E-Book, Deutsch, Band 96, 96 Seiten, Format (B × H): 110 mm x 190 mm
Reihe: Ignatianische Impulse
Kiechle Sieben Todsünden
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-429-06604-8
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 96, 96 Seiten, Format (B × H): 110 mm x 190 mm
Reihe: Ignatianische Impulse
ISBN: 978-3-429-06604-8
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ist „Sünde“ als Thema völlig out? In Zeiten globaler Krisen wird das Walten des Bösen nochmals offensichtlicher, und die Sünde ist allgegenwärtig. Die alte Tradition der „sieben Todsünden“ greift zentrale Momente des Bösen im Herzen der Menschen auf. In den ignatianischen Exerzitien reflektiert man persönlich über Sünde und Schuld und erfährt Umkehr, Heilung und die Barmherzigkeit Gottes. Das Buch hilft zur Wahrnehmung der Sünde im persönlichen und im gesellschaftlichen Bereich. Es regt an, offen mit sich und mit anderen umzugehen und dem Gott der Liebe näherzukommen.
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Weitere Infos & Material
2. Sünde bei Ignatius von Loyola
Wer das Exerzitienbuch aufschlägt, nimmt gleich wahr, dass Ignatius2, nach einigen Vorbemerkungen und einem kurzen Einleitungstext, in der »ersten Woche« fast nur von Sünde spricht. Tagelang soll die Exerzitantin3 in mehrfach wiederholten Übungen die Sünde der Welt und die Sünden ihres Lebens anschauen und sie bereuen. Ganz selbstverständlich spricht Ignatius von Sünde und gibt nie eine Definition oder Erklärung darüber – offensichtlich weiß zu seiner Zeit die Leserschaft, was gemeint ist. Erscheint uns das nicht als zu dick aufgetragen? Wirkt Ignatius da nicht etwas fixiert, hoffnungslos einseitig? Bei heutigen Exerzitienkursen wird man so sicherlich nicht einsteigen. Sehen wir zuerst kurz, wie das Thema in der Lebensgeschichte des Ignatius aufscheint. »Bis zum Alter von 26 Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch (dado a las vanidades del mundo) …, mit einem großen und eitlen Verlangen, Ehre zu gewinnen (con un grande y vano deseo de ganar honra)« (BP 1)4 – so beschrieb Ignatius seine Jugend im Rückblick. Wichtige Motive dessen, was er später unter Sünde verstand, sind angedeutet: die Leere/Eitelkeit der Welt und das ebenso leere/eitle Verlangen nach Ehre oder Ruhm. Nach seiner inneren Umkehr in Loyola legte Ignatius auf dem Montserrat eine Lebensbeichte ab, in der er versuchte, all seine Jugendsünden zu überwinden – was aber so schnell kaum gelingen kann. In der darauffolgenden Wüstenzeit in Manresa quälte er sich lange mit seiner Sündenlast ab und verstrickte sich in Skrupeln – das sind Sündenängste wegen eingebildeter, nicht wirklicher Sünden. Kein extremes Fasten, kein täglich siebenstündiges Beten auf den Knien, kein ständig wiederholtes Beichten halfen ihm aus seinen Skrupeln und Suizidphantasien heraus. Erst nach Monaten entdeckte er wie durch ein Wunder, dass »Gott unser Herr ihn um seiner Barmherzigkeit willen« schon befreit hatte (BP 25), und er war aus seiner Qual befreit. Dennoch blieb in seiner persönlichen Spiritualität das Thema Sünde sein ganzes Leben lang wichtig: Er erforschte häufig sein Gewissen, bat immer wieder um Vergebung, wollte sein Verhalten ändern, und in den Exerzitien gab er der Thematik großen Raum. Ignatius blieb eine Person, so wird er heute gedeutet, mit deutlich zwanghaften und narzisstischen Anteilen – allerdings muss man mit diesen psychologischen Urteilen zurückhaltend sein; der Abstand der Jahrhunderte und der ganz anderen Kultur ist zu groß. In Ignatius’ Jugend war diese Kultur wohl klar »sündhaft«: materialistisch und ehrgeizig, machohaft und sexuell übergriffig, auch gewalttätig. Später erlebte er seine Sünde subtiler, vergeistigter – er empfand sie immer stark. In der spirituellen Kultur der Zeit5 war das Bewusstsein der Sünde allgegenwärtig. Sünde besteht für Ignatius dann, wenn der für Gutes geschaffene Mensch seinen »ungeordneten Anhänglichkeiten« nachgibt (EB 1)6 und damit aus egoistischen Motiven Unordnung, Böses, Schaden schafft. Er nutzt die ihm anvertrauten Mittel nicht für gute Ziele, sondern für solche, die ihn von seinem Ziel, Gott zu dienen und ihn zu ehren, wegführen (EB 23). In der »ersten Woche«7 betrachtet der Exerzitant die Sünden der Welt und der Menschen und schließlich seine persönlichen Sünden. Er bittet um Scham und Verwirrung, um Schmerzen und Tränen wegen seiner Sünden. In tiefer Reue bittet er um Erbarmen und Vergebung. Er führt ein »Gespräch« – persönliches Gebet – mit Christus, der am Kreuz hängt und für seine Sünden stirbt (EB 53f.); von dort her kommen für ihn Vergebung und Erlösung. In einer Lebensbeichte lässt er sich auch sakramental diese Vergebung zusprechen. Am Ende der »ersten Woche« sieht er sich gleichsam als geliebten