E-Book, Deutsch, Band 0552, 256 Seiten
Reihe: Historical MyLady
Kaye Liebe, Raub und Leidenschaft
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7337-6221-6
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 0552, 256 Seiten
Reihe: Historical MyLady
ISBN: 978-3-7337-6221-6
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Henrietta erwacht im Bett eines für seine Liebschaften berüchtigten Grafen - und würde sich am liebsten unter der Decke verkriechen. Vor ihr steht der schönste Mann, den sie je gesehen hat! Angeblich hat er sie gefunden, nachdem ein Einbrecher sie niederschlug. Aber kann ein Wüstling wie der Earl of Pentland ihr Lebensretter sein? Die Gouvernante ist überzeugt: Mit seinem verwegenem Blick hat er schon vielen Frauen das Herz gestohlen. Doch als sie plötzlich selbst des Diebstahls beschuldigt wird, kann nur er ihr helfen - und seine Methoden sind alles andere als schicklich ...
Marguerite Kaye ist in Schottland geboren und zur Schule gegangen. Ursprünglich hat sie einen Abschluss in Recht aber sie entschied sich für eine Karriere in der Informationstechnologie. In ihrer Freizeit machte sie nebenbei einen Master - Abschluss in Geschichte. Sie hat schon davon geträumt Autorin zu sein, als sie mit neun Jahren einen Wettbewerb in Poesie gewann. 30 Jahre später hatte sie mit einem Historical Roman den Durchbruch.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. KAPITEL
Sussex, Mai 1824
Der Frühnebel begann sich gerade zu lichten, als er seinen prächtigen schwarzen Hengst nach Hause ritt. Er nahm die Abkürzung durch die Eibenallee, welche um die Gärten von Woodfield Manor führte. Frühsommerlicher Sonnenschein warf helle Strahlen durch die Bäume, und auf dem Gras funkelten die Tautropfen wie ein Meer winziger Diamanten. Der satte Geruch der frischen Erde mischte sich mit dem lieblichen Duft süßen Geißblatts, das sich an den Stämmen der stattlichen Eiben emporrankte. Ein herrlicher Morgen, der ohne Zweifel auch einen herrlichen Tag versprach.
Allerdings war der Hochehrenwerte Rafe St Alban, Earl of Pentland, Baron Gyle für diese Wunder der Natur und die Pracht, über die er herrschte, nicht empfänglich. Nachdem er auch diese Nacht kaum geschlafen und der schnelle Morgenritt ihn schwer erschöpft hatte, sehnte er sich einzig und allein danach, in Morpheus’ offene Arme zu sinken.
Sein Pferd zügelnd, sprang Rafe aus dem Sattel und sperrte das Gatter auf, durch das man über einen schmalen Pfad geradewegs zu den Stallungen gelangte. Der große, gut gebaute Mann und das stattliche Pferd, die Muskeln gestählt und die Sehnen gespannt, gaben ein beachtliches Paar ab. Beide waren – auf ihre jeweils eigene Weise – Paradebeispiele blaublütiger Abstammung, Wunderwerke der Natur in leibhaftiger Vollkommenheit. Trotz der schlaflosen Nächte strotzte Rafe geradezu vor Gesundheit. Seine Haut strahlte, sein tiefschwarzes Haar glänzte in der Sonne. Der Kurzhaarschnitt betonte seine hohen Wangenknochen, die von der Anstrengung eines halsbrecherischen Galopps nun etwas erhitzt waren, und selbst der dunkle, bläulich schimmernde Bartschatten unterstrich nur, wie markant sein Kinn war und wie weiß und makellos seine Zähne.
Einen byronschen Helden hatte eine junge Dame ihn einst in atemloser Ergriffenheit genannt. Ein Kompliment, das Rafe wie üblich mit einem zynischen Lachen abgetan hatte. Obwohl er dank seines Aussehens und seines nicht minder attraktiven Vermögens einer der begehrtesten Junggesellen des ton war, verprellten sein vernichtender Humor und die abwesende Art, wie er manchmal in die Luft starrte, selbst zu allem entschlossene Damen – was Rafe nur zupasskam. Schließlich hatte er nicht die geringste Absicht, sich ein zweites Mal in Fesseln legen zu lassen. Von der Ehe hatte er für dieses Leben genug. Und für das nächste gleich dazu.
