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E-Book, Deutsch, Band 330, 240 Seiten

Reihe: Debütromane in der FVA

Klink Kurilensee

Zwischen Wissenschaft und Wildnis: Das literarische Debüt, das die Grenzen zwischen Forschung und Poesie verschwimmen lässt.
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-627-02351-5
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zwischen Wissenschaft und Wildnis: Das literarische Debüt, das die Grenzen zwischen Forschung und Poesie verschwimmen lässt.

E-Book, Deutsch, Band 330, 240 Seiten

Reihe: Debütromane in der FVA

ISBN: 978-3-627-02351-5
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Sophia Klink schreibt über majestätische Bären und Vulkane, sie schreibt aber auch über eine Natur, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar ist, über Plankton, Proteine, Hormone, und sie findet dafür eine bildmächtige Sprache.« Marion Poschmann Das aufregende und sprachlich brillante Romandebüt von Sophia Klink: Klimawandel und Überfischung bedrohen die Lachsbestände des Kurilensees. Fasziniert von der magischen Wildnis der Kamtschatka versucht die Biologin Anna zu retten, was zu retten ist. Jeden Sommer verbringt die Biologin Anna auf der russischen Forschungsstation am Kurilensee, mitten in der Wildnis Kamtschatkas. Sie nimmt Wasserproben, zählt Lachse und Phytoplankton. Der Klimawandel bedroht die Fischbestände, das Forschungsteam soll eine Empfehlung aussprechen: für oder gegen eine Phosphatdüngung des Sees. Anna liebt die Schönheit des Kurilskoye, ihre Streifzüge mit Vova, der jeden Bären beim Namen nennt, die Abende am Lagerfeuer mit Yulia, deren Publikationsliste genauso einschüchternd ist wie ihre Trinksprüche, die Diskussionen mit ihrem Chef Fjeodor, der den Unmut der Frauen auf der Station auf sich zieht. Anna fürchtet, eine Düngung könnte das ganze Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen. Und doch wird der Kurilensee ohne menschliches Eingreifen nicht mehr derselbe bleiben - am Ende des Sommers müssen sie die Entscheidung treffen. In Sophia Klinks Debüt legen sich die rationale Sprache der Wissenschaft und emotionale Naturbetrachtung wie Linsen übereinander, durch ihr poetisches Okular erscheint das Mikrosystem Kurilensee in vielfacher Vergrößerung und lässt so globale Phänomene wie die Klimaerwärmung und schwindende Lachsbestände greifbar werden. Zusammen mit Klinks wahrnehmungsformender Sprache und der psychologisch spannenden Figurenkonstellation wird »Kurilensee« zu einem literarischen Abenteuer, einer aufregenden Spielart des Nature Writing, und schärft den Blick für die Bedrohung des Planeten, die Ambivalenzen der Wissenschaft und die Schönheit der Natur. »Sophia Klinks Sprache ist wie ein Mikroskop, unter dem die Zusammenhänge des Lebens vergrößert und scharfgestellt werden. Wer dieses Buch gelesen hat, wird anders auf die Welt und ihren feingliedrigen, gefährdeten Reichtum blicken.« Isabelle Lehn

Sophia Klink, geb. 1993 in München, hat Biologie studiert und über die Symbiose zwischen Bakterien und Pflanzen promoviert. Sie wurde mit dem Literaturstipendium München und dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März ausgezeichnet und mit Stipendien des British Council und der Stiftung Kunst und Natur gefördert. Sie war Finalistin beim open mike, Aufenthaltsstipendiatin der Roger Willemsen Stiftung, des Adalbert Stifter Vereins und der Villa Sarkia in Finnland. Im Frühjahr 2025 erschien ihr Lyrikdebüt bei hochroth München. Durch einen Forschungsaufenthalt am Weißen Meer in Russland zu ihrem Roman »Kurilensee« inspiriert, stand sie mit einem Auszug daraus auf der Shortlist des W.-G.-Sebald-Preises. Die Autorin lebt in München.
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Mai


Alle Häuser stehen noch. Sogar die Schleuse hat den letzten Winter gut überstanden. Der See ist eisfrei, nur am Spülsaum liegen noch ein paar Schneebrocken verstreut. Das Haupthaus muss frisch gestrichen werden, die Beete neu umzäunt. Der Wind weht so stark, dass wir morgen das Windrad anwerfen können, dann haben wir Strom für die Laptops und Mikroskope.

