E-Book, Deutsch, 240 Seiten, Format (B × H): 138 mm x 208 mm
Kilchör Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7655-7650-8
Verlag: Brunnen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 240 Seiten, Format (B × H): 138 mm x 208 mm
ISBN: 978-3-7655-7650-8
Verlag: Brunnen Verlag GmbH
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Dr. Benjamin Kilchör, Jahrgang 1984, ist ordentlicher Professor für Altes Testament an der universitären theologischen Hochschule STH Basel.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2 „Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn“
Während die Rede von Gott dem Schöpfer uns ganz an den Anfang des Alten Testaments führt (1. Mose 1,1), kommt „Jesus Christus“ im Alten Testament gar nicht vor. Zum ersten Mal wird er im ersten Vers des Neuen Testaments erwähnt, sodass der erste Artikel des Glaubensbekenntnisses uns zum ersten Vers des Alten Testaments, der zweite Artikel dagegen zum ersten Vers des Neuen Testaments führt:
Matthäus 1,1
Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.
Zwar wird Jesus hier als Nachkomme zweier großer alttestamentlicher Gestalten, David und Abraham, eingeführt und doch scheint das Alte Testament ihn noch nicht zu kennen. Ein Grund dafür findet sich auch im Apostolischen Glaubensbekenntnis: „Geboren von der Jungfrau Maria“. Jesus ist der Name eines Menschen, der in einer bestimmten Zeit geboren worden ist, und zwar in einer Zeit nach der Entstehung des Alten Testaments. Darum kommt er im Alten Testament noch nicht vor. Zugleich sieht das Apostolische Glaubensbekenntnis allein schon durch die Formulierung „Ich glaube an Jesus Christus“ in Jesus nicht nur einen Menschen, der zu einer bestimmten Zeit geboren wurde, sondern auch eine göttliche Person, die von Ewigkeit her ist. Die beiden Seiten – seine Gottheit und seine Menschheit – kommen im Apostolischen Glaubensbekenntnis dadurch zum Ausdruck, dass Jesus Christus durch den Heiligen Geist empfangen, aber von der Jungfrau Maria geboren ist.
Zunächst werden über diesen Jesus drei Aussagen gemacht: Er ist Christus, d. h. Gesalbter (Messias), er ist der eingeborene Sohn Gottes (siehe zu „eingeboren“ Abschnitt 2.2) und er ist unser Herr. Auch wenn Jesus als Mensch uns erst im Neuen Testament begegnet, führen uns alle drei Aussagen über ihn ins Alte Testament.
1. „Und an Jesus Christus“
Christus ist nicht der Nachname von Jesus, sondern es ist die griechische Übersetzung von Messias, d. h. Gesalbter. Das Apostolische Glaubensbekenntnis sagt zunächst also: „Ich glaube an Jesus, den Gesalbten.“ Was bedeutet „Gesalbter“? Was ist eine Salbung?
Die Salbung und die drei alttestamentlichen Ämter: Prophet, Priester und König
Am besten lässt sich die Salbung ausgehend von Psalm 104,15 erklären, wo von Öl die Rede ist, welches das Angesicht des Menschen zum Glänzen bringt. Werden Menschen, die einen Auftritt im Fernsehen haben, vor ihrem Auftritt gepudert, damit ihr Gesicht nicht glänzt, so hat das Salböl die umgekehrte Funktion: Es verleiht dem Gesicht eines Menschen Glanz.
Innerhalb des Alten Testaments erinnert dies sofort an 2. Mose 34,29-35:
2. Mose 34,29-35
Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der Herr mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. Und wenn er hineinging vor den Herrn, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.
Das Angesicht von Mose glänzt, weil er auf dem Berg Sinai Gott begegnet ist. Der Glanz Gottes reflektiert sich auf seinem Angesicht, er wird zu einem Träger der Lichtherrlichkeit Gottes. Das Volk fürchtet sich, er muss sein Angesicht bedecken, wenn er ihnen gegenübertritt, aber in der Gegenwart Gottes deckt er sein Angesicht auf.
Mose ist kein Priester, sondern ein Prophet. Als Prophet tritt er auf dem Sinai in die himmlische Gegenwart Gottes ein, er tritt vor den himmlischen Thron Gottes. Dies ist es, was nach Jeremia den wahren vom falschen Propheten unterscheidet:
Jeremia 23,16-18
So spricht der Herr Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn. Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. Aber wer hat im Rat des Herrn gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?
Der wahre Prophet ist derjenige, der in den Thronrat Gottes hineingenommen wird und das Wort Gottes hört und sieht. Genau dies trifft auf Mose zu, wenn er auf der Spitze des Berges Sinai in die Wolke eintritt, um Gott zu begegnen.
