E-Book, Deutsch, Band 3, 571 Seiten
Reihe: Joe Goldberg
Kepnes You Love Me
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7363-1401-6
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Band 3 zur NETFLIX-Serie
E-Book, Deutsch, Band 3, 571 Seiten
Reihe: Joe Goldberg
ISBN: 978-3-7363-1401-6
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der neue Roman von der Autorin des Serienhits YOU auf NETFLIX
Joe Goldberg hat zwei Dinge satt: Großstädte und die Liebe. Um beidem zu entfliehen, zieht er sich auf eine idyllische Insel im Pazifischen Nordwesten zurück. Hier kann er eins mit der Natur sein - und endlich wieder durchatmen. Doch als er einen Job in der örtlichen Bibliothek annimmt, trifft er sie: Mary Kay DiMarco. Fest entschlossen, die Fehler seiner Vergangenheit nicht zu wiederholen, versucht Joe, Mary Kay auf die altmodische Art zu erobern - und er kann nur für sie hoffen, dass sie auch bereit ist, sich erobern zu lassen ...
'Caroline Kepnes erschafft komplexe Charaktere, die uns dazu zwingen, uns mit unseren eigenen Fehlern und Widersprüchen auseinanderzusetzen. Joe ist zurück - und mit ihm all die Gründe, warum wir es lieben, ihn zu hassen.' NICOLA YOON
Band 3 der SPIEGEL-Bestseller-Reihe
Caroline Kepnes hat einen Abschluss in Kulturwissenschaften und lebt inzwischen in Los Angeles. Mit ihrem Debütroman YOU - DU WIRST MICH LIEBEN landete sie einen weltweiten Erfolg. Die NETFLIX-Verfilmung der Reihe um Joe Goldberg hat Millionen von Zuschauer:innen begeistert.
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1
Ich glaube, du bist diejenige, mit der ich telefoniert habe, die Bibliothekarin, deren Stimme so weich ist, dass ich mir anschließend sofort einen Kaschmirpullover gekauft habe. Warm und sicher. Du hast mich vor drei Tagen angerufen und mir die Stelle in der Bainbridge Public Library zugesagt. Das Gespräch hatte kurz sein sollen. Flüchtig. Du: Mary Kay DiMarco, Leiterin der Bibliothek. Ich: Joe Goldberg, ehrenamtlicher Mitarbeiter. Aber die Chemie zwischen uns hat gestimmt. Wir haben ein paarmal gelacht. Die Melodie deiner Stimme ging mir unter die Haut, und ich wollte dich googeln, habe es aber nicht getan. Frauen merken, wenn ein Mann zu viel weiß, und ich wollte gelassen wirken. Ich bin zu früh, und du bist eine heiße Frau – falls du es überhaupt bist, bist du es? –, und du unterhältst dich mit einem Stammkunden – ich rieche Mottenkugeln und Gin –, und du bist sexy, aber verhalten, versteckst deine Beine in blickdichten schwarzen Strumpfhosen, die genauso viel verbergen wie RIP Becks vorhanglose Fenster offenbart haben. Du erhebst deine Stimme – du willst, dass der alte Mann einen Haruki Murakami mitnimmt –, und jetzt bin ich mir sicher. Du bist diejenige vom Telefon, aber, ach du Scheiße, Mary Kay.
Bist du die Richtige für mich?
Ich weiß. Du bist eine Frau, kein Gegenstand, und bla, bla, bla. Könnte durchaus sein, dass ich jetzt »projiziere«. Ich kenne dich kaum und bin durch die Hölle gegangen. Ich wurde mehrere Monate meines Lebens im Gefängnis festgehalten. Ich habe meinen Sohn verloren. Ich habe die Mutter meines Sohnes verloren. Es ist ein Wunder, dass ich nicht tot bin, und ich will verdammt noch mal sofort mit dir reden, aber jetzt übe ich mich erst in Geduld und entferne mich ein wenig. Dein Bild hängt in der Nähe der Lobby an der Wand, und es ist die endgültige Bestätigung. Du bist Mary Kay DiMarco, und du arbeitest seit sechzehn Jahren in dieser Bibliothek. Du hast einen Master in Bibliothekswissenschaft. Ich fühle mich neu. Kraftlos. Aber dann räusperst du dich – ich bin nicht mehr ganz so kraftlos –, und ich drehe mich um, du zeigst das Peace-Zeichen und lächelst mich an. Zwei Minuten. Ich erwidere dein Lächeln sofort. Lass dir Zeit.
