Kidd | Die Erfindung der Flügel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

Kidd Die Erfindung der Flügel

Roman

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

ISBN: 978-3-641-15149-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei Frauen, die die Welt verändern
Die elfjährige Sarah, wohlbehütete Tochter reicher Gutsbesitzer, erhält in Charleston ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk - die zehnjährige Hetty »Handful«, die ihr als Dienstmädchen zur Seite stehen soll. Dass Sarah dem schwarzen Mädchen allerdings das Lesen beibringt, hatten ihre Eltern nicht erwartet. Und dass sowohl Sarah als auch Hetty sich befreien wollen aus den Zwängen ihrer Zeit, natürlich auch nicht. Doch Sarah ahnt: Auf sie wartet eine besondere Aufgabe im Leben. Obwohl sie eine Frau ist. Handful ihrerseits sehnt sich nach einem Stück Freiheit. Denn sie weiß aus den märchenhaften Geschichten ihrer Mutter: Einst haben alle Menschen Flügel gehabt ...

Sue Monk Kidds Debütroman »Die Bienenhüterin« avancierte vom Geheimtipp zum Bestseller. Der Roman wurde allein in den USA über sechs Millionen Mal verkauft, er wurde in sechsunddreißig Sprachen übersetzt. Millionen LeserInnen haben ihre berührenden Geschichten wie »Die Meerfrau« oder »Die Erfindung der Flügel« verschlungen. »Das Buch Ana« ist Sue Monk Kidds vierter Roman, der in den USA sofort auf der Bestsellerliste stand und von der Presse begeistert aufgenommen wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in South Carolina.
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Hetty Handful Grimké Es war einmal eine Zeit, da konnten die Menschen in Afrika fliegen. Das hat Mauma mir eines Abends erzählt. Damals war ich zehn. »Handful«, hat sie gesagt, »deine Omama hat es noch selbst gesehen. Sie sagt, über Bäume und Wolken sind sie geflogen. Sie sagt, wie Schwarzdrosseln sind sie geflogen. Dann hat man sie hergebracht, und da war der Zauber vorbei.« Meine Mauma war klug. Auch wenn sie nicht, so wie ich, lesen und schreiben konnte. Alles, was sie wusste, hatte sie ein Leben im Schatten der Gnade gelehrt. Sie hatte mir ins Gesicht geschaut, in dieses Meer aus Not und Zweifel. »Du glaubst mir nich? Mädchen, wo kommen deine Schulterblätter her?« Die dürren Knochen. Sie hatten wie Grate aus meinem Rücken geragt. Mauma hatte sie sanft getätschelt. »Mehr is nich mehr da von deinen Flügeln, nur zwei platte Knochen. Aber eines Tages kommen sie wieder.« Ich war genauso klug wie meine Mauma. Selbst mit zehn war mir klar, Menschen, die fliegen konnten, das war Blödsinn. Wir waren doch keine besonderen Menschen, die ihre Zauberkräfte verloren hatten. Wir waren Sklaven, für uns ging es nirgendshin. Erst später habe ich verstanden, was sie mir sagen wollte. Wir konnten wirklich fliegen, aber das hatte nichts mit einem Zauber zu tun. An dem Tag, an dem ich mein Leben in der Welt verloren glaubte, kochte ich im Wirtschaftshof das Bettzeug von uns Sklaven. Ich schürte das Feuer unterm Waschtrog. Der Wind wehte mir die Laugenseife ins Gesicht, und meine Augen brannten. Der Morgen war kalt – die Sonne wie ein kleiner weißer Knopf fest an den Himmel geheftet. Im Sommer trugen wir nicht mehr als schlichte Baumwollkleider über der Unterhose, aber wenn ab November oder Januar der Winter wie ein müßiges Mädchen in Charleston einzog, stiegen wir in unsere Säcke – derbe Mäntel aus schwerem Garn. Es waren wirklich alte Säcke mit Ärmeln. Meiner war ein Erbstück und reichte mir bis an die Knöchel. Keine Ahnung, wie viele ungewaschene Leiber ihn vor mir getragen hatten, aber netterweise hatten sie mir alle ihren