Vova und ich laufen immer wieder auf die Schleuse hinaus. Die Bären haben ein paar Latten abgetreten, aber Vova sagt, das lasse sich leicht reparieren. Solange die Unterwassertore nicht beschädigt sind, können wir alles verzeihen.

Wir schauen flussabwärts, als könnten unsere Blicke die Lachse anlocken. Ein paar haben wir schon gesehen. Silbrige Nerkas und Gorbuschas, die sich im Wasser nur als schwache Streifen abzeichnen. Sie sind früh dran.

Fjeodor sagt, das wird ein gutes Jahr werden.

Ich wäre mir da nicht so sicher.

Vova und ich drehen die Haupthähne auf, während Yulia kistenweise Kastenbrot in die Regale räumt. Perlgraupen, Butter, Äpfel. Buchweizen für ein halbes Jahr. Nur Fjeodor spaziert mit dem Fernglas über die Station, als gäbe es nichts zu tun. Der Kambalny südwestlich von uns trägt immer noch diese Rauchfahne über dem Krater. Wir streiten, ob es mehr oder weniger Rauch geworden ist im Vergleich zu letztem Jahr. Ich finde, dass es mehr geworden ist. Aber ich habe nur sechs Sommer zum Vergleich, längst nicht so viele wie Fjeodor und Yulia.

Da ist eindeutig eine Hexe am Werk, sagt Yulia, das kann sogar ich mit meinen alten Augen sehen. Fjeodor schneidet ihr sofort das Wort ab, weil er nichts von Hexen hören will. Ne govori glupostei! Du bist doch Wissenschaftlerin, wie kannst du da an solche Märchen glauben?

Fjeodor sagt, die Wahrscheinlichkeit sei gering, dass der Kambalny in naher Zukunft wieder ausbricht. Letzten Frühling, das war schließlich nur eine Ascheeruption, und siebenhundert Jahre davor sei ja auch nichts passiert.

Mich beunruhigt mehr das pflanzliche Plankton. Vom Pier sieht der See so klar und nährstoffarm aus, als würde keine einzige Algenzelle darin wachsen. Aber natürlich lässt sich aus der Sichttiefe nur bedingt auf das Algenwachstum schließen. Wie groß ihre Valven sind, welche Arten die Gemeinschaft dominieren.

Ich würde am liebsten sofort eine erste Wasserprobe nehmen. Immerhin hängt von den Algen ab, was diesen Sommer entschieden wird. Aber Yulia sagt, wir sollten die Gelegenheit nutzen und lieber erst Ordnung in die alten Daten bringen, bevor die richtige Forschung beginnt.

Unser Nasslabor sieht aus, als hätten Yulia und ich es gestern erst verlassen. Überall liegen Strichlisten herum, Bechergläser mit weißen Kalkflecken. Ich finde sogar eine Tasse von Yulia, in der noch ein alter Teebeutel klebt. Ich ziehe ihn an der Schnur vom Tassenrand. Eine riesenhafte Panzeralge, braun und mit poröser Theka, die sich an ihrer Geißel dreht. Ich denke an die Millionen toter Organismen, die wir im September ungezählt zurückgelassen haben. Über hundert braune Fläschchen, in denen eine ganze Fauna tot am Boden liegt: meine Kieselalgen, Yulias Zooplankton.

Ich bringe es nicht übers Herz, die Planktonproben wegzuschütten, obwohl ich weiß, dass Yulia mich schimpfen wird. Was willst du mit dem alten Zeug, Anna? Wir haben doch signifikante Ergebnisse bekommen. Ein paar Datenpunkte mehr werden uns da leider auch nicht weiterhelfen.

Ich weiß, Yulia. Aber ich würde die alten Proben trotzdem nicht so schnell verwerfen. Nur zum Vergleich, falls wir ähnlich schlimme Daten wie letztes Jahr bekommen. Die richtige Empfehlung kann auch leicht die falsche sein, wenn es darum geht, tonnenweise Chemikalien in einen See zu kippen. Wir haben viel zu wenig unter Kontrolle, was diesen Sommer mit dem Kurilskoye passieren wird. Ich will auf alles vorbereitet sein.

