Kiremitci | Madame Rosella und die Liebe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Kiremitci Madame Rosella und die Liebe

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-15826-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-641-15826-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der herzerwärmende Bestseller aus der Türkei.
Dies ist die Geschichte der Berliner Jüdin Rosella Galante, die während des Krieges nach Istanbul flüchtete. Und die Geschichte der jungen Türkin Pelin, die sich ihr Studium finanziert, indem sie sich mit der 88-jährigen Rosella unterhält. Einfach nur reden, Woche für Woche. Das ist es, wofür die exzentrische Rosella sie angestellt hat. Über die Vergangenheit in Istanbul. Aber auch über wehmütige Erinnerungen, geplatzte Träume, Liebschaften und sogar Sex. Es ist die Geschichte einer ganz und gar ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Frauen. Eine aufwühlende Reise durch Europa und Asien. Ein humorvolles, anrührendes Gespräch darüber, was wirklich zählt im Leben.

Tuna Kiremitçi wurde 1973 in Eski?ehir, Anatolien, geboren. Er studierte Filmwissenschaften an der Mimar Sinan Universität der schönen Künste in Istanbul. Schon während seiner Schulzeit veröffentlichte er Gedichte. Für seine Kurzfilme wurde er vielfach ausgezeichnet. Er arbeitet als Kolumnist, komponiert Musik, schreibt Drehbücher und tritt als Solist auf. Seine Romane sind allesamt Bestseller in der Türkei.
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»Oh, guten Tag. Herzlich willkommen, kleines Fräulein.«

»Guten Tag.«

»Bitte, setzen Sie sich doch. Ich empfehle Ihnen diesen roten Sessel. Sehr bequem.«

»Danke.«

»Vielleicht hat Zelda Sie erschreckt? Bitte nehmen Sie ihr das nicht übel. Als sie sechs war, wurde sie mit ihrer Familie in ein Konzentrationslager gebracht. Sie hat mit eigenen Augen gesehen, wie Vater und Mutter getötet wurden. Seitdem spricht sie nicht mehr. Aber das soll Sie nicht täuschen. Sie ist eine wahre Perle. Seit fast dreißig Jahren führt sie hier den Haushalt, und sie hat sich nicht das Geringste zuschulden kommen lassen.«

»Keine Sorge, sie hat mich nicht erschreckt.«

»Aber Sie wirken so nervös …«

»So bin ich eben bei Vorstellungsgesprächen. In meinem Leben ist noch kein einziges Vorstellungsgespräch gut gelaufen, deswegen.«

»Kleines Fräulein, ich bitte Sie, sehen Sie dies nicht als Vorstellungsgespräch.«

»Als was soll ich es denn sehen?«

»Nehmen Sie es als einen Besuch bei mir. Oder einen kleinen Abendspaziergang. Stellen Sie sich vor, dass Sie bei einer entfernten Tante zu Gast sind.«

»Na gut.«

»Aber Ihr Mantel?«

»Was ist mit meinem Mantel?«

»Ach, nichts. Die Farbe gefällt mir sogar sehr gut. Altrosa sagt man dazu, nicht wahr?«

»Ja, Sie haben recht. Altrosa.«

»Wo haben Sie ihn gekauft?«

»In einem Geschäft in Beyoglu.«

»Ach, Beyoglu … Ist es dort immer noch so schön wie früher?«

»Das kommt ziemlich darauf an, was Sie unter schön verstehen. Wenn Sie von dem Beyoglu reden, wo sich die Leute früher in Festtagskleidern trafen, dann nein. Aber wenn Sie es damit vergleichen, wie es vor zwanzig Jahren aussah, dann ja.«

»Warum? War es sehr schlimm vor zwanzig Jahren?«

»Madame Rosella, wann waren Sie das letzte Mal in Istanbul?«

»Für mich gibt es keine Reisen nach Istanbul mehr, kleines Fräulein. Es gibt nur den Wunschtraum, nach Istanbul zurückzukehren. Aber auch das ist nicht mehr möglich … Mein Gesundheitszustand erlaubt keine Reisen mehr, leider. Aber wenn Sie mich fragen, wie lange es her ist, dass ich hierhergekommen bin – genau sechzig Jahre. Seitdem träume ich von Istanbul.«

