E-Book, Deutsch, 650 Seiten
Kipling Die drei Musketiere und andere Geschichten aus den indischen Bergen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-0967-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 650 Seiten
ISBN: 978-80-272-0967-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In 'Die drei Musketiere und andere Geschichten aus den indischen Bergen' präsentiert Rudyard Kipling eine fesselnde Sammlung von Kurzgeschichten, die in den Bergen Indiens spielen. Mit seinem lebendigen Erzählstil bringt Kipling dem Leser die Schönheit und Vielfalt der indischen Landschaft näher, während er gleichzeitig tiefgreifende Themen wie Kolonialismus, Identität und kulturelle Konflikte anspricht. Die Geschichten sind geprägt von Kiplings charakteristischem scharfen Humor und seiner sorgfältigen Beobachtungsgabe, die es dem Leser ermöglichen, sich in die Welt der indischen Berge zu vertiefen. Dieses Buch ist ein Meisterwerk der kolonialen Literatur und ein bedeutender Beitrag zur englischen Kurzgeschichtensammlung des 19. Jahrhunderts. Rudyard Kipling, selbst in Indien aufgewachsen, schöpft aus seinen eigenen Erfahrungen und schafft so authentische und fesselnde Geschichten, die sowohl unterhalten als auch zum Nachdenken anregen. Sein tiefes Verständnis für die indische Kultur und Landschaft spiegelt sich in jeder Zeile wider und macht dieses Buch zu einem unverzichtbaren Werk für Liebhaber der indischen Literatur und Geschichte. Ich empfehle 'Die drei Musketiere und andere Geschichten aus den indischen Bergen' jedem, der nach einer faszinierenden und eindringlichen Lektüre sucht, die sowohl intellektuell anspruchsvoll als auch unterhaltsam ist.
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Inhaltsverzeichnis
Einen jungen Menschen, der in die Welt hinaus soll und auf eigenen Füßen stehen muß, nach dem von Eltern so beliebten Bevormundungssystem zu erziehen, zeugt nicht von Klugheit. Er muß schon eine Ausnahme unter Tausend sein, wenn er sich nicht durch eine Menge völlig unnötiger Widerwärtigkeiten durchschlagen soll; und unter Umständen wird er scheitern, aus dem einfachen Grund, weil er die wahren Verhältnisse von Wert und Unwert nicht kennengelernt hat. Man lasse einen jungen Hund getrost die Seife im Badezimmer fressen oder einen frisch gewichsten Stiefel anknabbern, er wird vergnügt knurrend weiterknabbern, bis er schließlich merkt, daß ihm nach Hammeltalg und Wichse sehr schlecht wird. Und daraus wird er folgern, daß ihm weder Seife noch Stiefel gut bekommen. Und daß es eine Dummheit ist, einen großen Hund ins Ohr zu beißen, wird ihm schon sehr bald der erste beste ältere Hund aus der Nachbarschaft beibringen. Da er jung ist, wird er’s nicht vergessen und mit sechs Monaten schon wohlerzogen und verfeinerten Geschmackes ins Leben hinausgehen. Man stelle sich aber die schrecklichen Übelkeiten und die Prügel vor, die er hätte ausstehen müssen, wenn man ihn von Seife, Wichse und großen Hunden schützend ferngehalten hätte, bis er mit männlich scharfen Zähnen zur hohen Schule des Lebens herangereift wäre. Dann wende man diese Erkenntnis auf das Bevormundungssystem an und achte auf seine Ergebnisse. Es ist immer noch, um ein nicht gerade schönes Wort zu gebrauchen, das größere von zwei Übeln. Es war einmal ein junger Mensch, der nach der Theorie des Bevormundungssystems auferzogen worden war. Und die Theorie war sein Tod. Er lebte vom Tage seiner Geburt an im Schoß der Familie, bis er, fast als Primus, auf die Kriegsschule nach Sandhurst kam. Er war in allem, was ein Privatlehrer gut zensiert, ausgezeichnet unterrichtet, und sein Zeugnis trug die gewichtige Bemerkung, daß er »seinen Eltern nie im Leben eine Stunde Kummer bereitet habe.