Kersh Nachts in der Stadt
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-927734-88-3
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 13, 416 Seiten
Reihe: Pulp Master
ISBN: 978-3-927734-88-3
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nachts im London der 40er Jahre: zwielichtige Clubs, Nutten, Trinker und verlorene Seelen. Unter ihnen Harry Fabian, ein aus dem Cockney Slum stammender mieser, kleiner Zuhälter, der die naive Zoe auf den Strich schickt und vom großen Geld träumt. Gemeinsam mit dem windigen Geschäftemacher Figler will Fabian Wrestling-Promoter werden. Das Animiermädchen Helen träumt vom eigenen Nachtclub, der arbeitslose künstler Adam will seine Pechsträhne als Kellner überbrücken. Sie alle begegnen sich irgendwann während einer endlosen Odyssey durch die Nacht.
Gerald Kersh wurde 1911 in Teddington-on-Thames, London, geboren und verstarb 1968 mittellos als amerikanischer Staatsbürger in Kingston, New York. Im Alter von 2 Jahren wurde er bereits für tot erklärt, lebte dann aber noch lange genug, um über 1000 Artikel, 400 Kurzgeschichten und 19 Romane schreiben zu können. Während des Zweiten Weltkrieges avancierte er zum Bestsellerautor und startete eine schillernde Karriere, doch Steuerschulden, Krankheiten und persönliche Problememachten ihm im Verlauf seines weiteren Lebens einen Strich durch die Rechnung
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Gerald Kersh Nachts in der Stadt GERALD KERSH: MANN MIT VIELEN GESICHTERN Ein Vorwort von Paul Duncan Wir leben. Wir atmen ein paar kurze Jahre lang. Dann sterben wir. Wir werden geboren, um Nahrung für die Würmer zu sein. Das Leben scheint sinnlos, dennoch tun wir alles, was in unserer Macht steht, um uns an diese sterbliche Rolle zu klammern — wir wollen nicht zulassen, dass sie mit einem Achselzucken abgetan wird. Im Laufe seines Lebens versuchten Mitmenschen immer wieder, Gerald Kersh den Lebenswillen zu rauben, aber er hielt daran fest und wehrte sich mit Humor gegen seine Feinde. Und wenn das nichts half, ignorierte er sie. Auf jeden erfolgreichen Autor entfallen tausend andere, die darum kämpfen, gedruckt zu werden. Gerald Kersh war einer jener Worteschinder, die die Cafébars in Londons Soho frequentierten und auf geklautem Toilettenpapier schrieben, während der Bierkrug bis zum Morgen nicht ausgetrunken vor ihnen stand. Und als er es geschafft hatte, als er zu einem der höchstbezahlten Wortschmiede Englands avanciert war, verschworen sich schicksalhafte Umstände grausam gegen ihn und warfen ihn zurück in die Gosse. Gerald Kersh ist Harlan Ellisons Lieblingsschriftsteller und hat begeisterte Leser wie Andrew Vachss, Michael Moorcock, Lawrence Block, Joe R. Landsdale, Bill Pronzini, James Sallis, David J. Schow und viele andere mehr. Dies hier ist ein Versuch zu erklären, warum. Mein Interesse für Gerald Kersh wurde geweckt, als ich mich durch das Nachschlagewerk Twentieth Century Crime and Mystery Writers las, um Informationen über Hardboiled- und Noir-Autoren zu bekommen. Im Eintrag über Kersh wurde erwähnt, dass er als Kind gestorben sei und sich während des Beerdigungsgottesdienstes wie Lazarus aus dem Sarg erhoben habe. Auch sein Stil schien von besonderer Art zu sein. Er stellte sich mir als interessante Persönlichkeit dar, die es wert war, eingehender betrachtet zu werden. Mark McShanes Beitrag in demselben Werk besagte, dass er — McShane — zu schreiben angefangen habe, weil ihm Kershs Prelude To A Certain Midnight (in Vorbereitung bei