E-Book, Deutsch, 236 Seiten
Kessler Das Haus ihrer Träume
2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7543-6567-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 236 Seiten
ISBN: 978-3-7543-6567-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Silvia und Thomas haben sich ihren grossen Lebenstraum erfüllt: ein kleines Häuschen im Grünen. Zum vollkommenen Glück fehlen nur noch Kinder und die dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen. Doch schon kurz nach dem Einzug verwandelt sich ihr Traumhaus immer mehr zu einem Albtraum. Etwas scheint das junge Paar vertreiben zu wollen, seltsame Dinge geschehen. Das Leben in dem Haus wird unerträglich. Haben die beiden überhaupt eine Chance im Haus ihrer Träume?
Markus Kessler, geboren 1969, ist freier Autor und Werbetexter. Seine Geschichten sind geprägt vom Unerklärlichen, dem Unwahrscheinlichen und allerlei angsteinflössenden Erfindungen der Menschheit. Er erzählt von Albträumen, die oft nur ganz knapp an der Realität vorbeischrammen und dadurch umso mehr Gänsehaut verursachen. Seine Inspiration holt er auf langen Wanderungen im Alpstein, beim Laufen in den sanften Hügeln des Appenzellerlands oder auf langen Ausfahrten mit dem Motorrad. Er lebt und arbeitet an einem wunderschönen Ort, von dem er einerseits den Bodensee sieht, der den Gedanken Weite verleiht, und andererseits den Alpstein mit dem Säntis, der für Bodenhaftung und Beständigkeit sorgt.
Autoren/Hrsg.
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ZWEI
Was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, war ein grüner Fleck auf dem Wohnzimmerboden? Vielleicht so groß wie ein Unterteller, stach er farblich deutlich zwischen den braunen Umzugskartons und den dunkeln Möbeln hervor. Sie ging hin und betrachtete ihn genauer. Er glich dem Schlamm draußen beim Brunnen, und als sie ihn berührte, fühlte er sich schaumig an, wie Flüssigseife, aber doch trocken. Sie roch daran. Er war geruchlos. Sie zuckte die Schultern und holte einen nassen Lappen aus der Küche, um ihn wegzuwischen. Bestimmt hatte einer der Möbelpacker etwas Schlamm vom Brunnen an den Schuhen mit ins Haus getragen. Sie zuckte die Schultern. Am Ende würde ohnehin ein großer Hausputz anstehen, wenn einmal alles eingeräumt war. Es war eine gute Entscheidung gewesen, den Umzugstermin auf einen Freitag zu legen. Jetzt hatten sie noch das ganze Wochenende Zeit zum Einrichten und Einräumen. Wenn dann am Montag der Alltag wieder begann, hatten sie die größte Unordnung beseitigt und konnten sich in ihrem eigenen kleinen Häuschen so richtig daheim fühlen. «Essen ist fertig», rief Thomas aus der Küche und Silvias Magen knurrte sofort. Zwischen den halb ausgeräumten Umzugskartons hatte er den Tisch hübsch gedeckt. Sogar eine Messingvase mit einer Plastikrose hatte er irgendwo gefunden. Wie süß! Silvia küsste ihn im Vorbeigehen auf die Wange. «Dann lass es dir schmecken», sagte er und hielt ihr die Nudelkelle hin, damit sie sich ihre Portion selbst schöpfte. «Danke!» Er konnte wirklich Spaghetti kochen. Sie schmeckten ganz ausgezeichnet. Die ersten paar Bissen schlang sie gierig hinunter, bis der gröbste Hunger gestillt war. Dann deutete sie mit ihrer Gabel in die Runde auf das Chaos, das immer noch rund um sie herum herrschte. «Ich bin froh, wenn wir damit fertig sind.» «Ja. Das wird noch rechtes Stück Arbeit.» Sie nickte. «Wir