Wird der Prophet durch den Geist in den himmlischen Thronrat Gottes hineingenommen, so betritt der Priester den irdischen Thronraum Gottes, wenn er ins Heiligtum hineingeht, denn das irdische Heiligtum ist ja ein Abbild des himmlischen. Es ist ein Ort, der vom Glanz Gottes erfüllt ist. Alles darin ist mit heiligem Salböl gesalbt:
2. Mose 30,25-30
Mache […] ein heiliges Salböl nach der Kunst des Salbenbereiters. Und du sollst damit salben die Stiftshütte und die Lade mit dem Gesetz, den Tisch mit all seinem Gerät, den Räucheraltar, den Brandopferaltar mit all seinem Gerät und das Becken mit seinem Gestell. So sollst du sie weihen, dass sie hochheilig seien. Wer sie anrührt, der ist dem Heiligtum verfallen. Aaron und seine Söhne sollst du auch salben und sie mir zu Priestern weihen.
Salbung bedeutet Heiligung und was geheiligt ist, das gehört in die Gegenwart Gottes und ist Träger vom Lichtglanz Gottes. Aaron und seine Söhne, d. h. die Priester, werden auch gesalbt: Wenn sie das Heiligtum betreten, dann sollen sie dies mit glänzendem Angesicht tun, genau wie Mose, wenn er auf den Berg Sinai geht, um Gott zu begegnen.
Man kann die Geschichte des Sündenfalls so deuten (eine Deutung, die schon im Frühjudentum und in der Alten Kirche bezeugt ist), dass Adam und Eva vor dem Sündenfall auch den Glanz der Herrlichkeit Gottes an sich hatten. Weil sie durch den Sündenfall diesen Glanz verlieren, merken sie, dass sie nackt sind, und kleiden sich in Feigenblätter (1. Mose 3,7). Als Gott sie aus dem Garten verbannt, macht er ihnen Kleider aus Fellen (1. Mose 3,21). Paulus wird später mit Blick auf den Sündenfall schreiben:
Römer 3,22-23
Denn es ist hier kein Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit verloren, die Gott ihnen zugedacht hatte.39
Auch den Priestern fehlt diese Herrlichkeit, deshalb müssen sie nicht nur ihr Angesicht salben, sondern auch prachtvolle Kleider anziehen, wenn sie ins Heiligtum gehen. Der Hohepriester, der an den Cherubim vorbei ins Allerheiligste vor den Thron Gottes tritt, muss von Kopf bis Fuß in weißes Leinen gekleidet sein:
3. Mose 16,4
Er soll das heilige leinene Gewand anlegen, und leinene Beinkleider sollen seine Nacktheit40 bedecken, und er soll sich mit einem leinenen Gürtel gürten und den leinenen Kopfbund umbinden, denn das sind die heiligen Kleider; er soll seinen Leib mit Wasser abwaschen und sie dann anlegen.
Doch wie Mose nicht in seinem Glanz dem Volk gegenübertreten darf, so darf der Hohepriester in seinen weißen Leinenkleidern, die nur das Gesicht, das mit Öl gesalbt wird (3. Mose 16,32), frei lassen, zwar in die Gegenwart Gottes treten, aber nicht vor das Volk: Wenn er das Heiligtum verlässt, muss er das Salböl abwaschen und die heiligen Kleider ausziehen, um in normalen Kleidern ohne den Glanz der Herrlichkeit Gottes vor das Volk zu treten (3. Mose 16,23-24). Salbung bedeutet also Heiligung und Heiligung bedeutet Zutritt und Zugehörigkeit zum Heiligtum, zum Ort der Gegenwart Gottes.
Ein weiterer Schritt für das Verständnis, was es bedeutet, dass Jesus der Messias ist, besteht darin, sich bewusst zu machen, was die Gegenwart Gottes überhaupt bedeutet: Im Allerheiligsten steht der Thron Gottes und der Thron Gottes ist sein Richterstuhl. Als Mose mit glänzendem Angesicht vom Sinai herabsteigt, hält er die beiden Steintafeln mit den Zehn Geboten in der Hand (2. Mose 34,29). Diese Tafeln werden im Allerheiligsten der Stiftshütte in der Bundeslade aufbewahrt. Wenn Aaron also am Tag der Versöhnung gesalbt wird, um ins Allerheiligste zu treten, dann bildet er das Hinaufsteigen Moses auf die Spitze des Sinai kultisch ab (2. Mose 25,21-22; 3. Mose 16,2).
Mose bringt nicht nur dem Volk das Gesetz Gottes, weil er vor dem Richterstuhl Gottes gestanden hat, sondern er wird auch selbst eingesetzt, um im Volk Recht zu sprechen, weil er als Prophet Mitglied im göttlichen Thronrat ist und darum den Ratschluss Gottes kennt. Um Recht zu sprechen,...