« Was er in Sandhurst außer dem regelrechten Pensum lernte, ist nicht der Rede wert. Aber er sah um sich und fand Seife und Wichse sozusagen recht gut. Er aß davon und kam nicht gerade als Primus aus Sandhurst zurück. Es gab im Zwischenakte eine Szene mit den Seinigen, die viel von ihm erwartet hatten. Dann folgte ein Jahr »vom Gift des Lebens unberührt« in einem Regiment dritten Ranges, wo die jüngeren Offiziere Kinder waren und die älteren alte Weiber. Schließlich kam er nach Indien, wo er, abgeschnitten vom Beistand seiner Eltern, in schlimmen Zeiten nur auf sich selbst angewiesen war. Nun ist Indien das Land vor allen Ländern, wo man nichts zu ernst nehmen darf – die Mittagsglut natürlich ausgenommen. Zuviel: Arbeit und allzuviel Energie bringen dort einen Menschen gerade so sicher um, wie zuviel Laster und Alkohol. Liebeleien haben nichts auf sich, weil ja jeder bald versetzt wird; weil entweder er oder sie die Garnison verläßt, um nicht wieder zurückzukehren. Tüchtige Arbeit hat nichts auf sich, weil jeder nach seinen schlechtesten Leistungen beurteilt wird, und weil sein Bestes gewöhnlich doch nur anderen zugute kömmt Untüchtige Arbeit hat nichts auf sich, weil andere nicht tüchtiger sind, und weil die Unfähigkeit sich in Indien länger hält als sonstwo. Vergnügungen haben nichts auf sich, weil man sie, kaum genossen, auch schon wiederholen muß, und weil die meisten Vergnügungen nur darin bestehen, sich anderer Leute Geld zu gewinnen. Auch Krankheit hat nichts auf sich, weil sie alltäglich ist, und weil ein anderer des Töten Amt und Würden einnimmt schon in den acht Stunden zwischen Tod und Begräbnis. Gar nichts hat etwas auf sich, nur Heimatsurlaub und Zuschüsse, und auch das nur der Seltenheit wegen. Es ist ein schwerfälliges, ein »kutcha« (rohes) Land, wo alle mit unvollkommenen Mitteln arbeiten, wo man am klügsten niemand und nichts ernst nimmt, und aus dem man am besten möglichst bald in eine Gegend flüchtet, wo Vergnügen wirklich Vergnügen ist, und wo es sich noch lohnt, einen guten Ruf zu haben. Der junge Mensch nun – die Geschichte ist eigentlich so alt wie das Land – kam und nahm alles ernst. Er war hübsch und wurde verhätschelt. Und auch das Verhätscheln nahm er ernst. Frauen rieben ihn auf, die nicht wert waren, daß man ein Pony sattelte, um zu ihnen zu reiten. Sein neues, freies Leben in Indien gefiel ihm sehr. Und es erscheint unter dem Gesichtswinkel eines Leutnants – zuerst wirklich reizvoll: nichts als Ponys, Spielpartner, Tanzereien usw. Er kostete davon wie ein junger Hund von der Seife. Nur kam er leider erst zum Kosten, als seine Zähne schon männlich scharf waren. Er fühlte sich nicht sicher – ganz wie der junge Hund – und begriff nicht, warum man ihn nicht mit derselben Rücksicht behandelte wie im Hause seines Vaters. Das kränkte ihn. Er entzweite sich mit anderen jungen Leuten, und da er äußerst empfindlich war, vergaß er es nicht und regte sich darüber auf. Er fand Gefallen am Whist, an Gymkhanas und ähnlichen Dingen, mit denen man sich nach dem Dienst zerstreut. Aber er nahm auch die ernst, genau so ernst, wie er einen »Kater« nahm. Und weil er ein Neuling war, verlor er beim Spielen sein Geld. Und auch seine Verluste nahm er ernst. Er verwandte ebensoviel Energie und Interesse auf ein billiges Rennen von Ekkapony-Erstlingen mit Stutzmähnen wie auf ein Derby. Daran war einesteils seine Unerfahrenheit schuld – wie bei einem jungen Hund, der ärgerlich den Zipfel des Kaminteppichs anbellt; zum andern Teil kam es von dem Schwindel her, der ihn ergriff, als er aus seiner Ruhe in den unruhigen Glanz eines bewegteren Lebens hineintaumelte. Niemand warnte ihn vor Seife und Stiefelwichse, denn ein Durchschnittsmensch hält es für selbstverständlich, daß ein anderer Durchschnittsmensch