Kavanagh | Duffy | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Duffy

Kavanagh Duffy


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-311-70087-6
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Duffy

ISBN: 978-3-311-70087-6
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Früher war Duffy mal bei der Sitte in West Central London und ziemlich erfolgreich, bis sie ihm irgendwann einen Stricher untergejubelt haben, aber darauf sollte man ihn nicht ansprechen. Jetzt ist er selbsternannter Sicherheitsexperte und verkauft Alarmanlagen, dabei wurde bei ihm selbst zweimal eingebrochen. Wenn er Geld braucht, arbeitet Duffy als Privatdetektiv. Und Geld braucht er eigentlich immer. Das verbindet ihn mit seinen berühmten Kollegen Sam Spade und Philip Marlowe, so wie seine Ehrlichkeit und seine no-nonsense-Haltung. Sonst teilt er wenig mit den Typen von der Westküste. Duffy ist bisexuell, reagiert phobisch auf tickende Uhren - »ein Wecker funktionierte immer bei ihm, weil er erst gar nicht einschlief« - und begeistert sich für Tupperware. Sein Handwerk versteht er immer noch besser als die meisten Bullen. Und das zeigt sich auch bei seinem aktuellen Auftrag, der ihn in die mean streets von Soho führt, sein altes Revier. Dort trifft er auf Gangsterboss Big Eddy, der Duffys Vergangenheit sehr gut kennt. Viel zu gut ...

Dan Kavanagh wurde 1946 im County Sligo geboren und vergeudete seine Jugend mit Schuleschwänzen, reichlich Sex und kleineren Diebstählen, ehe er mit siebzehn als Schiffsjunge auf einem liberianischen Tanker anheuerte. In Montevideo ging er von Bord und durchstreifte anschließend Süd- und Nordamerika. Er war unter anderem Wrestler, Rollschuh-Kellner in einem Drive-in in Tucson und Türsteher in einer Schwulenbar in San Francisco. Ein unstetes Leben. Ende der siebziger Jahre dann die Kehrtwende: Kavanagh zieht nach London, kauft sich einen Schreibtisch und schreibt vier Krimis hintereinander weg. Doch schon 1987 ist es damit wieder vorbei. Kavanagh taucht unter, seine Spur verliert sich. Gerüchten zufolge lebt er noch heute in London und publiziert jetzt unter Pseudonym, allerdings wohl ziemlich obskure Romane, darunter einen über die Bedeutung von Papageien im Werk eines französischen Schriftstellers.
Kavanagh Duffy jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


I


Am Tag, als man Mrs McKechnie anschlitzte, war sonst wenig los in West Byfleet. Nicht dass in Pyrford oder selbst in ganz Guildford viel los gewesen wäre: Es brauchte eine Woche harter Arbeit, um mit dem Polizeibericht eine ganze Seite im vollzukriegen, und auch dann handelte es sich hauptsächlich um gutbürgerliche Weiche-Kragen-Kriminalität: Unterschlagung, klimakterieller Ladendiebstahl, Hundesteuerhinterziehung; manchmal gab’s eine Disco-Rauferei, doch die meisten Jugendlichen hatten Angst, deswegen bei den Jungkonservativen rauszufliegen. Als dann Mrs McKechnie angeschlitzt wurde, hätte man erwarten dürfen, dass der damit die Seite Sieben aufmachte; tat er aber nicht. Den Aufmacher lieferte das andere, was die Männer noch machten, die Zugabe, dieses abartig Gemeine, das selbst Big Eddy, der ja nun wirklich einen eigenartigen Humor hatte, nicht gut finden konnte. Das sagt einem doch alles über die Zeitungsfritzen.

Als Rosie McKechnie an einem Augustnachmittag die Haustür von The Pines öffnete, glaubte sie, es sei der Gasmann. Jeder andere hätte das auch geglaubt. Wenn man zur Haustür kommt, durch das eingelassene Buntglas einen untersetzten Umriss ausmacht, die Kette aushakt und als Erstes das Wort »Gas« hört, denkt man zunächst an den Gasmann. Man überlegt nicht lange, wann der Zähler das letzte Mal abgelesen wurde.