*

Fjeodor und ich hacken Holz, während Vova Stämme aus dem Unterholz zieht. Das Windrad läuft stabil. Unsere beiden Häuser und das Nasslabor sind warm. Aber es schadet nicht, die Holzvorräte aufzufüllen, solange es noch keine Lachse gibt, die Vova zählen und untersuchen muss, noch keine Planktonproben für Yulia und mich.

Im Frühling wissen wir nie, wie lange die Wetterlage hält. Der Wind treibt regenschwere Wolken vom Ochotskischen Meer herüber. Dann scheint wieder die Sonne. Das Wetter kann dreimal am Tag unvorhergesehen wechseln. Windstille wäre am schlimmsten, dann müssten wir alles Öl für den Generator aufsparen und das frische Holz verheizen, bevor es auch nur im Ansatz trocknen kann. Aber zum Glück sieht es nicht danach aus.

Mein Beil scheitert an den dünnsten Scheiten, so sehr bremsen es die Fasern. Vor allem das Schwemmholz ist bis ins Mark durchfeuchtet. In den oberen Waldwiesen ist fast nichts mehr zu holen, kein trockenes Bruchholz, das wir sofort verheizen könnten. Flussabwärts sind ein paar Zwergkiefern zusammengebrochen, aber längst nicht so viele wie sonst. Schlechtes Zeichen, sagt Vova, wahrscheinlich hat diesen Winter kaum Schnee gelegen.

Auch am Seeufer finden wir nur verfaulte Stämme, die kreuz und quer liegen und die Uferwege blockieren. Vor allem die Landzunge am Flusskopf muss aufgeräumt werden.

Aufgeräumt, hat Yulia gesagt.

Zurückerobert, hat Fjeodor gesagt.

Als ob uns diese Ufer jemals gehören könnten.

*

Im Bärenzaun fließt immer noch kein Strom. Vova hat mir das Flicken überlassen, obwohl der Zaun ihm zugeordnet ist. Aber Vova hat nie etwas dagegen, wenn ich seine Arbeit übernehme. Nicht wie Fjeodor, der grummelt, wenn Yulia und ich beim Holzhacken helfen, eigenhändig unsere Mikroskope zerlegen, um eine Diode auszutauschen. Dabei sollte er froh sein, dass wir uns selbst organisieren, einspringen, wo es nötig ist.

Ich taste die Drähte am Flussufer ab, folge dem Zaun über die Landzunge, die den Fluss vom See trennt. Immer wieder schneide ich ein Stück von der Kupferspule, um die Kontakte zu verstärken. Ich schiebe Äste zur Seite, die den Stromkreis unterbrechen könnten, knicke sie ab, wenn es nicht anders geht. Nur eine Frage der Geduld, bis der Strom wieder fließt. Ich will zurückkommen und sagen, dass alles funktioniert.

Ich folge den Holzplanken in die Waldwiesen hinauf. Die Sträucher hier sind noch braun und struppig. Steinbirken und Zwergkiefern, die mir kaum bis zur Schulter reichen. Stängel von Blaubeeren, Rauschbeeren, Siberian Mountain Ash.

Von den Hängen aus kann ich alle acht Häuser überblicken. Haupthaus, Speisesaal, weiter hinten am Ufer Bootshaus und Banja, das Haus von Vova und mir gleich neben dem Nasslabor. Es sieht aus, als würden unsere Häuser dem See im Nacken sitzen, sich in diese Kuhle ducken, um ihn und den Fluss so unbemerkt wie möglich zu bewachen. Ich sehe Vova sägend neben dem Schleusenhäuschen. Yulia, die einen Eimer zum Student's House trägt.

Ich verlasse die Holzplanken, obwohl die Erde immer sumpfiger wird. Zwischen Windrad und Plumpsklo 2 finde ich eine kritische Stelle. Die Drähte haben sich aus den Ösen gelöst, vielleicht hat ein Tier oder der Schnee sie zu Boden gedrückt. Ich taste mehr nach den Drähten, als dass ich sie sehe, versuche nicht auf die frischen Triebe zu steigen, die Lupinen und Doldenblütler werden. Aber es ist schwer, mit Gummistiefeln auf Zehenspitzen zu gehen. Die Erde unter mir zieht sich zusammen. Ich denke an die Poren, die ich mit jedem Schritt verschließe, an die Fadenwürmer und Schlammspringer, die nicht viel größer als meine Planktonzellen sind. Ich bewege mich langsam, als könnte ich dadurch den Druck auf die Erde minimieren. Wie weit müsste ich mein Gewicht verteilen, um nicht einmal das Gras unter meinen Füßen zu verletzen?

