E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Kinsella Muss es denn gleich für immer sein?
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-22607-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-641-22607-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sophie Kinsella ist ehemalige Wirtschaftsjournalistin. Ihre romantischen Komödien und Shopaholic-Romane werden von einem Millionenpublikum verschlungen und erobern regelmäßig die Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrer Familie in London.
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KAPITEL EINS
FÜNF WOCHEN ZUVOR
Es beginnt an unserem zehnten Jahrestag. Wer hätte das gedacht?
Eigentlich stellen sich zwei Fragen: 1.) Wer hätte gedacht, dass es an einem derart vielversprechenden Tag losgeht? Und 2.) Wer hätte gedacht, dass wir überhaupt zehn Jahre durchhalten?
Wenn ich zehn Jahre sage, meine ich nicht seit unserer Hochzeit. Ich meine zehn Jahre seit unserer ersten Begegnung. Es war auf der Geburtstagsparty meiner Freundin Alison. Das war der Tag, der unser Leben für immer verändert hat. Dan stand hinterm Grill, ich bat ihn um einen Burger und … bamm.
Also, nicht bamm wie »Liebe auf den ersten Blick«. Eher bamm wie in »Wow. Diese Augen! Diese Arme! Der Typ gefällt mir.« Er trug eine Schürze und ein blaues T-Shirt, das seine Augen hervorhob, und er wendete die Burger mit großem Geschick. Er wusste, was er tat. Wie der Burger King persönlich.
Das Komische ist, dass ich nie gedacht hätte, Geschicklichkeit beim Burger-Wenden könnte eines Tages etwas sein, das ich mir von einem Mann erhoffte. Und doch war es so.
Während ich ihm so dabei zusah, wie er freundlich lächelnd den Grill bediente … nun, ich war beeindruckt.
Also ging ich zu Alison, um zu fragen, wer das war (»alter Freund von der Uni, macht in Immobilien, netter Typ«), und dann flirtete ich noch ein bisschen mit ihm. Als das nichts brachte, überredete ich Alison, uns beide gemeinsam zum Abendessen einzuladen. Und als auch das zu keinem Ergebnis führen wollte, bin ich ihm »zufällig« in der City über den Weg gelaufen, zweimal, das eine Mal im tief ausgeschnittenen Top (fast etwas nuttig, aber ich wusste mir anders nicht mehr zu helfen). Und dann endlich, endlich, nahm er mich wahr und fragte, ob wir uns nicht mal treffen wollten, und es war Liebe auf den – sagen wir – fünften Blick.
Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass er (behauptet er zumindest) eine Trennung zu verarbeiten hatte und nicht wirklich »auf der Suche« war.
Außerdem modifizieren wir diese Geschichte leicht, wenn wir sie anderen Leuten erzählen. Zum Beispiel das mit dem nuttigen Ausschnitt. Das muss ja nicht jeder wissen.
Wie dem auch sei. Spulen wir zurück zu dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, als alles begann. Einer dieser schicksalhaften Momente, die dein ganzes Leben beeinflussen. Ein denkwürdiger Augenblick. Ein Augenblick, den man ein Jahrzehnt später mit einem Abendessen im Lieblingsrestaurant begeht.
Wir mögen den Laden. Das Essen ist gut, und uns gefällt die Atmosphäre. Dan und ich haben viele gemeinsame Vorlieben – Filme, Stand-up-Comedians, Spaziergänge –, wobei wir allerdings auch oft genug uneins sind. Zum Beispiel wird man mich nie im Leben auf einem Rennrad antreffen. Und Dan wird man ganz sicher nie beim Weihnachtsshopping begegnen. Er hat einfach keinen Sinn fürs Schenken, und sein Geburtstag wird langsam, aber sicher zum Problem. (Ich: »Du musst dir doch irgendwas wünschen. Denk nach.« Dan (gehetzt): »Kauf mir … äh … Ich glaube, wir haben kein Pesto mehr. So was kannst du mir schenken.« Ich: »Ein Glas Pesto? Zum Geburtstag?«
Eine Frau im schwarzen Kleid führt uns zu unserem Tisch und präsentiert zwei große graue Mappen.
»Die Speisekarte ist neu«, erklärt sie. »Ihre Kellnerin wird gleich bei Ihnen sein.«
Eine neue Speisekarte! Als sie geht, blicke ich zu Dan auf und sehe das unverkennbare Blitzen in seinen Augen.
»Neue Karte«, sage ich. »Was meinst du?«
Er nickt. »Kinderspiel.«
»Aufschneider«, erwidere ich.
»Herausforderung angenommen. Hast du Papier?«
»Na klar.«
Ich habe immer Papier und Stifte dabei, denn wir spielen dieses Spiel sehr oft. Ich gebe ihm einen Kugelschreiber und reiße eine Seite aus meinem Notizbuch, dann nehme ich mir selbst Kuli und Zettel.
»Okay«, sage ich. »Auf die Plätze, fertig, los!«
Schweigend studieren wir die Speisekarte. Es gibt sowohl Brasse als auch Steinbutt, was es etwas knifflig macht … aber trotzdem – ich weiß, was Dan bestellt. Er wird versuchen, mich auszutricksen, aber ich werde ihm zuvorkommen. Ich weiß genau, wie er funktioniert, wie sein Verstand sich dreht und wendet.
»Fertig.« Dan kritzelt ein paar Worte auf seinen Zettel und faltet ihn zusammen.
»Fertig!« Ich schreibe meine Antwort auf und bin gerade dabei, meinen Zettel zu falten, als die Kellnerin wieder an unseren Tisch kommt.
