Kelly | Spur der Knochen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 403 Seiten

Reihe: Mord in Cambridgeshire

Kelly Spur der Knochen

Kriminalroman | Mord in Cambridgeshire 5 - In dieser englischen Kleinstadt bleibt kein Verbrechen ungesühnt
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98690-702-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman | Mord in Cambridgeshire 5 - In dieser englischen Kleinstadt bleibt kein Verbrechen ungesühnt

E-Book, Deutsch, Band 5, 403 Seiten

Reihe: Mord in Cambridgeshire

ISBN: 978-3-98690-702-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Denn einer blieb zurück ... Seit das Dorf Jude's Ferry vor siebzehn Jahren für einen Militärstützpunkt geräumt wurde, liegt es verlassen inmitten der Moorlandschaften von Cambridgeshire. Einst war die kleine, traditionsbewusste Gemeinde dafür bekannt, dass sich dort noch nie ein einziges Verbrechen ereignet hat ... doch bei einem Manöver wird nun in einem der Keller ein Skelett gefunden, aufgehängt an einer Schlinge. Und plötzlich scheint grauenhaft klar: Nicht alle haben damals das Dorf verlassen ... Auf der Suche nach einer explosiven Story muss Lokalreporter Philip Dryden bald erkennen, dass die einstigen Dorfbewohner in ein dunkles Netz aus Lügen und Hass verstrickt sind. Als ein verstümmelter Mann aus einem Fluss geborgen wird, weiß Dryden: Die alte Schuld ist noch lange nicht beglichen worden ... Der düster-fesselnde England-Krimi »Spur der Knochen« von Jim Kelly ist der fünfte Band seiner düster-atmosphärischen »Mord in Cambridgeshire«-Reihe, die Fans von Katherine Webb und Mary Ann Fox begeistern wird.

Jim Kelly, geboren 1957, arbeitet seit vielen Jahren als Korrespondent der Financial Times in London. »Tod im Moor« war sein hochgefeiertes Krimidebüt, für das er unter anderem mit dem »Dagger Award«, dem größten britischen Krimipreis ausgezeichnet wurde. Jim Kelly lebt mit seiner Familie in Ely, Cambridgeshire, die auch Schauplatz seiner Krimireihe um Philip Dryden ist. Bei dotbooks veröffentlichte Jim Kelly seine Krimireihe »Mord in Cambridgeshire«: »Tod im Moor« »Kein Ort zum Sterben« »Dunkler als ein Grab« »Kalt wie Blut« »Spur der Knochen«
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Kapitel 3


Von der Vorhalle der Kirche blickte Dryden auf Jude’s Ferry hinab. St. Swithun’s stand auf einem dreißig Fuß hohen Hügel, einem wahren Berg im billardtischebenen Fenn, der höchsten Erhebung einer flachen Lehminsel, die seit mehr als tausend Jahren bewohnt gewesen war. Schockartig wurde ihm bewusst, dass er vor siebzehn Jahren, am Tag der Räumung, an exakt derselben Stelle gestanden und auf ein Dorf hinabgesehen hatte, in dem es nur so wimmelte von Umzugswagen, Armeelastern, Autos, Vieh, von Presseleuten, Radio- und Fernsehteams, sowie einer kleinen, aber umso lautstärkeren Schar von Kindern. An den Armeezelten am alten Sportplatz flatterten die Wimpel, und entlang der alten Whittlesea Road trieb man die letzten Schafe zusammen, ihr Blöken durchdringend und verängstigt.

Es war ein unvergesslicher Auftrag gewesen. Ursprünglich hatte die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Heeres den Kontakt zwischen Dorfbewohnern und Medienvertretern strikt auf eine vormittägliche Pressekonferenz im methodistischen Gemeindesaal beschränken wollen. Am Sonntag, dem Festtag des Heiligen Swithun, waren die Printmedien dem Dorf ferngeblieben, um den Bewohnern die Chance zu lassen, das Namensfest ein letztes Mal in Ruhe zu begehen. Gleich am Montagmorgen aber karrte ein Bus die gesammelten Presse- und Fernsehleute von Ely durch die Tore des Truppenübungsplatzes und bis zur Methodistenkirche – die bis auf den letzten Platz mit fast allen der noch verbliebenen Dorfbewohner gefüllt war. Es war eine etwas gezwungene Veranstaltung gewesen, geprägt von einem alten Veteranen, dem man zuvor ganz offenkundig eingeflüstert hatte, er solle aufstehen und verkünden, wie stolz es ihn doch mache, dass das Dorf seinen Teil zum Kampf für die Freiheit beitragen könne. Zur Feier des Tages hatte er all seine Orden angelegt, und die Fernsehleute stürzten sich geradezu auf ihn, heilfroh, ihren Filmbericht rechtzeitig für die Mittagsnachrichten im Kasten zu haben. Zwei Frauen, beide verwitwet, erklärten, sie seien stolz auf das, was das Dorf in zwei Weltkriegen geleistet habe – eine Aussage, die prompt einen Dreh oben am Kriegerdenkmal erforderlich machte, am Ende von The Dring, der kleinen Hauptstraße des Dorfes, die von einem offenen, mit hohem Schilf überwucherten Abzugsgraben flankiert war.

