E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Klein Die Schönheit des Un-Perfekten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7562-6367-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kleine Philosophie des Perfektionismus
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7562-6367-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sind wir noch perfektionistisch oder leben wir schon? Wir erleben Perfektionismus im Alltag häufig als Belastung. Wir fühlen uns gestresst, scheitern an vielen unserer Aufgaben und leben am Leben vorbei. Wir sehnen uns daher nach nichts anderem, als unseren Perfektionismus zu überwinden, uns von der Last unseres Perfektionismus zu befreien. Doch muss der Perfektionismus wirklich immer überwunden werden? Was bedeutet er überhaupt und was macht er mit uns und unseren Mitmenschen? Hat er vielleicht auch seine guten Seiten? Hat es vielleicht sogar einen Sinn im Perfektionismus? Kann uns der Perfektionismus eventuell sogar dabei unterstützen, ein für uns gutes Leben zu führen? Dieses Buch beleuchtet den Perfektionismus aus verschiedenen Perspektiven. Es verknüpft hierbei aktuelle Forschungsergebnisse der Psychologie mit philosophischen Gesichtspunkten. Es gibt uns verschiedene Denkanstösse zum Perfektionismus. Es zeigt uns sowohl auf, wie wir uns von der Last des ungesunden Perfektionismus befreien können, als auch, wie wir vom gesunden Perfektionismus profitieren und in Frieden mit ihm leben können. Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Perfektionismus gibt uns viele Impulse, uns selbst zu entwickeln und ein gutes Leben zu führen. Sind Sie noch perfektionistisch oder leben Sie schon? Finden Sie es heraus und begeben Sie sich auf eine Reise zum Perfekten und Un-Perfekten.
Jutta Klein absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau und studierte anschliessend Betriebswirtschaft. Sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, lebte in Frankreich und Singapur, bereiste die Welt und ist heute in der Schweiz zuhause. Beruflich ist sie in verschiedenen Führungsfunktionen im Banking und Consulting als auch in der Versicherungs- und Gesundheitsbranche erfolgreich unterwegs. Ihre vielfältigen Interessen führten sie 2018 zur Veröffentlichung ihres ersten Buches `WOW ... so einfach geht ORDNUNG!`. Mittlerweile ist im Jahre 2022 ihr zweites Buch `Die Schönheit des Un-Perfekten. Kleine Philosophie des Perfektionismus` erschienen.
Autoren/Hrsg.
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Ästhetik – Die schöne Vollkommenheit?
In der historischen Betrachtung ist in der philosophischen Ästhetik nicht nur von Übung, Bildung und Erziehung die Rede, sondern auch immer wieder von Begriffen aus dem Kosmos der Perfektion. So lesen wir beispielsweise von der „besten aller möglichen Welten“, von Genie und Genieästhetik, vom Erhabenen und einer Ästhetik der Kenner (im Gegensatz zur ästhetisch ungebildeten Masse, den Banausen), vom Symbol der Sittlichkeit und dem Idealen sowie immer wieder von Vollkommenheit in verschiedensten Kontexten. Der philosophische Schriftsteller Baltasar Gracian (1601-1658) definiert Geschmack, als die Fähigkeit „immer die rechte Wahl zu treffen“. Kant baut schließlich in seiner „Kritik der Urteilskraft“ darauf auf und definiert die menschliche Urteilskraft als Vermögen (d.h. Fähigkeit), die rechte Wahl zu treffen. Auf dieser Basis bestimmt Kant das Geschmacksurteil als Grundlage zur Beurteilung des Schönen. Das Geschmacksurteil ist die Fähigkeit, sich in der Welt des Schönen und der guten Lebensart gekonnt zu bewegen. Und damit sind wir auch wieder bei der Kunst angelangt. Nicht jeder ist mit der Kunst vertraut, nicht jedem ist dieses Können und Wissen über die