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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Key Drei Frauenschicksale


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-98522-787-7
Verlag: mehrbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-98522-787-7
Verlag: mehrbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ellen Key, die sich in Schweden seit den 1870er Jahren entschieden für Frauen- und Arbeiterrechte eingesetzt hat, war bei Frauenrechtlerinnen in Deutschland durchaus umstritten. In diesem eBook möchte die Autorin keine Geschichte der Frauenbewegung vorlegen, sondern die seelischen Beweggründe und Folgen des Feminismus beschreiben, der, so im Vorwort, 'doch überall dieselben Ursachen gehabt hat, dieselbe Hauptrichtung einschlagen und - früher oder später - dieselben Wirkungen haben muss.'

Ellen Karolina Sophie Key war eine schwedische Reformpädagogin und Schriftstellerin.
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Anne-Charlotte Leffler, Duchessa di Cajanello


1. Oktober 1849 – 21. Oktober 1892

Erstes Kapitel

Wenn ich siebzig Jahre alt bin, werde ich meine Biographie schreiben«, schrieb Anne-Charlotte Leffler mir einmal. »Und daß ich nie einen interessanteren, psychologisch merkwürdigeren, komplizierteren Roman als diesen erfinden werde, steht fest. Es geht mir wie Georges Sand – sie hat nie einen interessanteren Roman geschrieben als die Geschichte ihres Lebens – und dabei hat sie noch das Interessanteste verborgen und fortgelogen, aber das werde ich nicht tun.«

Diese aufrichtige Selbstbiographie ist leider nie geschrieben worden. Aber in demselben Geist der Ehrlichkeit, in dem Anne-Charlotte Leffler selbst ihre Beichte ablegen wollte, ist die folgende Lebensschilderung verfaßt.

Eine Charakteristik der Dichterin, ihrer Stellung zu ihrer Zeit und ihrer Bedeutung für die schwedische Literatur zu geben, ist hier nicht beabsichtigt. Sondern nur mit einigen Zügen das Bild einer Frau zu zeichnen, die in vollstem Maße das Los der genialen Offenherzigkeit teilen mußte: mißverstanden oder in die entgegengesetzte Kategorie eingeschachtelt zu werden, in die sie hineingehört hätte – wenn nicht überhaupt alle Kategorien untauglich wären, wo es sich darum handelt, eine ungewöhnliche Persönlichkeit zu charakterisieren oder ein Ausnahmeschicksal darzustellen.

Als Anne-Charlotte Leffler ihre »Bilder aus dem Leben« zu schreiben begann, ließ sich niemand, sie selbst am wenigsten, träumen, daß ihre letzten Lebensjahre ein eigentümlicherer Roman werden würden, als irgend eine ihrer Dichtungen. Ihre Schicksale waren bis dahin die denkbar gleichmäßigsten gewesen, und ihr Temperament ein solches, von dem man keine Überraschungen erwartete.

Anne-Charlotte Lefflers Mutter war das einzige Kind des Probstes Mittag, eines liebenswürdigen, vielseitig gebildeten Mannes, der schon als Magister in Upsala mit Doktor S. P. Leffler, einem der Herausgeber der »Bibliothek der deutschen Klassiker«, nahe befreundet war. Diese Tochter Mittags heiratete Lefflers Neffen, den späteren Rektor Leffler, und die einzige Tochter dieses Ehepaares war Anne-Charlotte, in der die literarischen Anlagen der väterlichen wie der mütterlichen Familie die reichste Entwicklung erlangen sollten.

Anne-Charlotte Leffler wurde im Oktober 1849 in Stockholm geboren. Das kleine Mädchen zeigte vom zartesten Alter an ein gesundes, wahrhaftes und sanftmütiges Temperament und sonnte sich daher auch von frühester Kindheit an in der zärtlichsten Zuneigung ihrer Eltern, ihrer drei Brüder wie auch der Großeltern. Verklärt vom Schimmer des Kindheitsparadieses lebten stets die Sommerbesuche im Pfarrhof des Großvaters in ihrer Erinnerung. Hier, am Strande des Vettersees, in einer der schönsten Gegenden Schwedens, tummelte sie sich in Freiheit umher; dahin sehnte sie sich den ganzen Winter in ihrem Stockholmer Heime; da wurde der Grund zu jener tiefen Liebe zur Natur gelegt, die sie zu einem immer leidenschaftlicheren Freiluftmenschen machte, dem Fußwanderungen, Segeltouren, Meerbäder und überhaupt das Leben in der Natur ein unabweisliches Bedürfnis waren.