Pulp Master) zu der Erkenntnis verholfen habe, dass Kriminalromane nicht zwingend von Pappmachéfiguren in Schwarzweiß handeln müssen, sondern dass die Charaktere von echten Gefühlen motiviert sein können. Von Natur aus zynisch und auf Widerspruch aus, beschloss ich, Prelude To A Certain Midnight zu lesen. Die Handlung beginnt in der Bacchus Bar, die 25 Jahre lang einer der drei populärsten Treffpunkte Londons war und heutzutage nahezu verwaist ist. Kersh besitzt die Fähigkeit, Bedeutungslosigkeit, Nichtigkeit, moralischen Verfall und Reue auf eine Art und Weise zu evozieren, dass man sofort fasziniert ist. Man wird süchtig nach den Worten. Wie bei gewissen Süßigkeiten muss man nach dem Genuss des ersten Satzes weiterlesen, bis man das Buch durch hat und keine Worte mehr übrig sind. Ich brauchte mehr davon, also machte ich mich auf die Suche nach den anderen Büchern Kershs. Im Verlaufe der nächsten sechs Jahre stellte ich fest, dass Kersh wesentlich komplexer war, als ich zuerst angenommen hatte. Er war nicht nur der Autor von London-Romanen, die entweder direkt oder indirekt von Kriminellen handeln, sondern schrieb auch über Familienfehden, Soldaten im Krieg und machte sich sogar an altmodische Unterhaltungsliteratur. Seine Kurzgeschichten, für die er verdienterweise berühmt wurde, umfassten jedes Thema und jedes Genre, obwohl er das Phantastische und die Horrorstory zu bevorzugen schien. Man hat den Eindruck, dass Gerald Kersh sich nach Belieben in das Bewusstsein eines jeden versetzen konnte. Er war ein Mann mit vielen Gesichtern. Familie Es gab eine Zeit, da hielt man Autoren für bequem, wenn sie in ihren Werken Menschen und Ereignisse aus ihrem eigenen Leben beschrieben — das ist heute nicht mehr der Fall. Als Leser wie auch als Medienjunkies haben wir uns an das Spiel gewöhnt, nach Übereinstimmungen zwischen den Aspekten eines Buches und dem Leben seines Autors Ausschau zu halten. In einigen Fällen sind Fakten und Fiktion nicht mehr auseinander zu halten. Wir lesen Zeitung und können uns Ereignisse in der wirklichen Welt als Teile eines Romans vorstellen. Wir sehen fern, und die Charaktere einer Soap-Opera werden für uns real. Gerald Kersh war der Ansicht, dass seine Familie von einer Fülle von Charakteren bevölkert war, die ideal in seinen ersten Roman passen würde, und wegen dieser Bequemlichkeit wurde er hart bestraft. Jews without Jehova (1934) handelt von einem jungen Mann, John Leonoff, der Schriftsteller werden will, aber durch die Notwendigkeit zu überleben und Geld zu verdienen ständig daran gehindert wird. Unglücklicherweise schwebt er mit dem Kopf in den Wolken. Von seinen Eltern — sein Vater ist Schneidermeister — erhält er viel moralische Unterstützung, doch wenn es um finanzielle Ratschläge geht, sind sie eher Pragmatiker. Parallel dazu zeigt Kersh die Familie mütterlicherseits, die Ratners. Zu Beginn des Romans wird der Vater beerdigt und die drei Söhne verschwenden und verprassen ihr Erbe auf jede verrückte Art und Weise, die ihnen und ihren Freunden nur einfällt. Es ist eine Komödie, eine Farce. Die Dialoge der Brüder sind dynamisch und fesselnd. In der Tat übernehmen sie das Buch, und obwohl wir die noblen und manchmal schwerfälligen Leonoffs bewundern, wollen wir wirklich nur wissen, wie es mit den Ratners weitergeht. Da Kersh das Leben imitiert hatte, um Kunst zu schaffen, nahm das Leben Rache. Drei seiner Onkel und ein Cousin erkannten sich in dem Roman wieder und verklagten ihn und den Verleger Wishart wegen