Dryden, der sich das nicht entgehen lassen wollte, kam mit und bemerkte an der Türschwelle des New Ferry Inn einen Mann, offenbar der Wirt, der dort saß, Tee trank und aus erschöpften, rot geränderten Augen zusah. Er war noch jung, trug das dichte, braune Haar in einer windschiefen Bauernfrisur und ließ die Schultern resigniert hängen. Neben ihm eine Frau, die Beine nackt und untergeschlagen, das Haar aus dem bleichen Gesicht gekämmt, das T-Shirt verknittert. Mit dem Handballen rieb sie sich ein Auge, um die Erschöpfung zu vertreiben, oder eine Erinnerung. Ihre Blicke begegneten sich, und er lächelte, doch sie floh, und als sie die Pubtür öffnete, standen dort auf dem mit Bruchsteinen gefliesten Boden des Schankraums die Umzugskartons.

Der Mann ließ sie ziehen, goss den Tee in den Staub.

Die übrigen Dorfbewohner betrachteten mürrisch und argwöhnisch das wenig überzeugende Theater, das man für die Medien inszenierte: der alte Veteran, vor dem Kriegerdenkmal in Positur gebracht wie ein lebendes Requisit, flankiert von den Witwen. Dem Gasthaus gegenüber lag ein Ensemble aus vier Naturstein-Reihenhäusern, ein privater Seniorenwohnsitz aus vier kleinen viktorianischen Burgen, komplett mit Maßwerkfenstern und gotischem Eisenbeschlag. Die Bewohner, vier betagte Herren und eine Dame, saßen draußen auf einer Bank, stoisch, angesichts dieser unschönen Invasion ihres Dorfes. Dann gellte ein Schrei von The Dring her, wo zwei Soldaten eine alte Frau von der Tür ihres Häuschens losreißen wollten und nicht verbergen konnten, dass die Dame keineswegs freiwillig ging.

Die Frau war wacklig auf den Beinen und weinte. »Bitte«, flehte sie wieder und wieder, »bitte nicht.« Ihr Gesicht war zu einer Maske der Angst erstarrt, wie bei einem kleinen Kind.

Die Menge wurde unruhig, vereinzelt wurde gebuht und von irgendwo flog ein Ziegelstein auf die Motorhaube eines Armee-Landrovers. Steine und Dreck schwirrten durch die Luft, und an den Fernsehkameras flammten die Scheinwerfer auf. Die ältere Dame war in Ohnmacht gefallen und musste mehr oder weniger in den bereitstehenden Krankenwagen getragen werden, hinter ihr aber vernagelte man bereits die Tür ihres Hauses. Weiter unten am Dring zog ein Trupp Soldaten von Haus zu Haus, versperrte Türen mit Vorhängeschlössern und schloss die Fenster. Glas ging zu Bruch, und wieder buhte die Menge.

»Ihr könntet wenigstens so viel Anstand haben zu warten, verdammt noch mal«, brüllte ein Mann, das Gesicht vom Alkohol rot und aufgedunsen.

»Beruhigt euch, Jungs«, mahnte jemand, und die Menge schreckte sichtlich zusammen. »Es gibt Freibier – das darf doch nicht verkommen.« Es war der junge Mann von der Pubtür, den Teebecher noch immer in der Hand. »Für Randale ist es jetzt zu spät – es ist vorbei.«

Dryden versuchte sein Alter zu schätzen – Mitte zwanzig vielleicht, aber es ging eine abgeklärte Autorität von ihm aus, die ihn älter wirken ließ. Er führte die gesamte Meute zum Gasthaus, wo die Soldaten auf Klapptischen Ein-Mann-Packungen zum Mittagessen bereithielten, dazu stand im Schatten ein letztes Fass Stout aufgebockt. Man raunzte noch ein wenig herum, aber es war klar, dass den Versammelten für einen richtigen Kampf das Herz fehlte. Ihr Stolz war es, der auf dem Spiel stand, nicht ihre Häuser. Die waren verloren.

