E-Book, Deutsch, Band Band 001, 277 Seiten
Klettke / Pröve / Köstler Brennpunkte kultureller Begegnungen auf dem Weg zu einem modernen Europa
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-877-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Identitäten und Alteritäten eines Kontinents
E-Book, Deutsch, Band Band 001, 277 Seiten
Reihe: Schriften des Frühneuzeitzentrums Potsdam
ISBN: 978-3-86234-877-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Prof. Dr. Cornelia Klettke lehrt Romanische Literaturwissenschaft am Institut für Romanistik an der Universität Potsdam. Sie ist Autorin zahlreicher Schriften zu den romanischen Literaturen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart und Spezialistin für das 20. Jahrhundert.
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1;Title Page;3
2;Copyright;4
3;Inhalt;5
4;Vorwort;7
5;Günther Lottes: Faktoren und Konstellationen europäischer Kulturraumbildung von der Reformation bis zum frühen 19. Jahrhundert;9
5.1;Das Kulturraumprofil des konfessionellen Zeitalters;11
5.2;Vom sprachlich bestimmten Kulturraumprofil der Aufklärung zu den nationalen Kulturräumen des 19. Jahrhunderts;17
6;Frank Lestringant: Die Wilden Europas: Der Korse, der Sarde, der Lappe;27
6.1;1. Der Korse;29
6.2;2. Der Sarde;32
6.3;3. Der Lappe, ein guter Wilder aus der Kälte;36
6.4;4. Schluss: Ein naher Guter Wilder;43
6.5;Bibliographie;45
7;Gerda Haßler: Identität durch Sprache. Der Diskurs zur Apologie der Vernakularsprachen bis zum 18. Jahrhundert;47
7.1;1. Ein krimineller Beweis für die urkastilische Theorie;47
7.2;2. Die Überlieferung des Lateins bis in die frühe Neuzeit und die Übernahme kommunikativer Bereiche durch die Vernakularsprachen;49
7.3;3. Metasprachliche Zeugnisse der Verteidigungen einzelner Sprachen und Bewusstwerden ihrer Situation;55
7.4;4. Kriterien der Sprachapologie;59
7.5;5. Nebenwege der Sprachapologie: welche Sprache für die Wissenschaft?;63
7.6;6. Begriffliches Ergebnis der Apologie;65
7.7;Bibliographie;66
8;Cornelia Klettke: Ferrara und sein Fürstenhof als ein frühneuzeitlicher Begegnungsraum und Brennpunkt europäischer Identitätsfindung;71
8.1;Einleitung: Kulturelle Begegnungsräume im Zeitalter des Humanismus;71
8.2;Ferrara als höfischer und urbaner Anziehungspunkt im 15. und (beginnenden) 16. Jahrhundert;71
8.3;Die Markgrafen und Herzöge aus der Familie Este;75
8.4;Bedeutende Frauenpersönlichkeiten als Gemahlinnen der Fürsten;77
8.5;Das Profil Ferraras als Zentrum der Wissenschaften, der Literatur und der bildenden Kunst;82
8.6;Die Anfänge des Humanismus in Ferrara: Guarino da Verona, Giovanni Aurispa;83
8.7;Markgraf Leonello: der Gelehrte auf dem Thron;85
8.8;Ärzte in Ferrara;90
8.9;Die Anatomie in Ferrara;92
8.10;Ferrara, ein fortschrittliches Zentrum der astronomischen Wissenschaft;93
8.11;Die Tradition der Astrologie in Ferrara;95
8.12;Die gemalte Astrologie im Palazzo Schifanoia;96
8.13;Der Orlando furioso als ein identitätsstiftendes Werk der italienischen Renaissance-Literatur;102
8.14;Schlussbemerkung;103
8.15;Abbildungsnachweis;103
9;Andreas Köstler: Selbstfindung qua kultureller Abgrenzung: Bernini in Paris;107
9.1;Der Misserfolg der italienischen Geniekunst;117
9.2;Durch Abgrenzung zur französischen Hofkunst;124
9.3;Eine beförderte Selbstfindung?;136
9.4;Abbildungsnachweis;136
10;Ralf Pröve: Migration, Kulturtransfer und Militärsystem in der Frühen Neuzeit;139
10.1;Einleitung;139
10.2;Die Militärbevölkerung in der Frühen Neuzeit;142
10.3;Werbung und Migration;143
10.4;Mobilität und Kulturtransfer im Militär;146
10.5;Die soldatische Unterbringung als Form des Kulturaustausches;148
11;Frank Göse: »Die Preußen hätten keine Lust zu beißen « Wahrnehmungsmuster im brandenburgisch-kursächsischen Verhältnis in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert;153
11.1;1. Zwischen Partnerschaft und Rivalität: Die sächsisch-brandenburgischen Beziehungen bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert;157
11.2;2. Sachsen und Brandenburg-Preußen in den politischen Lageanalysen;160
11.3;3. Der preußische Militärstaat als Modell?;164
11.4;4. Brandenburg-Preußen und Sachsen in der populären Wahrnehmung;168
11.5;5. Die brandenburgisch-sächsische Grenze als »Begegnungsraum«;176
11.6;6. Gab es eine sächsisch-preußische scientific community?;179
12;Christoph Schulte: Amsterdam und Berlin als jüdische Metropolen des 17. und des 18. Jahrhunderts;183
12.1;1. Conversos;183
