdessen soll ich mich ganz darauf konzentrieren, den Gegner aufzuhalten, indem ich ihn umrenne. Einen ganzen Menschen kann selbst ich nicht verfehlen. Wenigstens dieser Aufgabe bin ich gewachsen. Und zwar im wahrsten Sinne...


Kloeble, Christopher
Christopher Kloeble ist ein vielfach ausgezeichneter Autor von Romanen, Erzählungen und Drehbüchern. Als Gastprofessor lehrte er u.a. in Cambridge (GB) und den USA. Kloeble lebt in Berlin und Delhi.

Christopher Kloeble ist ein vielfach ausgezeichneter Autor von Romanen, Erzählungen und Drehbüchern. Als Gastprofessor lehrte er u.a. in Cambridge (GB) und den USA. Kloeble lebt in Berlin und Delhi.


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