„Gleich geschafft, mein Freund“, murmelte er und tätschelte die erhitzte Flanke des Hengstes. Thor warf den stattlichen Kopf zurück und stieß dampfende Atemwolken durch die Nüstern. Offenbar strebte er ebenso sehnsüchtig seiner Schlafstatt entgegen wie sein Herr. Rafe beschloss, nicht wieder aufzusitzen und das kurze Stück zu laufen, streifte seinen Gehrock ab und warf ihn sich lässig über die Schulter. Da er nicht damit rechnen musste, zu so früher Stunde einer Menschenseele zu begegnen, war er ohne Hut, Weste und Krawattentuch aufgebrochen. Das weiße Leinen seines Hemds klebte ihm feucht am Rücken, sein Kragen war locker geöffnet und gab seine dunkel behaarte Brust frei.
Lautlos fiel das Gatter hinter ihnen ins Schloss, und Rafe drängte sein Pferd vorwärts. Thor jedoch stampfte mit den Hufen im Gras und schnaubte. Auf solche Spielchen hatte Rafe nun wahrlich keine Lust. Erneut zog er an den Zügeln, nun schon etwas heftiger, doch Thor rührte sich nicht und wieherte schrill.
„Was ist jetzt schon wieder?“ Rafe ließ den Blick umherschweifen und suchte nach einem Fuchs oder einem Hasen, doch stattdessen erspähte er einen Schuh. Einen Damenschuh. Einen schmalen Lederschuh, an der Spitze etwas abgestoßen, verbunden mit einer in ausgesprochen praktische Wolle gekleideten, doch darum nicht minder wohlgeformten Wade. Rafe konnte sich einen leisen Ausruf nicht verkneifen, der eher seinen Unmut über die Störung denn seine Besorgnis zum Ausdruck brachte. Gemächlich befestigte er die Zügel am Gatter, bevor er an den Graben trat, um sich das Unglück anzuschauen.
Rücklings hingestreckt, tot oder tief bewusstlos, lag eine junge Frau, gekleidet in ein braunes Wollkleid mit Knöpfen, die sich bis zum Hals schlossen. Sie trug weder Hut noch Pelisse, und ihr rotbraunes Haar hatte sich gelöst und lag wie ein Fächer hinter ihr ausgebreitet, vom Grabenwasser getränkt, sodass es fast schwarz schien, wie ein düsterer Heiligenschein. Rafe strich das Gras beiseite, um ihr Gesicht besser sehen zu können, das ohne jede Farbe war, marmorblass und gespenstisch. Die Arme vor der Brust verschränkt, mutete sie wie eine prunklos gekleidete Grabfigur an. Einzig der schräg aus dem Graben ragende Fuß, der ihn überhaupt erst auf sie aufmerksam gemacht hatte, störte dieses Bild.
Seinen Rock beiseitewerfend, kniete Rafe am Ufer nieder und stellte verärgert fest, dass ihm Brackwasser in die Reitstiefel sickerte. Die Frau lag völlig still und reglos da, nicht einmal ihre Lider bewegten sich. Vorsichtig neigte er sich vor. Ein schwacher Atemhauch streifte seine Wange, verhieß eine erste Andeutung von Leben. Er griff nach ihrem Handgelenk und atmete erleichtert auf, als er einen schwachen, doch steten Pulsschlag spürte. Wer war sie? Und wie zum Teufel war sie in seinem Graben gelandet?
Rafe stand auf, nahm zerstreut die Grasflecken auf seinen Breeches wahr, welche seinem Kammerdiener Laute der Missbilligung entlocken würden, und überlegte, was zu tun war. Am einfachsten wäre es, zum Haus zurückzukehren und zwei Stallburschen nach ihr zu schicken. Er betrachtete die reglose Gestalt, zog die Stirn in Falten. Nein. Was immer sie hier zu suchen hatte, er konnte sie nicht guten Gewissens so liegen lassen. Wie Ophelia sah sie aus. Und wie ihr Fuß so seltsam verloren aus dem Graben ragte, das gab ihr etwas unglaublich Verletzliches. Und so schwer konnte sie kaum sein. Wozu zwei Männer schicken, wenn er ein Pferd hatte? Mit einem resignierten Seufzer machte Rafe sich daran, sie aus ihrem nassen Bett zu heben.
