Kipling | Lange Latte und Genossen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 202 Seiten

Reihe: Classics To Go

Kipling Lange Latte und Genossen


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98744-564-4
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 202 Seiten

Reihe: Classics To Go

ISBN: 978-3-98744-564-4
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
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Kipling erzählt in Lange Latte & Genossen von den Erlebnissen und Abenteuern heranwachsender Jugendlicher in einer englischen Boarding School.

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I.
Im Versteck.
Im Sommer bauten sich alle vernünftigen Jungen Hütten in den Ginsterbüschen auf dem Hügel hinter dem Schulgrundstück. Es waren eigentlich nur kleine Schlupfwinkel, die sie da mitten aus dem stachligen Strauchwerke herausschnitten, voll von Stümpfen, Wurzeln und Dornen. Seitdem das aber streng verboten war, erschienen sie als Prachtpaläste. »Latte«, »M'Turk« und »Käfer« hatten sich jetzt schon den fünften Sommer mit Biberemsigkeit einen Platz der Ruhe und des Nachdenkens gebaut. Und dort rauchten sie. Nach Mister Prouts, ihres Hausmeisters, Ansicht, hatten sie nicht die geringsten Achtung einflößenden Charaktereigenschaften, und Foxy, der verschmitzte rothaarige Schuldiener, traute ihnen erst recht nicht. Sein Geschäft war, Tennisschuhe zu tragen, mit einem Krimstecher herumzulaufen und wie ein Habicht auf schlimme Jungen niederzustoßen. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte man die Hütte mit einer plötzlichen Razzia überrascht, denn Foxy kannte seine Leute. Die Vorsehung bewog indes Mister Prout, dessen Spitzname, von der Größe und Gestalt seiner Füße hergeleitet, Huftier lautete, auf eigene Rechnung zu untersuchen. Es war der vorsichtige Corkran, seiner Länge wegen »Latte« genannt, der die Spuren seiner Pfötchen in der Gegend ihres Lagers fand, an einem friedlichen Nachmittag, als er gerne Prout und Schularbeiten bei einem Indianerbuch und einer neuen Holzpfeife vergessen hätte. Robinson, beim Anblick der Fußspur, raffte sich nicht schneller auf als Latte. Er brachte die Pfeifen weg, fegte die umherliegenden Streichhölzchen fort und eilte dann, Käfer und M'Turk zu warnen. Es war aber charakteristisch für den Jungen, daß er seine Verbündeten nicht eher aufsuchte, als bis er sich an den kleinen Hartopp gewandt hatte, den Leiter des Naturwissenschaftlichen Vereins, eines Instituts, das Latte aus tiefstem Herzen verachtete. Hartopp war höchlichst überrascht, als der Junge äußerst sanftmütig – er wußte, wie er's anfangen mußte – ihn bat, ihn selbst, Käfer und M'Turk als Kandidaten aufzunehmen. Er bekannte ein lange gehegtes Interesse für Frühblumen, Schmetterlinge und neue Funde, und erklärte sich bereit, wenn Mister Hartopp ihn für würdig befinde, sogleich dies neue Leben zu beginnen. Hartopp war Lehrer und deshalb argwöhnisch; er war aber auch Enthusiast, und seine leicht empfindliche Seele war oft durch zufällig gehörte Bemerkungen der drei und besonders Käfers verletzt worden. So zeigte er sich dem reuigen Sünder gnädig und trug die drei Namen in sein Buch ein. Jetzt erst, und nicht früher, suchte Latte Käfer und M'Turk im Arbeitszimmer ihres Hauses auf. Sie packten gerade Bücher ein für einen ruhigen Nachmittag im Ginsterbusch, den sie »Das Holz« nannten. »Alles vorbei«, sprach Latte ernst. »Hab' nach dem Essen Huftiers schöne Fußtapfen bei unserer Hütte gesehen, 'n Glück, daß sie so groß sind.