Kienitz / Schaser | So ist die neue Frau? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 343 Seiten

Kienitz / Schaser So ist die neue Frau?

Hamburgerinnen in den 1920er Jahren
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-593-45722-2
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Hamburgerinnen in den 1920er Jahren

E-Book, Deutsch, 343 Seiten

ISBN: 978-3-593-45722-2
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Weimarer Verfassung von 1919 versprach den Frauen erstmals Gleichberechtigung und damit neue gesellschaftliche Handlungsspielräume. Doch wie wurden diese Konzepte von Teilhabe und rechtlicher Eigenständigkeit im politischen, gesellschaftlichen und beruflichen Alltag der Weimarer Republik konkret umgesetzt und gelebt? Welche praktischen Konsequenzen ergaben sich aus den postulierten Neuerungen für die Lebensführung von Frauen? Wurde das Versprechen auf Gleichberechtigung eingelöst? Am Beispiel von Hamburg - in den 1920er Jahren die zweitgrößte Stadt im Deutschen Reich und eine pulsierende Handels- und Kolonialmetropole mit reichem Kulturleben - übersetzen Sabine Kienitz und Angelika Schaser die große Geschichte der Weimarer Republik in kleine Geschichten. Ihre exemplarische Analyse von Einzelfällen gibt Einblicke in die Lebenssituation von Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Milieus und Altersgruppen, diversen städtischen Räumen und Lebenskontexten.

Sabine Kienitz ist Professorin für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Hamburg.
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Nicht mehr , sondern : Der Meldeschein als Ausweis weiblicher Emanzipation


In den aktuellen Diskussionen des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts geht es immer wieder um die Frage, auf welche Weise sprachliche Zuschreibungen die Wahrnehmung von Geschlecht und damit zugleich die Geschlechterordnung beeinflussen und inwieweit über die Verwendung von Sprache Wirklichkeit gezielt konstruiert wird. Im Folgenden werden theoretisch-sprachwissenschaftliche Aspekte dieser Gender-Debatte keine Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht vielmehr die praktisch-historische Frage, wie Sprache in den Alltag von Frauen in den 1920er Jahren eingriff und dabei politische Handlungsspielräume eröffnete oder begrenzte. Denn die Forderung, mit Begriffen, die möglicherweise als diskriminierend wahrgenommen werden, sensibler umzugehen bzw. ganz auf sie zu verzichten, ist keineswegs ein Gegenwartsphänomen, sondern bereits für das frühe 20. Jahrhundert nachweisbar. Während der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld die bestehende heterosexuelle Geschlechterordnung kritisierte, kämpften Frauen aller Altersgruppen und in allen sozialen Schichten ganz grundsätzlich um die der Frau im Sinne einer . Damit war der Juristin Elsa Herrmann zufolge vor allem die Vollwertigkeit des weiblichen Geschlechts im Vergleich mit dem männlichen Geschlecht gemeint.21 Darüber hinaus ging es ihr aber auch um die Vollwertigkeit der ledigen gegenüber der verheirateten Frau: .22

In diesem Zusammenhang beschäftigte Elsa Herrmann die Frage, wie stark bestimmte Begriffe und sprachliche Wendungen die Wirklichkeit beeinflussten und aktiv zur Diskriminierung von Frauen im Berufsleben beitrugen. Ihrer Ansicht nach war die Anrede der Frau. Vor diesem Hintergrund kritisierte sie vor allem die Bezeichnung für erwachsene Frauen. Diese Anrede sei , denn das , und deshalb beeinflusse diese Bezeichnung jegliche negativ:

Indem Männer gedankenlos und unsensibel eine Frau als Fräulein bezeichneten, würden sie zum Ausdruck bringen, dass . Dabei habe aber .

Es müsse daher eine der zentralen Forderungen der Zeit sein, gegen die Bezeichnung als gängige anzukämpfen, vor allem, da sie werde. Und in einer Fußnote kommentierte Herrmann: In Berlin, wo Elsa Herrmann lebte und arbeitete, wurden diese Fragen intensiv diskutiert. Wie sah es diesbezüglich in Hamburg aus, wo verliefen die Konfliktlinien, wer war federführend bei diesen Entscheidungen, und vor allem: Welche Argumente führten die betroffenen Frauen selbst an?

