Kern | Maddrax - Folge 385 | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 385, 64 Seiten

Reihe: Maddrax

Kern Maddrax - Folge 385

Manege der Freaks
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7325-0266-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Manege der Freaks

E-Book, Deutsch, Band 385, 64 Seiten

Reihe: Maddrax

ISBN: 978-3-7325-0266-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der nächste MADDRAX stammt aus der Feder einer Autorin, die ältere MX-Leser bestimmt noch gut im Gedächtnis behalten haben: Claudia Kern nimmt nach langen Jahren Matt und Aruula noch einmal unter ihre Fittiche und führt sie im winterlichen Seattle in das riesige Zelt einer postapokalyptischen Talentshow, bei der ein Sieg zwar das Überleben, aber noch lange keinen Ruhm bedeutet...

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Ende Oktober 2545

Come as you are, as you were …“ Matthew Drax sang leise vor sich hin. Aruula saß mit geschlossenen Augen neben ihm und döste. Im Rückspiegel hing eine blassgelbe Sonne tief über dem Horizont. Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Am Morgen hatte es angefangen zu schneien. Die grauen Wolken, die dem Tag das Licht raubten, kündigten noch mehr Schnee an.

Willkommen in Washington State, dachte Matt. Dem Regenloch Amerikas.

Sein Großvater hatte eine Jagdhütte in den Regenwäldern südlich von Seattle besessen. Die Hütte gab es wohl seit Jahrhunderten nicht mehr und auch die Wälder waren verschwunden. Matt steuerte PROTO durch eine hügelige, karge Landschaft: gelbes hartes Gras, grauer Fels und Nadelbäume. An einigen geschützten Stellen lag Schnee.

Sie fuhren nach Norden, Richtung Kanada. Von den Schwarzen Philosophen hatten sie seit Hunderten von Kilometern nichts mehr gesehen. Sie durften also hoffen, dass ihr Täuschungsmanöver mit dem Klon funktioniert hatte und sie ihn für tot hielten.1 Jetzt ging es darum, möglichst rasch über die Land- und Eisbrücke von Alaska nach Russland zu gelangen und dann weiter nach Nepal. Dort hatten sie sich mit Juefaan verabredet, Rulfans Sohn, der nach dem Hauptquartier der Philosophen forschen wollte. Anhand des Symbionten, den er stets bei sich trug, würden sie ihn punktgenau lokalisieren können. Denn das lebende, formbare Gewebe war als Artefakt gekennzeichnet und wurde vom Scanner angezeigt.

Ob er inzwischen erfolgreich gewesen war? Immerhin lag es schon ein halbes Jahr zurück, dass sie sich in Marseille getrennt hatten. Hoffentlich nicht zu erfolgreich; Matt wusste um Juefaans ungestümen Charakter und hoffte, dass der Junge sich nicht zu weit vorgewagt hatte, sondern – wie versprochen – beobachtete und abwartete, bis er und Aruula zu ihm stießen.

Das Wetter war während der letzten Tage beständig schlechter geworden, die Siedlungen seltener. Doch nun sah Matthew Anzeichen einer größeren Stadt. Sie rollten ab und zu an Menschen vorbei, die Karren hinter sich herzogen oder erlegtes Wild auf den Schultern trugen. Manche sprangen beim Anblick des Amphibienpanzers erschreckt zur Seite oder fielen auf die Knie, aber die meisten blieben nur kurz stehen und gingen dann weiter. Die Menschen lebten in einer seltsamen Welt und hatten sich an seltsame Dinge gewöhnt.

