Kersh | Die Toten schauen zu | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 41, 227 Seiten

Reihe: Pulp Master

Kersh Die Toten schauen zu


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-927734-90-6
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 41, 227 Seiten

Reihe: Pulp Master

ISBN: 978-3-927734-90-6
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als in der von deutschen Truppen besetzten Tschechei der SS-Obergruppenführer und General der Polizei von Bertsch von einem vorbeifahrenden Motorradfahrer niedergeschossen wird, setzt das Dritte Reich 800.000 Reichsmark Belohnung für Hinweise aus, die zur Ergreifung des Täters führen. Als in der Nähe des kleinen Dorfes Dudicka ein verlassenes Motorrad am Uferrand geborgen wird, entsendet die Gestapo den berüchtigten SS-Offizier Heinz Horner, um eine Untersuchung einzuleiten und die Dorfbewohner Horners Repressalien auszusetzen. Vor historischem Hintergrund schuf der großartige Gerald Kersh 1943 unauslöschliche Bilder vom Hereinbrechen des Schreckens über eine unschuldige Dorfgemeinschaft, die bis heute nichts von ihrer dramatischen Wucht und Sprachkraft verloren haben.

Gerald Kersh wurde 1911 in Teddington-on-Thames, London, geboren und verstarb 1968 mittellos als amerikanischer Staatsbürger in Kingston, New York. Im Alter von 2 Jahren wurde er bereits für tot erklärt, lebte dann aber noch lange genug, um über 1000 Artikel, 400 Kurzgeschichten und 19 Romane schreiben zu können. Während des Zweiten Weltkrieges avancierte er zum Bestsellerautor und startete eine schillernde Karriere, doch Steuerschulden, Krankheiten und persönliche Probleme machten ihm im Verlauf seines weiteren Lebens einen Strich durch die Rechnung.

