Kehrer | Wilsberg - Ein bisschen Mord muss sein | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 19, 189 Seiten

Reihe: Wilsberg

Kehrer Wilsberg - Ein bisschen Mord muss sein

Wilsbergs 19. Fall
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-89425-192-5
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wilsbergs 19. Fall

E-Book, Deutsch, Band 19, 189 Seiten

Reihe: Wilsberg

ISBN: 978-3-89425-192-5
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit Erstaunen hat Georg Wilsberg den Werdegang seines Studienkumpels Wolfram Schniederbecke verfolgt: Aus dem früheren Punkmusiker ist ein gefeierter Schlagerstar geworden, mit ›Goldstück‹ hat Wolf Schatz, wie sich Schniederbecke nun nennt, einen Riesenhit gelandet. Und mit Erstaunen nimmt der Privatdetektiv zur Kenntnis, um was ihn Schatz bittet - der Sänger hat Spielschulden und möchte, dass Wilsberg einen Geldkoffer überbringt.

Nicht zuletzt, weil ein bezahlter Auftrag mal wieder zur rechten Zeit kommt, willigt Wilsberg ein. Doch bei der Übergabe des Koffers stellt sich alles anders dar, als es Schatz beschrieben hat - und am Ende ist der beliebte Schlagersänger tot …