»Sie haben Istanbul das letzte Mal vor sechzig Jahren gesehen?«

»Ja, seitdem nie wieder.«

»Aber Ihre Sprache?«

»Was ist mit meiner Sprache?«

»Nun ja, Ihre Sprachkenntnisse …«

»Ja?«

»Ich meine nur, Sie sprechen ziemlich gut Türkisch. Für jemanden, der sechzig Jahre nicht dort war.«

»Sie sind sehr freundlich.«

»Es ist die reine Wahrheit.«

»Als mein Aldo noch lebte, da sprachen wir manchmal türkisch miteinander. Aber er ist schon sechs Jahre tot. Seitdem bewahre ich alles nur noch im Gedächtnis auf. Und ich schaue türkisches Fernsehen.«

»Ich finde, Sie sprechen echt gut. Eigentlich sogar besser als die meisten Leute, die ich in Istanbul kenne.«

»Ach, vraiment

»Ich versichere es Ihnen.«

»Aber Ihr Mantel?«

»Was ist denn schon wieder mit meinem Mantel?«

»Wollten Sie so im Mantel sitzen bleiben, wie ein offizieller Gast?«

»Schon gut, ich ziehe ihn sofort aus.«

»Ist Ihr Schal selbst gestrickt?«

»Ja …«

»Violett ist eine wunderbare Farbe für Wolle. Darf ich fragen, wer den Schal gestrickt hat?«

»Ja, natürlich dürfen Sie. Den hat meine Großmutter väterlicherseits gestrickt.«

»Ja wirklich? Mögen Sie Ihre Großmutter?«

»Wenn ich’s mir recht überlege, ist sie der einzige Mensch in meiner Familie, den ich wirklich geliebt habe. Aber leider lebt sie nicht mehr …«

»Ach, das tut mir sehr leid.«

»Das braucht Ihnen nicht leidzutun. Kismet.«

»Was sagten Sie?«

»Seien Sie nicht traurig, das ist ihr Kismet.«

»Kismet … wie lange es her ist, dass ich dieses Wort gehört habe …«

»In der Schule hat es außer mir niemand gesagt … Selbst die Lehrer machten sich über mich lustig wegen solcher Wörter. Aber die haben sich mir nun mal eingeprägt. Wahrscheinlich wegen meiner Großmutter.«

»Oder dank Ihrer Großmutter.«

»So kann man es natürlich auch sehen.«

»Legen Sie Ihren Mantel da drüben hin. Zelda kommt gleich und nimmt ihn mit. Ich bitte Sie, entspannen Sie sich doch. Fühlen Sie sich wie zu Hause …«

»Ich werd’s versuchen.«

»Wie sind Sie auf die Anzeige gestoßen?«

»In meiner freien Zeit verkaufe ich Zeitungen, um mir ein Taschengeld zu verdienen. Gestern hatte ich bis mittags gearbeitet. Dann setzte ich mich auf eine Parkbank mit dem Stapel Zeitungen neben mir. Ein Windstoß wehte ein paar vom Stapel. Als ich versuchte, sie wieder zusammenzufalten, fiel mein Blick auf die Anzeige. Sie interessierte mich, weil sie auf Türkisch war.«

»Sie haben die Anzeige also nicht beim Lesen der Zeitung entdeckt.«

»Ich lese keine Zeitung.«

»Auch keine Lokalzeitungen?«

»Erst recht keine Lokalzeitungen.«

»Warum denn nicht? Übrigens, was darf Zelda Ihnen anbieten?«

»Vielleicht einen Kaffee.«

»Wir haben auch Tee. Nach Istanbuler Art gebrüht. Karminrot.«

»Danke, ich nehme lieber Kaffee. Mit Milch und Zucker bitte …«

»Ach, noch etwas – Sie brauchen nicht zu schreien, kleines Fräulein. Zelda hört Sie sehr gut. Dass sie nicht spricht, hat ausschließlich psychologische Gründe.«

»Tut mir leid.«

»Ich bitte Sie, werden Sie doch nicht gleich rot. Ich habe es nur gesagt, damit Sie sich nicht anstrengen. Hoffentlich nehmen Sie es mir nicht übel.«

»Ich nehme es Ihnen nicht übel.«

»Aber Sie sind rot geworden.«

»Bei dieser Art … Unterredung passiert mir das immer. Ich kann’s nicht verhindern. Jetzt, wo Sie gesagt haben, dass ich rot geworden bin, wird es nur noch schlimmer.«

