Kircher | Literatur Kompakt: Heinrich Heine | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1, 268 Seiten

Reihe: Literatur kompakt

Kircher Literatur Kompakt: Heinrich Heine


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8288-5591-5
Verlag: Tectum Wissenschaftsverlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, Band 1, 268 Seiten

Reihe: Literatur kompakt

ISBN: 978-3-8288-5591-5
Verlag: Tectum Wissenschaftsverlag
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Heinrich Heine - einst umstritten, mittlerweile ein längst kanonisierter Klassiker. Hartmut Kircher legt mit dem ersten Literatur kompakt-Band eine konzentrierte Darstellung zu Heines poetisch-publizistischem Gesamtwerk vor. Er ordnet dessen Schriften biografisch, literarhistorisch und politisch-sozial ein und arbeitet in Interpretationen der wichtigsten Werke Heines zentrale Themen heraus: die Liebesproblematik, sein Verhältnis zum Judentum, sein Engagement für eine umfassende Emanzipation, für soziale Gerechtigkeit und freiheitlich-demokratische Verhältnisse; Heines Plädoyer für sensualistische Lebensfreude werden ebenso thematisiert wie seine Religions- und Adelskritik, seine Vermittlungsversuche zwischen dem restaurativen Deutschland und dem fortschrittlicheren Frankreich, das ihm als politisch Verfolgtem Exil gewährte; schließlich das Leiden und Sterben des Dichters in seiner Pariser "Matratzengruft". Einen besonderen Schwerpunkt setzt der Band im Blick auf die ästhetischen Innovationen im Werk Heines, die ihn als einen wichtigen Wegbereiter der Moderne ausweisen.