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1 Ich war älter geworden. Noch nicht alt genug, um morgens keine Lust zum Aufstehen zu verspüren. Und doch längst aus dem Alter heraus, in dem mich noch etwas überraschen konnte. Bei der Arbeit. Im Leben. Die Aufträge, die ich als Privatdetektiv bekam, ließen sich in drei oder vier Kategorien einteilen. Ebenso wie meine Auftraggeber. Die gleichen Pappnasen wie vor zwanzig Jahren. Schon auf den ersten Blick kannte ich ihre Probleme – und auch die Lösungen. Sagte sie ihnen natürlich nicht sofort, schließlich musste ich Geld verdienen. Außerdem hatten sie einen Anspruch darauf, sich für einmalig zu halten. Also hörte ich ihnen interessiert zu, stellte Fragen, machte mir Notizen, fuhr ein bisschen herum, legte mich auf die Lauer, redete mit ergiebigen und unergiebigen Zeugen, schrieb Berichte und machte ein Häkchen unter den Fall, wenn meine Rechnung beglichen worden war. Zum Glück gab es immer noch genug Menschen, die enttäuscht oder betrogen wurden – oder einfach nur krankhaft misstrauisch waren. Irgendwann würde ich zu alt für diesen Mist sein. Aber daran wollte ich lieber noch nicht denken. Vielleicht lag es auch am kaltnassen Winterabend, dass mein Gefühlszustand mit jedem Tritt in die Pedale trüber wurde. In Münster gab es durchaus schöne Monate – der Januar gehörte definitiv nicht dazu. Beinahe hätte ich es deshalb abgelehnt, meine gefütterte Jacke anzuziehen und mich auf den Weg zum Horsteberg zu machen. Zumal der Mann am Telefon nicht mal seinen Namen genannt hatte. Allerdings war mir die Stimme merkwürdig bekannt vorgekommen. Wie die ältere, müdere, rauchigere Ausgabe einer Stimme, die ich vor vielen Jahren oft gehört hatte. Eine Weile grübelte ich darüber nach, welches Gesicht dazu passte, dann gab ich es auf. »Bitte! Es ist sehr wichtig für mich«, hatte der Mann gesagt. Und: »Geld spielt keine Rolle.« Immerhin hatte er so meine Neugier geweckt. Und meinen Geschäftssinn. Wie auch in den Jahren zuvor war nach Weihnachten eine Auftragsflaute eingetreten. Seit drei Tagen hatte ich alles erledigt, was ich mir zu erledigen irgendwann vorgenommen hatte. Allmählich fing ich an, mich zu langweilen. Also hatte ich alle Bedenken, die ich normalerweise gegen anonyme Anrufer hege, beiseitegewischt und mich auf mein Fahrrad gesetzt. Vom Kreuzviertel aus brauchte ich gerade mal fünf Minuten bis zum Dom. Der Dom liegt zwar nicht auf einem Berg, sondern nur ein paar Meter oberhalb der Aa, die ich überquerte, um zum klerikalen Zentrum der Stadt zu gelangen, doch in Ermangelung höherer Erhebungen weit und breit hatte man eine dunkle Gasse hinter dem Gotteshaus auf den Namen Horsteberg getauft. Eine sehr dunkle unbelebte Gasse, besonders zu dieser Tages- und Jahreszeit. Gut geeignet als Falle für naive Privatdetektive. Ich überlegte, wer mich vielleicht in eine solche locken wollte. Im Laufe meines Berufslebens hatte ich etliche Männer und Frauen ins Gefängnis gebracht – und die meisten von ihnen waren inzwischen wieder auf freiem Fuß. Dass sich der eine oder die andere von ihnen noch immer an kindische Rachegelüste klammerte, war keine hohle Theorie. Vor gut einem Jahr hatte mir einer meiner ältesten Kunden einen Bauchschuss verpasst und ein paar Tage lang hätten die mich behandelnden Ärzte keine größeren Beträge auf mein Überleben verwettet. Eine Vorhöllenerfahrung, die ich nicht unbedingt noch einmal machen wollte. Ich schloss mein Fahrrad ab und ging langsam um den Dom herum. Noch wäre es möglich gewesen, einfach umzudrehen. Der Mann hatte eine kompakte, gedrungene Gestalt und trug einen teuer aussehenden Fellmantel, wie ihn sich Zuhälter gerne umhängen. Zum Auftritt einer Halbweltgröße passte auch die getönte Brille, die etwa ein Drittel des Gesichtes verdeckte. Aus dem Rahmen fiel jedoch die lächerliche Zipfelmütze, unter der er sein Haar versteckte. Der Mann zog eine behandschuhte Hand aus der Manteltasche und winkte in meine Richtung. Je näher ich kam, desto mehr erinnerte mich das Gesicht rund um die Brille an jemanden, mit dem ich vor Urzeiten an etlichen Kneipentresen gestanden hatte. Und dann förderte das Langzeitgedächtnis endlich einen Namen zutage. »Wolfram«, sagte ich. »Wolfram Schniederbecke.« Er schnitt eine Grimasse, als hätte ich ihm ein in der Hosentasche vergrabenes, klebriges Bonbon angeboten. »Kein Mensch nennt mich Wolfram.« Das wusste ich natürlich. In den letzten drei Sekunden hatten sich die Synapsen in meinem Gehirn wie verrückt verknotet und spuckten nun jede Menge Informationen aus. Mein alter Kumpel Wolfram, der in unserer gemeinsamen Studienzeit als Punkmusiker auf der Bühne gestanden hatte, nannte sich seit rund zwanzig Jahren Wolf Schatz und beglückte die kleine verfolgte Mehrheit der Schlagerfans im Land mit seichten Liedern. Da ich kein Anhänger von Schlager- und anderen Paraden war, hatte sich unser Kontakt deshalb darauf beschränkt, dass er mich gelegentlich in Ärztewartezimmern aus Peoplemagazinen anlächelte. Die dazugehörigen Schlagzeilen handelten von Affären, Alkoholproblemen, Trennungen, Versöhnungen, ehelichen und unehelichen Kindern. Was man als Schlageraffe eben so treibt, um mindestens einmal pro Woche den Klatschreportern Zucker zu geben. »Schon komisch«, sagte ich. »Damals, als du im Odeon deinem Publikum Bier über den Kopf geschüttet hast, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können, dass du mal zum Goldschatz mutieren würdest.