»Dann lasse ich Sie am besten in Ruhe.«

»Ist schon gut.«

»Wo waren wir stehen geblieben?«

»Weiß nicht, ich habe es auch vergessen …«

»Ah oui, les journaux … Sie sagten, dass Sie keine Zeitungen lesen.«

»Ja, richtig. Ich glaube, die Journalisten denken, sie würden umso mehr Zeitungen verkaufen, je mehr schlechte Nachrichten darin stehen. Und ich habe keine Lust, mir sämtliche Probleme dieser Welt aufzuhalsen und dafür auch noch Geld zu bezahlen. Ich finde, jeder hat genug mit seinen eigenen Problemen zu tun.«

»Aber gilt das nicht auch für Bücher?«

»Romane oder so etwas lese ich auch nicht … Ich finde es ganz und gar unlogisch, sich um erfundene Helden zu sorgen, wo es schon so schwer ist, mit seinem eigenen Leben zurechtzukommen.«

»Was lesen Sie denn?«

»Im Moment mehr Gedichte.«

»Im Ernst?«

»Ja … Frau Rosella … Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber darf ich mal was fragen?«

»Natürlich …«

»Was machen wir hier eigentlich?«

»Wir unterhalten uns, Mademoiselle.«

»Aber warum denn? Sie haben doch die Anzeige nicht aufgegeben, um sich zu unterhalten?«

»Eigentlich habe ich sie genau dafür aufgegeben.«

»Das habe ich, glaube ich, nicht verstanden.«

»Das macht nichts … Was stand noch in der Anzeige, erinnern Sie sich?«

»Ich brauche mich nicht zu erinnern, ich habe die Anzeige ja dabei. Ich hole sie eben aus der Tasche.«

»Nicht nötig, ich sage es Ihnen: ›Suche Türkisch sprechende(n) Angestellte(n). Gute Bezahlung. Keine Berufserfahrung erforderlich. Nichtraucher bevorzugt.‹«

»Ja, so ähnlich stand es da.«

»Nicht so ähnlich, wortwörtlich. Ich habe es selbst geschrieben. Aber ich verstehe Ihr Befremden. Schließlich sind Sie nach einem langen Tag durch die ganze Stadt hierhergefahren. Die Tür wurde Ihnen von einer stummen Haushälterin geöffnet, und jetzt müssen Sie sich mit einer alten Schachtel unterhalten. Man sieht Ihnen an, wie sehr Sie das langweilt, aber auf der anderen Seite brauchen Sie das Geld, deshalb können Sie nicht einfach aufstehen und gehen.«

»Das wollte ich damit nicht sagen.«

»Je sais. War doch nur ein Scherz.«

»Ehrlich gesagt, dass das ein Scherz sein sollte, war mir nicht klar.«

»Kleines Fräulein, zwischen uns liegen mehr als sechzig Jahre. Das sagt sich leicht. Aber, das müssen Sie zugeben, in dieser Zeitspanne hatte der Humor viel Zeit, sich zu verändern, nicht wahr?«

»Entschuldigen Sie, aber Sie sind Meisterin darin, vom Thema abzukommen.«

»Ganz im Gegenteil, kleines Fräulein. Wir nähern uns dem Thema. Ich werde es Ihnen erklären. Was tun wir jetzt gerade?«

»Sie haben es schon gesagt, wir unterhalten uns.«

»Ja genau, deswegen sind Sie hier.«

»Weswegen?«

»Damit wir uns unterhalten.«

»Sie haben diese Anzeige aufgegeben, um jemanden zu finden, der sich mit Ihnen unterhält?«

»Nicht irgendjemanden, kleines Fräulein. Jemanden, der Türkisch spricht.«

»Ich versuche zu verstehen.«

»Lassen Sie mich nachhelfen. Die alte Frau, die Sie vor sich sehen, hat die außergewöhnlichsten, schönsten, schmerzvollsten und merkwürdigsten Jahre ihres...


Kiremitci, Tuna
Tuna Kiremitçi wurde 1973 in Eskisehir, Anatolien, geboren. Er studierte Filmwissenschaften an der Mimar Sinan Universität der schönen Künste in Istanbul. Schon während seiner Schulzeit veröffentlichte er Gedichte. Für seine Kurzfilme wurde er vielfach ausgezeichnet. Er arbeitet als Kolumnist, komponiert Musik, schreibt Drehbücher und tritt als Solist auf. Seine Romane sind allesamt Bestseller in der Türkei.



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