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Unbedingt, und auch essen.« Ich lächle sie an. »Ich hätte gern einen Negroni, die Muscheln und das Huhn.«
»Für mich einen Gin Tonic«, sagt Dan, als sie fertig geschrieben hat. »Außerdem nehme ich auch die Muscheln und dazu die Brasse.«
Die Kellnerin geht, und wir warten ab, bis sie außer Hörweite ist. Dann:
»Wusste ich doch!« Ich schiebe Dan meinen Zettel zu. »Auch wenn ich Gin Tonic nicht erwartet hätte. Ich dachte, du nimmst Champagner.«
»Ich hab alles richtig. Volltreffer.« Dan reicht mir seinen Zettel, und ich sehe Negroni, Muscheln, Huhn in seiner ordentlichen Handschrift.
»Verdammt!«, sage ich. »Ich dachte, du denkst, ich nehme den Hummer.«
»Mit Polenta? Ich bitte dich.« Er grinst und schenkt mir Wasser nach.
»Ich weiß aber, dass du fast Steinbutt geschrieben hättest.« Ich kann es mir nicht verkneifen, etwas anzugeben, um zu zeigen, wie gut ich ihn kenne. »Entweder das oder die Brasse, aber du bist scharf auf den Safranfenchel, den es als Beilage zur Brasse gibt.«
Dans Grinsen wird breiter. Sag ich doch!
»Übrigens«, füge ich hinzu, während ich meine Serviette ausschüttle, »habe ich gesprochen mit …«
»Oh, schön! Was hat sie …«
»Alles gut.«
»Super.« Dan nippt an seinem Wasser, und ich hake das Thema im Stillen ab.
Viele unserer Gespräche laufen so. Überlappende Sätze und halbfertige Gedanken in Kurzschrift. Ich musste nicht ausformulieren: »Ich habe mit Karen, unserer Nanny, übers Babysitten gesprochen.« Er wusste es. Nicht dass wir ernstlich Gedanken lesen können, aber oft genug ahnen wir, was der andere als Nächstes sagen wird.
»Ach, und wir müssen noch reden über meine Mum und ihre …«, sagt er und nimmt einen Schluck Wasser.
»Ich weiß. Ich dachte, wir könnten gleich durchfahren von …«
»Ja, gute Idee.«
Und wieder brauchen wir nicht auszuformulieren, dass wir noch über die Geburtstagsfeier seiner Mum reden müssen und von der Ballettstunde der Mädchen direkt dorthin fahren könnten. Wir wissen es beide. Ich reiche ihm den Korb und weiß, dass er sich eine Scheibe von dem Sauerteigbrot nimmt, nicht weil er es besonders mögen würde, sondern weil er weiß, wie gern ich Focaccia esse. So ein Mann ist Dan. Einer, der dir dein Lieblingsbrot überlässt.
Unsere Getränke kommen, und wir stoßen an. Wir sind beide ganz entspannt, denn wir haben uns den Nachmittag freigenommen. Da wir gerade die Krankenversicherung wechseln, müssen wir beide später noch zur medizinischen Untersuchung.
»Tja. Zehn Jahre.« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Zehn Jahre.«
»Unglaublich.«
»Wir haben es geschafft!«
Zehn Jahre. Das ist eine echte Leistung. Fast kommt es mir vor, als hätten wir einen Berg erklommen. Immerhin ist es ein volles Jahrzehnt! Drei Umzüge, eine Hochzeit, Zwillinge, gut zwanzig Ikea-Regale … das ist praktisch ein ganzes Leben.
Und wir haben großes Glück, dass wir noch da sind, dass wir noch zusammen sind. Das weiß ich. Einige andere Paare, die sich etwa zur selben Zeit kennenlernten, hatten weniger Glück. Meine Freundin Nadia war nach drei Jahren wieder geschieden. Es funktionierte einfach nicht.
Liebevoll betrachte ich Dans Gesicht, dieses Gesicht, das ich so gut kenne: die hohen Wangenknochen, die Sommersprossen und die gesunde Gesichtsfarbe vom vielen Radfahren. Seine semmelblonden Haare. Die blauen Augen. Seine energische Ausstrahlung, selbst hier beim Essen.
Gerade wirft er einen Blick auf sein Telefon und ich einen auf meins. Bei uns gibt es keine Regel gegen Handys, wenn wir mal ausgehen, denn wer hält schon eine ganze Mahlzeit durch, ohne wenigstens einmal nach seinem Handy zu sehen?
»Oh, ich hab was für dich«, sagt er plötzlich. »Ich weiß ja, es ist kein richtiges Jubiläum, aber trotzdem …«
Er zückt ein Rechteck in Geschenkpapier, und ich weiß schon, dass es dieses Buch über effektiven Hausputz ist, das ich so gern lesen möchte.
»Wow!«, sage ich, als ich es auspacke. »Danke! Aber ich habe auch eine Kleinigkeit für dich …«
Wissend lächelt er, als er merkt, wie schwer das Päckchen ist. Dan sammelt Briefbeschwerer, also kriegt er zu jedem Geburtstag und zu besonderen Anlässen einen geschenkt. (Und dazu natürlich ein Glas Pesto.) Damit bin ich auf der sicheren Seite. Nein, nicht auf der sicheren Seite. Das klingt langweilig, und langweilig sind wir bestimmt nicht. Es ist nur … na ja. Ich weiß, er freut sich darüber. Wieso sollte ich also Geld vergeuden und ein Risiko eingehen?
»Gefällt er dir?«
»Gefällt mir sehr.« Er beugt sich vor, um mir einen Kuss zu geben, und flüstert: »Ich liebe dich.«
»Und ich dich«, flüstere ich zurück.
Um Viertel vor vier sitzen wir in der Arztpraxis, sind allerbester Dinge,...