12.2;2. Amsterdam;186
12.3;3. Aschkenas;193
12.4;4. Berlin;194
12.5;Abbildungsnachweis;202
13;Brunhilde Wehinger: Der Salon. Ein Modell kultureller Begegnungsräume weiblicher Prägung;203
13.1;1. Der hochadlige Salon als Antwort auf die Krise der Feudalgesellschaft;205
13.2;2. Bürgerliche Salonkultur im Jahrhundert der Aufklärung;208
14;Dirk Wiemann: Grenzüberschreitende Provinzialität: Richardsons Pamela und die verborgenen Ressourcen des europäischen Romans;213
14.1;Die Provinzialisierung des Romans;215
14.2;»To write myself«: Pamela in der Wildnis;219
14.3;1001 Brief: Pamela im Serail;224
14.4;Bibliographie;228
15;Lars Eckstein: Gegen den Strich: Shakespeares Caliban und das exotische Imaginäre in der britischen Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts;231
15.1;1. Caliban in der britischen Malerei vor 1800;233
15.2;2. Caliban in der britischen Malerei nach 1800;241
15.3;3. Caliban, das exotische Imaginäre und der britische Kunstmarkt;245
15.4;Abbildungsnachweis;250
16;Helmut Peitsch: »[] wie mitten in den Wildnissen von Amerika die Eingebornen und die Abkömmlinge der Europäer sich nähern«: Georg Forsters Bild einer »neuen Kultur« in Editionen und Rezensionen von Reisebeschreibungen über Nordamerika;251
16.1;Gegen unhistorisches Reden von Globalisierung;251
16.2;Georg Forster als Beispiel: Ein deutscher Teilhaber an Europas Expansion;254
16.3;Die Trias Wirtschaft, Politik und Wissenschaft;257
16.4;Dreierlei Annäherung: 1. First Contact;262
16.5;2. Ähnlichwerden;265
16.6;3. Wechselseitige Beeinflussung;267
16.7;Bibliographie;269
17;Zu den Autoren;273
(S. 203-204)
Die französische Salonkultur, die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts europaweite Verbreitung erlangte, erweist sich als eine spezifische Form urbaner Geselligkeit, die aus kulturgeschichtlicher Perspektive als ein Phänomen der longue dur¤e zu bewerten ist. Sie übersteigt die Dimension der petite histoire, d. h. des anekdotischen und biographischen Sammelsuriums bei Weitem.
Im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Erforschung der Genealogie moderner Zivilgesellschaften westeuropäischer Prägung, bestärkt durch die wissenschaftsgeschichtlichen Impulse der Genderforschung, stellt sich die Salonkultur retrospektiv als ein kommunikatives Modell dar, das im Paris des frühen 17. Jahrhundert unter weiblicher Regie ein kulturelles Angebot auszubilden verstand, und zwar unabhängig vom Hof und den Bildungsinstitutionen der Kirche. Im Jahrhundert der Aufklärung avancierte die Salonkultur, wie sie sich vor allem in Paris, aber auch in anderen französischen Städten entfaltete, zu einer weit über die Grenzen Frankreichs hinaus wirkungsvollen Kristallisationsform der bürgerlichen Öffentlichkeit.
Die Salons des Ancien R¤gime boten nicht nur einen (Schon-)Raum für kulturelle Begegnungen, sondern Raum für die Entfaltung einer Gegenöffentlichkeit, in der sich das Selbstbewusstsein der neuen gesellschaftlichen Elite artikulieren konnte.1 Salongeselligkeit ereignet sich inmitten der Gesellschaft.
Ein Blick auf ihre Theorie und Geschichte, samt ihrer Vorgeschichte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,2 ergibt ein bemerkenswert facettenreiches Bild: Vielfältige Veränderungen gehen einher mit ausgeprägter Individualität, Verschiedenheit und Originalität als Kennzeichen eines jeden einzelnen Salons, der jeweils geprägt ist von der Persönlichkeit seiner Gastgeberin, der Salonniºre, die als diskrete Organisatorin von geselligen Soireen, Gesprächen, Intellektuellennetzwerken, Kulturtransferprozessen für das Renommee ihres Salons steht, ohne dass es einer Programmatik oder einer Satzung bedürfte.
Im Gegenteil: Das Besondere der Salonkultur liegt darin, dass es sich um eine höchst flexible soziale Konfiguration handelt, die auf einige wenige, dafür aber stabile Konstanten und ungeschriebene Regeln zurückgreifen kann: Gegenseitige Anerkennung der Individualität und Differenz der Gäste, Freude am geselligen Gespräch, am Austausch von Ideen, Freiwilligkeit, Regelmäßigkeit, Zuverlässigkeit. Die gesprächige Interaktion der Akteure und Akteurinnen der Salonkultur ist als Aktualisierung einer noch heute präsenten Salon-Idee zu betrachten, die sich im frühen 17. Jahrhundert als eine Kommunikationsform durchzusetzen begann, die der ›Kunst des Gesprächs‹, der Konversation ohne Zugeständnisse an die Schulrhetorik und ohne Pedanterie, verpflichtet ist.