„Come as you are, as you were …“

PROTO fuhr einen steilen Hügel hinauf. Durch die Cockpitscheibe sah Matt einen Mann, der unter einem Felsvorsprung hockte und auf Dörrfleisch herumkaute. Er trug einen rotweiß gestreiften Plastikkegel auf dem Kopf, an dem kleine Glöckchen hingen. Als er PROTO sah, stand er auf, nahm den Kegel ab und verbeugte sich tief. Auf seine Glatze hatte er mit Asche einen Smiley gemalt. Matt schüttelte den Kopf. Leute gibt’s …

„Come as you are, as you were …“ Seit Stunden versuchte Matt, sich an die nächste Textzeile zu erinnern. Er war mit dem Song im Ohr aufgewacht; kein Wunder, wenn er daran dachte, welcher Stadt sie sich näherten. Umso unverzeihlicher war es, dass ihm die Zeile nicht einfiel.

Sie erreichten die Hügelkuppe. Matt bremste PROTO scharf ab und richtete sich im Fahrersitz auf. Vor ihm erstreckte sich ein Tal zwischen einem halb zugefrorenen See und dem grauen Meer. Hütten lehnten an den Ruinen ausgebrannter, moosüberzogener Hochhäuser. Rauch stieg von Hunderten Feuerstellen auf und verschwand im grauen Himmel.

Zwischen den Hütten erhob sich die Space Needle, das Wahrzeichen der Stadt. Der elegant geschwungene, fast schon filigran wirkende schmale Turm ragte fast zweihundert Meter hoch in den Himmel und endete in einer untertassenähnlichen Plattform, in der sich einmal ein Restaurant befunden hatte. Die Metallspitze, die auf ihr saß, war abgeknickt, aber sonst hatte die Space Needle die Jahrhunderte erstaunlich gut überdauert.

Schlingpflanzen und Moos wuchsen auf den Metallverstrebungen und der Rauch der Feuerstellen hatte den einst weißen Turm schmutzig grau gefärbt. Matts Blick blieb am unteren Teil der Space Needle hängen, der von einem riesigen Zelt verdeckt wurde. Bunte Fahnen flatterten im Wind. Matt war zu weit weg, um Menschen erkennen zu können, aber nach der Anzahl der Rauchsäulen zu urteilen, war dies das Zentrum der Stadt.

„Seattle“, sagte er leise. „Was haben sie nur mit dir gemacht?“

Aruula gähnte und öffnete die Augen. „Sind wir schon da?“

„Fast.“ Matt sah an der Stadt vorbei zu der Ursache seines Bremsmanövers. Ein gewaltiger Gletscher erhob sich hinter Seattle. Seine Ausläufer ragten weit ins Land hinein und er war so hoch, dass er mit den Wolken zu verschmelzen schien. Er musste Hunderte Kilometer breit sein. „Die Frage ist nur“, sagte Matt, „wie kommen wir hier weiter?“

Aruula betrachtete die Eiswand durch PROTOs Scheiben. Sie sah aus wie eine gewaltige Welle, die die Siedlung unter sich hatte begraben wollen, aber mitten in der Bewegung eingefroren worden war.

Vielleicht hat Wudan dafür gesorgt, dass die Stadt verschont blieb, dachte Aruula, ohne es auszusprechen. Sie wusste, dass Maddrax Probleme mit Göttern hatte. Er hätte ihr nur erklärt, wie ein Gletscher entstand.

„Seattle war eine der besten Städte Amerikas“, sagte er gerade, während PROTO langsam den Hügel herunterfuhr. „Ich habe damals versucht, mich hier stationieren zu lassen, aber es hat nicht geklappt.“

Aruula betrachtete die Ruinen und die kleinen ärmlichen Hütten, die sich an sie lehnten. Im Schneegestöber wirkte alles grau.

„Wieso wolltest du hierher?“

Maddrax hob die Schultern. „Es war eine Stadt, die neue Impulse hervorbrachte, in der viel passierte. Grunge, Kurt Cobain … ich weiß noch genau, wo ich war, als ich von seinem Tod erfuhr.“

„Wer war er?“, fragte Aruula. Sie ahnte, dass sie nach der Antwort nicht schlauer sein würde als vorher, aber sie bemühte sich auch nach all der Zeit noch, die Welt, die er hinter sich gelassen hatte, zu verstehen. Ihre Vorfahren hatten schließlich in ihr gelebt. Es war auch ihre Vergangenheit, irgendwie.