« »Verdammt! Hast du unsere Pfeifen versteckt?« fragte Käfer. »I wo. Hab' sie mitten in der Hütte gelassen, selbstverständlich. – Was für'n Schafskopf du doch bist, Käfer! Glaubst wohl, niemand denkt als du allein? – Ja, nun können wir die Hütte nicht mehr gebrauchen. Huftier wird jetzt drauf aufpassen.« »Verfluchte Geschichte!« sprach M'Turk gedankenvoll und packte die Bücher wieder fort, mit denen er seine Brust gepanzert hatte. Die Jungen pflegten ihre Bibliothek zwischen Gürtel und Kragen zu transportieren, »Schöner Spaß! Das heißt also, daß man bis zu den Ferien auf uns aufpassen wird.« »Warum? Alles, was Huftier gefunden hat, ist eine Hütte. Er und Foxy werden sie bewachen. Daß wir damit zu tun haben, weiß ja keiner; mir müssen uns nur nicht in der Gegend sehen lassen.« »Gut, und wo sollen wir sonst anders hingehn?« meinte Käfer. »Du hast den Platz ausgesucht, und – ja, ich wollte heute nachmittag schmökern.« Latte saß auf einem Tisch und trommelte mit den Absätzen gegen die Bank. »Du bist ein Schlappschwanz, Käfer. Manchmal glaub' ich, es wär' am besten, überhaupt nichts mehr mit dir zu tun zu haben, hast du schon mal gemerkt, daß euer Onkel Latte euch vergessen hätte? His rebus infectis – nachdem ich Hufviehs Trampelspuren bei unserer Hütte entdeckt, traf ich den kleinen Hartopp – destricto ense – ein Schmetterlingsnetz schwingend. Ich hab' Hartopp versöhnt. Hab' ihm erzählt, ihr würdet auch sammeln für die Wanzenjäger, wenn er euch mitmachen ließe, Käfer. Hab' ihm gesagt, du hättest Schmetterlinge gern, Turkey. Kurz und gut, ich besänftigte Hartöpfchen, und jetzt sind wir auch Wanzenjäger.« »Und was soll dabei 'rauskommen?« fragte Käfer. »O, Turkey, gib ihm 'nen Fußtritt!« Im Interesse der Wissenschaft waren den Mitgliedern des Naturwissenschaftlichen Vereins die Grenzen sehr weit gezogen. Sie konnten wandern, wohin sie wollten, wenn sie sich nur von allen Häusern fernhielten. Mister Hartopp war für ihre Führung verantwortlich. Käfer fing an, dies einzusehen, als M'Turk mit den Fußtritten begann. »Ich bin ein Esel, Latte!« rief er und suchte den bedrohten Körperteil zu schützen, »Pax, Turkey. Ich bin ein Esel.« »Nicht aufhören, Turkey. Ist euer Onkel Latte nicht ein großer Mann?« »Ein großer Mann«, versicherte Käfer. »Wenn auch – die Wanzenjägerei ist eine elende Beschäftigung«, sagte M'Turk. »Wie, zum Deiwel, fängt man das an?« »So«, erklärte Latte und wandte sich zu den Schubkästen einiger Füchse. »Die Füchse sind gut angeschrieben bei der Naturgeschichte. Hier ist dem kleinen Braybrooke seine Botanisiertrommel.« Er warf ein Büschel vertrockneter Wurzeln heraus und stellte den Riemen für sich zurecht. »Sieht das nicht ziemlich handwerksmäßig aus, – ich denke doch. Hier ist Clay II sein Geologiehammer. Den kann Käfer nehmen. Turkey, du könntest dich irgendwo nach einem Schmetterlingsnetz umsehn.« »Müßt' ich Tinte gesoffen haben«, sprach M'Turk einfach, aber mit tiefem Gefühl. »Käfer, gib mir den Hammer.« »Meinetwegen. Ich bin nicht stolz. Latte, schmeiß doch das Netz 'runter, das auf dem obersten Fach liegt.« »Das ist gut. 