Sünder: Ein Leben lang ist er und bleibt er Sünder, aber zugleich ist er in Gottes erbarmender Liebe so umfassend geborgen, dass die Sünde nicht mehr zählt und nicht mehr wirkt. In der »zweiten Woche« der Exerzitien betrachtet die Exerzitantin in der Übung von den zwei Bannern (136ff.), wie Luzifer, der »Anführer der Feinde«, die Menschen zur Sünde verführt. Er geht in drei Stufen vor: zuerst mit der Begierde nach Reichtum, dann mit der nach »eitler Ehre der Welt«, dann mit der nach »gesteigertem Hochmut« (142). Ehre ist das Ansehen bei den Menschen, Hochmut mehr eine geistliche Untugend: sich von Gott besonders erwählt und begnadet und daher den Dingen der Welt enthoben zu wissen. Dagegen angehend, will die Exerzitantin bei Christus sein und ihm dienen: Er bewegt sie in einem parallelen Dreischritt zur Tugend der Armut, zum Ertragen von Schmähungen und zur Demut (146). In der »dritten Woche« schaut der Exerzitant nochmals auf den Gekreuzigten und seinen Leidensweg. Christus nimmt wegen seiner Sünden das Kreuz auf sich (EB 193) und befreit ihn durch seine Lebenshingabe von aller Schuld. Schon in der »ersten Woche« zeigte sich Gott im Gekreuzigten solidarisch mit ihm als Täter seiner Sünden, hier in der »dritten Woche« zeigt er sich darüber hinaus auch solidarisch mit ihm als Opfer der Sünden anderer. So erfährt er Vergebung seiner Schuld und Heilung seiner Wunden. Befreit kann er seinen Lebensweg mit Christus und in dessen Dienst gehen. Bei den Regeln der »Unterscheidung der Geister« schreibt Ignatius über die Sünden: Wer »von Todsünde zu Todsünde« geht, sich also in eine Spirale des Bösen verstrickt hat, wird das Wirken der beiden Geister so erleben: Der böse arbeitet über die Sinnlichkeit, d.h., er verführt die Exerzitantin mit sinnlichen Phantasien und Vergnügen, um sie »in ihren Lastern zu erhalten und zu mehren«; der gute arbeitet über ihre Vernunft, mit Gewissensbissen und Einsichten über die Schlechtigkeit ihres Tuns (EB 314), um sie von ihren Lastern abzubringen. Offensichtlich sind doch die Sinne das Eingangstor der Sünde, hier sind wir Menschen gefährdet und schwach. Über die Sinne geht der böse Geist später voran zu den mehr geistigen Sünden, zur Ehrsucht und zum Hochmut. Folgerichtig gehen die Geister bei Menschen, »die dabei sind, sich von ihren Sünden zu reinigen«, die also umgekehrt sich in einer Spirale der Umkehr und der Neuausrichtung bewegen, ebenfalls umgekehrt vor: Der böse Geist versucht, die Exerzitantin über – natürlich falsche – Gewissenseinsprüche und Rationalisierungen zu seinen Zielen zu bringen, der gute hingegen will mit »Mut und Kräften, Tröstungen, Tränen, Eingebungen und Ruhe« – also mit eher emotional-sinnlichen Erfahrungen – die Exerzitantin auf ihrem guten Weg stärken und leiten (EB 315, 329, 335). Und noch ein wichtiger Hinweis: Wer über seine Sünden Schmerzen empfindet und Tränen vergießt, ist nicht trostlos, sondern er erhält in dieser Erfahrung göttlichen Trost – weil er dabei ist, sich von Sünden zu reinigen, und weil in allem Schmerz dieser innere Prozess von Gott gewirkt ist: tröstend und heilsam, befreiend und rettend (EB 316). Was versteht Ignatius unter »Sünde«? Wie gesagt, eine Definition oder klare Umschreibung gibt er nicht. Nach Ignatius erfährt man durchaus im Vollzug des geistlichen Weges, was die Sünde bedeutet, eher emotional, eher nonverbal, eher dann, wenn man schon dabei ist, sich von ihr abzukehren. »Sünde« hat für ihn zuerst mit Gott und mit Kommunikation/Mitteilung zu tun – diese ist für Ignatius Liebe (EB 231). In diesem Sinn meint »Sünde« für ihn »ein Hindernis oder ein Zurückweisen der Kommunikation, der persönlichen Beziehung mit Gott«8, also der Liebe. Sünde ist für Ignatius in ihrer Wurzel Undank: »dass unter allen vorstellbaren Übeln und Sünden die Undankbarkeit eines der vor unserem Schöpfer und Herrn und vor den Geschöpfen … am meisten zu verabscheuenden Dinge ist, weil sie Nichtanerkennung der empfangenen Güter, Gnaden und Gaben ist, Ursache, Ursprung und Beginn aller Sünden und aller Übel«9. Im Dank anerkennen wir die materiellen und die geistigen Güter, die wir bekommen haben, als von Gott empfangene; zugleich vermeiden wir, unser Herz an sie zu hängen und sie ungeordnet zu begehren – Wurzel und Beginn aller Sünde. Die sieben Todsünden kommen ausdrücklich in den Exerzitien nur wenig vor – Exerzitanten jener Zeit wussten sie vermutlich auswendig. In der »ersten Weise des Gebets« (EB 238ff., vgl. 18) werden sie wie eine Liste erwähnt, die der Exerzitant meditativ durchbetet und mit deren Hilfe er sein Gewissen erforscht. Parallel dazu soll er die »sieben Tugenden« ansehen, um mit deren Hilfe sich von den Sünden abzukehren (245). Dieses Buch verfolgt ein ähnliches Ziel: Die sieben Todsünden zu betrachten,...