E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Kiesel Das geheime Leben der Tiere (Arktis) - Das Erbe der Polarfüchse
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7320-2417-9
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erlebe die Tierwelt und die Geheimnisse der Arktis wie noch nie zuvor - Kinderbuch ab 8 Jahren
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Reihe: Das geheime Leben der Tiere - Arktis
ISBN: 978-3-7320-2417-9
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Arktis ist wunderschön und voller Geheimnisse. Doch das Leben der Tiere dort ist auch gefährlich. Komm mit auf eine Reise ins endlose Eis! Blauwurm nennen die Geschwister den Polarfuchs, der als einziger von ihnen im Winter kein schneeweißes Fell bekommen wird. Sie lassen ihn glauben, dass er weniger wert sei. Voller Entschlossenheit verlässt der blaue Fuchs seine Familie und läuft los. Auf seiner Reise über das zugefrorene Polarmeer erhält er von einer Eisbärin den Namen Grischa, derWachsame. Bald schon erwartet er mit seiner Partnerin Junge. Doch zwischen den blauen Welpen tummelt sich auch eine weiße Füchsin. Grischa nimmt sich vor, ihr niemals das Gefühl zu geben, anders zu sein. Kann ihm das gelingen? Die Arktis ruft Erlebe erstaunliche Wunder der Natur und das aufregende Leben der Tiere - diese Kinderbuch-Reihe entführt Jungen und Mädchen ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräume der Erde. Ob im tiefen Meer, im dichten Wald oder im grünen Dschungel: In diesen Geschichten erleben Tiere wunderschöne und zugleich bewegende Abenteuer. Die Kinder tauchen in die Welt der Tiere ein, werden für die Vielfalt der Natur begeistert und lernen viel Neues auf den Wissensseiten. Mit berührenden und coolen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Lehrreich wie ein Sachbuch und berührend wie ein Disney-Klassiker! Für Fans von Peter Wohlleben und Karsten Brensing. Die Titel sind auf Antolin.de gelistet.
Anna Lisa Kiesel, geboren 1989 in Graz, hat bereits vor der Schule mit dem Lesen und Schreiben angefangen und seitdem die Füllfeder kaum mehr aus der Hand gelegt. Das Germanistikstudium, das sie im Alter von 15 Jahren begann, ließ sie schnell wieder bleiben, machte stattdessen eine Ausbildung zur Fotografin und arbeitete schließlich als freie Werbetexterin. Mittlerweile hat sie sich ganz den Kinder- und Jugendbüchern verschrieben und wird von ihrer Tochter und ihrem Sohn laufend zu neuen Geschichten inspiriert.
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Lauf, Blauwurm! Lauf!
Er rannte. Der blaue Fuchs rannte, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Über das Eis und hinaus auf ein Meer, das sich in den letzten Wochen zu festem Boden verwandelt hatte. „Blauwurm!”, hallte die Stimme unaufhörlich durch seinen Kopf. Verwandeln. Ja, das Meer hatte eine neue Gestalt angenommen und aus Wasser war Eis geworden. Der blaue Fuchs aber hatte sich kaum verändert. Er war gleich geblieben, während sich über die Welt um ihn herum ein weißer Schleier gelegt hatte. Alles war weiß geworden. Jeder war weiß geworden. Nur er nicht. „Blauwurm!”, rief es erneut. „Halt die Klappe!”, fauchte der blaue Fuchs, obwohl er wusste, dass er die Stimme in seinem Kopf nicht verscheuchen konnte. Zu laut war sie. Zu oft hatte er sie in den ersten Monaten seines jungen Lebens gehört. So schnell der blaue Fuchs auch lief, vor Fedor und seinen Worten konnte er nicht flüchten. Erschöpft ließ er sich in eine Kuhle im Schnee fallen. Pause. Nur eine kleine Pause wollte er machen, auch wenn sich der Hunger wie tausend Nadeln durch seinen Magen bohrte. Sollte er nicht bald etwas zu fressen finden, dann … Er schloss die Augen, obwohl um ihn herum ohnehin völlige Dunkelheit herrschte. Nur kurz wollte er sich ausruhen. Nur ganz kurz … Dunkel war es um ihn herum. Dunkel und wunderbar warm. Der süße Geruch von Milch strömte in seine Nase und der winzige blaue Fuchs spürte die ungeduldigen Tritte seiner Brüder und Schwestern. Er öffnete das Mäulchen und stieß