Der kleine Mann kam rasch durch die Tür und stieß Mrs McKechnie mit seinem gesenkten Kopf hart in die linke Brust. Dann drückte er ihr die Arme an die Seiten, blieb einfach stehen und hielt sie fest. Sie spürte einen heftigen anhaltenden Schmerz in ihrer Brust; sie blickte entsetzt hinab auf den Scheitel des kleinen Mannes und stellte fest, dass seine Haare mit Gaze verdeckt waren; sie sah wieder hoch zur offenen Tür und bereitete sich seelisch darauf vor loszuschreien, als der zweite Mann ankam. Er glitt herein, schloss vorsichtig die Tür hinter sich, legte den Finger auf die plattgedrückte, fleischige Zone, die alles war, was die Strumpfmaske von seinen Lippen erkennen ließ, und machte:

»Schhh.«

Ihr wurde leichter, als er das tat; dann bekam sie plötzlich erst recht Angst. Ihr Mund wollte sich zu einem Schrei formen, doch sofort war der zweite Mann neben ihr, und seine Hand legte sich wie eine Zwinge über ihr Gesicht.

»Na, na, Rosie, keinen Lärm«, flüsterte er, »keinen Lärm. Wir wollen keinen Lärm. Wir brauchen keinen Lärm. Verstanden?«

Sie hatte verstanden. Es blieb ihr keine andere Wahl. Der eine brach ihr zwei Arm voll Rippen, der andere erstickte sie beinah. Sie verdrehte die Augen nach unten und konnte nur einen bestrumpften Kopf erkennen, der gegen ihre Perlen drückte (o Gott, meine Juwelen); und zur Seite, wo sie nur einen kräftigen Unterarm und verschwommen einen braunen Pullover erkennen konnte. Sie war allein. Mrs Brennan, die Putzfrau, war um zwölf gegangen, nachdem sie die allwöchentliche Parfumflasche heruntergeschmissen hatte; das einzige andere lebende Wesen, das sich außer ihnen dreien im Haus befand, war Godfrey, der Kater.

Jetzt redete der Lange wieder, ihr direkt ins Ohr.

»Nun pass mal auf, Rosie, ich werd dir sagen, was wir machen. Nein, andersherum, ich werd dir sagen, was wir nicht machen. Wir legen dich nicht um. Wir legen dich nicht flach. Wir tun dir nicht weh. Wir klauen auch nichts – naja, außer wenn wir natürlich etwas sehen, das uns gut gefällt. Klar?«

Er lockerte den Griff über ihrem Gesicht; sie wollte den Mund öffnen, überlegte es sich anders und nickte einfach.

»Brav, Rosie, und kein Lärm, wie gesagt. Also, wir sind nur wegen einer Sache hier, und wenn wir die erledigt haben, verschwinden wir wieder. O.K.?«

Sie nickte wieder.

»Aber wir schätzen es gar nicht, wenn du uns dazwischenfunkst. Deshalb müssen wir dich leider ein wenig fesseln. O.K.?«

Sie nickte. Ihr Kinn schmerzte von der Hand des Langen. Der Kleine hatte überhaupt nichts gesagt, sie nur mit jener stillen Erregung festgehalten, die sie an die Zeit ihrer scheuen Jugendflirts erinnerte.

»Als Erstes werde ich deinen Mund loslassen, diese Scheißmaske abnehmen und sie dir um die Augen binden, damit du uns keine Schwierigkeiten von wegen Identifizierung machst. Du könntest jetzt natürlich schreien« (immer schien er ihren Gedanken knapp zuvorzukommen), »aber wenn du schreist, dann sorge ich dafür, dass dein Zahnarzt für einen Monat ausgelastet ist, Schätzchen. Deshalb – kei-nen – Lärm«, wiederholte er langsam.