Kunst und das Schöne zugänglich. Es ist nur wenigen Auserwählten bestimmt, den Kennern, wohingegen es der breiten Bevölkerung, der Masse, den Banausen verschlossen bleibt. Es kommt zu einer Trennung der Welt der Kunst und des Schönen von der Alltäglichkeit. Ohne entsprechende Ausbildung ist die Kunst eine besondere Lebensform und besitzt den Rang der Besonderheit. Sie ist das „Erhabene“ gegenüber dem Gewöhnlichen, das Nicht-Alltägliche gegenüber dem Alltäglichen, das Besondere gegenüber dem Banalen. Kunst muss demnach über Alltäglichkeit erhoben sein. Gemäß Kant folgt hieraus zudem, dass eine Urteilsfähigkeit über die Kunst und das Schöne einen speziellen Weltzugang und Welterkenntnis ermöglicht. In der Geschichte der Kunst wurde dem Künstler lange Zeit eine nichtalltägliche Fähigkeit zugesprochen, er galt als Genie. Die Aufgabe des Künstlers, also des Genies, bestand darin, in seinen Kunstwerken die Natur nachzuahmen. Für Kant bedeutet dies, dass man diese Fähigkeit des Menschen, etwas naturgetreues Schönes zu schaffen, als „Naturgabe“ bestimmt. Heute würden wir von Talent sprechen. Damals nannte man diese Fähigkeit „Genie“. Das Genie war in der Lage, in Anlehnung und Nachahmung der Natur in seinen Kunstwerken eine vollendete Welt zu schaffen. Gethmann-Siefert schreibt und präzisiert: „Der geniale Künstler ahmt also nicht die Natur nach, sondern er ahmt der Natur nach, d.h. er bringt ein Werk so hervor, wie die Natur (die Schöpfung) real Vollkommenheit in sich wachsen läßt. Das Genie realisiert im Sinne Leibnizens die beste aller möglichen Welten und wiederholt damit die Schöpfung der Natur, nicht die Natur. (...) Das künstlerische Genie bringt, weil es im Besitz eines vorzüglichen Erkenntnisvermögens ist, das Schöne, das was (allen) gefällt, hervor. Im Schönen aber realisiert sich zugleich eine bestimmte Vorstellung der Welt, nämlich die Charakteristik der Welt als Zeichen göttlicher Vollkommenheit.“ Der Theologe und Ästhetiker Dubos bezeichnet das Genie als „perfektible Naturgabe“, welche sich in ihrer Entwicklung ihrem „point de perfection“, ihrem Punkt der Vollkommenheit, nähert. Gemäß Dubos ist die Vollkommenheit eines Kunstwerks nur durch eine Vollkommenheit dieser entwickelten Naturbegabung möglich. Der Begriff des Genies erhält bei Schiller im Sinne seiner ästhetischen Erziehung des Menschen wie bereits erwähnt eine andere Bedeutung. Das Genie sei eher Aufklärer in dem Sinne, dass der Künstler als Genie Dinge und Kunstwerke schafft, die der breiten Masse (und nicht den wenigen Kennern) zugänglich sind. Schiller entwickelt hierfür den Begriff der „schönen Seele“. Diese begreift er als Ziel einer ästhetischen Erziehung, einer Vervollkommnung zur harmonischen Menschlichkeit. In diesem Kontext spricht Schiller nicht die Schönheit eines Gegenstandes an, sondern explizit die Schönheit des Menschen. Ausgehend von der äußerlichen (oder körperlichen) Schönheit entwickelt er ein Bild der inneren Schönheit. Bei der äußerlichen Schönheit unterscheidet er zwischen einer beweglichen Schönheit einerseits und einer fixen Schönheit andererseits und verdeutlicht dies anhand des Beispiels von Venus, der Göttin der Schönheit. Venus trägt einen Gürtel, der die Kraft hat, dem Träger Anmut und Liebreiz zu schenken. Selbst, wenn Venus diesen Gürtel abgibt, ihn zum Beispiel Juno, der Königin des Himmels, ausleiht, behält Venus ihre Schönheit und bleibt Göttin der Schönheit. Juno kann zwar dank des Gürtels Jupiter bezaubern, aber dies nicht aus sich selbst heraus, sondern nur dank der Kraft des Gürtels. Dies ist die erwähnte bewegliche Schönheit. Der Gürtel „bewegt“ sich von Venus zu Juno – eine vorübergehende Schönheit dank des Gürtels, heute würden wir sagen, dank