Kijowska | Nichts kommt zweimal vor. Wislawa Szymborska. | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Kijowska Nichts kommt zweimal vor. Wislawa Szymborska.

Eine Biografie
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7317-6232-4
Verlag: Schöffling
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Biografie

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-7317-6232-4
Verlag: Schöffling
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine verehrte Dichterin voller Eleganz, verschlossen und Öffentlichkeitsscheu. Eine zierliche Kettenraucherin mit einem Faible für Camping, für Ella Fitzgerald und Woody Allen, die unter Freunden aufblühte, Limericks und practical jokes liebte. Wer war Wislawa Szymborska, die diese Facetten in sich vereinte und 1996 als Literaturnobelpreisträgerin auf einen Schlag weltberühmt wurde? Im ersten deutschsprachigen Porträt der Dichterin spürt Marta Kijowska einer Frau nach, die auf einem Landgut bei Posen aufwächst, um dann mit der Familie nach Krakau überzusiedeln. Die Biografin zeichnet ein Jahrhundert voller Verwerfungen von Krieg, Besatzung, kommunistischer Herrschaft und der anschlie- ßenden Befreiungsbewegung der Solidarnosc nach und beschreibt, wie all das sich auf Szymborskas Arbeit und ihre Beziehungen auswirkt.In Nichts kommt zweimal vor bringt uns Marta Kijowska, die große Kennerin der polnischen Literatur, eine faszinierende Persönlichkeit näher, deren vielbeachtete Gedichte - mal verspielt und selbstironisch, mal bitter und tieftraurig - bis heute berühren.

Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, lebt in München. Sie arbeitet als Journalistin für Zeitungen und Hörfunk, vor allem zu Themen der polnischen Kultur, Literatur und Geschichte. Gleichzeitig ist sie als Sachbuchautorin und Übersetzerin aus dem Polnischen tätig. Zu den von ihr übertragenen Autoren gehören u. a. Stefan Chwin, S?awomir Mro?ek, Maria Nurowska, Dominik W. Rettinger und Seweryna Szmaglewska.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


InhaltVorwort 7Kapitel 1 - Ichnas Idylle 13Kapitel 2 - Die dunklen Jahre 36Kapitel 3 - Das schwierige Debüt 55Kapitel 4 - Die Eifrige 79Kapitel 5 - Auf der Suche nach sich selbst 99 Kapitel 6 - Auf dem Zauberberg 127Kapitel 7 - Kornel 151Kapitel 8 - Die wichtigste Lyrikerin Polens 172 Kapitel 9 - Collagen und andere Absurditäten 189 Kapitel 10 - Nach Stockholm 206Kapitel 11 - Der Erste Sekretär 225Kapitel 12 - Die Konkurrenten 242Kapitel 13 - Wiselka 256Kapitel 14 - Es ist genug 277Epilog 292Anhang 299


Kapitel 1

Ichnas Idylle

Wislawa Szymborska hatte eine Schwäche für ausgefallene oder komische Ortsnamen. Sie besaß eine ganze Sammlung von Fotos, die von ihren Freunden bei verschiedenen Autoreisen aufgenommen wurden und sie an entsprechenden Ortsschildern zeigten – an ausländischen wie Neandertal, Sodoma, Corleone oder Limerick und polnischen wie Donosy (Denunziationen), Pieklo (Hölle), Niebo (Himmel), Zimna Woda (Kaltes Wasser) und ähnlichen. Manchmal bat sie sogar ihre Begleiter, einen Umweg zu machen, nur um sich an so einem Schild ablichten zu lassen.

Der kurze und recht gewöhnlich klingende Name Bnin hätte sie als ein weiteres Sammelobjekt bestimmt nicht gereizt, wäre da nicht ein besonderer Umstand: In einem Ort dieses Namens wurde sie geboren. Heute ist es ein Teil von Kórnik, einer Kleinstadt in der Nähe von Posen (Poznan) – damals, als sie, am 2. Juli 1923, zur Welt kam, war es ein Teil der Ländereien des Grafen Wladyslaw Zamoyski, als deren Verwalter ihr Vater, Wincenty Szymborski, arbeitete. Dort verbrachte sie auch mit den Eltern und der älteren Schwester Nawoja ihre ersten drei Lebensjahre, von denen sie später behaupten würde (obwohl sie sich kaum an sie erinnert haben dürfte), es sei eine sehr prägende Zeit gewesen: »Ich wurde in Großpolen geboren, was natürlich in keiner Weise mein Verdienst ist. Doch hier hat mein Vater gearbeitet, hier haben bis vor Kurzem Menschen gelebt, die sich noch an ihn erinnern konnten. Hier habe ich viele gute Freunde, und die wissen sehr wohl, wie hoch ich das Gefühl der Freundschaft schätze. Hier schließlich finde ich Landschaften, die zu meinen ersten Erinnerungen gehören. Ich habe seitdem viele andere gesehen, die mir viel malerischer und attraktiver erschienen. Doch was bedeutet das schon? Hier waren – und sind immer noch, nur kleiner – mein erster See, mein erster Wald, meine erste Wiese, meine ersten Wolken. Das sind Dinge, die man sehr sorgfältig im Gedächtnis aufbewahrt und wie ein großes, beglückendes Geheimnis hütet.«1