„Ein Sänger“, sagte Maddrax. Er lenkte PROTO auf die schmale Straße, die gerade wie ein Pfeil auf die Stadt zuführte. Karren hatten tiefe Spuren in den halbgefrorenen Lehm gegraben. „Er sang in einer Band … in einer Musikantentruppe namens Nirvana. Ihre Musik drückte das Lebensgefühl einer ganzen Generation aus.“

„Wie ist er gestorben?“ Aruula entdeckte einen großen, von einer Androne gezogenen Karren, der in einiger Entfernung neben der Straße stand. Einige Männer hielten sich in seiner Nähe auf.

„Er hat sich erschossen“, sagte Maddrax.

„Wenn er so gesungen hat wie du, kann ich das verstehen.“ Es war nicht als Scherz gemeint, nur als Feststellung, aber Maddrax lachte trotzdem leise.

„Nein, hat er nicht.“

Aruula hörte die Traurigkeit hinter dem Lachen. Er würde seine Welt immer vermissen, egal, wie lange er in ihrer lebte.

Schweigend fuhren sie weiter. Aruula strich sich über die Haare. Es war eine unbewusste Geste, die ihr erst bewusst wurde, als ihre Finger die Haut ihres Nackens berührten. Sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, wie kurz ihr Haar jetzt war. Ihr Kopf fühlte sich leichter an, seit sie es geopfert hatte, um Maddrax zu retten, und es kitzelte nicht mehr auf ihren nackten Schultern, wenn sie sich nachts zum Schlafen hinlegte.2 

Es wird nachwachsen, dachte sie. Der Gedanke tröstete sie.

„Was ist denn da los?“ Maddrax zeigte auf den Karren, dem sie nun deutlich näher gekommen waren. Aruula sah, wie hoch er beladen war, aber nicht, was sich unter der mit groben Stricken festgezurrten Plane befand. Vier Männer standen ein paar Schritte von dem Karren entfernt im Gras. Drei von ihnen umringten einen vierten. Der hatte die Hände erhoben.

„Der Typ scheint Ärger zu haben“, sagte Maddrax und stoppte PROTO.

Er hat Ärger, nicht wir.“ Aruula legte ihm die Hand auf den Arm. „Du weißt nicht, worum es geht. Die drei Männer könnten Gesetzeshüter sein, die einen Dieb gefangen haben.“

„Oder es sind Diebe, die einen Gesetzeshüter gefangen haben.“ Maddrax lächelte. „Das werden wir erst herausfinden, wenn wir mit ihnen reden.“

Er fuhr PROTO rückwärts in eine Senke neben dem Weg. Die Männer waren nun nicht mehr zu sehen, aber dafür konnten sie den Amphibienpanzer auch nicht sehen. Aruula glaubte nicht, dass sie ihn bereits bemerkt hatten. Das Schneegestöber war dicht, der Wind heulte und die Männer waren abgelenkt.

„Du willst dich ihnen stellen?“, fragte sie.

„Warum nicht?“ Maddrax klopfte auf den Griff seiner Laserpistole. „Ist ja nicht so, als wäre ich wehrlos.“ Er zuckte die Schultern und fügte hinzu: „Außerdem ist das eine gute Gelegenheit, mehr über die Stadt und ihre Bewohner zu erfahren.“

Er ließ die Rampe herunter und stand auf, bevor Aruula einen weiteren Einwand vorbringen konnte. Seufzend nahm sie ihr Schwert, das wie immer neben ihrem Sitz lag, und folgte ihm nach draußen. Sie wusste, dass sie Maddrax nicht von seinem Plan abbringen würde. Er hatte ein für ihre Welt äußerst ungesundes Gerechtigkeitsempfinden, das ihn immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Und sie mit ihm.

Ein Teil von ihr liebte ihn dafür, dass er nicht bereit war, sich der allgegenwärtigen Barbarei anzupassen, ein anderer...



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