Dann ließ er vorsichtig ihr Gesicht los, trat hinter sie, riss sich den Strumpf vom Kopf und band ihn ihr rasch über die Augen.

»Brav, Schätzchen. So, dann nimmt jetzt der Kleine seine Maske ab und bindet sie dir über den Mund. Wir müssen nämlich vielleicht ein bisschen im Haus rumlaufen, und wir wollen doch nicht zurückrennen und dir das Maul stopfen müssen.«

Sie spürte, wie ihre Arme freikamen, und stand dann einfach da, die Augen verbunden, während die beiden Männer sie knebelten. Der Strumpf zog ihr die Mundwinkel unsanft nach hinten, drückte die Zunge zurück und schien den ganzen Mund auszufüllen. Er schmeckte scheußlich. Einer der Männer verknotete ihn fest in ihrem Nacken.

»Tut mir leid wegen dem Brylcreem, Schätzchen«, sagte der Lange. Er war anscheinend der Einzige, der sprach. »Die Frage war: Brylcreem oder Schuppen. Wir hätten dich wählen lassen sollen. Ist nicht zu fest, oder?«

Es war zu fest; es schmerzte in den Mundwinkeln; es war, als würden ihr die Lippen aufgerissen. Sie nickte.

»Ah, doch ein wenig fest? Tut mir wirklich leid, Rosie, aber du musst es einmal von unserer Seite aus sehen. Es würde seinen Zweck nicht erfüllen, wenn es weniger straff wäre. Aber pass mal auf, gleich ist dir wohler: Andere Typen in unserer Branche, weißt du, was die tun? Die hätten dir erst den Mund mit Watte gestopft. Nicht sehr angenehm. Kitzelt so hinten im H-H-Hals. Muss man oft k-k-kotzen von. Ich weiß da von einem alten Knacker, der musste kotzen und ist daran erstickt. Scheußlich. Ist nicht schön gewesen, gell?«

Er sprach offensichtlich zum Kleinen, der ein Grunzen von sich gab. Dann hörte sie ein leises Klickern. Der Antwort des Langen entnahm sie, dass der Kleine offenbar auf das Glas seiner Armbanduhr geklopft hatte.

»O.K., wir wollen ja keine Wurzeln schlagen. Warte mal ’ne Sekunde, Rosie, lauf uns nicht weg.«

Sie ließen sie für ein paar Minuten allein, kamen dann zurück und drängten sie in einen Raum, der ihr Wohnzimmer sein musste. Sie setzten sie auf einen rustikalen Esstischstuhl, den einer der beiden aus der Küche geholt haben musste. Dann spürte sie, wie ihr die Knöchel mit etwas gefesselt wurden, das jedenfalls kein Seil war. Zum Schluss banden sie ihr die Hände zusammen.

»Zwei Paar in bester Nylonqualität sind das, Rosie. Beste C & Arsch. Herbstbeige haben wir für dich ausgesucht. Haben uns gedacht, das könnte deine Farbe sein.«

War es nicht, aber weshalb überhaupt diese Vertraulichkeit? Wenn sie gekommen waren, um etwas zu stehlen, warum nahmen sie es dann nicht einfach? Aber sie konnten unmöglich bloß etwas stehlen wollen, denn warum hätten sie sich sonst die Mühe gemacht, ihren Namen herauszukriegen? Warum kamen sie gerade an einem der beiden Nachmittage, an denen sie nicht wie üblich ihre Freundinnen zu Besuch hatte oder zum Bridge ging? Hatten sie etwa das Haus beobachtet? Mussten sie wohl. Und was in Teufels Namen wollten sie? Wie lange dauerte es noch, bis Brian heimkam? Waren sie vielleicht aus irgendeinem Grund hinter ihm her? Nein, das war nicht möglich – sie wären nicht so früh gekommen, wenn sie es auf Brian abgesehen hätten.