Wincenty Szymborski und seine Frau Anna waren ein sehr ungleiches Paar, nicht nur wegen der neunzehn Jahre Altersunterschied – sie hatten auch einen anderen sozialen und familiären Hintergrund. Er wurde in Czartki Wielkie geboren, einem Dorf im westlichsten Gouvernement des sogenannten Kongresspolen, direkt an der Grenze zu Preußen. Da die Ehe seiner Eltern, Antoni Szymborski und Stanislawa Psarska, schnell gescheitert war, wuchs er bei seiner Mutter und seiner Großmutter auf, und bald nur noch bei der Letzteren, nachdem Stanislawa mit dreißig Jahren an Tuberkulose gestorben war. Es war also seine Großmutter, Natalia Psarska, die den größten Einfluss auf ihn hatte; ihr verdankte er seine energische, rationale Art, seinen Menschenverstand, seinen Sinn für Humor. Sie war sehr belesen und legte großen Wert auf Bildung, was bewirkte, dass auch er sein Leben lang das Bedürfnis hatte, sich ein möglichst umfangreiches praktisches Wissen anzueignen, und gleichzeitig starkes Interesse für Literatur zeigte. Er begann ein Studium der Landwirtschaft in Breslau, das er aber nach dem Tod der Großmutter aufgeben musste. Stattdessen zog er nach Zakopane, weil er sich von dem Bergklima einen Schutz vor Tuberkulose versprach, und fand eine Anstellung im Büro des Grafen Zamoyski.

Anna Rottermund, seine künftige Frau, stammte aus Krakau. Ihre Familie war dort seit mehreren Generationen ansässig, einige Vorfahren lebten aber auch in Warschau, wohin sie vermutlich im 16. Jahrhundert aus den Niederlanden eingewandert waren (die jüngste Spur führt zu Wislawa Szymborskas Cousin, Professor Andrzej Rottermund, dem langjährigen Direktor des Königlichen Schlosses in Warschau). Annas Vater, Jan Rottermund, arbeitete, ähnlich wie andere Männer in der Familie, bei der Eisenbahn; er wurde dort zuerst als Bremser und dann als Schaffner beschäftigt. Sein Arbeitgeber, die Carl Ludwig Bahn (CLB), bediente die Strecken, die östlich von Krakau lagen; die wichtigste von ihnen führte nach Lemberg. 1892 wurde die Firma Teil der kaiserlich-königlichen Staatsbahnen, wodurch auch Jan Rottermund zu einem Staatsbediensteten wurde, was ihm gewisse Privilegien, unter anderem eine günstige Wohnung, verschaffte. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, beschloss die Familie trotzdem, ihn in Bochnia zu überdauern, einem östlich von Krakau gelegenen Städtchen, aus dem Annas Mutter, Karolina Rottermund, geborene Kubas, stammte. Dort war das Leben um einiges sicherer und in ihrem Fall auch billiger, weil die Familie Kubas dort ein kleines Haus mit eigenem Garten besaß. Das Ehepaar Rottermund und Annas jüngerer Bruder zogen also nach Bochnia, sie selbst blieb aber in Krakau, wo sie im Büro des Fürsten Stanislaw Lubomirski arbeitete. Als nach einiger Zeit beschlossen wurde, das Büro kriegsbedingt in das südpolnische Zakopane zu verlegen, kam sie mit, zumal sie dort einen weiteren Verwandten und damit eine günstige Unterkunft hatte: im benachbarten Ort Szaflary, im Pfarrhaus ihres Onkels, des Priesters Maurycy Rottermund.

Dort, in Zakopane, lernte Anna 1915 Wincenty Szymborski kennen, der einige Jahre zuvor zum Verwalter des Grafen Zamoyski aufgestiegen war. Es war eine ehrenvolle, aber auch sehr schwierige Aufgabe. Zamoyski, der aufgrund der von Bismarck angeordneten Polenausweisungen, die 1885 in Großpolen einsetzten, sein Schloss in Kórnik verlassen musste, war seit 1889 Besitzer von Zakopane. Er hatte den Ort, zu dem auch ein Teil der Hohen Tatra und Westtatra gehörte, im Rahmen einer Versteigerung erworben, was er dem Geschick seines Freundes, des bekannten Krakauer Rechtsanwalts Józef Retinger, zu verdanken hatte. Dieser vertrat ihn bei der Versteigerung und gewann dabei gegen einen deutschen Fürsten und einen jüdischen Fabrikanten, indem er den zuletzt gebotenen Betrag mal um einige Tausend Gulden, mal um einen Cent erhöhte; er tat es so lange, bis seine Konkurrenten aufgaben. Jahre später bekam Zamoyski übrigens eine Gelegenheit, Retinger für seine Hilfe posthum zu danken: Als der Rechtsanwalt 1897 starb, wurde der kinderlose Graf zum Vormund und Förderer seines Sohnes, Józef Hieronym Retinger, desselben, der in den späten 1940 ern einer der Mitbegründer der Europäischen Bewegung und des Europarats wurde und in den 1950 ern die sogenannten Bilderberg-Konferenzen miterfand. Es war eine Plattform, die er, besorgt über zunehmenden Antiamerikanismus in Europa, gemeinsam mit dem niederländischen Prinzen Bernhard zur Lippe-Biesterfeld ins Leben rief. Sie sollte namhafte Politiker, Industrielle und Intellektuelle beiderseits des Atlantiks zu einem so informellen wie diskreten Meinungsaustausch zusammenbringen. Die erste Konferenz fand Ende Mai 1954 im Hotel De Bilderberg in Oosterbeek statt (daher der Name), weitere werden bis heute an wechselnden Orten abgehalten.