Ich weiß, was du denkst – Was für ein netter Kerl, so geduldig –, und zum ersten Mal seit Monaten ärgert es mich nicht, dass ich mir verdammt noch mal die Mühe machen muss, nett zu sein und geduldig. Weißt du, ich habe auch keine andere Wahl mehr. Ich muss Mr Scheißfreundlich sein. Das ist die einzige Möglichkeit, um sicherzugehen, dass ich dem amerikanischen Unrechtssystem nie wieder zum Opfer falle. Jede Wette, dass du noch keine Erfahrung mit diesem System gemacht hast. Ich dagegen weiß alles über dieses abgekartete Monopoly-Spiel. Ich habe meine »Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei«-Karte eingesetzt – danke, ihr reichen Quinns! –, aber ich war auch naiv – fickt euch, ihr reichen Quinns –, und von mir aus werde ich den ganzen Tag lang auf dich warten, denn wenn auch nur eine einzige Person in dieser Bibliothek den Eindruck hätte, ich könnte eine Bedrohung darstellen … also, ich werde kein Risiko eingehen.
Dir zuliebe gebe ich mich demütig – ich schaue nicht aufs Handy, sondern beobachte, wie du dich am Bein kratzt. Du wusstest, dass du mir heute zum ersten Mal im wirklichen Leben begegnen würdest … und hast du diesen Rock für mich gekauft? Könnte sein. Du bist älter als ich, dreister als ich, wie ein Highschool-Mädchen im Vergleich zu einem Achtklässler, und ich sehe dich vor mir, in den Neunzigern, als wärest du dem Titelblatt von Sassy entstiegen. Du hast immer weitergemacht, bist durch die Zeit marschiert und hast darauf gewartet, aber doch nicht wirklich darauf gewartet, dass dir ein guter Typ über den Weg läuft. Und jetzt bin ich hier – unser Timing ist perfekt –, und die Mottenkugel »liest« den Murakami, während du mir einen Blick zuwirfst – Siehst du, was ich da gerade getan habe? Und ich nicke.
Ja, Mary Kay. Ich sehe dich.
Du bist die Mutter der Bücher, stehst steif wie ein Roboter in einem Dienstmädchenkostüm da – dein Rock ist wirklich ein wenig kurz – und du umfasst deine Ellenbogen, während die Mottenkugel im Akkord Seiten umblättert, als würdest du auf Kommission arbeiten, als wärst du darauf angewiesen, dass er dieses Buch ausleiht. Bücher sind dir wichtig, und ich gehöre hierher, zu dir und zu deinen hervortretenden Fingerknöcheln. Du bist eine Bibliothekarin, mir als Buchhändler weit überlegen, und die Mottenkugel braucht hier keine Kreditkarte zu zücken, und, ach, stimmt ja. In Amerika gibt es tatsächlich auch gute Dinge. Die Dewey-Fucking-Dezimalklassifikation hatte ich ganz vergessen, und Dewey war als tyrannisch berüchtigt, aber trotzdem darf man nicht vergessen, was er für dieses Land getan hat!
Der alte Mann tätschelt seinen Murakami. »Okay, Schätzchen, ich lass Sie wissen, wie es mir gefällt.«
Du lächelst – du magst es, »Schätzchen« genannt zu werden – und erschauerst. Du fühlst dich schuldig, weil du nicht empört bist. Du bist halb Schätzchen und halb die Chefin – und eine Leserin. Eine Denkerin. Du siehst beide Seiten. Du zeigst mir wieder das Peace-Zeichen – noch zwei Minuten –, und du ziehst noch eine kleine Show für mich ab. Du sagst zu einer Mutter, dass ihr Baby niedlich ist – hä, nicht wirklich –, und alle lieben dich, oder? Dich mit deinem unordentlichen Haarknoten hoch oben auf deinem Kopf, der lieber ein Pferdeschwanz sein würde, und deiner Kleidung, die ein Protest gegen die anderen Bibliothekarinnen in ihren sackartigen Oberteilen und langen Hosen ist. Man sollte meinen, dass du die anderen damit abschreckst, aber nein, tust du nicht. Du sagst oft klar, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich da eine vernünftige Diane Keaton mit einer albernen Diane Keaton gepaart hat und dass diese beiden dich für mich erschaffen haben. Ich richte meine Hose – Behutsam, Joseph – und habe dieser Bibliothek einhunderttausend Dollar gespendet, um die Stelle als ehrenamtlicher Mitarbeiter zu ergattern, und du kannst den Staat Kalifornien fragen, oder den Barista vom Pegasus oder meine Nachbarin, deren Hund heute Morgen schon wieder auf meinen Rasen gekackt hat, aber sie werden dir alle das Gleiche sagen.