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1. Metzger, Metzger, schlachte den Ochsen »Solange ein Schuss ins Schwarze treffen kann, seien Sie auf der Hut!« Petz, eine Zigarre zwischen den Fingern, stand in einem Kreis aus Asche. Spröde, düster und doch mit Feuer im Blick, mit umschatteten Augenhöh­len, dem kurzen grauen Haar und dem Schnurrbart, der die Farbe und den metallischen Glanz von Anthrazit hatte, schien er sich geradezu in die Nacht gebrannt zu haben. Selbst seiner Stimme haftete das Knistern glühender Asche an. Er sagte: »Äste von Bäumen werden zu Knüppeln – seien Sie nie ohne Helm! Mit einer Schnur kann man strangulieren – schützen Sie Ihre Kehle! Wo immer ein Dach ist, von dem ein Stein fallen kann, ist Vorsicht geboten! Zehenspitzen sind zum Anpirschen da – gestatten Sie sich niemals einen Tiefschlaf! Vorsicht auch vor fremden Frauen, dunklen Torwegen und menschenleeren Straßen. Nächte mit mondlosem Himmel sind gefährlich – seien Sie immer in Begleitung!« Er hielt inne. Zigarrenasche fiel auf den Teppich. Petz’ Hand musste gezittert haben. Der Rauch seiner Zigarre stieg einige Zentimeter gerade nach oben, bevor er sich unruhig zu kräuseln begann, um sich dann mit dem grauen Schleier zu vereinigen, der träge durch den Raum schwebte. Seit Mitternacht schon wurde geraucht. Zerdrückte Zigarettenstummel und aufgeplatzte Zigarrenenden füllten die Aschenbecher. In Sachsners Untertasse hatte sich eine stinkende gelbbraune Brühe aus türkischem Tabak und verschüttetem Kaffee gesammelt, worin sich Spuren von verbranntem Zigarettenpapier allmählich auflösten. Finger waren gelb geworden, Augen hatten sich gerötet und Kinnpartien schimmerten bläulich, Wangen waren eingefallen und Lippen aufgesprungen, Zungen fühlten sich pelzig an. Nur Bertsch saß da, noch immer rosig-frisch, und zeichnete etwas auf einen Block Löschpapier. Begonnen hatte Bertsch mit einem geometrisch nahezu exakten Quadrat. Anschließend hatte er sich dessen Seiten gewidmet, mehr Quadrate angefügt, sich auch deren Seiten gewidmet, Quadrate in Quadrate gepackt, mit stockendem Atem stets das Zusammentreffen zweier Linien vermieden und akribisch ein wirres, irres Muster gerader Linien hervorgebracht. Er war darin vertieft – das Muster schien ihn in Harnisch zu bringen und glei­ch­zeitig zu fesseln. Er konnte nicht aufhören. Immer blie­ben vier Linien übrig – er war getrieben weiterzumachen, Quadrat an Quadrat zu setzen, schneller und schneller. Seit Stunden machte er das nun schon. Alle beobachteten ihn. Es bedeutete, dass Bertsch nachdachte. Bertsch summte leise vor sich hin. Petz kam zum Schluss: »Slawen sind Sklaven. Der Obergruppenführer hat recht.« »Wie immer«, fügte er hinzu, als Bertsch ihm plötz­lich das große, weiche Gesicht zuwandte und ihn ansah. »Hat wie immer recht. Aber ... « »Aber was genau?«, fragte Bertsch. »Wir sollten besondere Vorkehrungen treffen«, er­wi­derte Petz. »Oberst Petz, Sie sind ein wenig abgespannt«, sagte Bertsch mit großer Liebenswürdigkeit und Petz setzte sich, als hätte man ihm einen heftigen Schlag verpasst, und schwieg. »Ich gehe konform – «, begann Sachsner. »Es wäre mir eine Ehre, dürfte ich kurz das Wort an Sie richten«, sagte Bertsch. Sachsner klappte den Mund zu. Und dann – während er in aller Seelenruhe das be­kritzelte Löschpapier zerriss – sagte Bertsch mit einem Lächeln: »Es liegt doch auf der Hand. Die Zeit wird diese Generation auslöschen. Wir werden der Zeit assistieren. Ausgezeichnet! Erstens: Wir schöpfen den Rahm ab und dekantieren ihn. Zwangsverpflichtung zu Schwerstarbeit. Zweitens: Die Alten und mit ihnen die alten Erinnerungen sterben von allein. Drittens: Die Kinder sind unser. In zehn Jahren sind die Tschechen erledigt. Eine neue Generation wird da sein, gezüchtet, um zu gehorchen. Vortrefflich! Sie können ein Kind lehren, Sie anzubeten wie Jesus Christus. Schön. Schön! Aber das war nicht unser Thema. Unser Thema war und ist, sich das Gesindel zum gegenwärtigen Zeitpunkt untertan zu machen. »Wenn Sie einen pflichtvergessenen Rekruten in der Truppe haben, was tun Sie? Ganz einfach, Sie zwingen ihn in die Knie. Sie machen ihm klar, dass das Leben nicht lebenswert ist, solange er die ihm erteilten Befehle nicht präzise befolgt. Sie verhelfen ihm zu der Einsicht, dass es sich nicht lohnt. Sie heizen ihm ein, bis er um Gnade schreit. Wenn nötig, töten Sie ihn, als Lehrstück für andere. Er gehorcht oder er stirbt. Ja? Gut. Nun, für ein Volk gilt das Gleiche.