Duft hinterlassen. Schon am Morgen hatte ich den Stock von der Missus im Rücken gespürt. Ich war eingeschlafen, beim Beten. Jeden Tag wurden wir Sklaven, bis auf Rosetta, die alt und verwirrt war, noch vor dem Frühstück ins Speisezimmer gepfercht, und während wir versuchten, den Schlaf abzuschütteln, brachte uns die Missus knappe Bibelverse bei, so was wie »Jesus weinte«, oder sie sprach ein Gebet zu Gottes Lieblingsthema Gehorsam. Wer eindämmerte, bekam Schläge, auch wenn Gott im gleichen Moment noch dieses oder jenes zu sagen hatte. Bei Aunt-Sister aber riskierte ich nach dieser grässlichen Veranstaltung immer eine dicke Lippe. »Lass diesen Kelch an mir vorübergehen«, plapperte ich die Bibelstelle nach. Oder ich spottete: »Jesus weinte, weil er auch bei der Missus festsitzt, so wie wir.« Aunt-Sister war die Köchin – sie war zur Missus gekommen, da war die Missus noch ein Mädchen gewesen –, und gemeinsam mit Tomfry, dem Butler, schmiss sie den Laden. Sie war die Einzige, die nicht der Stock traf, wenn sie der Missus etwas freiheraus sagte. Von Mauma hörte ich ständig, pass auf, was du sagst, aber das tat ich trotzdem nicht. Ich fing mir bestimmt dreimal am Tag von Aunt-Sister eine Backpfeife ein. Mit mir hatten sie wirklich alle Hände voll zu tun. Aber nicht darum wurde ich Handful genannt. Das war mein Rufname. Der Master und die Missus, die gaben einem Kind den offiziellen Namen, aber eine Mauma schaute ihr Baby in seinem Körbchen an, und dabei fiel ihr der Rufname ein. Er konnte damit zu tun haben, wie ihr Neugeborenes aussah, welcher Wochentag war, was das Wetter gerade machte oder einfach, wie ihr die Welt an jenem Tag erschien. Der Rufname meiner Mauma war Summer, ihr richtiger Name Charlotte. Sie hatte einen Bruder, dessen Rufname war Hardtime. Alle denken immer, ich hätte mir das ausgedacht, dabei stimmt das, ehrlich. Mit dem Rufnamen hatte man wenigstens etwas von seiner Mauma. Master Grimké hatte mich Hetty genannt, aber Mauma hatte für mich, nachdem sie mich geboren hatte – weil ich zu früh auf die Welt gekommen war –, Handful ausgesucht. An dem Tag, als ich Aunt-Sister im Hof helfen musste, arbeitete Mauma im Haus an einem Kleid für die Missus, einem sogenannten Watteaukleid aus goldenem Satin, mit einer Tournüre im Rücken. Mauma war die beste Näherin in ganz Charleston und arbeitete sich an der Nadel die Finger krumm. Einen Putz, wie meine Mauma ihn zaubern konnte, gab es kein zweites Mal, und sie benutzte dafür nicht einmal Schablonen, denn sie hasste Vorlagen und Schnittmuster. Sie wählte selbst auf dem Markt den Samt und die Seide aus, und daraus machte sie alles, was die Grimkés besaßen – Vorhänge, gesteppte Unterröcke, gebauschte Überröcke, Wildlederhosen, ja, selbst diese aufgetakelten Jockeytrachten für die Charlestoner Rennwoche. Und für die Rennwoche lebten die Weißen – das können Sie mir ruhig glauben. Dann jagte ein Picknick, eine Promenade, ein elegantes Ereignis das nächste. Die Party von Mrs King, wie immer am Dienstag. Am Mittwoch das Dinner im Jockey-Club. Und die ganz große Schau war am Samstag, beim St.