Kharitidi | Samarkand | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Kharitidi Samarkand

Eine Reise in die Tiefen der Seele
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8437-0790-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Reise in die Tiefen der Seele

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0790-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als die russische Psychiaterin Olga Kharitidi eines Tages in einem alten Holzhaus vor den Toren von Nowosibirsk den geheimnisvollen usbekischen  Heiler Michael kennenlernt, ahnt sie noch nicht, dass diese Begegnung ihr Leben und ihre Heilmethoden für Traumata und Verletzungen der Seele dramatisch verändern wird. Sie folgt seiner Einladung ins exotische Samarkand und erkundet mit seiner Hilfe die dortigen jahrtausendealten mystischen Geheimnisse über den Umgang mit tiefen emotionalen Wunden. In Michael findet sie einen geistigen Führer in eine andere, faszinierende Welt und lernt durch ihn, wie es möglich ist, tiefe Traumata zu überwinden. Samarkand führt uns nicht nur in das Herz einer sagenumwobenen asiatischen Landschaft, sondern ist mit seinem faszinierend neuen Ansatz zur inneren Heilung zugleich ein bedeutender Beitrag zur experimentellen Psychologie.

Olga Kharitidi wurde in Sibirien geboren. Sie studierte Medizin in Nowosibirsk und arbeitete dann als Psychiaterin. Auf ausgedehnten Studienreisen erforschte sie die alten Heilungsmethoden Sibiriens und Zentralasiens und konnte so eine neue Methode zur Heilung psychischer Traumata entwickeln. Heute ist sie praktizierende Psychiaterin in den USA, hält weltweit Workshops und Vorträge zum Thema »Trauma- Umwandlung« und lebt in Minneapolis, Minnesota. Ihr Buch 'Das weiße Land der Seele' wurde ein Bestseller.
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Kapitel zwei


Wie üblich nach dem Nachtdienst, nach zu wenig Schlaf, der mehr Erschöpfung als Erholung nach sich zog, schien mein Arbeitstag überhaupt kein Ende zu nehmen.

Aber schließlich waren die langen Stunden vorüber. Während ich meinen Mantel aus dem Spind nahm, ging ich noch einmal in Gedanken alle Anordnungen durch, die ich für meine Patienten getroffen hatte. Ich vergewisserte mich, dass alles getan war und ich nichts vergessen hatte.

Ich nahm meine Tasche und war im Begriff zu gehen, als die Tür aufgerissen wurde und eine junge Frau hereinkam. Fast drängte sie mich zurück in mein Zimmer. Sie lächelte selbstbewusst, als zweifelte sie nicht im Geringsten daran, dass ich mich freuen würde, sie zu sehen. Ich konnte mich nicht an sie erinnern. Sie kam mir bekannt vor und begrüßte mich wie eine alte Freundin. Es war mir ziemlich peinlich, mich nicht entsinnen zu können, wo ich sie schon einmal gesehen hatte.

»Hallo! Ich bin Mascha«, sagte sie mit einer tiefen, melodischen Stimme. Sie sah aus, als würde sie gleich lachen, so sehr amüsierte sie meine Verwirrung.

»Ich bin Mascha«, wiederholte sie, wobei sie ihren Namen betonte, als müsste er etwas Besonderes für mich bedeuten.

»Sie erinnern sich doch an mich, oder? Sie sind Olga, stimmt’s? Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.«

Die Tatsache, dass sie nicht sicher wusste, wer ich war, und etwas an ihrem letzten Satz machten mich stutzig, und plötzlich fiel es mir wieder ein: ihr rosiges Gesicht, ihre Gestalt, die engen Jeans, ihre unglaubliche Präsenz – mit einem Mal sah ich das Bild wieder vor mir, und ich wusste, wer sie war. Ich war so verblüfft und erfreut, sie in meinem Sprechzimmer zu sehen, dass ich meine Tasche fallen ließ. Ohne meinen Mantel abzulegen, machte ich es mir auf meinem Lieblingsstuhl bequem und sagte: »Ich freue mich sehr, Sie offiziell kennen zu lernen, Mascha. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Was kann ich für Sie tun?«

Sie setzte sich mir gegenüber, nahm eine Zigarette aus ihrer Handtasche und schaute sich nach einem Aschenbecher um. Sie benahm sich so selbstverständlich, dass ich ihr einfach nur wortlos zusah und mir Einzelheiten unserer ersten Begegnung in Erinnerung rief.