'ne verwickelte Konstruktion, es ist zusammenzuklappen, Verflucht feine Hunde sind diese Füchse, wie eine Angel ist das Ding gebaut, wahrhaftig, wir sehen richtig aus wie Wanzenjäger. Nun horcht auf euren Onkel Latte! Wir gehen längs der Klippen nach Schmetterlingen. Da trifft man wenig Leute, wir müssen tüchtig rennen. Du könntest dein Buch lieber hier lassen.« »Fällt mir nicht ein«, sagte Käfer fest. »Ich werde doch nicht wegen ein paar lumpiger Schmetterlinge mein Schmökern aufgeben.« »Du wirst schön schwitzen. Dann könntest du auch noch mein Buch nehmen, das würd' dich auch nicht viel heißer machen.« – Sie schwitzten alle drei, denn Latte führte sie in scharfem Trab westwärts entlang der Klippen unter den Ginsterhügeln, Dickicht und dorniges Strauchwerk durchkreuzend. Sie kümmerten sich nicht um eilig fliehende Kaninchen oder herumschwirrende Falter, und alles, was Turkey in Bezug auf die Wissenschaft der Geologie vorbrachte, läßt sich ganz und gar nicht wiedergeben. »Gehn wir denn nach Clovelty?« stieß er schließlich hervor, und sie warfen sich alle drei in das kurze, elastische Gras nieder, von unten her tönte das Brausen der See herauf, und in den Bäumen weiter oben auf dem Lande spielte der leichte Sommerwind. Sie schauten nach einem Wäldchen hinüber, in dem alter, hoher Ginster in fröhlicher Blüte stand; Brombeersträucher zogen sich am Rande des Gehölzes dahin, in dem Stechpalmen und andere Hölzer bunt durcheinander standen. Es war, als ob das halbe Dickicht bis zum Rande der Klippen von goldigem Feuer erfüllt wäre. Nach der Seite zu, wo die Jungen lagen, dehnte sich die offene Wiese aus. Sie war über und über gespickt mit Warnungstafeln. »Verrückter alter Kerl, der«, sagte Latte und las die nächste. »Das Betreten dieses Grundstücks wird unnachsichtig gerichtlich verfolgt. G. M. Dabney, Oberst, J. P.«, und so weiter. Kann mir nicht denken, daß 'n vernünftiger Mensch hier vorübergehen würde, – nich' wahr?« »Erst muß man überhaupt Schaden nachweisen, eh' man einen anzeigen kann. Für bloßes Betreten kann man niemand anzeigen«, erklärte M'Turk, dessen Vater viele Morgen Land in Bland besaß. »Alles Quatsch!« »Freut mich; scheint mir so, als ob wir das brauchen könnten. Nicht geradeaus, Käfer, du blindes Mondkalb. Man kann uns ja aus 'ner Meile Entfernung anhalten. Diesen Weg hier, und wickle dein verfluchtes Schmetterlingsnetz zusammen.« Käfer nahm den Ring auseinander, stopfte das Netz in eine Tasche, schob den Stiel zu einem zwei Fuß langen Stock zusammen und legte sich den Ring um den Leib. Latte führte sie landeinwärts auf den Wald zu, der vielleicht eine Viertelmeile von der See entfernt lag. »Jetzt können wir geradeaus durchs Gestrüpp gehn, ohne daß uns einer seh'n kann«, sagte der Taktiker, als sie die Brombeersträucher erreicht hatten. »Käfer, geh voran und kundschafte. Sch! Sch! Stinkt irgendwo hier verflucht nach Füchsen!« Auf allen Vieren, außer, wenn er nach der rutschenden Brille griff, wand sich Käfer in das Gestrüpp hinein und kündigte plötzlich, unter grunzenden Tönen des Schmerzes, an, daß er einen ausgezeichneten Fuchspfad gefunden hätte. Das war gut für Käfer, denn Latte zwickte ihn energisch a tergo. Diesen schmalen Gang krochen sie hinunter. Er war augenscheinlich eine Hauptverkehrsstraße für die...



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