-Cecilia-Ball, dort stolzierten alle in ihren schönsten Kleidern herum. Aunt-Sister sagte immer, Charleston würde an der Prunksucht leiden. Bis ich acht oder so wurde, hielt ich die Prunksucht für eine Art Dünnschiss. Die Missus war eine kleine Frau mit kräftiger Taille und Hefebällchen unter den Augen. Sie weigerte sich, Mauma an die anderen Damen auszuleihen. Natürlich flehten sie die Missus an, und Mauma flehte die Missus ebenfalls an, denn von dem Lohn für diese Arbeit hätte sie einen Teil behalten können – aber die Missus sagte, auf keinen Fall lasse ich zu, dass du für die anderen etwas Besseres machst. Abends riss Mauma immer Stoffstreifen für ihre Quilts. Ich hielt dabei mit der einen Hand das Talglicht und legte mit der anderen die Streifen zu Haufen, nach Strich und Faden, farblich sortiert. Mauma mochte helle Töne und stellte Farben zusammen, auf die niemand sonst gekommen wäre – Violett und Orange, Rosa und Rot. Von allen Formen mochte sie das Dreieck am liebsten. Aber schwarz musste es sein. Es gab kaum einen Quilt ohne ihre schwarzen Dreiecke. Wir besaßen eine hölzerne Dose für die Stoffreste, ein Beutelchen für Nadeln und Fäden und einen Fingerhut aus echtem Messing. Mauma sagte immer, eines Tages würde der Fingerhut mir gehören. Wenn sie ihn nicht brauchte, setzte ich ihn mir auf die Fingerkuppe, als wäre es ein Schmuckstück. Unsere Quilts füllten wir mit Rohbaumwolle und Webresten. Das beste Füllmaterial waren Federn, bis heute, und Mauma und ich gingen nie achtlos vorüber, wenn eine Feder auf dem Boden lag. An manchen Tagen kam Mauma mit einer Tasche voll Gänsefedern an, die zupfte sie im Herrenhaus aus Löchern in den Matratzen. Wenn wir ganz dringend einen Quilt füllen mussten, streiften wir Louisianamoos von der Eiche im Hof und nähten Futter und Oberseite drum herum. Auch um die Krabbeltiere. Das war das Höchste für Mauma und mich, unsere gemeinsame Zeit mit den Quilts. Egal, was Aunt-Sister mir im Hof zu tun gab, immer sah ich nach oben, zu dem Fenster, hinter dem Mauma nähte. Wir hatten ein Signal. Wenn ich den Eimer kopfüber vors Küchenhaus stellte, war die Luft rein. Dann öffnete Mauma das Fenster und warf mir ein Karamellbonbon zu, das sie aus dem Zimmer der Missus gestohlen hatte. Manchmal kam ein Bündel aus Stofffetzen herunter – hübscher Kattun, Gingan, Musselin und importiertes Leinen. Einmal der Fingerhut aus echtem Messing. Am liebsten aber nahm sie scharlachrotes Garn. Sie wickelte es in die Tasche von ihrem Kleid und marschierte einfach damit aus dem Haus. An dem Tag aber war auf dem Hof sehr viel los, und darum hatte ich auch keine Hoffnung, dass aus dem blauen Himmel ein Bonbon fallen würde. Mariah, die Wäschesklavin, konnte nichts tun, sie hatte sich die Hand an der Holzkohle aus dem Bügeleisen verbrannt. Aunt-Sister war außer sich, so groß war der Wäschestapel. Tomfry hatte die Männer gerufen, weil er ein Schwein schlachten wollte, und das rannte laut kreischend über den Hof. Alle waren sie draußen, vom alten Snow, dem Kutscher, bis hin zu Prince, dem Stallburschen. Tomfry wollte die Sache schnell erledigen, denn die Missus hasste es, wenn auf dem Hof so ein Aufruhr war. Lärm stand nämlich auch auf ihrer Liste von Sklavensünden, und die kannten wir alle auswendig. Ganz oben: Diebstahl. Danach: Ungehorsam. Auf Platz drei: Faulheit. Auf vier: Lärm. Ein Sklave sollte wie der Heilige Geist sein – man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht, aber er schwebt immer eifrig um einen herum. Und schon rief die Missus nach...


Kidd, Sue Monk
Sue Monk Kidds Debütroman »Die Bienenhüterin« avancierte vom Geheimtipp zum Bestseller. Der Roman wurde allein in den USA über sechs Millionen Mal verkauft, er wurde in sechsunddreißig Sprachen übersetzt. Millionen LeserInnen haben ihre berührenden Geschichten wie »Die Meerfrau« oder »Die Erfindung der Flügel« verschlungen. »Das Buch Ana« ist Sue Monk Kidds vierter Roman, der in den USA sofort auf der Bestsellerliste stand und von der Presse begeistert aufgenommen wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in South Carolina.


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