E-Book, Deutsch, Band 11, 411 Seiten
Reihe: Kommissar Tom Sydow
Klausner Stadtguerilla - Tage der Entscheidung
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8392-6132-3
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Tom Sydows 11. Fall
E-Book, Deutsch, Band 11, 411 Seiten
Reihe: Kommissar Tom Sydow
ISBN: 978-3-8392-6132-3
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Auf der Mülldeponie in Berlin-Wannsee wird die grausam zugerichtete Leiche eines Drogendealers entdeckt. Konkurrenzkampf im Milieu, Racheakt unter Drogenhändlern? Tom Sydow, Hauptkommissar der Kripo Berlin, tappt zunächst im Dunkeln. Doch dann ergibt sich eine erste Spur. Sie führt zu Dietrich H. Garskiewicz, Herr über ein Immobilienimperium, das Gerüchten zufolge kurz vor dem Zusammenbruch steht. Doch je tiefer Sydow in den Sumpf aus Korruption, Bestechung und Vetternwirtschaft vordringt, desto mehr setzen ihm die Recherchen zu …
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1
West-Berlin, 21.02.1975 »Informationen über die linke Szene? Ab sofort nur noch gegen Cash.« »Sag das noch mal, du hinterhältige Ratte!« Erst war ich baff. Aber dann machte es klick bei mir. Der Hurensohn wollte mich erpressen. Ausgerechnet mich. Das war ja wohl ein ziemlich dicker Hund. »Gegen Cash? Wohl nicht ganz dicht, wie?« »Das Gleiche könnte ich Sie fragen, oder?« Um den Mistkerl bei Laune zu halten, hatte ich sämtliche Register gezogen. Hatte ihm eine Bleibe besorgt, seinetwegen Kopf und Kragen riskiert, ihm die Kohle vorn und hinten reingeschoben. Und wozu? Für nichts und wieder nichts. Und dann muckte der abgefuckte Junkie auch noch auf. Ausgerechnet jetzt, im denkbar ungünstigsten Moment. Von nichts eine Ahnung, aber groß die Klappe aufreißen. Der Klugscheißer kam mir gerade recht. Hängte den Großkotz raus und wollte mir Vorschriften machen. Da hörte sich ja wohl alles auf. Und dann erst diese Frisur. Zum Abgewöhnen. Die Putzwolle sah wirklich verboten aus. Wenn ich so rumliefe, ich würde mich in Grund und Boden schämen. Mission gescheitert, die Mühe hätte ich mir sparen können. Aber wie hieß es doch so schön: Aus Schaden wird man klug. Egal wann, wo oder unter welchen Umständen, das würde mir nicht noch mal passieren. Jede Wette. »Du tickst wohl nicht mehr richtig, wie? Das ist Erpressung, damit kommst du bei mir nicht durch.« Um Eindruck zu schinden, legte ich eine Kunstpause ein. Dann fügte ich süffisant hinzu: »Du weißt doch: Der nächste Trip könnte der letzte sein. Ein Drogentoter mehr oder weniger, wen juckt das schon.« »Hätten Sie wohl gern«, widersetzte sich das verwahrloste Wrack. Auf Turkey, wie konnte es anders sein. »Sorry, den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun. Da können Sie warten, bis Sie schwarz werden. Ich sag’s nicht noch mal: Entweder Sie lassen kräftig Kohle rüberwachsen, oder …« »Oder was?« »Umsonst ist der Tod. Ich hab keinen Bock mehr, mir den Arsch für euch Schreibtischhengste aufzureißen. Ohne Knete läuft da überhaupt nichts mehr, merkt euch das.« »Wie darf ich das verstehen?« »Na, wie wohl!«, geiferte der Freak, die Stimme schrill wie eine übertourige Kreissäge. »Sitzen Sie auf der Leitung, oder was? Dann eben noch mal, zum Mitschreiben: Der Job hängt mir zum Hals raus, wie sehr, kann ich gar nicht sagen. Ich hab keine Lust mehr, für andere die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Wenn Sie Informationen aus erster Hand brauchen, besorgen Sie sich die doch selbst. Die Zeiten sind vorbei, schreiben Sie sich das hinter die Ohren.