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I. Einst geschmäht und verfolgt, heute ein Klassiker Geschichte eines Denkmals Die österreichische Kaiserin Elisabeth (»Sissi«) war eine glühende Anhängerin Heinrich Heines. Sie ließ ihm zu Ehren 1891 an privilegierter Stelle im Park ihres Palastes auf der griechischen Insel Korfu ein von dem dänischen Bildhauer Louis Hasselriis gefertigtes Denkmal errichten, eine lebensgroße Sitzfigur aus weißem Marmor, der leidende Dichter als Lazarus. Nach ihrem Tode wurde das Anwesen verkauft und ging schließlich 1907 in den Besitz des deutschen Kaisers Wilhelm II. über. Der ordnete prompt eine Entfernung des Heine-Monuments an. Es wurde von einem Nachkommen des Heine-Verlegers Julius Campe erworben und der Stadt Hamburg als Schenkung angeboten. Der Senat der Hansestadt lehnte jedoch wegen eigener Denkmalspläne ab, sodass der marmorne Heine dann in einer Nische des hamburgischen Kontorgebäudes »Barkhof« in der Mönckebergstraße untergebracht wurde – immerhin für die Öffentlichkeit sichtbar. In der Folgezeit wurde er von Verehrern mit Blumen geschmückt, von Gegnern mit roter Farbe beschmiert, was letztlich dazu führte, dass das Denkmal hinter einem Bretterverschlag verborgen werden musste. Später erhielt es in einem Park in Altona einen neuen Platz, aber nach 1933 forcierte nationalsozialistischer Pöbel seine nicht nur verbalen Attacken, woraufhin Privatpersonen es erneut versteckten und schließlich 1939 als Dauerleihgabe in die südfranzösische Stadt Toulon verfrachteten. In den vierziger Jahren war dort an eine öffentliche Präsentation freilich nicht zu denken, das geschah erst 1956, zum hundertsten Todestag Heines. Seitab und zunächst ohne Namensschild zwischen den Büschen eines Parks aufgestellt, bekam es endlich 1983 eine Plakette, die darüber informiert, dass es sich um ein Denkmal für den »Poète Allemand« Heinrich Heine handelt (vgl. Schubert 1999, S. 115–144). Die Odyssee seines Denkmals kann in vielerlei Hinsicht als exemplarisch für das Schicksal des Autors gelten. Zeitgenössische Urteile Bereits die Urteile seiner Zeitgenossen gingen weit auseinander. Oft wurden Lob und Kritik zugleich geäußert, etwa wenn Karl Grün Heine »Unsere maliziöse Nachtigall« nennt oder Friedrich Gentz feststellt: »Frivolisierende Ironie kann man ihm allerdings oft vorwerfen, aber sein poetisches Genie muß man gebührend anerkennen.«1 Auch etliche Schriftstellerkollegen hielten sich mit abschätzigen Bemerkungen nicht zurück. Nikolaus Lenau: »Heine ist voll angeborner Bosheit.« Franz Grillparzer: »Innerlich ein lumpiger Patron.« Christian Dietrich Grabbe: »Heine ist ein magrer, kleiner, häßlicher Jude […]. Sein Schmerz, so unnatürlich er ist, mag wirklich seyn. Poesien sind seine Gedichte aber nicht. Abwichserei.« (Alle Belege zit. nach Hauschild/Werner 1997, S. 11–13.) Ludwig Börne, jüdischer Herkunft wie Heine und wie dieser im Pariser Exil lebend, schreibt in einem Privatbrief über den publizistischen Rivalen, er habe »satirischen Speichelfluß« und sei »ein verlorener Mensch. Ich kenne keinen, der verächtlicher wäre. […] Er hat den schlechten Judencharakter, ist ganz ohne Gemüt und liebt nichts und glaubt nichts« (Börne 1964–68, Bd. V, S. 61 und 172). Nicht ganz widerspruchsfrei behauptete er gleichzeitig, Heine habe nur Talent, aber keinen Charakter, und gab damit einen Slogan frei, den viele, allzu viele aufgriffen. Karl Grün NIkolaus Lenau Franz Grillparzer Friedrich Gentz Christian Dietrich Grabbe Ludwig Börne Der französische Romancier Alexandre Dumas spottete: »Wenn Deutschland ihn nicht liebt, nehmen wir ihn gerne auf, aber leider liebt Heine Deutschland über Gebühr.« Doch es gab auch genügend Stimmen, die ihre Wertschätzung für Heine zum Ausdruck brachten. Der Romantiker Adelbert von Chamisso: »Er ist wohl ein Dichter bis in die Fingerspitzen. Der erschafft Lebendiges […].« Der Vormärzautor Georg Weerth: »Einer der wenigen Poeten, welche alle Revolutionen der Welt überleben werden.« Der Jungdeutsche Heinrich Laube: »Vielleicht – um historisch zu sprechen – wären wir Alle nicht in der Literatur, hätte Heine nicht seine Zauberworte gefunden.« (Alle Belege zit. nach Hauschild/Werner, S. 12f.) Und Heine hatte ein großes Publikum: Zu seinen Lebzeiten erzielte beispielsweise seine erste Gedichtsammlung, Buch der Lieder, dreizehn Auflagen. Alexandre Dumas, d. Ältere Adelbert von Chamisso Georg Weerth Heinrich Laube Wer Heines Lyrik nach den Kriterien der klassisch-romantischen Ästhetik beurteilte und speziell an seine Liebesgedichte den Maßstab der Goethe’schen Erlebnislyrik anlegte, bemängelte seine angeblich fehlende Tiefe und Aufrichtigkeit. Moralfromme Zeitgenossen empörten sich über Heines vermeintliche Sittenlosigkeit und seine respektlos-freigeistige Religionsauffassung. Nationalisten lehnten ihn wegen seiner ungeschönten Kritik an den rückständigen politischen und sozialen Verhältnissen im restaurativen Deutschland ab. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer zahlreicher werdenden Deutschtümler scheuten auch nicht vor offen rassistischer Argumentation zurück. Antisemiten Vor allem die antisemitischen Schmähungen verschärften sich in den Jahrzehnten vor und nach der Reichsgründung 1871. Richard Wagner, der sich von Heine zum Fliegenden Holländer hatte inspirieren lassen, beklagte später »die Verjudung der modernen Kunst« und meint: »In einer fremden Sprache wahrhaftig zu dichten« sei unmöglich, »unsere ganze europäische Zivilisation und Kunst ist […] dem Juden eine fremde Sprache geblieben«. Folglich erklärt er Heines Bekanntwerden als Phänomen einer Zeit, »wo das Dichten bei uns zur Lüge wurde« (Wagner 1975, S. 56, 58 und 76). Der Historiker Heinrich von Treitschke opponierte ebenfalls gegen die nach seiner Ansicht um sich greifende »Verjudung« und diffamierte Heines deutschlandkritische Zeitgedichte als »blödsinniges Wutgeheul jüdischen Hasses« (zit. nach Schubert 1999, S. 90). Der Antisemit befand ganz einfach, Heine sei »undeutsch von Grund aus« (zit. nach Galley 1967, S. 9). Obwohl Friedrich Nietzsche bekannte: »Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben. Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleich süßen und leidenschaftlichen Musik« (Nietzsche 1955, Band 2, S. 1088f.), und sogar der Reichskanzler Otto von Bismarck die Auffassung vertrat, dass »Heine ein Liederdichter ist, neben dem nur noch Goethe genannt werden darf« (zit. nach Hauschild/Werner 1997, S. 14), nahmen die Verfehmungstendenzen während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik noch deutlich zu. Richard Wagner Heinrich von Treitschke Zum Denkmalsstreit anlässlich des fünfzigsten Todestages von Heine (1906) trug der Deutschnationale Adolf Bartels gar ein voluminöses Buch bei: Heinrich Heine. Auch ein Denkmal. Für Bartels hat »die Menschheit […] natürlich ein arisches Gesicht«, und er tituliert Heine als einen »nationalen Schädling« und eine »Kanaille«. Er stellt dezidiert fest: »Heine ist Jude, als Talent wie als Persönlichkeit; der Einfluß des Deutschtums auf den Kern seines Wesens ist gleich null […].« Da Juden »nun aber ihrem Grundwesen, ihrer Rasse nach verschieden von uns sind, so können sie sich unsere Kultur weder voll aneignen, noch bleibt sie unter ihren Händen das, was sie ist […]« (Bartels 1906, S. 360–363). Die Stimmen von Heine-Befürwortern wie Heinrich Mann, Detlev von Liliencron, Gerhart Hauptmann, Alfred Kerr und später auch Thomas Mann, um nur einige zu nennen, fanden weniger Gehör im Widerstreit der Meinungen. NS-Zeit Die nationalsozialistische Tonart gab Julius Streicher bereits 1926 in der berüchtigten Zeitschrift Stürmer vor: »Die Gräber der deutschen Helden des Weltkrieges verkommen und werden vergessen und für die Judensau auf dem Montmartre wirft man das Geld der deutschen Steuerzahler zum Fenster hinaus« (zit. nach Galley 1967, S. 10). Es ließen sich zahllose weitere infame und absurde Anti-Heine-Kommentare aus der NS-Zeit aufführen, doch soll hier lediglich noch daran erinnert werden, dass bei der Bücherverbrennung im Mai 1933, der sogenannten »Aktion wider den undeutschen Geist«, auch Heines Werke den Flammen übergeben wurden. In seiner Tragödie Almansor hatte er schon 1823 prognostiziert: »[…] dort, wo man Bücher / Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«2 Karl Kraus Erstaunlich aber ist, dass auch namhafte Autoren, die wie Heine jüdischer Herkunft waren, ihn wegen seines Umgangs mit der deutschen Sprache kritisierten. Dabei zeigt sich, dass antisemitische Klischees ins Ästhetische umgedeutet und so weitertransportiert werden. Der Wiener Karl Kraus lieferte bereits 1910 mit seinem fatalen Essay Heine und die Folgen weit über...