Der Lange mit der ruhigen Stimme, in die sich gelegentlich Londoner Rowdytöne mischten, war noch immer bei den Strümpfen.

»Zwei Paar gratis, Rosie. Das ist besser als ein Drücker, oder? Und wenn dir die Farbe nicht zusagt, kannst du sie ja verschenken, nicht wahr? Wenn ich du wäre, Rosie, dann wären die Nylons für mich der Silberstreif am Horizont dieser kleinen Geschichte hier, ehrlich. Und wie gesagt, wenn sie dir nicht passen, dann könnten sie ja Barbara passen. Ja, ich könnte mir vorstellen, dass sie Barbara passen.«

Rosie McKechnie kannte keine Barbara. Vielleicht hatte sie die eine oder andere Barbara in der Schule oder in ihren Zwanzigern gekannt, aber jetzt zumindest kannte sie keine, die so hieß. Sie war jetzt Ende vierzig und konnte sich an keine Barbara aus den letzten zwanzig Jahren erinnern. Warum also hatte der Mann den Namen wiederholt? Es klang nach Absicht.

Eine Pause trat ein. Als der Lange wieder zu sprechen anfing, klang er fast entschuldigend.

»Ich fürchte, jetzt kommen wir zum unangenehmen Teil, Rosie. Nämlich, wir mussten dir erst eine kleine Lüge erzählen, damit du auch mitmachst. Das heißt, genaugenommen waren es zwei Lügen. Wir sind nämlich nicht wirklich vom Gaswerk.«

Wieder hielt er inne. Rosie hatte plötzlich schreckliche Angst. Ihr Körper sagte ihr, dass sie Angst hatte. Sie merkte, wie ein Tröpfchen Urin austrat, aber nur eins.

»Schon gut, wir wollen dich nicht umlegen, das ist nicht unser Metier. Wir wollen dich auch nicht flachlegen, obwohl sich, wenn du mir die Bemerkung gestatten willst, Mr McKechnie sehr glücklich schätzen kann. Aber leider werden wir dich ein klein wenig anschlitzen müssen. Es wird ein bisschen wehtun – das ist leider nicht zu vermeiden –, aber wir werden uns alle Mühe geben, damit es so wenig weh wie möglich tut. Weil, wir sind ja keine Sadisten nicht. Und der...


Winkler, Willi
Willi Winkler, Autor, Übersetzer und Literaturkritiker der »Süddeutschen Zeitung«, hat sich ein apokryphes Goethe-Wort zu Herzen genommen, »Heiß mich nicht reden, heiß mich schreiben«, und folgt ihm seit unvordenklicher Zeit, und zwar aufs Wort. Blut kann er so wenig wie den Tatort sehen, aber Duffy ist anders.

Kavanagh, Dan
Dan Kavanagh wurde 1946 im County Sligo geboren und vergeudete seine Jugend mit Schuleschwänzen, reichlich Sex und kleineren Diebstählen, ehe er mit siebzehn als Schiffsjunge auf einem liberianischen Tanker anheuerte. In Montevideo ging er von Bord und durchstreifte anschließend Süd- und Nordamerika. Er war unter anderem Wrestler, Rollschuh-Kellner in einem Drive-in in Tucson und Türsteher in einer Schwulenbar in San Francisco. Ein unstetes Leben. Ende der siebziger Jahre dann die Kehrtwende: Kavanagh zieht nach London, kauft sich einen Schreibtisch und schreibt vier Krimis hintereinander weg. Doch schon 1987 ist es damit wieder vorbei. Kavanagh taucht unter, seine Spur verliert sich. Gerüchten zufolge lebt er noch heute in London und publiziert jetzt unter Pseudonym, allerdings wohl ziemlich obskure Romane, darunter einen über die Bedeutung von Papageien im Werk eines französischen Schriftstellers.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.