« »So, meinst du.« »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Entweder Sie machen ordentlich was locker, oder ich packe aus. Was glauben Sie, wie sich die Zeitungsfritzen freuen! Der Spiegel wird sich um die Story reißen, hundertpro. Die Jungs in Hamburg sind nicht auf den Kopf gefallen, die werden sich den Deal was kosten lassen.« Wie konnte man nur so gierig sein. Wäre er auf Draht gewesen, der Pennbruder hätte das schönste Leben gehabt. Na ja, jedenfalls das, was man in der Drogenszene darunter verstand. Hätte gelebt wie die Made im Speck, ohne einen Finger krumm zu machen. Pünktlich zum Ersten hätte er seine Provision kassieren und nach Belieben Joints qualmen oder sich am Fließband Heroin spritzen und was weiß ich für Zeugs einwerfen können. Für das Wohlergehen der Kanalratte wäre gesorgt gewesen – und für seine Hippie-Nutte auch. Merke: Streckst du dem Abschaum den kleinen Finger hin, dann packt er zu und nimmt die ganze Hand. Wenn er sie dir nicht gleich abreißt, sollte man hinzufügen. Jeder geht nun mal so weit, wie er kann. In meinem Metier, wo es von Zockern nur so wimmelt, war das schon immer so gewesen. Wie gesagt, jeder geht so weit, wie er kann. Aber nur, wenn man ihn lässt. Und genau das ist bei mir nicht drin. Erpressung schon gar nicht, da kenne ich nichts. Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, ihn als V-Mann einsetze, bündelweise Geld lockermache, damit er sich einen schönen Lenz machen kann, dann muss ich mich auf ihn verlassen können. Falls nötig, blind. Ist dies nicht der Fall, ist der Betreffende reif. Reif zum Abschuss, wie es landläufig heißt. Im vorliegenden Fall, da war ich mir sicher, würde dem nichts im Wege stehen. Der Rest war ein Kinderspiel, eine meiner leichteren Übungen sozusagen. Einem Junkie aus Steglitz würde niemand nachtrauern – und kaum einer würde einen Finger krumm machen, wenn er verschwand. Aktuell passierte das am laufenden Band, beinahe jeden dritten Tag. Hier in Berlin trieben sich alle möglichen Freaks herum, auf einen mehr oder weniger kam es nicht an. Und falls doch, musste ich meine Beziehungen spielen lassen. Aber so weit würde es bestimmt nicht kommen. Ich war Profi genug, um meine Spuren zu verwischen. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ein unsicherer Kantonist Zicken machte. Wie lautete die Spruchweisheit doch gleich: Übung macht den Meister. Auch, wenn es darum ging, einen Erpresser mundtot zu machen. Ein für alle Mal. Und zwar so, dass er wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien. »Und du bist dir sicher, dass das eine kluge Entscheidung ist?«, gab ich so gelassen als nur möglich zurück, die Hand am Griff meiner Walther PPK, die in der Tasche meines sündhaft teuren Kaschmirmantels steckte. »Ich finde, du solltest dir die Sache noch mal überlegen.« »Da gibt es nichts zu überlegen«, raunzte der Junkie, fuhr mit dem Zeigefinger an der Nase entlang und trippelte wie ein läufiger Köter auf der Stelle. Dann fingerte er an seiner schwarz-gelb-grün gestreiften Strickmütze herum, vor Wut kaum noch zu bremsen: »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Sie feiner Pinkel. Entweder Sie rücken genug Kohle raus, oder wir beide sind geschiedene …« »Schon gut«, lenkte ich mit beschwichtigendem Tonfall ein, kein bisschen nervös, sondern bester Stimmung, während sich der Zeigefinger um den Abzug meiner Waffe krümmte. »Ich hab’s kapiert. Und wie viel wird mich der Spaß kosten?