In einem interessanten selbstbiographischen Entwurf (1890 geschrieben) sagt Anne-Charlotte Leffler:

»Meine Kindheit und meine erste Jugend war ungewöhnlich glücklich und harmonisch, ich kann sagen, daß ich bis zu meinem zwanzigsten Jahr absolut nichts erlebte, was man einen Kampf, einen Konflikt nennen könnte. Mein Elternhaus war nicht reich, aber es fehlte uns dort an nichts.« Sie schildert sich und die Brüder als scheu und verschlossen unter Fremden, aber froh und voll Einfälle, wenn sie miteinander waren. Gewöhnliche Mädchenspiele, Puppen, Kochenspielen usw. verabscheute sie. Aber sie schrieb schon mit sechs Jahren Märchen und spielte mit den Brüdern Theater, in der Weise, daß sie während des Agierens das Drama – gewöhnlich einen historischen Stoff – dichteten. Auch fürs Tanzen hatte sie keine Vorliebe. Sie erzählt von ihrer ungeheuren Schüchternheit bei Kindergesellschaften, die noch dadurch gesteigert wurde, daß ihre Mutter, die es mißbilligte, daß Kinder wie Modepuppen gekleidet wurden, sie nicht nach der Mode gehen ließ. Und sie fühlte sich daher in der Zeit der Krinoline in ihrem glatten, engen Kleidchen furchtbar minderwertig.

»Meine Anspruchslosigkeit und Schüchternheit«, fährt sie fort, »war so groß, daß ich es nicht einmal wagte, meine eleganter gekleideten Schulkameradinnen durch meine größeren Kenntnisse zu verdunkeln. Wenn die anderen eine Frage nicht beantworten konnten, tat ich so, als könnte ich es auch nicht, und nur durch einen Zufall entdeckte meine Lehrerin, daß ich in dem ganz bewandert war, worin ich ein ganzes Semester lang Unwissenheit geheuchelt hatte, eben infolge jenes eigentümlichen Schamgefühls, das mich hinderte, mich je selbst hervorzuheben.

Aus demselben Grunde war ich auch immer sehr ängstlich, jemandem meine Dichtungen zu zeigen, und wenn ich irgend einmal meinen Vertrautesten etwas vorlas, geschah es mit bebender Stimme und mit Tränen in den Augen. Ich schämte mich jedes Wortes, das ich niedergeschrieben hatte, falls nicht irgend ein kleines Beifallszeichen der Zuhörer ein wenig Wind in meine Segel brachte; in diesem Falle taute ich sofort auf und fuhr mit kühnerer Stimme fort.

Ein wenig Aufmunterung war für eine solche Natur Lebensbedingung. Bis zu meinem zwölften Jahr war ich unglücklicherweise in eine kleine vornehme Privatschule gegangen, wo die Mädchen Modepuppen und kleine Weltdamen waren, und wo ich mich gänzlich unverstanden und einsam fühlte. Aber mit dreizehn Jahren kam ich in eine große Schule, und hier machte ich mir gleich eine andere Stellung. Hier war der Mitschülerinnenkreis groß genug, so daß ich mir Freundinnen nach meinem Sinn wählen konnte; hier waren Kinder aus so vielen bürgerlichen Familien, daß Toilettefragen keine Rolle mehr spielten, sondern anstatt dessen der Wetteifer in Kenntnissen die Hauptsache war.«

Anne-Charlotte machte mit Ehren die Kurse durch, die vor mehr als dreißig Jahren das minimale Maß der Mädchenschulbildung bildeten. Bei den Lehrern erweckte sie besonders durch ihre schwedischen Aufsätze Aufmerksamkeit, und als sie einmal einen Aufsatz in Novellenform geschrieben hatte, wurde dieser der ganzen Klasse vorgelesen. Ihre Freude über diese Auszeichnung wurde doch durch den vorher vom Lehrer ausgesprochenen Verdacht getrübt, daß ihre Brüder ihr geholfen hätten: er traute ihr selbst diese Darstellungsgabe nicht zu.