eines Hilfsmittels oder auch Accessoires. Schiller verwendet hierfür den Begriff der „Toiletten-Schönheit“, die am Frisiertisch mit Hilfe von falschen Locken und falschen Wimpern entsteht. Venus hingegen kann zwar den Gürtel abgeben, behält jedoch ihre ureigene Schönheit, also das, was Schiller fixe Schönheit nennt, die im Menschen selbst verortet ist. Von dieser körperlichen Schönheit kommend entwickelt er seine Theorie der „schönen Seele“ weiter, also die „innere Schönheit“. Diese bezieht sich auf den Charakter eines Menschen. In der schönen Seele werden Sinnlichkeit und Vernunft, Pflicht und Neigung harmonieren und in Form der Grazie ihren Ausdruck und ihre Erscheinung finden. Die schöne Seele steht gemäß Schiller über der körperlichen Schönheit und ist sogar in der Lage, die Gebrechen der körperlichen Natur auszugleichen. Schiller schreibt: „Es ist dem Menschen zwar aufgegeben, eine innige Uebereinstimmung zwischen seinen beiden Naturen zu stiften, immer ein harmonierendes Ganze zu sein und mit seiner vollstimmigen ganzen Menschheit zu handeln. Aber diese Charakterschönheit, die reifste Frucht seiner Humanität, ist bloß eine Idee, welcher gemäß zu werden er mit anhaltender Wachsamkeit streben, aber die er bei aller Anstrengung nie ganz erreichen kann.“ Charakterschönheit – ein schöner Begriff. Wir alle können versuchen, mittels Charakterbildung einen immer höheren Grad an Charakterschönheit und damit persönlicher Vollkommenheit zu erreichen. Ein typischer Ort, an dem wir heute unseren Sinn für Ästhetik ausleben und in Szene setzen, sind die verschiedenen Social-Media-Kanäle. Wir sehen die Welt und die Welt sieht uns. Und sie soll uns schön und perfekt sehen. So setzen wir mit viel Kreativität eine vollkommene Selbstdarstellung um. Dank moderner technischer Hilfsmittel wird retuschiert, gefärbt, geglättet, hervorgehoben oder versteckt – je nachdem, was es gerade braucht. Wir präsentieren uns. Wir präsentieren uns jedoch nicht, wie wir sind, sondern überwiegend so, wie wir gerne wären. Und dies ist in den meisten Fällen schöner und vollkommener als die Realität. Wir halten uns – bewusst oder unbewusst – recht gut an den Begründer der philosophischen Ästhetik: „Das Ziel der Ästhetik ist die Vollkommenheit (Vervollkommnung) der sinnlichen Erkenntnis als solcher. Damit aber ist die Schönheit gemeint. Entsprechend ist die Unvollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis als solcher, gemeint ist die Häßlichkeit, zu meiden“. Aus der heutigen Perspektive erleben wir bereits seit einigen Jahrzehnten einen epochalen Wandel: wir befinden uns mitten in einer bereits ausgeprägten und sich laufend weiter entwickelnden Ästhetisierung unserer Lebenswelten. Seit dem Übergang von einer Gesellschafts- und Gruppenbildung durch Not (z.B. in den Nachkriegsjahren) zu einer Gesellschafts- und Gruppenbildung durch Überfluss (heute) genießen wir immer mehr Freiheiten, u.a. auch die Freiheit der Wahl. Eine Orientierung an Überlebenszielen ist einer Individualisierung und Ästhetik der Existenz gewichen. Persönliche Wünsche und Neigungen sowie individuelle Stile und Distinktionsmerkmale bestimmen unser Leben. Unser Alltagsleben wird nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet. Dies geht soweit, dass wir ästhetische Gewohnheiten und unseren eigenen ästhetischen Stil entwickeln, der unsere persönliche Lebensphilosophie kundtut und uns als Mitglied einer Gruppe bestimmt, respektive von anderen differenziert und sogar abhebt, was zu den verschiedenen „Lebenswelten“ führt. Unsere ästhetischen Verhaltensmuster entwickeln sich sowohl auf Ebene der körperlichen als auch geistigen Erfahrung (Genuss und Kontemplation) bis hin zur ästhetischen Perfektion – ein...