E-Book, Deutsch, 303 Seiten
Klein Wie viel wiegt ein Instagram?
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-5618-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Warum uns das Smartphone (doch nicht) zur Krone der Schöpfung macht
E-Book, Deutsch, 303 Seiten
ISBN: 978-3-7325-5618-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wünschen Sie sich auch manchmal ein Telefon mit Wählscheibe zurück? Leider kommen Sie um ein Smartphone nicht herum. Und so teilt sich die bildschirmgebeugte Bevölkerung nicht länger in Männlein oder Weiblein, sondern Smartphone-Nutzer und Smartphone-Halter. Die einen dealen an der Online-Börse, laden YouTube-Videos hoch oder snapchatten mit Pamela Reif, die anderen suchen verzweifelt nach der Tastatur, mit der sie telefonieren können. Mit viel Humor und großer Gelassenheit erzählt Christian Klein von Sinn und Unsinn des Smartphones in unserer Gesellschaft - und warum früher trotzdem nicht alles besser war.
Christian Klein, Jahrgang 1987, ist verheiratet und lebt aufgrund des immer noch nicht eingetretenen plötzlichen Reichtums am Rande des Rheinlands und nicht in einer Luxus-Villa auf den Malediven. 2014 verarbeitete er mit Neulich beim Discounter einige spaßbefreite Monate an der Ladenkasse im Lebensmitteleinzelhandel zu einem urkomischen Buch über Begegnungen mit skurrilen Kunden.
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Smart what?
Warum heißt ein Smartphone eigentlich Smartphone? Ist es besonders smart? Smart war für mich immer ein Auto. Ein sehr kleines Auto. Kurz: Für mich ergibt das Wort Smartphone keinen echten Sinn, weshalb ich auch heute noch lieber von einem Handy spreche. Wir fanden es früher cool, wenn wir ein kleines Handy hatten, aber inzwischen sind die großen und noch größeren Telefone der letzte Schrei. Sie sind so groß geworden, dass man sie nicht mal mehr in die Tasche stecken kann. Jetzt ist ein Smart aber doch der Inbegriff eines kleinen Autos, ist ein Smartphone also ein großes Telefon für ein kleines Auto? Oder werden Smartphones in Zukunft so groß wie ein Auto sein? Kann man ein Smartphone irgendwann quer in einer Parklücke ablegen? Denn für das Auto brauche ich ja bald keine Parklücke mehr, das bekomme ich ja fast problemloser in die Tasche als so manches Telefon … Früher war es wichtig, so klein wie möglich zu sein, heute kommt es wieder auf die Größe an. Irre, aber die Menschheit stand mal auf kleine Handys. Heute hingegen gilt: je größer, umso besser. Wenn das so weitergeht, haben wir bald die Dimension von Telefonzellen erreicht (ach übrigens, für die junge Generation: Telefonzellen waren früher in etwa zwei mal zwei Meter kleine, gläserne geschlossene Häuschen, in denen ein Telefon hing. Die Häuschen waren gelb. Man warf dort Münzen ein, um zu telefonieren. Falls ihr so etwas seht: Macht mit eurem Smartphone ein Foto von der Telefonzelle, denn diese historischen Bauwerke sind heute ebenfalls so selten wie ein Einhorn). Ich war siebzehn und so stolz auf mein erstes, kleines Taschentelefon. Nun, ich war irgendwie der Letzte von meinen Freunden gewesen, der ein solches Wunderding bekam. Was heute Koreaner oder Fallobst ist, war damals Nokia oder Trium. Und unsere Handys bekamen ständig neue Funktionen. Nach und nach gab es schließlich auch Geräte, auf denen mehr als nur ein Spiel funktionierte und das jetzt auch MP3-Songs abspielen konnte. Für 2,99 Euro pro Woche bekam man ein