Dr. Hartmut Kircher: Studium der Germanistik und Romanistik in Mainz, Kiel, Zürich und Köln. Promotion 1972 über "Heinrich Heine und das Judentum". Bis 2005 Akademischer Oberrat am Institut für deutsche Sprache und Literatur I der Universität zu Köln Buchveröffentlichungen über Heinrich Heine, Heinrich von Kleist, Robert Prutz, Deutsche Sonette, Dorfgeschichten aus dem Vormärz, Kriminalroman, Max von der Grün, Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Literatur und Politik in der Heine-Zeit (hg. zus. mit Maria Klanska), Avantgarden in Ost und West um 1900 (hg. zus. mit Maria Klanska u. Erich Kleinschmidt). Aufsätze über Heinrich Heine, Ferdinand Freiligrath, Georg Herwegh, Georg Weerth, Ludwig Börne, Carl Arnold Schloenbach, Naturlyrik als politische Lyrik, Reflexe der Französischen Revolution im deutschen Vormärz, Sonettkunst um 1900, Hermann Broch, Guillaume Apollinaire, Max von der Grün, Die Destruktion des Kriminalromans bei Peter Handke, Alain Robbe-Grillet und Friedrich Dürrenmatt, Siegfried Lenz, Deutsche Lyrik nach der Wende, Uwe Timm.



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