*

Vorhin haben Yulia und ich grob durch die ersten Samples gescreent. Die Algengemeinschaft ist normal für Anfang Mai. Die Kieselalgen dominieren wie immer, Aulacoseira subarctica an allererster Stelle.

Gutes Zeichen, ich habe schon das Schlimmste befürchtet. Die Daten letzten Herbst haben so sehr darauf hingedeutet, dass etwas aus dem Ruder läuft. Als würde sich das ganze Nahrungsnetz verschieben, die Nährstoffe aus den Lachskadavern nicht bei den Algen ankommen.

Yulia sagt auch, warten wir lieber die neuen Daten ab. Vielleicht sind das ja nur die üblichen Schwankungen gewesen. Ich hoffe, sie hat recht und das Ökosystem hat sich über den Winter wieder gefangen.

*

Der Pier steht fast unter Wasser. So hoch haben wir den See selten erlebt. Wenn ich abends auf der Wasserleiter sitze, scheinen die vertäuten Boote über mir zu schwimmen. Nur ein paar Meter fehlen, dann würde der See die Wolken berühren. Sie hängen so tief, der ganze See scheint zu rauchen. Vielleicht erinnert er sich an den Vulkan, der er früher gewesen ist. Nur hat sich dieser Vulkan in sein Negativ verkehrt. Die Hänge fallen steil nach unten ab, laufen unter Wasser immer weiter aufeinander zu und bilden an der tiefsten Stelle, dreihundert Meter unter uns, einen perfekten Kegel.

Ich weiß nicht, wie lange es dauert, dass aus einem See ein Berg wird und wieder ein See. Manchmal meine ich es wie im Zeitraffer zu sehen: einen dunklen Fleck weit draußen. Eine Insel, die sich aus dem See erhebt. Die Insel wird größer, bäumt sich zu einem riesigen Vulkan auf. Wasser strömt von den Hängen. Das Magma schießt in einer gewaltigen Eruption bis in die Stratosphäre. Die Lava verteilt sich, bis nur eine leere Kuppel übrig bleibt. Am Ende stürzt die Magmakammer in sich zusammen, wie...


Klink, Sophia
Sophia Klink, geb. 1993 in München, hat Biologie studiert und über die Symbiose zwischen Bakterien und Pflanzen promoviert. Sie wurde mit dem Literaturstipendium München und dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März ausgezeichnet und mit Stipendien des British Council und der Stiftung Kunst und Natur gefördert. Sie war Finalistin beim open mike, Aufenthaltsstipendiatin der Roger Willemsen Stiftung, des Adalbert Stifter Vereins und der Villa Sarkia in Finnland. Im Frühjahr 2025 erschien ihr Lyrikdebüt bei hochroth München. Durch einen Forschungsaufenthalt am Weißen Meer in Russland zu ihrem Roman »Kurilensee« inspiriert, stand sie mit einem Auszug daraus auf der Shortlist des W.-G.-Sebald-Preises. Die Autorin lebt in München.

Sophia Klink, geb. 1993 in München, hat Biologie studiert und über die Symbiose zwischen Bakterien und Pflanzen promoviert. Sie wurde mit dem Literaturstipendium München und dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März ausgezeichnet und mit Stipendien des British Council und der Stiftung Kunst und Natur gefördert. Sie war Finalistin beim open mike, Aufenthaltsstipendiatin der Roger Willemsen Stiftung, des Adalbert Stifter Vereins und der Villa Sarkia in Finnland. Im Frühjahr 2025 erschien ihr Lyrikdebüt bei hochroth München. Durch einen Forschungsaufenthalt am Weißen Meer in Russland zu ihrem Roman »Kurilensee« inspiriert, stand sie mit einem Auszug daraus auf der Shortlist des W.-G.-Sebald-Preises. Die Autorin lebt in München.



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