Jamba-Abo, um sich ein Spiel oder ein Lied aufs Handy zu laden. Aus diesen »Verträgen« kam man nicht wieder raus, ohne eine SMS* für 2,99 Euro an Java zu schicken mit dem Wort »Stop«. Nachdem man das mit gefühlten siebenundzwanzig Antwort-SMS (»Ja ich bin mir sicher, dass ich dieses Abo nicht mehr möchte«) – und natürlich für jeweils weitere 2,99 Euro pro SMS – bestätigen musste und niemand so viel Guthaben auf seiner Prepaidkarte hatte, dürfte mindestens jeder Zweite aus meiner Generation noch immer ein Jamba-Abo haben, was sie oder er nur längst vergessen haben dürfte. Mein Tipp: Schauen Sie doch einfach mal nach, manchmal lohnt es sich wirklich, seine Handy-Monatsrechnung genau zu studieren! Und dann fordern Sie die 2.583 kostenlosen Klingeltöne ein, die Sie schließlich über Ihr Abo in all den Jahren bezahlt haben. Wir hatten damals nicht die technische Möglichkeit, mit dem Handy mal schnell online zu gehen und uns den Song einfach bei einem Download-Store zu laden, damit wir ihn auf dem Handy hatten. Diese Technik beherrschte seinerzeit offenbar nur Jamba. Dafür gab es sehr coole Fernsehwerbung bei VIVA. Man hatte das Gefühl, dass VIVA komplett aus Jamba-Spots bestand, aber wir hatten ja gottlob noch weitere neunundzwanzig Sender, und alle in Farbe! Aber auch die anderen Sender brachten Jamba-Werbung, und ob es nun der bekloppte Frosch war oder der Hase Schnuffel, uns gefiel, was dort beworben wurde und somit brauchten wir diese Songs zum Überleben, und so gab es die Lieder konsequenterweise bald auch auf CD und einige, wie der Hase Schnuffel, wurden tatsächlich Nummer-eins-Hits in unserer schönen Republik. Es wurde uns also unendlich schwergemacht, kein Abo abzuschließen. Heute sieht man diese Art Werbung genauso selten wie ein Einhorn – mit anderen Worten: Sie ist ausgestorben. Und für die Smartphone-Generation hat Jamba nie existiert. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wann und wie ich mein erstes richtiges Smartphone in der Hand hielt. Es stammte vom Fallobst und war Teil einer Aktion eines großen Mobilfunkanbieters: »Wir schicken Ihnen das Gerät zwei Wochen zum Testen, und wenn es Ihnen nicht gefällt, schicken Sie es einfach zurück. Und wenn Sie es behalten möchten, bekommen Sie einen passenden Vertrag, bei dem Sie lediglich Ihr gesamtes Monatsgehalt an uns überweisen müssen, um das Ganze über den überschaubaren Zeitraum von 429 Monaten abzuzahlen.« Dummerweise gab es zu diesem Zeitpunkt immer noch keine Internetflatrate für Smartphones, und wirklich guten Internetempfang gab es auch nicht – und so hatte ich das Ding eine Stunde ausprobiert, wieder eingepackt und zurückgeschickt. Denn ich erkannte schnell, dass man damit noch nicht wirklich viel anfangen konnte. Und es war für mich echtes Neuland, ich war überfordert mit all seinen Funktionen. Ich fühlte mich mit Anfang 20 zum ersten Mal alt, richtig alt. Ich war auch der festen Meinung, dass sich das Ding nie im Leben durchsetzen würde. Heute sind wir schon in der x-ten Generation Fallobst. Bitte tragen Sie in der nachfolgenden Zeile wahlweise die namensgebende Zahl des aktuellen Fallobst- oder Korea-Handys ein. Damit aktualisieren Sie dieses Buch auf den heutigen Stand, der Verlag kann ja wirklich nicht zu jeder Neuausgabe der Smartphones eine aktualisierte Auflage erstellen: iPhone-Generation 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9