Eines Abends hatte bei mir zu Hause das Telefon geklingelt. Es war schon spät, sodass ich glaubte, es handle sich um einen Notruf. Ohne Einleitung und ohne sich für den späten Anruf zu entschuldigen, sagte eine tiefe, heisere Männerstimme: »Ich möchte mit Olga sprechen. Sind Sie das?«

»Ja. Wer möchte mich sprechen?« Ich überlegte, wer der Mann sein könnte, der mich spätabends so unfreundlich anredete, doch die Stimme war mir gänzlich unbekannt.

Er fuhr in demselben barschen, herablassenden Ton fort, als hätte er meine Frage gar nicht gehört.

»Man hat mir gesagt, Sie seien eine sehr interessante Frau, die interessante Dinge tut. Stimmt das?«

»Das kommt darauf an, welche Dinge Sie für interessant halten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir da vielleicht einen unterschiedlichen Geschmack haben.«

»Oh, tut mir Leid. Ich habe mich gar nicht dafür entschuldigt, dass ich Sie so spät noch störe, und ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist Smirnow. Ihre Telefonnummer habe ich von einem Ihrer Kollegen.« Er nannte mir den Namen eines Arztes, der mit mir zusammen im Krankenhaus arbeitete. Im Stillen verfluchte ich den, der meine Telefonnummer ohne meine Erlaubnis an einen Fremden weitergegeben hatte.

»Was kann ich für Sie tun, Herr Smirnow? Wenn ich überhaupt irgendetwas für Sie tun kann!« Ich hatte nicht vor, auf seine unerwartete Höflichkeit hereinzufallen. Seine barscher Tonfall klang immer noch in meinen Ohren nach und irritierte mich zutiefst.

»Wir betreiben psychologische Forschung in der Stadt. Ich dachte, es würde Sie vielleicht interessieren, unserem Laboratorium einen Besuch abzustatten. Wir leben in derselben Stadt wie Sie, und ich finde, alle fähigen Leute sollten einander kennen und miteinander Kontakt aufnehmen.«

Seine Schmeichelei trug nicht dazu bei, mich zu beruhigen, im Gegenteil, sie verstärkte meine Irritation.

Das ist einer, der glaubt, seine Intelligenz gibt ihm das Recht, alles zu manipulieren, dachte ich. »Da irren Sie sich, Herr Smirnow.« In meinem Kopf lief ein stummes Gespräch mit ihm ab.

Er redete unbeirrt weiter. Er erzählte mir von seinem Labor und von den Forschungsprojekten, an denen seine Leute dort arbeiteten. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, während ich krampfhaft überlegte, was ich mit diesem seltsamen Menschen anfangen sollte. Der Mann hatte irgendetwas, das mich davon abhielt, ihn einfach als einen machtlüsternen Manipulator abzutun. Er klang nicht wie diese Typen, die die staatlichen Institute bevölkerten, die versuchten, die Tiefen der menschlichen Psyche zu ergründen, um ihren ehrgeizigen, bürokratischen Vorgesetzten zu Gefallen zu sein.

Ganz deutlich spürte ich, dass dieser Mann in seinem Denken unabhängig war. Seine raue, tiefe Stimme verriet einen äußerst wachsamen Geist. Mein Eindruck, dass er eine außergewöhnliche Macht besaß, mischte sich mit einer Ahnung von Gefahr. Es war eine seltene, interessante Kombination.

»Also, Herr Smirnow, Sie haben mich davon überzeugt, dass Sie ein interessanter Mann sind, der interessante Dinge tut.«

Er lachte laut los.

»Sehen Sie, da haben wir ja schon eine Gemeinsamkeit entdeckt. Ich gebe Ihnen meine Adresse. Es ist zugleich meine Heimadresse und die des Labors.« Er diktierte mir die Adresse und erklärte mir, wie ich mit dem Bus dorthin gelangen konnte. Während ich seine Angaben notierte, ärgerte ich mich, dass er mich nun doch schon so weit gebracht hatte, etwas auf seine Anweisung hin zu tun.

»Vielen Dank. Aber ich werde vorerst sicherlich keine Zeit finden, Sie zu besuchen. Ich kann Ihnen also nichts versprechen.«

»Selbstverständlich nicht. Das müssen Sie auch nicht. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Gute Nacht.«

Eine Zeit lang vergaß ich den seltsamen Anruf, doch ein paar Tage später gingen mir die Einzelheiten des Gesprächs noch einmal durch den Kopf, und ich merkte, wie die Erinnerung eine gewisse Neugier in mir weckte. Ich wehrte mich gegen den Impuls, dorthin zu fahren, denn es schien mir keine vernünftige Entscheidung zu sein, aber die Neugier verwandelte sich schon bald in Angst. Ich spürte, dass ich keine Ruhe finden würde, ehe ich diesen Besuch hinter mich gebracht hatte. Es war, als verhießen seine Worte mir Erkenntnisse über mich selbst, an die ich mich unbedingt erinnern musste, die ich jedoch seit langem verdrängte. Nach reiflicher Überlegung sagte ich mir, dass Smirnow allem Anschein nach ein außergewöhnlicher Mensch war und ich mir die Chance nicht entgehen lassen sollte, ihn persönlich kennen zu lernen. Ich machte mich auf den Weg zu seinem Labor.