Die Soldaten erspürten die Stimmung und zogen sich still in die Zelte zurück, akkurate Reihen aus gebleichtem Weiß, wie ein Pfadfinderlager. Dryden versuchte den Männern am Gasthaus den einen oder anderen O-Ton zu entlocken, doch die meisten schüttelten nur den Kopf, beschämt über die eigene Ohnmacht, nun, da das Ende gekommen war.

Für die Pressevertreter stand das Mittagessen im Obstgarten unterhalb der Kirche bereit, im Schatten einer ungeschlachten, von einem Kiesweg umsäumten, georgianischen Villa. Das Portal wurde von zwei steinernen Säulen bewacht, in die die Worte »Orchard House« eingemeißelt standen. Die Fenstersteuer hatte das Haus eines Teils seiner Pracht beraubt, dennoch war es gar kein Vergleich zum Rest des Dorfes, auf das man über gestutzte Hecken von der Beletage hinabsah. Bis zum Fluss hinunter reichten die Rasenflächen, die, parallel zum Treidelpfad, von einem tiefen Wassergraben durchschnitten wurden: Relikt eines ehemaligen Burggrabens. Dryden legte sich auf die Wiese, überflog seine Notizen und versuchte sich vorzustellen, wie das Dorf zu seiner Blütezeit im neunzehnten Jahrhundert ausgesehen haben mochte, als man am Kai noch Unmassen von Zuckerrüben umschlug und der bleistiftdünne Schlot des Werks beißenden Qualm spuckte.

Die übrigen Pressevertreter drängten sich dicht am Herrenhaus, wo die Armee Getränke ausgab, daher hörte nur er allein das Krächzen des Fensterladens im Obergeschoss, sah nur er den jungen Mann, der vom Fenster der Villa in den Obstgarten blickte. Eine Hand auf dem Fenstersims, die andere gegen die grelle Sonne vor die Augen gelegt, bewegte er sich mit der Trägheit eines Patriziers. Dann zog er sich in die Schatten zurück, und Dryden fragte sich, welcher letzte Akt des Abschiednehmens sich dort drinnen wohl abspielen mochte. Nun drangen Stimmen an Drydens Ohr, jemand machte im Zimmer Licht und ein anderer zog eilends den Fensterladen zu. Sprachlos erkannte Dryden den Wirt wieder, der über die Schulter gewandt zu jenen sprach, die ungesehen dort versammelt waren.

Dann hörte man die Kupplung des öffentlichen Busses knirschen, und die Pressemeute erhob sich stumm, um der Abfahrt der letzten Dorfbewohner zuzusehen. Und als der Bus dann auf der Church Street vorbeifuhr, da wandten viele den Kopf vom Fenster ab, und schließlich war da nichts weiter als eine bernsteingelbe Wolke, die hinaus auf Whittlesea Mere zog. Kurz darauf brachten von Westen her drei Armeelaster die Soldaten ins Dorf, die die Häuser durchsuchen, den Bestand feststellen und die Zielobjekte für den ersten scharfen Beschuss vorbereiten sollten.

Dryden sah auf die Szenerie hinab, wie sie sich ihm heute darbot, die ehemaligen Kleingärten waren von spätsommerlichen Himbeeren zugewuchert, und nur die verfallenen Hütten stachen hier und dort noch durch die Oberfläche wie Treibgut auf einem grünen Meer. Die einzigen Laute, die vom Dorf her drangen, waren nicht menschlicher Natur: In den Pappeln am Fluss schrien die Saatkrähen, und irgendwo rüttelte der warme Wind an den rostigen Angeln eines Gartentors.

Er ließ den Blick durch den Obstgarten schweifen, in dem sie damals zu Mittag gegessen hatten. Das alte, verbarrikadierte Herrenhaus stand noch, aber das Dach war löchrig und sackte in der Mitte durch, einer der Kamine neigte sich gefährlich. Die Obstbäume, seit beinahe zwei Jahrzehnten unbeschnitten, trugen schwer an Äpfeln, und der alte Burggraben war nur noch eine morastige Kloake. An einem Fenster war das Holz des Ladens vermodert, und Drydens Herz blieb stehen, als sich am Fensterbrett etwas bewegte, etwas Schwarzes, das im Sonnenlicht blitzte. Doch als er genauer hinsah, erkannte er eine Saatkrähe, die sich durch die Öffnung zwängte und das Gefieder schüttelte. Dann flog sie tief über die Gartenmauer zum Fluss.

Er beeilte sich, um zu Major Broderick aufzuschließen, der mit seinem Zug über die Straße, deren zerbombter Belag im Lauf der Jahre von den Pionieren ein ums andere Mal geflickt wurde, ins Dorf einmarschierte. Wuchtige Betonkorsette bewahrten eine Reihe viktorianischer Häuschen vor dem Einsturz. Etliche Häuser waren komplett durch...



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