(hier bitte aktuelle Version eintragen). Samsung Galaxy S-Generation 4 – 5 – 6 – 7 – 8 –
(hier bitte aktuelle Version eintragen). Ich habe eine andere Marke, und zwar (bitte Marke eintragen), in der Version (hier bitte aktuelle Version eintragen). Besten Dank für Ihre Mithilfe, diesen Smartphone-Ratgeber aktuell zu halten. Aber zurück zum Thema, ja, das Smartphone hat sich durchgesetzt. Tja, hinterher ist man ja immer schlauer. Schlauer auch, was die Nutzung der vielen nützlichen und vergleichsweise merkwürdigen Funktionen anbelangt: Ich kann mich inzwischen recht gut in der Welt der Smartphones bewegen. Na, das sieht doch so aus, als sei vieles besser geworden, seit es Smartphones gibt, richtig? Aber nur bis zu einem Punkt, denn es gibt da immer noch die Sache mit dem Immer-erreichbar-Sein. Ich bin ja selbst ein Smombie geworden. Ich verlasse das Haus zwar auch mal ohne Telefon, aber nur, wenn der Akku und meine Powerbank leer sind. Das wäre mir früher übrigens nie passiert, wenn man sich an die ersten Handys erinnern kann. Die Akkus damals hielten in etwa eine Woche, ja, auch wenn man damit täglich mehrere Stunden telefoniert hatte. Heute hängen die Smartphones so oft am Strom, dass es eigentlich doch wieder kabelgebundene Telefone sind. Ich muss gestehen, dass es ein komisches Gefühl ist, ohne Handy loszuziehen, so, als würde man ohne Geld einkaufen gehen wollen. Ohne mein Smarty, wie ich es liebevoll nenne, fühle ich mich halt irgendwie nackt und unvollständig, eine der modernen Smombie-Krankheiten eben … Mit den heutigen Smartphones kann man inzwischen problemlos Filme schauen. Klar, das geht am besten zuhause, denn da hat man das 50 MBit-WLAN und nur damit macht Netflix-Streaming auch Spaß. Also schaltet man seinen 80-Zoll-Fernseher aus, um die 30fach verkleinerte Version von Star Wars auf dem Handydisplay zu schauen … Wer tut so etwas? Und vor allem warum? Ganz einfach, weil man es jetzt kann. Und es ist scheinbar völlig egal, ob das wirklich Spaß macht oder nicht. Das Einzige, was wir seinerzeit auf den alten Handys lesen oder sehen mussten, waren SMS. Wir zahlten pro SMS zirka 9 Cent. Und wir hatten auch nur maximal 160 Zeichen für eine SMS. Das Twitter von heute war damals unsere SMS. In dieser Zeit wurden auch die absurdesten Abkürzungen erfunden, weil 160 Zeichen wirklich nicht viel sind. Und eine zweite SMS schreiben kam rein finanziell einfach nicht infrage. HDGDL* hat also so manche sorgende Mutter zum Verzweifeln gebracht, wenn sie mal kurz die SMS ihres Schutzbefohlenen durchscrollte, um sicherzugehen, dass der Kleine auch keine Dummheiten anstellt. Übrigens führte auch diese Entwicklung schon wieder zu einem Top-Hit, diesmal von den Fanta 4, die dem Abkürzungswahn mit MfG eine Hymne widmeten. Eine gute Alternative zu 160 Zeichen voller Textabkürzungen war, einen Brief zu schreiben, ihn abzufotografieren und per MMS zu versenden (für 49 Cent). Aber das ging natürlich erst, seitdem Handys quasi auch Fotoapparate sind. Heute ist eine gute Kamera im Smartphone obligatorisch. Leute, wir hatten keine miese Kamera in den ersten Handys, wir hatten gar keine Kamera. Der Erste unter meinen Freunden mit einer Kamera im Handy wurde dann natürlich auch der gefeierte Held unserer Clique. Klassische Fotoapparate und auch Digitalkameras sind zwanzig Jahre nach dieser ersten Handykamera fast ausgestorben, weil inzwischen jedes Smartphone mit einer Kamera daherkommt, und die Qualität ist...