« Bertsch nahm eine Zigarette aus seiner Packung. Petz, Sachsner und Breitbart beugten sich vor, jeder ein brennendes Streichholz in der Hand. Bertsch ließ sich von Breitbart Feuer geben und fuhr fort: »Niemand ist allein. Jeder Schweinehund hat einen Kameraden oder ein Liebchen oder eine Frau oder ein Kind oder einen Bruder oder eine Schwester oder einen Vater, eine Mutter, einen Schatz – weiß der Teufel was alles. Egal, wen oder was ein Mann liebt, es ist stets sein wunder Punkt, werte Freunde. Ein Mann verkraftet den eigenen Tod. Das ist leicht. Aber machen Sie ihm be­wusst, dass jeder in seiner Familie eine Geisel ist, ein Garant seines Gehorsams! Sie machen es ihm bewusst und sehen den Unterschied! Er wird spuren und Gefallen daran finden. Nun, das habe ich unter logischen Gesichts­punkten in Bohdan herausgearbeitet. Ist Bohdan noch ein Begriff? Es gab da dieses Grummeln innerhalb der Arbeiterschaft. Die Produktion lief schleppend. Sie sag­ten, sie könnten die Arbeit in der vorgegebenen Zeit nicht schaffen. Also pickte ich mir eines schönen Tages hundert heraus, wahllos, und ließ sie aufknüpfen. Ich wurde Zeuge, wie ein junger Bursche hervortrat und darum bat, man möge ihn anstelle eines anderen hängen, irgendeiner, der eine kranke Frau und sechs Kinder hatte. Ein ungebundener Mann geht auf in seinem Op­fer­­mut! Also ließ ich hundert Mann aufhängen und fragte den Rest: ›Schafft ihr jetzt die Arbeit in der vorgegebenen Zeit?‹ Sie schafften es noch immer nicht. Also dezimierte ich sie um weitere einhundert. Kurzum ... Hören Sie: Am Anfang waren es fünfhundertfünfzig Arbeiter. Sie sagten, sie könnten die anfallende Arbeit einfach nicht schaffen. Aber die gleiche Arbeit wurde getan, nachdem ich zweihundert von ihnen hatte aufhängen lassen. Verstehen Sie? Dreihundertfünfzig erledigten Arbeit, die fünfhundertfünfzig nicht hatten erledigen können. Und warum? Weil ich sie das Fürchten lehrte. »Diese dreihundertfünfzig hatten allesamt Familienangehörige. Ich hatte sie in der Hand. Ich erklärte ihnen einfach: ›Kein kommodes Eben-mal-so-Aufknüpfen in eurem Fall, Freunde. Aber – du da drüben!‹ Ich rief es einem Burschen namens Prokop zu. ›Du hast eine Mutter zu ernähren, nicht wahr? Und eine Schwester, nicht wahr?‹, sagte ich. ›Eine hübsche Schwester, nehme ich an. Eine kleine, dunkelhaarige Schwester, beinahe er­wachsen, oder? Nun, Prokop, das ist wirklich sehr verantwortungsbewusst von dir.‹ Und dann packte ich ihn am Kragen und ich sagte: ›Nur zu. Mach etwas. Nur ein Zucken mit der Wimper. Ein scheeler Blick. Nur ein einziges Wort. Ich gebe dir mein Ehrenwort als deutscher Offizier und Ehrenmann, dass ich dir nichts tun werde. Dir nicht, Prokop, mein lieber kleiner Freund. Und, willst du die Arbeit einstellen?‹ »Er erwiderte: ›Nein, mein Herr‹, und ich sagte zu ihm: ›Wenn du willst, lauf davon. Man wird dich nicht bestrafen. Wohin möchtest du gehen? Sprich es aus.‹ Ich sagte: ›Dir wird nichts geschehen, Prokop, mein Junge. Aber ... da ist diese entzückende kleine Schwester, die du hast, Prokop, mein lieber Freund. Sie ist ein recht hübsches kleines Mädchen, deine Schwester. Und dann deine Mutter ... so reizend, so gut. Kann sie tanzen?‹ »Dieser Prokop sagte: ›Nein, mein Herr‹, und ich sagte: ›Wir könnten ihr das Tanzen beibringen, am Ende eines Telegrafendrahtes, Prokop. Nun, Prokop?‹ »Er sagte: ›Bitte, ich möchte wieder an die Arbeit gehen, mein Herr.‹ »Ich sagte: ›Ich bin mir nicht sicher, ob das Reich Männer für sich arbeiten lassen sollte, die nicht gewillt sind zu arbeiten. Bist du gewillt, Prokop? Bist du bereit?‹ »›Ja, mein Herr‹, sagte er, und er schwitzte Blut und Wasser. ›Ich bin gewillt und ich bin bereit.‹ »›Dann bitte darum‹, sagte ich. Und er ging auf die Knie. Ich verabreichte ihm eine Tracht Prügel und schick­­te ihn zurück an die Arbeit, ihn und seine Kame­raden. Gott, was haben diese Slawenfratzen rangeklotzt! Also denken Sie immer an das Bohdan-Prinzip. Machen Sie es anschaulich. Hängen Sie eine Familie auf oder, wenn nötig, zwei, ohne jegliche Rücksicht auf Alter oder Ge­schlecht. Seien Sie sich stets bewusst, dass Menschen schwach sind, wenn es um Gefühle geht. Sie versuchen immer, jemanden zu beschützen. Ich verbürge mich mit meinem Leben dafür, dass der tschechische Widerstand innerhalb eines Jahres total in Trümmern liegen wird. Ich bin Oberst Petz außerordentlich dankbar für seine Fürsorglichkeit. Vorsicht ist immer geboten. Selbst eine Ratte beißt, wenn sie in die Enge getrieben wird. Aber selbst eine Ratte wird sich die Zähne nicht an einer eisernen Faust ausbeißen wollen. »Schön. Schön. Der Befehl wird in ein paar Stunden rausgehen. Es gibt keinerlei Anlass zur Sorge. Die Slawen sind unter Kontrolle. Die Umerziehung ist nur noch eine Routinesache. Die Brände sind gelöscht. Die Zähne gezogen. Die Krallen gefeilt. Das...


Gerald Kersh wurde 1911 in Teddington-on-Thames, London, geboren und verstarb 1968 mittellos als amerikanischer Staatsbürger in Kingston, New York. Im Alter von 2 Jahren wurde er bereits für tot erklärt, lebte dann aber noch lange genug, um über 1000 Artikel, 400 Kurzgeschichten und 19 Romane schreiben zu können. Während des Zweiten Weltkrieges avancierte er zum Bestsellerautor und startete eine schillernde Karriere, doch Steuerschulden, Krankheiten und persönliche Probleme machten ihm im Verlauf seines weiteren Lebens einen Strich durch die Rechnung.



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