E-Book, Deutsch, 154 Seiten
Klingenberg / Berger Die Arthrose Sprechstunde
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7568-3201-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Arthrose behandeln, Schmerzen lindern, Prothesen vermeiden
E-Book, Deutsch, 154 Seiten
ISBN: 978-3-7568-3201-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung. Betroffene leiden häufig unter Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Die Arthrose Sprechstunde ist ein Ratgeber für Patienten mit Gelenkverschleiß. "Gelenke erhalten statt ersetzen" ist das Ziel des erfahrenen Orthopäde und Sportmediziners Dr. Markus Klingenberg. Der Knorpel-Doc vermittelt unterhaltsam den aktuellen Wissensstand zu Arthrose und ihre Behandlungsmöglichkeiten. Der Leser lernt die entscheidenden vier Säulen für seine Gelenkgesundheit kennen: das eigene Verhalten, die medizinischen Therapiemöglichkeiten, Bewegung und Ernährung. In einer 90-tägige Challenge motiviert und begleitet der Autor den Leser auf seinem Weg, das Gelesene direkt für sich umzusetzen und beizubehalten. Dieses Buch macht Schluss mit Halbwissen, fünfminütigen Sprechstunden beim Arzt und vorschnellen Operationen. Die Arthrose Sprechstunde ist der Kompass und Ratgeber, den sich jeder Arthrose, Patient wünscht. Mit einem Vorwort von Toni Schumacher: Gut, dass Du Dich dem Thema Gelenkverschleiß in diesem - für Patienten und Interessierte wie mich - verständlichen, umfassenden Werk widmest. Vielen Dank dafür, mein Knorpel Doc!
Dr. med. Markus Klingenberg ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie und Notfallmedizin. Er ist als Partner einer interdisziplinären Gemeinschaftspraxis an der Beta Klinik in Bonn. Seine Schwerpunkte sind die Sportorthopädie und die Arthrosetherapie. Im deutschsprachigen Raum ist er führend in der Anwendung von körpereigenen Stammzellen bei Arthrose. Ein umfangreiches konservatives Behandlungsspektrum, basierend auf umfassenden Kenntnissen in der funktionellen Untersuchung, manuellen Medizin und modernsten konservativen Therapien komplettieren seine Therapien. Als Kooperationspartner der Olympiastüzpunkt Rheinland versorgt er Profisportler, Olympiateilnehmer sowie Angehörige polizeilicher und militärischer Spezialeinheiten. Seit 2001 hat Dr. Klingenberg als Personal Trainer und Coach Kunden in den Bereichen Sport, Gesundheit und Ernährung betreut. Als Autor schreibt Dr. Klingenberg regelmäßig Artikel zu sportmedizinischen Themen für verschiedene Fachzeitschriften und ist Referent bei sportmedizinischen Weiterbildungen für Ärzte und Trainer. Er hat mit Return to Sport ein sportmedizinisches Standardwerk verfasst.
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Wo der Schmerz wirklich herkommt
Ein gesunder Knorpel ist ungefähr so glatt wie chinesisches Porzellan, schimmert kaltweiß und fühlt sich prall an.Seine extrem verschleißarmen Gleiteigenschaften verdankt er der besonderen Struktur; die vornehme Blässe der Tatsache, dass er nicht durch das Blut, sondern durch sogenannte Gelenkschmiere genährt wird. Auch die Elastizität kommt von diesem Gewebewasser, das in der Gelenkkapsel unablässig nachproduziert wird. In unserer Klinik führe ich pro Jahr über 250 operative Knorpelbehandlungen durch. Am häufigsten am Knie, gefolgt von Hüfte, Schulter-, Sprunggelenk. Im Rahmen minimalinvasiver, arthroskopischer Eingriffe teste ich regelmäßig mit einer feinen Sonde den Zustand des wundervollen Gewebes, das die meisten Knochenenden in den Gelenken überzieht. Der Tasthaken, den ich dafür durch einen winzigen Gewebeschnitt in die Gelenkkapsel einführe, dient als Verlängerung meiner Finger. Da er starr ist, spüre ich in den Fingerspitzen feinste Unterschiede bei der Elastizität des Puffergewebes, dessen zentrale Aufgabe bei den gewicht-belasteten Gelenken, wie