« »100 Riesen. Bar auf die Hand. Und keinen Pfennig weniger.« 100.000 D-Mark, exakt das Zehnfache, was die Niete für ihre Dienste abkassierte. Monatlich, versteht sich, zu Lasten von Vater Staat. »100.000 Deutsche Mark«, echote ich, die Stimme hart wie Granit, was mein Gegenüber jedoch nicht bemerkte. »Na, das ist ja mal ein Wort!« »Heißt das, wir kommen ins Geschäft?« »Könnte sein.« »Na also, warum nicht gleich.« Der Junkie bleckte die ungepflegten Zähne. Fast ein Drittel befand sich nicht mehr an Ort und Stelle, Resultat einer Schlägerei, bei der er mit der Konkurrenz aneinandergeraten war. »Dann wären wir uns ja einig«, frohlockte er, ein Grinsen im Gesicht, das förmlich danach schrie, ihm eins auf die Kinnlade zu geben. Verzeihlich oder nicht, es wäre das Dümmste gewesen, was ich hätte tun können. An diesem Versager wollte ich mir nicht die Finger schmutzig machen, deshalb riss ich mich notgedrungen am Riemen. »Und wann ist Zahltag, wenn man fragen darf?« »Erst die Ware, dann das Geld«, antwortete ich in barschem Ton und deutete auf den Mantel, unter dem sich die Konturen meiner Brieftasche abzeichneten. Dass sie nicht annähernd so viel Knete enthielt, wie sich mein Gegenüber erträumte, das konnte der vor Naivität strotzende Vollidiot nicht wissen. Wäre er so clever gewesen, wie er tat, er hätte mir die Nummer nicht abgekauft. Da er jedoch das ziemliche Gegenteil davon war, hatte ich leichtes Spiel. Ein wenig zu leicht, aber das tat der Freude keinen Abbruch. Die Ratte hatte es auf die Spitze getrieben, also würde sie die Konsequenzen tragen. Wie du mir, so ich dir. So war das in unserem Geschäft. Wer aus der Reihe tanzte, war weg vom Fenster. Und zwar schneller, als er piep sagen konnte. »Nun leg schon los, sonst stehen wir noch heute Abend hier rum!« »Halten Sie mich für so dämlich, dass ich …«, begann mein Informant, die Augen weit aufgerissen, als würden sie demnächst aus den Höhlen springen. Und überlegte es sich in letzter Sekunde anders: »Na gut, weil Sie es sind. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere.« Oder drückt ab, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Wie die meinige. »So könnte man es ausdrücken«, gab ich mit nur mühsam kaschiertem Abscheu zurück, klopfte auf meine Brusttasche und sülzte: »Wie du zu sagen geruhtest, umsonst ist der Tod. Lassen wir das – und kommen wir zur Sache.« Der verlauste Fixer hatte sein Todesurteil unterschrieben. Einfach so, aus purer Naivität. Aber das wusste er nicht. Noch nicht. »Wie gesagt, es gibt Neuigkeiten.« »Und die wären?« Mein Gegenüber antwortete nicht sofort, sah sich ruckartig nach allen Seiten um, wie ein Aasgeier vor dem Zerlegen seiner Beute. Doch da war nichts, keine Stimmen, keine Schritte, auch kein Knacken im wild wuchernden Gestrüpp. Nur der Wind in den Wipfeln der Kiefern, die am Ostufer der Havel in den Morgenhimmel ragten. Leuchtend rot, mit einem Schuss Purpur. So hatte ich es gern. Da machte einem der Job erst richtig Spaß. »Eins gleich vorweg: Wenn Sie glauben, Sie könnten mich aufs Kreuz legen, dann …«, japste er, eine Mischung aus Gier und aufkeimender Furcht im eingefallenen Gesicht. »Dann was?« »Ach, vergessen Sie’s.« Der Junkie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bringen...