sich davor in acht nimmt. Es war herzzerreißend mit anzusehen, wie der Junge sich die Stirn einrannte. Es war nicht viel anders, als wenn ein zu hart gerittenes Füllen, das dem Stallknecht durchgeht, in die Knie bricht und sich zerschlägt. Die Zügellosigkeit bei Vergnügungen, die kein Ausbrechen lohnen, geschweige denn ein wildes Toben, dauerte sechs Monate: die ganze kühle Jahreszeit hindurch. Wir glaubten, daß die Hitze und die Erkenntnis, Geld und Gesundheit eingebüßt und seine Pferde lahm geritten zu haben, den ›Jungen‹ zur Vernunft und zum Stehen bringen würden. In neunundneunzig Fällen von hundert wäre das auch sicherlich geschehen. Man kann diesen Vorgang in jeder indischen Garnison gesetzmäßig verfolgen. Aber gerade dieser Fall war eine Ausnahme. Denn der ›Junge‹ war empfindsam und nahm alles ernst, was ich nun wohl schon zehnmal gesagt habe. Wir konnten natürlich nicht wissen, in welchem Lichte ihm seine Tollheiten erschienen. Außergewöhnlich oder gar erschütternd waren sie nicht. Er war finanziell fürs Leben vielleicht lahm gelegt und bedurfte daher einiger Fürsorge. Doch eine einzige heiße Saison würde die Erinnerung an seine Streiche absterben lassen, und irgendein Wucherer hätte ihm über seine Geldnöte hinweggeholfen. Aber er muß wohl eine ganz andere Auffassung der Dinge gehabt und sich für rettungslos verloren gehalten haben. Sein Oberst redete ihm am Schluß der kalten Jahreszeit ins Gewissen. Das machte ihn noch unglücklicher; und es war doch nur ein ganz gewöhnlicher »Rüffel«. Was nun eintrat, ist ein merkwürdiges Beispiel für die Art und Weise, wie wir alle miteinander verkettet und füreinander verantwortlich sind. Das, was dem ›Jungen‹ den letzten Stoß gab, war die Bemerkung einer Frau, mit der er plauderte. Sie zu wiederholen ist zwecklos, denn es war eine von den kleinen, oft grausamen Bemerkungen, die man hinwirft, ohne sie bedacht zu haben. Aber ihm trieb sie das Blut zu Kopf. Er blieb drei Tage lang ganz für sich und kam dann um zwei Tage Urlaub ein. Er wollte angeblich in der Nähe eines etwa dreißig Meilen entfernten Unterkunftshauses für Kanal-Ingenieure jagen. Er bekam Urlaub und war abends bei der Offiziersmesse lauter und herausfordernder denn je. Er wolle Hochwild jagen, sagte er, und fuhr um halb elf in einer Ekka fort. In der Nähe des Unterkunftshauses gab es nur Rebhühner, und das ist doch kein Hochwild. Darum lachten alle. Am nächsten Morgen kam ein Major von kurzem Urlaub zurück und hörte, daß der ›Junge‹ auf Hochwildjagd gegangen sei. Der Major hatte den ›Jungen‹ liebgewonnen und ihn öfter während der kalten Zeit im Zaum zu halten versucht. Er runzelte die Stirn, als er von dem Ausflug hörte und ging auf die Zimmer des ›Jungen‹, um sie zu durchstöbern. Als er kurz darauf zurückkam, machte ich gerade dem Kasino meinen Besuch. Außer uns war niemand im Vorzimmer. Er sagte: »Der ›Junge‹ ist auf der Jagd. Schießt man Hochwild mit einem Revolver und einem Schreibzeug?« Ich sagte: »Unsinn, Major!« denn ich verstand, was er meinte. Er sagte: »Unsinn oder nicht, ich fahr’ nach dem Kanal – im Augenblick. Ich habe keine Ruhe.« Dann sagte er nach einer Minute Überlegung: »Können Sie lügen?« »Das wissen Sie am besten,« gab ich zur Antwort. »Es ist ja mein Beruf.« »Also gut,« sagte der Major, »Sie müssen mit mir in einer Ekka zum Kanal kommen, gleich, im Augenblick, Schwarzwild schießen. Ziehen Sie sich Ihren Jagdanzug an, rasch, und fahren Sie mit Ihrer Büchse hier wieder vor.« Der Major war ein energischer Mann; und ich wußte, daß er keinen Befehl umsonst gab. Darum gehorchte ich und fand bei meiner Rückkehr alles bereit für einen Jagdausflug; den Major in einer Ekka, Flintentaschen und Proviant aufgeladen. Er entließ den Kutscher und fuhr selbst. Im...