„Danke, Mrs Peters, das wäre alles. Ich lasse Sie rufen, wenn ich weiterer Hilfe bedarf.“
Die Worte drangen von fern, wie durch einen dichten Nebel, als wäre ihr Kopf in ein mittelalterliches Folterwerkzeug gespannt. Stöhnend versuchte Henrietta, sich an die Stirn zu fassen, doch ihr Arm verweigerte ihr den Dienst und lag schwer auf ihrer Brust. Ein stechender, irrlichternder Schmerz zwang ihr die Lider auf, doch die bunten Farbwirbel, die auf einmal vor ihr tanzten, ließen sie die Augen gleich wieder schließen. Nun fühlte es sich an, als würde mit einem Schmiedehammer auf ihren Schädel eingeschlagen. Es war unerträglich.
Wohltuende Kühle senkte sich auf ihre Stirn, der Schmerz ließ ein wenig nach. Wonach roch es hier? War das Lavendel? Als sie es nach einer Weile erneut versuchte, konnte sie den Arm heben. Die Hand auf die feuchte Kompresse gedrückt, öffnete Henrietta abermals die Augen. Alles drehte sich und verschwamm. Schnell schloss sie die Lider, presste sie fest zusammen und atmete tief durch. Nachdem sie bis fünf gezählt hatte, versuchte sie den Sirenengesang der Bewusstlosigkeit zu überhören, der sie mit sanfter Stimme lockte. Dann öffnete sie entschlossen die Augen und blickte sich um.
Gestärkte Laken. Daunenkissen. Zu ihren Füßen eine Bettflasche. Über ihr ein Baldachin aus feinstem Damast. Sie lag in einem Bett – doch wo? Das Zimmer war ihr gänzlich unbekannt. Im Kamin brannte ein helles Feuer, die Vorhänge waren zugezogen, doch durch einen schmalen Spalt schien Licht herein. Alles war unglaublich modern und elegant, die Wände in einem blassen Gelb, die Vorhänge in einem dunkleren Goldton gehalten. Wieder nahte eine Welle elender Übelkeit heran. Nein, sie durfte sich in so makelloser Umgebung nicht vergessen. Henrietta fasste all ihren Willen und setzte sich auf.
„Sie sind wach.“
Sie fuhr zusammen. Eine tiefe, dunkle Stimme. Verführerisch. Und unüberhörbar männlich. Halb hinter dem Bettvorhang verborgen, hatte sie ihn nicht sogleich bemerkt. Henrietta wich zurück und zog sich die Decke bis übers Kinn, wobei sie feststellte, dass sie nur ihre Unterkleider am Leib trug! Die Kompresse fiel herab auf die seidene Bettdecke. Das dürfte Flecken geben, dachte Henrietta zerstreut. „Wenn Sie näher kommen, schreie ich!“
„Halten Sie sich nicht zurück“, erwiderte er lakonisch, „denn wer weiß, ob ich mich bislang zurückgehalten habe?“
„Oh!“, entfuhr es ihr, doch klangen seine Worte eher belustigt als bedrohlich. Nun verstand Henrietta gar nichts mehr. Sie blinzelte verwirrt. Und dann, als ihr Blick sich langsam klärte, schluckte sie. Vor ihr stand der wohl schönste Mann, denn sie je erblickt hatte. Groß, dunkelhaarig und geradezu unanständig gut aussehend. Ein wahrer Adonis. Die kurzen nachtschwarzen Haare gaben den Blick frei auf einen Kopf, der tadellos symmetrisch war. Geschwungene Brauen, mandelförmige Augen von einem ganz wunderlichen Blau – oder war es Grau? Wie der Himmel in stürmischer Nacht. Unrasiert und in Hemdsärmeln, brachte sein leicht zerzauster Aufzug nur noch besser zur Geltung, wie vollkommen er war. Sie merkte, dass sie ihn offen anstarrte, aber sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. „Wer sind Sie? Und was um alles in der Welt machen Sie hier … in diesem Schlafzimmer? Mit mir?“
Rafe erlaubte sich, die Schöne in Nöten zu betrachten, wie sie sich am Laken festklammerte, als hinge ihr Leben daran, und wie sie ihn musterte, als hätte er nicht nur seinen Frackrock abgelegt, sondern stehe völlig nackt vor ihr. Der Gedanke stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Er konnte nicht...