Hüfte, Knie oder Sprunggelenk, die Druckverteilung und -minderung ist. Gesunde Knorpel bestehen aus Knorpelzellen, die um sich herum ein Netzwerk aus Kollagen aufbauen. Das Besondere an den komplexen Matrixmolekülen ist, dass sie über körpereigene Hyaluronsäure Wasser einlagern und so ein natürliches Gelkissen bilden. Wenn die Fläche den Druck meines Instruments leicht abfedert und keine Spuren zurückbleiben, weiß ich: Der Knorpel ist wohlauf und gesund. Anders, wenn das feste Bindegewebe beschädigt ist. Dann kann es geschehen, dass sich der Zellverbund locker und brüchig anfühlt; und dass ich mit der Sonde die Oberfläche eindrücken kann. Schlimmstenfalls ist gar kein Knorpel mehr vorhanden. Dann kratze ich mit dem Haken über eine rauhe Oberfläche und spüre blanken Knochen. Es beeindruckt mich immer wieder aufs Neue, welche komplexen Einflüsse diese zarte, wenige Millimeter dünne Gewebeschicht auf Beweglichkeit, Alltagsgestaltung und Lebensqualität hat. Und parallel fasziniert mich, wie genial Mutter Natur das wunderschöne Gewebe nährt, das ähnlich einem feinen Schwamm ist. Ein alter Chef von mir sagte früher mit Blick zu den Studenten: „Ein Knorpel ist wie ein Azubi: Er braucht Druck und Bewegung“. Ich würde es anders formulieren: Der Knorpel gestaltet Bewegung, und Bewegung gestaltet den Knorpel. Wie der Naturschwamm im Meer durch den Wellengang ausgewalkt wird und sich anschließend frisches, nährstoffreiches Wasser zieht, so sorgt der Bewegungsdruck auf den Knorpel dafür, dass das verbrauchte Gewebewasser aus dem Biopolster herausgedrückt und in einer anschließenden Ruhephase frische Gelenkschmiere aufgenommen wird. Als aktiver Taucher und zertifizierter Taucharzt gefällt mir das Bild mit dem Schwamm aus einem weiteren Grund: Jeder weiß, was passiert, wenn man aus dem Badeschwamm oberflächlich ein Stück herausreißt: Die aufgenommene Wassermenge wird kleiner. Gleiches geschieht bei der Arthrose: An der betroffenen Stelle nimmt der Knorpel weniger Gelenkflüssigkeit auf. Dadurch lässt die Stoßdämpferfunktion nach. Parallel verschlechtert sich die Ernährung des gefäßlosen Stützgewebes. Der Anfang eines Teufelskreis. Alles klar, denkst Du jetzt womöglich. Ein so geschundener Knorpel ist vermutlich auch bei mir der Grund, warum ich Schmerzen habe. Da muss ich Dich enttäuschen – Abnutzung allein verursacht keine Beschwerden! So wie der Knorpel nicht ans Blut- und Lymphsystem angeschlossen ist, verfügt er auch nicht über Nerven.Vergleichbar ist das mit der Situation beim Zahn. Erst wenn der Schaden so tief reicht, dass der Nerv betroffen ist, spüren wir etwas. Beim Gelenk ist das der Übergangsbereich vom Knorpel zum Knochen. Erst in diesem Bereich sitzen die sogenannten Schmerzrezeptoren, die Druck, Dehnung und andere Reize aufnehmen und als Schmerzsignal zum Rückenmark weiterleiten. Klassische Arthrosebeschwerden erinnern im Tagesverlauf stets ein bisschen an die Form des Buchstabens M und sind mit Knochenschmerzen allein kaum zu erklären: Das beginnt – zum Beispiel an der Hüfte – mit einem steil ansteigenden Anlaufschmerz am Morgen, der am Vormittag langsam besser wird. Die Patienten berichten meist davon, dass sie sich erstmal einlaufen müssen. Bereits mittags kehrt mit jedem weiteren Schritt ein belastungsabhängiger Schmerz zurück, der schlagartig nachlässt, sobald Du Dich abends hinlegst. Wobei es auch Patienten gibt, die sagen: „Morgens habe ich noch nichts, sondern erst nach 500 Metern kommen die Schmerzen“. Bei anderen tut es nur morgens weh und danach sind sie schmerzfrei. Dritte haben selbst in der Nacht Beschwerden: relativ selten in Rückenlage; häufiger in Seitenlage. Gleiches gilt, wenn es bergab oder treppab stärker schmerzt als bergauf bzw. treppauf. Das alles und noch viel mehr kann Arthrose sein. Wie komplex Gelenkschmerzen