Zusammen mit ihren liebsten Schulkameradinnen redigierte sie eine Zeitung »Utile Dulci«, spielte von ihnen selbst verfaßte melodramatische Stücke usw. Eine ihrer intimsten Freundinnen aus der Schulzeit hat Anne-Charlotte Leffler als sehr pflichttreu, aber dennoch heiter geschildert, herzensfroh über den Erfolg ihrer Kameradinnen, und ohne allen Hochmut, wenn sie selbst solchen hatte; immer gleichmäßig, offen, ehrlich, einfach, treu und gutgelaunt. Und diese Züge, die den Charakter des Schulmädchens bildeten, verblieben dem Weibe. Anne-Charlotte Lefflers frisches, von allen weiblichen Launen und Empfindlichkeiten freies Wesen, ihr auf die Wesentlichkeiten des Lebens gerichteter Blick wurde in der Zeit des Heranwachsens dadurch gestärkt, daß sie, wie sie einmal sagte, fast »Colducation« genoß – so treulich nahm sie an den Spielen und Studieninteressen ihrer Brüder und deren Kameraden teil.

Sie hat selbst – in dem erwähnten biographischen Entwurf – betont, daß sie sich in allen Perioden ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, auch in der frühesten, an die Wirklichkeit hielt, so wie sie sie fühlte und erfaßte, und sie macht zugleich die richtige Bemerkung, daß sie, lange bevor sie eigentlich etwas Erzählenswertes zu sagen hatte, die Form beherrschte. Sie schrieb nämlich schon in den Schuljahren mit großer Leichtigkeit und ohne jeden Schwulst und Unnatur.

Mit fünfzehn, sechzehn Jahren kam die religiöse Krise, die, wie sie sagt, »jedes Mädchen, das mit ein bißchen Phantasie begabt ist, durchgemacht hat«. Während des Konfirmationsunterrichtes war sie stark ergriffen. »Die Religionsschwärmerei erfüllte«, sagt sie – »mein ganzes Seelenleben. Ich konnte mir nichts Schöneres denken, als mein Leben für die Sache des Christentums zu opfern.« Alle ihre Zukunftsträume gingen nun darauf hinaus, als Missionärsfrau nach Afrika zu reisen, und ihr männliches Ideal war natürlich der gerade Gegensatz zu ihrem eigenen Temperament, glich Ibsens Brand und forderte von seiner Gattin den Verzicht auf alle Freuden des Lebens.

Sie vermied in dieser Zeit weltliche Vergnügungen, ging fleißig in die Kirche und schmückte ihr Zimmer mit Bibelsprüchen. Die Unruhe um ihr Seelenheil erfüllte sie so stark, daß sie oftmals unter Tränenströmen ihrer Mutter ihre Sehnsucht anvertraute, ein Kind Gottes zu werden, wovon sie sich weit entfernt fühlte. Aber düsterer Fanatismus erlangte nie Macht über ihr Gemüt.

Die Familie verbrachte den Sommer 1866 auf einem Landgut in den Schären, und sie nahm da gerne an den Spielen und Streichen der übrigen Jugend teil, war aber ganz gleichgültig gegen die Aufmerksamkeit der jungen Herren. Sie träumte nur von ihrem Brand, und von ihm dichtete sie in ihrem ersten großen ungedruckten Roman, der jene sonnenklaren Begriffe und felsenfesten Grundsätze über Religion, Tugend, Leidenschaft und verschiedene andere, ebenso schwer zu lösende Fragen aufweist, durch die selbstsichere junge Menschen von fünfzehn bis siebzehn Jahren sich so wesentlich von der übrigen fragenden und kämpfenden Menschheit unterscheiden! Aber der Roman...



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