Der Erste Weltkrieg und die Folgen: und ihre Anrede als Frau


Für die Juristin Elsa Herrmann war die Frage der diskriminierenden Anrede der Frau als ein zentraler Bestandteil der politischen Debatten der späten 1920er Jahre über die Gleichberechtigung und gesellschaftliche Anerkennung der Frau. Im Alltag war das Problem allerdings schon einige Jahre zuvor virulent geworden, was sich anhand der Hamburger Akten zeigen lässt. Der Krieg und die Kriegsfolgen hatten Bewegung in die Debatte über die Anrede Fräulein/Frau gebracht, und der Bedarf, über einen anderen Umgang mit der Anrede von ledigen Frauen jeden Alters nachzudenken, ließ sich angesichts der vielen Millionen männlicher Kriegstoter nicht mehr verdrängen. Viele heiratswillige Frauen, jüngere und ältere, trauerten über den Verlust ihres Verlobten, der nicht nur ihr potenzieller Heiratspartner, sondern häufig schon der Vater ihrer gemeinsamen, unehelich gezeugten Kinder war: Voreheliche Sexualität war gerade in den unteren sozialen Schichten weit verbreitet und schien dort als Teil der praktischen Formen der Eheanbahnung nach wie vor gesellschaftlich akzeptiert gewesen zu sein. Die Einträge in den Geburtsregistern belegen, dass sich die Männer in diesen Beziehungen zu ihrer Vaterschaft bekannten, oft schon zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Und so ist davon auszugehen, dass viele dieser Paare planten, noch während oder nach Ende des Krieges ihre Beziehung und die Elternschaft durch eine Heirat zu legitimieren. Doch in vielen Fällen vereitelte der Krieg diesen Plan, und ohne den Kindsvater sahen sich Frauen nun ungewollt mit der Situation einer andauernden unehelichen Mutterschaft konfrontiert.

Noch während des Krieges versuchten staatliche Stellen das Problem zu lösen. Wie in anderen deutschen Ländern, hatte der Hamburger Senat in Absprache mit den Reichsbehörden entschieden, sogenannten jenen Frauen also, deren zukünftiger Lebenspartner im Zuge von Kriegshandlungen oder aufgrund von kriegsbedingten Verletzungen und Krankheiten verstorben war, auf entsprechenden schriftlichen Antrag hin eine Namens- und zugleich eine Personenstandsänderung zu bewilligen.23 Das heißt, ohne den behördlich attestierten Akt einer Verehelichung konnten diese Frauen und – falls zu dem Zeitpunkt vorhanden – ihre Kinder auf diesem Weg die formale Berechtigung bekommen, zukünftig den Familiennamen des Verstorbenen zu tragen und sich in Verbindung mit diesem Namen als zu bezeichnen. Dabei galt die Namensänderung als solche allerdings als Ersatz für den rechtlichen Akt der Trauung. Weder die Frau noch die Kinder aus dieser Beziehung waren erbberechtigt noch erwarben sie damit ein Anrecht auf Witwen- bzw. Waisenrente.

Die ersten Anträge auf die behördliche Erlaubnis, den Familiennamen des verstorbenen Verlobten oder Kindsvaters annehmen zu dürfen, sind für Mai 1917 in den Senatsakten dokumentiert.24 Bis Anfang der 1920er Jahre bearbeitete die Behörde mindestens 41 Gesuche dieser Art. Die Anträge und Begründungen der Frauen selbst sind bis auf zwei Fälle in diesen Akten nicht überliefert. Es liegen nur die positiven, handschriftlich verfassten Bescheide der Behörde vor, deren Inhalt standardisiert war und die wie ein Formular funktionierten. Der Bescheid dokumentierte kurz und knapp auf einer Seite die notwendigen Informationen zu den Namen und Geburtsdaten der und ihrer Kinder sowie ihren Status als Hamburgische . Diese Angaben wurden ergänzt durch den neuen Namen und die Auflage, sich künftig nennen zu . Am Ende war vermerkt, wie mit den geänderten Daten umzugehen war. Diese sollten immer an die Auskunftsbehörde für die Standesämter weitergeleitet werden, welche dann den neuen Familiennamen anstelle des ursprünglichen Herkunftsnamens der Frau in das Geburtsregister übernahmen. Nicht in allen Fällen gingen die Daten zusätzlich an das Amt für öffentliche Jugendfürsorge, das die gesetzliche Amtsvormundschaft für unehelich geborene Kinder innehatte. Wenn die Vaterschaft bereits geburtsurkundlich anerkannt und...



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