Verleumdung. Sie erklärten, das Buch diffamiere ihre Personen. Und damit nicht genug, wurde Kersh einige Wochen später von einem Wagen angefahren. Der Fahrer war einer seiner Onkel, und der Wagen war von der Entschädigungssumme des Verfahrens wegen Verleumdung gekauft worden. Der Roman Jews without Jehova war nur für einen halben Tag im Verkauf, bevor er zurückgezogen wurde; daher ist das Buch eine Rarität und ein begehrtes Sammlerobjekt. Während des Krieges verfasste Kersh so viele Bücher — alle sechs Monate ein neues —, Artikel, Gedichte, Film- und Radioskripte und Kurzgeschichten, dass er nur zwei Stunden die Nacht schlief, sofern er überhaupt schlief. Er kollabierte regelmäßig. Der sich seit langem abzeichnende Zusammenbruch kam 1949 und sollte ihn zeitlebens verfolgen. Kersh wurde von Krankheiten schwer heimgesucht. Er litt an Malaria, Lungenentzündung, Leberinfektionen, Krebs und Gott weiß, was sonst noch — alles Folgen seiner Reisen und zweifellos auch seiner Überarbeitung. Am meisten jedoch litt er unter seiner größten Liebe, seiner zweiten Frau Lee. Kersh hatte Lee, eine beeindruckende kanadische Zeitungsjournalistin, 1939 kennen gelernt und seine erste Frau für sie verlassen. Als Kersh 1941 den Durchbruch schaffte, zogen sie in immer größere Wohnungen in Londons exklusivem Dolphin Square und bereisten die Welt. Immer häufiger gerieten sie in Streit; Lee sagte, sie langweile sich, und Kersh wurde zunehmend kränker. All das gipfelte im Brand ihres neuen 20.000-Dollar-Hauses in Barbados, das nicht versichert war. Lee bat Kersh um die Trennung. Während der nächsten sechs Jahre brachte Lee ihn um sein Vermögen, häufte Schuldenberge an, die er abtragen musste, schloss Verträge in seinem Namen ab und zog den Nutzen daraus, stahl seine Antiquitäten, seine Bibliothek mit 5.000 Erstausgaben und seine Manuskripte, nahm sich einen Liebhaber nach dem anderen, reichte schließlich die Scheidung ein und gewann den Prozess. Kersh ging nach Amerika und heiratete Florence ›Flossie‹ Sochis. Er sollte nie wieder in sein Heimatland zurückkehren. Nachdem sie zuerst in New York gewohnt hatten, wurde es für Kersh und seine dritte Frau bald zu teuer und sie zogen nacheinander in verschiedene Wohnungen nördlich von Manhatten nahe Circleville. Mit einem Mal waren sie Teil einer kleinen Gemeinde. Es sollte eine Zeit der Paranoia werden. Sie wurden von Nachbarn denunziert, ein örtlicher Deputy schikanierte sie, Freunde verklagten sie, Kersh wurde zusammengeschlagen und Flossie hatte merkwürdige Autounfälle. Sie entdeckten Leute, die sie verfolgten, erkrankten an Ruhr und stellten fest, dass ihr Brunnen mit Kolibakterien verseucht war. Blutproben zur Untersuchung von Kershs Krebserkrankung verschwanden oder wurden falsch ausgewertet — ein Arzt gab Kersh den Ratschlag, medizinische Gutachten andernorts einzuholen. Eine Reihe dieser Vorfälle fielen mit dem Auftauchen von Kershs zweiter Frau in New York City und in Kershs Wohnort zusammen. Flossie verfasste ein Dokument, in dem sie die Verschwörung beschrieb und schickte es an das Büro des Sheriffs und an das FBI, aber es wurde nie darauf reagiert. Vielleicht gab es gar keine Verschwörung. Vielleicht war alles reiner Zufall. London Obwohl Kersh viele Jahre lang in New York und Umgebung lebte und ausgedehnte Weltreisen unternahm und diese Orte in seinen Short Storys wirkungsvoll einsetzte, gab es dennoch nur einen Ort, dem Kersh emotional und instinktiv verbunden war, und das war das Soho im London der dreißiger...