sein können, zeigt der Fall einer 48-jährigen Patientin, die kürzlich bei mir war. Im Frühjahr hatte sie zusammen mit ihrem Mann angefangen, regelmäßig Tennis zu spielen. Seitdem leidet sie nach jedem Match unter starken Schmerzen in beiden Knien. Sie kam zu mir, um sich eine Zweitmeinung einzuholen. Der Orthopäde, der sie behandelt, hatte ein MRT machen lassen und festgestellt, dass sie – auf einer Skala von null für kein Schaden bis vier für Knochen liegt frei – einen Knorpelschaden Grad eins bis zwei in beiden Knien hat. Der Kollege war der Meinung, dass er unbedingt den Knorpel therapieren müsse. Die Patientin hatte die CD mit den Kernspin-Schichtaufnahmen mitgebracht. So konnte ich die Bilder selbst in Augenschein nehmen. Tatsächlich war eine gewisse Schädigung des Knorpels erkennbar. Doch passte der leichte Grad der Arthrose – meiner Erfahrung nach – nicht zu den beschriebenen Beschwerden. Dazu hätte noch eine gewisse Form der entzündlichen Aktivierung gehört. Eine solche Akutreaktion erkennen wir Ärzte daran, dass sich im Gelenk mehr Flüssigkeit befindet, als dort hingehört. Wir sprechen vom Gelenkerguss. Außerdem reagiert der Knochen unterhalb des Knorpels ebenfalls mit einer Flüssigkeitsansammlung. Das nennen wir Knochenmarködem. Was mich stutzig machte: Auf den MRT-Bildern der Patientin war weder Erguss noch Ödem erkennbar. Ich habe deshalb die Frau ein paar einfache Übungen ausführen lassen. Eine tiefe Kniebeuge zum Beispiel. Dabei stellte sich heraus, dass sie nicht richtig abhocken konnte. Sie hob jedesmal die Ferse vom Boden. Außerdem fiel sie bei der Übung in eine ausgeprägte X-Bein-Stellung. Diese einfachen Tests dauern wenige Sekunden, helfen mir jedoch dabei zu erkennen, ob die Patienten ihre Beine optimal ansteuern können. Tennis ist wunderbar. Durch die Start-Stop-, Rechts-Links-, Rückwärts-Vorwärts-Bewegungen ist der Sport doch körperlich extrem fordernd und gelenkbelastend. Dazu kommen die ganzen Rotationsbewegungen. Die Art und Weise, wie die Patientin die Funktionsübungen ausführte, verstärkten bei mir einen Verdacht: Dass die Beschwerden eher als Summenprodukt von den Weichteilen stammen, die sich um das Knie herum befinden, als vom objektiven Knorpelschaden, den mir das MRT präsentiert. De Facto kann dieser Verschleiß bereits seit Jahren unbemerkt bestanden haben und ist jetzt zufällig von meinem Kollegen entdeckt worden – ohne direkt im Zusammenhang mit den Beschwerden zu stehen. Das Knie ist eines unserer beweglichsten Gelenke. Der runde Kopf des Oberschenkelknochens läuft auf dem flachen Teller des Schienbeinkopfs. Der Unterschenkel kann nicht nur vor und zurück und nach rechts und links schwingen, sondern auch nach innen und außen rotieren. Stabilität erfährt diese extrem flexible Knochenverbindung durch die umgebenden Muskeln, Bänder, Sehnen und die robuste Weichteilkapsel. Im Gegensatz zum Knorpel sind alle diese Gewebestrukturen – wie wir Ärzte sagen – innerviert, also mit Nerven ausgestattet und in der Lage, weh zu tun – lange bevor Knochen auf Knochen reiben. „Klar, ich kann Ihnen auch eine Spritze ins Gelenk geben. Dann sind Sie mich in fünf Minuten los“, erklärte ich meiner ratsuchenden Patientin. „Besser und nachhaltiger wäre es, wenn wir erst einmal Ihren Bewegungsapparat optimieren.“ In Wahrheit war die Frau von der Muskulatur und der Ansteuerung der Gelenke gar nicht in der Lage, Tennis zu spielen. Alternativ ist Ruhe und No Sports auch kein Konzept. Dadurch würde schützende und stützende Muskulatur abgebaut. Das Problem würde nur größer werden. „Geben Sie mir drei Monate mit gezielten Mobilitäts- und Kräftigungsübungen“, bat ich meine Patientin. „Danach haben sich Beweglichkeit, Stabilität und die Ansteuerung der Beine so weit verbessert, dass Sie schmerzfrei Tennis spielen können. Und wenn...