Ich bin ein verdammt netter Mensch.
Das ist eine richterlich bestätigte Tatsache. Ich habe RIP Guinevere Beck nicht ermordet, und ich habe RIP Peach Salinger nicht ermordet. Ich habe meine Lektion gelernt. Wenn irgendjemand das Schlechteste in mir zutage bringt, ergreife ich die Flucht. RIP Beck hätte auch weglaufen können – ich war nicht gut für sie, sie war noch nicht reif genug für die Liebe –, aber sie ist geblieben, weil sie genauso wie diese unglückseligen, dürftig charakterisierten, selbstzerstörerischen Frauen in diesen Horrorfilmen war, und auch ich bin kein Stück besser gewesen. An dem Tag, an dem ich RIP Peach kennengelernt habe, hätte ich mich von ihr abnabeln sollen. Ich hätte Love verlassen sollen, nachdem ich ihren soziopathischen Bruder kennenlernt hatte.
Ein Mädchen im Teenageralter kommt in die Bibliothek gesaust und rempelt mich an und holt mich in die Realität zurück – keine Entschuldigung – und ist so flink wie ein Erdmännchen, und du blaffst sie an: »Nicht Columbine, Nomi. Das ist mein Ernst.«
Aha, das Erdmännchen ist also deine Tochter, und ihre Brille ist zu klein für ihr Gesicht, und wahrscheinlich trägt sie sie auch nur, weil du ihr gesagt hast, dass sie nicht gut aussieht. Sie ist trotzig. Mehr streitlustiges Kleinkind als mürrischer Teenager, und sie zerrt eine dicke weiße Ausgabe von Columbine aus ihrem Rucksack. Sie zeigt dir den Mittelfinger, und du zeigst ihr den Mittelfinger. Deine Familie ist witzig. Ist da ein Ring an deinem Finger?
Nein, Mary Kay. Da ist keiner.
Du greifst nach dem Columbine des Erdmännchens, sie stürmt nach draußen, und du folgst ihr zur Tür hinaus – eine kleine, ungeplante Unterbrechung. Und mir fällt wieder ein, was du mir bei unserem Telefonat erzählt hast.
Deine Mom war eine Mary-Kay-Lady, unbarmherzig geschäftstüchtig und wettbewerbsorientiert. Du bist in Phoenix auf den Böden diverser Wohnzimmer aufgewachsen, wo du mit Barbies gespielt hast, während du ihr dabei zugesehen hast, wie sie Frauen mit untreuen Ehemännern dazu beschwatzt hat, ihr Lippenstifte abzukaufen, die ihre betrügerischen Gatten möglicherweise dazu animieren würden, zu Hause zu bleiben. Als könnte ein Lippenstift eine Ehe retten. Deine Mutter war gut in ihrem Job, fuhr einen rosa Cadillac, dann aber haben sich deine Eltern getrennt. Du bist mit deiner Mutter nach Bainbridge gezogen, und sie hat eine Hundertachtziggradwende vollzogen und begonnen, Patagonia statt Pancake-Make-up zu verkaufen. Du hast erzählt, dass sie vor drei Jahren gestorben ist, und dann hast du tief durchgeatmet und gesagt: »Okay, das waren jetzt etwas zu viele Informationen.«
Aber es war nicht zu viel, ganz und gar nicht, und du hast mir noch mehr erzählt: Dein Lieblingsplatz auf der Insel ist Fort Ward, und du magst die Bunker und hast ein Graffito erwähnt. Gott tötet jeden. Ich habe zu dir gesagt, dass das stimmt, und du wolltest wissen, woher ich komme, und ich habe dir erzählt,...