ein erbostes Keckern aus. „Lasst mich in Ruhe! Seid vorsichtig! Au!” Verwundert hielt er inne. Was war das? War das etwa seine eigene Stimme? Ja! Er hörte! Jetzt erst fiel dem blauen Fuchs auf, dass er auch die kläglichen Laute seiner Geschwister vernahm. Das heisere Krächzen, das verzweifelte Rufen nach der köstlichen Milch. Plötzlich stach ihn etwas in die Nase. Er hatte es schon oft gerochen und der blaue Fuchs wusste, dass die Welpen nicht mehr allein im hintersten Winkel der Wurfhöhle waren. Er war zurück. Der Stinkefuchs, der schon während der ersten Tage so grob gewesen war und dessen scharfer Körpergeruch nichts als Ekel hervorrief. Warum unternahm Mama nichts, um die Welpen zu beschützen? Ein Gesicht tauchte vor ihm auf, viel größer als sein eigenes. Und obwohl der blaue Fuchs seine Umgebung nur verschwommen wahrnehmen konnte, sah er die Ablehnung in diesen Augen ganz deutlich. „Blauwurm”, hörte er den anderen wispern. „Du siehst mich, das weiß ich. Aber hörst du mich auch endlich?” Erwartungsvoll blickten ihn die Augen an und der blaue Fuchs versuchte, mit ungelenken Bewegungen weiter nach hinten zu rutschen, um zwischen seinen anderen Geschwistern Schutz zu suchen. „Du bist ein elender blauer Polarfuchs, der in unserer Familie nichts verloren hat. Ein Blauwurm.” Es waren die ersten Worte eines anderen, die der winzige blaue Fuchs in seinem Leben hörte. Und so tief er seinen Kopf auch im weichen Fell seiner Geschwister vergrub, vor der Boshaftigkeit dieser Stimme konnte er sich nicht verstecken. „Blauwürmer müssen weg. Blauwürmer bekommen keinen richtigen Namen geschenkt. Dafür werde ich sorgen, solange ich dein großer Bruder Fedor bin.” Da verstand der blaue Fuchs, dass er anders war. Oder schlimmer noch: dass er falsch war. Und er begriff, dass der Hass seines älteren Bruders sich nur gegen ihn richtete, nicht aber gegen die anderen flauschigen Bündel, die vor zwei Wochen in der Höhle geboren worden waren. Und er verstand, dass er kämpfen musste, wenn er überleben wollte. Blauwurm schreckte hoch. Für einen Moment glaubte er, den süßlichen Duft der Wurfhöhle zu vernehmen und Fedors beißenden Atem in seinem Nacken zu spüren. Dann wurde ihm schlagartig bewusst, was passiert war. „Nur ein Traum.” Blauwurm stieß ein leises Seufzen aus. „Ich habe nur geträumt, was damals passiert ist.” Er war nicht mehr in der Höhle, nicht länger bei seiner Familie. Er war allein, weit draußen auf dem Packeis, das ihn mit seinem lauten Knacken zu sich gerufen hatte. Trotzdem ließen ihn die Erinnerungen an seine Familie und an all die Dinge, die passiert waren und von denen eins schlimmer als das andere gewesen war, nicht los. Wie viele Tage war er jetzt schon unterwegs? Blauwurm wusste es nicht, aber die Müdigkeit in seinen Beinen sagte ihm, dass es vermutlich schon zu lange war. Ob die anderen an ihn dachten? Vermutlich nicht. Sie waren bestimmt froh gewesen, als er von seinem Streifzug nicht zurückgekehrt war. Fedor. Der Name brannte auf der Zunge, deswegen sprach Blauwurm ihn niemals aus. Fedor, der Ältere. Fedor, der dachte, er sei etwas Besseres, nur weil sein Fell im Winter schneeweiß wurde. Den Mama und Papa damit beauftragt hatten, den neugeborenen Welpen Namen zu geben. Natürlich nur dann, wenn sie sich dessen würdig erwiesen. Nicht jeder Polarfuchs kann schließlich einen Namen verliehen bekommen. „Den müsst ihr euch schon verdienen”, hatte Fedor gesagt und dabei so laut gekeckert, dass Blauwurm die Ohren eng an seinen Kopf gelegt hatte. „Zeigt mir, wie stark ihr seid. Zeigt mir, wie geschickt ihr jagen könnt. Dann schenke ich euch eines Tages vielleicht einen Namen.” Er hatte die Welpen der Reihe nach angesehen, nur Blauwurm nicht. Natürlich nicht. Blauwurm war nicht einmal eines Blicks würdig, geschweige denn eines richtigen Namens. „Denkt immer daran”, war Fedor fortgefahren, „nur mit einem Namen dürft ihr hierbleiben. Nur mit einem Namen habt ihr die Chance, dass euch diese Höhle eines Tages selbst gehört und ihr sie mit euren eigenen Jungen bewohnen dürft. Ein so kostbares Erbe dürfen nur die Stärksten antreten.” Plötzlich war sein Blick zu Blauwurm geschwenkt. „Und vergesst nicht: Manche werden leer ausgehen und fortziehen müssen. Und das ist gut so. Es gibt nicht genug Platz für alle und auch der Tod muss etwas zu fressen bekommen, nicht wahr?” „Ja!”, hatten die Welpen voller Inbrunst im Chor gerufen. „Der Tod muss fressen, aber uns bekommt er nicht.” Blauwurm aber war stumm geblieben. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Tod ihn holen würde. Ein blauer Fuchs in einer weißen Welt. Er würde keine Chance haben, das hatte Fedor ihm so oft gesagt, dass er selbst keinen Zweifel daran hatte. Spätestens bei Einbruch des Winters würde er sterben. Das hatte er wirklich geglaubt. „Ich lebe!”, rief Blauwurm in die Dunkelheit hinaus. Es war Winter. Tiefster Winter und er lief immer noch über das Packeis. Der Tod hatte ihn nicht geholt. Blauwurm war den Wölfen entkommen, obwohl er mit seinem dunklen Fell nicht annähernd so gut getarnt war wie seine Geschwister und seine Eltern. Er, der einzige blaue Fuchs, der seit Jahren in diese Familie von Weißfüchsen hineingeboren worden war, klammerte sich an sein Leben. Fedor hatte ihm keinen Namen geschenkt und er hatte keine Anstalten gemacht, seine Meinung darüber zu ändern. Ganz egal, ob er im Spiel seine Geschwister zu Boden gedrückt hatte, bis sie um Gnade gewinselt hatten, oder ob er schnell genug gewesen war, um eine Möwe am Hals zu packen. Es war sinnlos gewesen. Blauwurm war stets leer ausgegangen. Irgendwann hatte er also einen Entschluss gefasst. Müde war er geworden vom Warten und von all der Ablehnung, die ihm seine Familie entgegenbrachte. Sterben würde er sowieso. Ob es in der Nähe der Wurfhöhle oder weit, weit weg passierte, das spielte keine Rolle. Also hatte Blauwurm beschlossen, früher zu gehen als die anderen. Er wollte Fedor nicht die Genugtuung gönnen, Zeuge seines Todes zu werden. Wie weit er kommen würde, das konnte Blauwurm selbst kaum glauben. Aber hier war er nun. Hier draußen und so lebendig wie noch nie zuvor. Wenn nur der verdammte Hunger nicht wäre … Er nagte an ihm, so wie Blauwurm noch vor wenigen Wochen an den Knochen eines Lemmings genagt hatte. Dünner und dünner wurde die Speckschicht auf seinen Rippen und es war ein großes Glück, dass er ein so dichtes Fell hatte wie kein anderes Tier dieser Erde. Auf sein Fell war Verlass. Es hatte zwar die falsche Farbe, wie Fedor und die anderen ihm so unmissverständlich und hartnäckig erklärt hatten, aber es wärmte ihn zuverlässig. Und anders als seine Speckschicht, würde es erst dünner werden, wenn der Frühling anbrach. Da lagen sie. Ein paar braune Kugeln im Schnee. Eisbärenkacke. Blauwurm aber erschienen sie in diesem Moment wie die größte Kostbarkeit. Hastig schlang er den ersten Bissen hinunter. Wer mit dem Tod kämpft, darf nicht wählerisch sein. Und diese Mahlzeit hätte durchaus schlechter sein können. Blauwurm konnte das Robbenfett herausschmecken, von dem sich der Eisbär ernährt haben musste. Diese Kugeln waren also nichts weiter als verdautes Robbenfett, das durch einen riesigen Bären hindurchgewandert war, um jetzt einen winzigen Fuchs satt zu machen. Daran war nichts verwerflich, fand Blauwurm. Und weil es seit einigen Tagen nicht geschneit hatte, folgte er den Spuren. Riesige Bärentatzen hatten sie im Schnee hinterlassen. Blauwurm schnupperte daran und er ahnte, dass sie einem Weibchen gehörten. Ein älteres Weibchen, das sich nur langsam, aber beständig über das Eis fortbewegte. Blauwurm malte sich ihre Gestalt aus. Den großen Körper, den verhältnismäßig kleinen Kopf und die Zähne. Vielleicht hatte die Bärin irgendwo auf ihrem Weg Beute geschlagen und vielleicht … Ja vielleicht hatte sie ein Stückchen Fleisch übrig gelassen für all die armen Kreaturen, die selbst zu schwach waren, um an einen solchen Leckerbissen zu kommen. Blauwurm jagte den Spuren hinterher, bis er vor Erschöpfung nicht mehr konnte. Nur ein wenig ausruhen, sagte er sich, rollte...