müssen ja nicht alles heute machen, aber die Küche schaffen wir noch, was meinst du?» «Ja, und das sollte dann fürs Erste auch reichen. Die beiden wichtigsten Räume haben wir: das Schlafzimmer und die Küche.» «So denkst du also», lachte sie, «nur ans Schlafen und Essen!» «Und ...», er zwinkerte ihr zu, «du weißt schon ...» Sie schüttelte den Kopf. «Männer!» Silvia hatte viel mehr gegessen als sonst. Das Organisieren, die Nervosität und die Anspannung hatten sie schon ausgelaugt, und jetzt, mit vollem Magen, kam auch noch die Trägheit hinzu. Während Thomas sich um den Abwasch kümmerte, räumte Silvia noch einen Karton aus. Wieder einer geschafft, blieben noch fünf. Zwei Stunden später war Ordnung eingekehrt in der Küche. Die Umzugskartons lagen sauber zusammengefaltet an der Kellertreppe bereit, um mit allen ihren Kumpels, die übers Wochenende noch aus den anderen Zimmern hinzukamen, hinunter getragen zu werden, wo sie dann einer hoffentlich langen Lagerung entgegensahen. Silvia hatte jetzt schon die Nase voll von diesem Umzugsstress. So etwas würde sie sich länger nicht mehr antun. Und so trübselig wie Thomas auf die leeren Kartons blickte, ging es ihm wohl ähnlich. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. «Herzlichen Glückwunsch, Herr Tanner, Sie haben Ihr Tagessoll erreicht!» «Sie aber auch, Frau Tanner. Das heißt, wir dürfen uns jetzt gemütlich ins Bett kuscheln.» «Genau!» Im Bad entstand noch einmal etwas Unruhe, als sie beide nach ihren Zahnbürsten suchten, dann konnten sie sich endlich ins Bett legen. Als Silvia erwachte, war es kurz nach zwei Uhr nachts. Sie war schweißgebadet, hatte sich hin und her gewälzt. Albtraumgestalten geisterten noch durch ihr Sichtfeld, böse Kreaturen mit Hörnern, die ihre Hände nach ihr ausstreckten und sie zu sich in die Hölle hinab zu ziehen versuchten. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Dann dämmerte es ihr: der Umzug! Sie schliefen zum ersten Mal im eigenen Haus. Sie schwang die Füße aus dem Bett und fröstelte, als sie auf den kalten, rauen Holzboden trafen. Endlich fand sie ihre Pantoffeln und schlüpfte hinein. Das machte es etwas besser. Wärmer. Ihr Mann lag friedlich zusammengerollt auf seiner Seite des Bettes und atmete ruhig ein und aus. Ob sie ihn wecken sollte? Sie entschied sich dagegen. Ein Schluck Wasser würde sie beruhigen. Sie schlurfte die Treppe hinab zur Küche. Ihr Mund fühlte sich rau und trocken an, als hätte sie sämtliche Flüssigkeit ausgeschwitzt. Die Treppe knarrte. Silvia zuckte zusammen, dann lachte sie über ihre Angst. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, immerhin war es ein Holzhaus. Und das hatte sie von ihrem Papa gelernt: Ein Holzhaus schläft nie. Es wächst und formt sich ständig um. Mit jeder Temperaturänderung verziehen sich die Balken und Bretter unmerklich, aber doch hörbar. Von unten aus dem Keller drangen ebenfalls Geräusche empor, allerdings kein Knacken von Holz, sondern eher das Schleifen von etwas, das über nackten Steinboden gezogen wird! Mit einem schnellen Druck auf den Lichtschalter durchflutete Helligkeit die Küche, sodass Silvia die Augen zusammenkneifen musste. Immerhin brachte das Licht auch die Geräusche aus dem Keller zum Verstummen. Sie schnappe sich ein Glas aus dem Küchenschrank, den sie erst eingeräumt hatte, und füllte es mit klarem Leitungswasser. Es war kühl und