Nach dem Kauf von Zakopane begann Zamoyski mit aller Energie, sich um dessen Entwicklung zu kümmern. Er war in Paris geboren und aufgewachsen, hatte in seiner Jugend viele Länder bereist, Australien und Nordamerika eingeschlossen, war gebildet und mit den neuesten Trends vertraut. Und Zakopane war ein Ort, der erst in den 1870 er Jahren in Mode kam, als der Arzt Tytus Chalubinski die Vorzüge des Bergklimas und des Wandersports zu propagieren begann. Er war auch selbst zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten in den Bergen anzutreffen, und seine Zeitgenossen machten es ihm immer öfter nach. In den Bergen wurden Wanderwege abgesteckt und Herbergen gebaut, und es tauchten die ersten Bergführer auf, die den noch ungeübten Touristen das richtige Wandern, Klettern und Steigen beibrachten. Gleichzeitig fand in der polnischen Kultur eine wahre Explosion der Bergthematik statt. Zunächst in den Bildern der Krakauer Maler, die als Erste an dem nur hundert Kilometer entfernten Zakopane Gefallen fanden: Jan Matejko, Wojciech Kossak, Jacek Malczewski, Stanislaw Wyspianski oder Walery Eljasz, der bereits 1870 einen illustrierten Tatra-Führer publizierte. Dann in den Gedichten der jungpolnischen Dichter, allen voran Kazimierz Przerwa-Tetmajer und Jan Kasprowicz – der eine wurde in einem Dorf im Tatra-Vorland geboren, der andere verbrachte in Zakopane mehrere Jahrzehnte. Schließlich in den Werken anderer Künstler und Schriftsteller, die aus anderen Städten kamen, um hier zu arbeiten und sich gleichzeitig für die Bergregion zu engagieren.

Oft hatten diese Besuche auch einen politischen Hintergrund, sprich: die nach Zakopane kommenden Kulturschaffenden wollten sich nicht nur von der Schönheit der Natur inspirieren lassen, sondern auch Kraft für den weiteren Kampf um die (erst 1918 wiedergewonnene) Unabhängigkeit des Landes schöpfen und über dessen neue Strategien beraten. Es fanden Vorträge über die aktuelle politische Situation und Treffen mit Mitgliedern der Widerstandsbewegung statt, es wurden diverse Schulen, Organisationen und Zeitschriften gegründet. Diesem Engagement lag die Absicht zugrunde, aus Zakopane ein neues Zentrum des nationalen Lebens zu machen, einen Ort, an dem die Polen aus allen drei Teilungsgebieten, dem russischen, preußischen und österreichischen, wenigstens zeitweise zusammenkommen könnten, jenseits aller von den Besatzern aufgezwungenen Grenzen und Schranken. Dieses Konzept ging wiederum auf die unter Intellektuellen und Künstlern weitverbreitete Überzeugung zurück, dass in der Bergregion viele Elemente der alten gesamtpolnischen Kultur zu finden seien, dass sie gleichsam als Quintessenz des Polentums anzusehen sei. Zu den Verfechtern dieser Idee gehörte nicht zuletzt Stanislaw Witkiewicz, ein Schriftsteller, Maler und Kunstkritiker, der in der polnischen Architektur den sogenannten »Zakopane-Stil«...


Kijowska, Marta
Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, lebt in München. Sie arbeitet als Journalistin für Zeitungen und Hörfunk, vor allem zu Themen der polnischen Kultur, Literatur und Geschichte. Gleichzeitig ist sie als Sachbuchautorin und Übersetzerin aus dem Polnischen tätig. Zu den von ihr übertragenen Autoren gehören u. a. Stefan Chwin, Slawomir Mrozek, Maria Nurowska, Dominik W. Rettinger und Seweryna Szmaglewska.

Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, lebt in München. Sie arbeitet als Journalistin für Zeitungen und Hörfunk, vor allem zu Themen der polnischen Kultur, Literatur und Geschichte. Gleichzeitig ist sie als Sachbuchautorin und übersetzerin aus dem Polnischen tätig. Zu ihren früheren Büchern gehören u. a. Biografien über Andrzej Szczypiorski, Stanislaw Jerzy Lec und Jan Karski.



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