Es lag außerhalb der Stadt, eine halbe Stunde Fahrt mit dem Bus. Nowosibirsk, eine der größten Städte an der Transsibirischen Eisenbahn, »das Herz von Sibirien«, wie es von manchen genannt wird, ist eine riesige Metropole mit 1,5 Millionen Einwohnern, von denen die meisten bestrebt sind, möglichst nah am Zentrum zu wohnen, weit weg von den Industrievororten. Nur die Sommerferien verbringen die Leute in kleinen Dörfern außerhalb der Stadt. Ich hatte noch nie von jemandem gehört, der dort den Winter verbrachte.

Neugierig bestieg ich den Bus und machte mich auf zu der Adresse, die Smirnow mir diktiert hatte. Zu meiner Überraschung war das Laboratorium leicht zu finden. Der Bus hielt an einer einsamen, schneebedeckten Haltestelle, mitten im Wald. Ich war die Einzige, die dort ausstieg. Nachdem ich der Wegbeschreibung von Smirnow folgend von der Haltestelle aus ein paar hundert Meter weit in den Kiefernwald hineingegangen war, sah ich ein großes Haus, das sich deutlich von den leeren Holzbauten der Sommerhütten unterschied, die überall in der Gegend standen.

Es war ein altes sibirisches Haus, das aus der Zeit vor der Revolution von 1917 stammte, wahrscheinlich aus dem späten neunzehnten Jahrhundert. In der Stadt gab es nur wenige solcher Häuser, historische Überbleibsel sozusagen. Die meisten waren abgerissen worden, um Platz zu schaffen für vielstöckige Wohnhäuser.

Die alten Häuser stammten aus der Zarenzeit und waren von der sibirischen Aristokratie erbaut worden, von reichen Familien, die sich schöne, solide, weitläufige Villen leisten konnten, meistens mit kunstvollen Holzschnitzereien verziert.

Dieses Haus stand mitten im Wald, umgeben von all den Geräuschen, Gerüchen und Eindrücken, die man in der Stadt nicht findet. Alles war still und friedlich, hin und wieder waren Vogelrufe zu hören, und eine weiße unberührte Schneedecke lag über diesem entlegenen Ort. In der Stadt war der Schnee längst weggeschmolzen.

Langsam ging ich auf das Haus zu und blieb noch einmal stehen, um seine Schönheit zu bewundern. Die hohen Außenwände waren aus übereinander geschichteten Eichenstämmen errichtet, die sich mit der Zeit dunkel verfärbt hatten. Die Fensterrahmen waren mit prachtvollen Schnitzereien versehen. Wie in einem Märchen stieg weißer Rauch aus dem hohen Kamin und löste sich langsam über den schneebedeckten Nadelbäumen auf.

Ich brauchte Zeit, um mich auf diesen Ort einzustellen, der so anders war als das hektische Leben in der Stadt. Ich holte tief Luft und klopfte an die massive Eichentür, doch das alte Holz verschluckte mein Klopfen, es konnte in dem großen Haus unmöglich gehört worden sein.

»Treten Sie ein, die Tür ist offen«, rief eine Stimme aus dem Haus.

Ich öffnete die Tür und blieb unschlüssig auf der Schwelle stehen. Vor mir sah ich zwei hölzerne Treppen, eine führte nach oben und eine...


Kharitidi, Olga
Olga Kharitidi wurde in Sibirien geboren. Sie studierte Medizin in Nowosibirsk und arbeitete dann als Psychiaterin. Auf ausgedehnten Studienreisen erforschte sie die alten Heilungsmethoden Sibiriens und Zentralasiens und konnte so eine neue Methode zur Heilung psychischer Traumata entwickeln. Heute ist sie praktizierende Psychiaterin in den USA, hält weltweit Workshops und Vorträge zum Thema 'Trauma- Umwandlung' und lebt in Minneapolis, Minnesota. Ihr Buch "Das weiße Land der Seele" wurde ein Bestseller.



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