erfrischend. Silvia hoffte, dass sie danach wieder einschlafen konnte. Jetzt, im hellen Licht der LED-Röhren, schien auch das Knacken im Gebälk aufgehört zu haben, obwohl das natürlich keinen sinnvollen Zusammenhang ergab. Sie trank noch ein zweites Glas Wasser, dann löschte sie das Licht und ging zurück ins Schlafzimmer. Kaum lag sie wieder neben ihrem Mann, der immer noch ruhig und gleichmäßig atmete, hörte sie wieder diese ungewöhnlichen Geräusche. Waren das Schritte? Oder nur ein trockener Holzbalken, der sich dehnte? Ein Knistern wie von Feuer war es nicht, oder? Sie dachte darüber nach, Thomas zu wecken, doch dann schalt sie sich selbst: Hör auf dich selbst verrückt zu machen! Schlaf jetzt einfach weiter! So einfach, wie sie es voriges Jahr im Motivationsseminar gelernt hatte, war das allerdings nicht. Silvia lauschte genau auf jedes Knacken, jedes Klicken, jeden Windhauch in dem gar nicht so stillen Haus. Wie sollte sie hier jemals wieder einschlafen können? Nur wenige Minuten später hatte sich diese Frage von selbst beantwortet. Die Erschöpfung des Tages hatte sich ihrer wieder bemächtigt und Silvia glitt wieder ins Land der Träume zurück. Als sie das nächste Mal erwachte, erklangen im Radiowecker die Frühnachrichten. Sie hörte nur mit einem Ohr zu: In Indonesien hatte ein Tsunami ein Rockkonzert weggespült, in Südamerika kämpfte wieder einmal ein Land gegen den finanziellen Ruin und in Deutschland versuchte eine rechtsextreme Gruppierung durch fremdenfeindliche Aussagen Wählerstimmen zu gewinnen. Thomas war bereits aus dem Pyjama geschlüpft und auf dem Weg ins Bad für eine erfrischende Dusche. «Wie kannst du nur so munter sein?», fragte sie. «Ich habe wunderbar geschlafen! Und heute ist Samstag, da können wir zum ersten Mal unser neues Haus so richtig genießen!» Während Thomas unter der Dusche stand, schlurfte Silvia in die Küche. Das Knarren der Treppe klang nicht mehr bedrohlich, sondern einfach nach einem Holzhaus. Von draußen fielen die ersten Sonnenstrahlen ins Haus und verdrängten die Dunkelheit in die stillen Winkel unter der Treppe. Ihre düsteren Albträume und nächtlichen Erlebnisse verblassten im Licht des frischen Tages. Doch als sie die Treppe hinab kam, fiel ihr Blick wieder auf einen grünen Schlammfleck, diesmal an der Wand direkt neben der Haustüre. «Noch einer?», murmelte sie. Der war gestern bestimmt nicht da gewesen, das hätte sie gesehen! Sie holte einen Lappen aus der Küche und wischte den Fleck weg. Und jetzt endlich ein Kaffee! Bevor sie den ersten Kaffee des Tages getrunken hatte, war sie normalerweise nicht ansprechbar. Und nach dieser unruhigen Nacht brauchte sie einen besonders starken Muntermacher. Während das dunkle Gebräu in die Tasse floss und einen herrlichen Duft verbreitete, sah Silvia aus demFenster zum Brunnen. So etwas hatte sie sich schon immer gewünscht, ein Haus mit einem leise plätschernden Brunnen davor. So richtig wie auf dem Lande. Allerdings war er in ihrer Vorstellung sauber und mit einem hübschen Blumengesteck dekoriert. Ihrer war stattdessen noch über und über mit Schlamm bedeckt und wartete sehnsüchtig auf eine intensive Reinigung. Sie nippte an ihrem Kaffee. Wie viel es noch zu tun gab, bis dieses Haus endlich ihres wäre! Das Einziehen an sich war ja vermutlich in den nächsten paar Tagen erledigt, aber die eigentliche Arbeit kam erst danach. Es würde viel Zeit...