« Seit seinem Hit Goldstück, der sich ungefähr drei Milliarden Mal verkauft hatte, hieß Wolf Schatz bei betagten Verehrerinnen und in einschlägigen Medien nur noch Goldschatz. »War ’ne geile Zeit damals«, grinste der Schlagersänger. »Aber irgendwann musste ich mich entscheiden: entweder beim Punk bleiben und mir früher oder später als Drogi den goldenen Schuss setzen – oder Kohle scheffeln. Auf irgendeine Art und Weise prostituieren wir uns doch alle. Ist es nicht so, Schorsch?« »Schorsch nennt mich übrigens auch keiner mehr«, gab ich zurück. Er machte sich nicht die Mühe, den Handschuh auszuziehen, als er mir die Hand entgegenstreckte. »Wie du meinst. Bleiben wir bei Georg und Wolf.« Ich schlug ein. »Warum das Versteckspiel?« »Ich wollte nicht, dass du einen Fotografen zum Treffen mitbringst.« »So wenig Vertrauen?« »Sagen wir einfach: Ich habe eine Menge Scheiße erlebt.« »Wie seinerzeit auf der Jacht der Tennisspielerin, als dich ein Paparazzo unten ohne erwischt hat?« »Ich rede von Leuten, die so getan haben, als wären sie meine Freunde. Aber als es darum ging, ein Stück vom Kuchen abzubekommen, haben sie mich, ohne mit der Wimper zu zucken, der Meute zum Fraß vorgeworfen.« »Die Schlagerszene ist ein Haifischbecken, was?« Ich schaute mich um, rechts ragten die Mauern des Doms in die Höhe, links stand die unbescheidene Herberge eines Weihbischofs. »Und einer dieser Haie hängt dir wohl gerade am Bein, sonst hättest du mich nicht in die dunkelste, nach Weihrauch stinkende Ecke Münsters bestellt.« »Da hast du verdammt recht, Georg«, sagte Wolf. »Der Scheißfisch knabbert bereits an meinen Knochen.« »Und wie kann ich dir helfen?«, kürzte ich das Geplänkel ab. Die Kälte kroch durch die Schuhsohlen in meine Füße. So faszinierend die Verwandlung des rebellischen Punkers Wolfram in den geölten Schlagerfuzzi Wolf auch war – eine Grippe wollte ich für dieses Erlebnis nicht in Kauf nehmen. Dazu hatten wir uns emotional und einkommensmäßig zu weit voneinander entfernt. »Du kommst gleich zum Geschäft, wie?« Wolf klang enttäuscht. »Wenn es dir lieber ist, kannst du mir vorher noch ein Autogramm geben. Eine meiner Nachbarinnen kann ich damit bestimmt glücklich machen.« »Schon gut.« Er senkte die Stimme. »Du sollst einen Botendienst für mich erledigen. Genauer gesagt: jemandem Geld bringen.« »Das du demjenigen schuldest?« »Ja.« »Und du machst es nicht selbst, weil … Lass mich raten: es gefährlich ist.« »Für dich nicht.« »Ah«, sagte ich. »Klingt gut. Musst du aber trotzdem erklären.« »Georg.« Er legte mir seine braune Lederhand auf die Schulter. Unter dem Fellmantel blitzte eine breite Goldkette auf. Noch so ein Zuhälterattribut. »Ich habe Spielschulden. Mich beim Pokern verzockt.« Ich glaubte ihm kein Wort. »Warum hast du nicht eine deiner vielen Millionen angebrochen und die Schulden bezahlt?« »Du machst dir völlig falsche Vorstellungen.« Er wirkte tatsächlich ein bisschen kleinlaut. »Seit ein paar Jahren läuft es nicht mehr so gut. Mein letzter Hit liegt schon lange zurück. Und versuch mal, deinen Lebensstandard einzuschränken, den du dir über viele Jahre aufgebaut hast. Das fällt verdammt schwer.« »Stimmt«, sagte ich. »Manchmal kaufe ich mir eine neue Hose, obwohl die alte noch eine Saison halten würde.« »Spar dir deine Witze«, tat er gekränkt. »Ich habe laufende Kosten: die Häuser, die Kinder, da geht jeden Monat ein großer Batzen weg. Und blöd, wie ich war, habe ich dann noch angefangen zu pokern. Nächtelang. Immer größere Beträge. Ich war regelrecht süchtig, hab mich mit Kaffee und Tabletten wach gehalten. Konnte es kaum abwarten, bis es wieder weiterging. Sag von mir aus, dass ich ein Idiot bin. Tatsache ist, dass die mich ausgenommen haben wie eine Weihnachtsgans.« »Wer sind die?« »Leute in Berlin. Das lief in Hinterzimmern von Klubs in Friedrichshain. Der Mann, der die Spiele organisiert, ist Russe. Boris.« »Und diesem Boris schuldest du Geld?« Wolf nickte. »Irgendwann ist mir das Bargeld ausgegangen. Da habe ich Schuldscheine unterschrieben. Nach ein...


Jürgen Kehrer, geboren 1956 in Essen, lebt in Münster. Er ist der geistige Vater des Buch- und Fernsehdetektivs Georg Wilsberg. Neben bisher achtzehn Wilsberg-Krimis (zuletzt zus. mit Petra Würth: ›Todeszauber‹), verfasste er mehrere Wilsberg-Drehbücher, veröffentlichte historische Kriminalromane, Sachbücher zu realen Verbrechen sowie zahlreiche Kurzgeschichten.



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