Kane Dein ist das Leid
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86278-758-6
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-86278-758-6
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Suche nach einem Vermissten führt in einen Sumpf aus Intrigen und Geheimnissen - und höchste politische Kreise!
Ein brisanter Fall für Casey Woods: Amanda Gleasons Freund Paul starb bei einem Überfall. Und mit ihm die Hoffnung auf Heilung für ihr todkrankes Baby Justin. Da erhält sie eine E-Mail mit einem aktuellen Foto von Paul. Ein makabrer Scherz - oder lebt er noch? Fieberhaft beginnen Casey und ihr Team von Forensic Instincts zu ermitteln. Eine erste Spur führt direkt nach Washington, DC. Aber dann stoßen sie plötzlich auf eine Mauer des Schweigens. Wieso hatte Paul Kontakte zu höchsten politischen Kreisen? Weiß Amanda Gleason mehr, als sie zugibt? Die schockierende Wahrheit stellt alle Vermutungen in den Schatten ...
Andrea Kane's Psycho - Thriller 'The Girl Who Disappeared Twice' (Englischer Originaltitel) war lange Zeit auf der New York Times Bestsellerliste. Der Letzte einer langen Reihe von Erfolgsromanen. Die Romane von Andrea Kane wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Sie ist die Autorin von acht romantischen Thrillern und 14 historischen Romanen. Sie lebt mit ihrer Familie in New Jersey.
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2. KAPITEL
Eiskalte Luft. Kahle Bäume. Die Straße in Tribeca glitzerte vor Weihnachtsbeleuchtung.
Das Triangle Below Canal Street in Downtown Manhattan, ursprünglich ein Industriebezirk, war zu einem Künstlerviertel mit vielen Ateliers in den Lofts, Galerien und Restaurants geworden, in dem Prominente wie Robert De Niro, Mariah Carey oder Beyoncé lebten. Doch abends um Viertel nach neun war das vierstöckige Sandsteingebäude, in dem sich die Büros von Forensic Instincts befanden, ein abgeschiedener Zufluchtsort, isoliert vom lärmenden Dschungel der Großstadt. Zu beiden Seiten des Hauses standen zwei ausgreifende Weidenbäume, die ihm einen so friedvollen Anschein verliehen, dass es eher wie ein gemütliches Heim wirkte und nicht wie die Zentrale von Forensic Instincts.
Heute Nacht war es sogar noch ruhiger als sonst. Casey Woods, die Chefin der Agentur, erledigte mit einigen Freunden Weihnachtseinkäufe. Der größte Teil des hoch spezialisierten Teams hatte längst Feierabend gemacht. Alle waren noch dabei, sich von den aufregenden Fällen zu erholen, die ihnen in den letzten anderthalb Monaten zugesetzt hatten – allen voran die Ermittlung in einem nervenaufreibenden Entführungsfall.
Marc Devereaux war im Augenblick als einziges Mitglied des Teams von Forensic Instincts vor Ort. Und er war überhaupt nicht bei der Arbeit. Stattdessen machte er in einem der leeren Konferenzräume hundert Liegestütze, fühlte, wie der Schweiß seine Sachen durchtränkte, und hoffte, die immense Kraftanstrengung könnte die Geister der Vergangenheit verscheuchen, die in den letzten Monaten mit aller Macht zurückgekommen waren und ihn verfolgten.
Sie hatten ihn eine Weile in Ruhe gelassen. Aber seit der Entführung von diesem kleinen Mädchen …
Er ließ sich auf den Boden sinken, die Stirn auf den Teppich gedrückt, und atmete schwer. Erinnerungen hinterließen tiefe Narben. Selbst bei einem früheren Mitglied der Navy SEALs. Besonders bei einem ehemaligen Navy SEAL. Jeder glaubte, diese Männer würden Emotionen gar nicht an sich heranlassen. Das stimmte aber nicht. Was er während jener Jahre mit ansehen musste, hatte ihn möglicherweise zu einem besseren FBI-Agenten und nun zu einem wertvollen Mitarbeiter von Forensic Instincts gemacht, aber es hatte ihm auch etwas genommen, das er niemals zurückbekommen würde.
An dessen Stelle war etwas Düsteres und Zerstörerisches getreten.
Marc riss abrupt den Kopf hoch, als er die Türklingel hörte. Es war niemand aus dem Team, alle hatten Schlüssel und kannten den Sicherheitscode. Instinktiv griff Marc nach seiner Pistole, die auf dem Tisch lag. Er erhob sich und warf einen Blick auf das kleine Fenster auf dem Computerbildschirm, das ein Bild der Überwachungskamera über der Haustür zeigte.
Eine Frau stand davor.
Marc drückte auf den Knopf der Sprechanlage. „Ja?“
Stille.
„Ist dies das Büro von Forensic Instincts?“, hörte er die Stimme der Frau.
„Ja.“ Marc hätte sie auf die absurde Uhrzeit hinweisen können. Aber er war fünf Jahre lang in der Abteilung für Verhaltensanalyse beim FBI gewesen. Durch die Zeit bei der Behavioral Analysis Unit konnte er Menschen und ihre Stimmlagen lesen. Und diese Stimme klang matt und mitgenommen. Panisch. Das würde er nicht ignorieren.
„Ich … ich habe gar nicht geglaubt, dass noch jemand da sein würde. Ich habe gebetet, dass es so wäre.“ Ihre Worte bestätigten seine Einschätzung. „Ich hatte Angst, dass Sie nicht rangehen würden, wenn ich anrufe. Bitte … darf ich hereinkommen? Es ist wichtig. Mehr als das. Es geht um Leben und Tod.“
Noch bevor sie mit ihrer verzweifelten Bitte fertig war, hatte sich Marc schon entschieden. Er steckte seine Pistole weg. „Ich komme runter.“
Er legte sich ein Handtuch um den Hals und lief zur Treppe. Ein professionelles Erscheinungsbild war ihm im Augenblick ziemlich unwichtig.
Im Foyer gab er den Code ein und öffnete die Tür.
Die Frau, die dort mit einer Aktenmappe unter dem Arm stand, war brünett und etwa Mitte dreißig, obwohl die Anspannung, die sich in ihrem Gesicht abzeichnete, und die dunklen Ringe unter ihren Augen sie älter wirken ließen. Sie steckte in einem dicken Wintermantel, sodass ihre Figur schwer abzuschätzen war. Außerdem klammerte sie sich an den Mantel, als wäre er ein Schutzschild.
Sie starrte Marc aus großen Augen an, seine imposante Statur, die hohen Wangenknochen, den dunklen Teint und die aristokratische Nase, die er von seinen französischen Vorfahren geerbt hatte, und die nachdenklichen, leicht asiatischen Augen, Zeichen der Herkunft seiner Großeltern mütterlicherseits.
Seine eindrucksvolle Erscheinung machte die Frau nervös, sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Sie sind nicht Casey Woods“, stellte sie das Offensichtliche fest. Sie war nicht nur unsicher, sondern stand erkennbar unter Schock.
„Ich bin Marc Devereaux, ein Partner von Casey“, erwiderte Marc mit einer Stimme, die absichtlich beruhigend klang. „Und Sie sind …?“
„Amanda Gleason.“ Sie riss sich zusammen. „Tut mir leid, dass ich so spät hier auftauche. Aber ich konnte das Krankenhaus nicht früher verlassen. Ich habe nicht viel Zeit. Bitte, kann ich mit Ihnen reden? Ich möchte Sie gern engagieren.“
„Krankenhaus? Sind Sie denn krank?“
„Nein. Ja. Bitte … ich muss Ihnen das erklären.“
Marc zog die Tür ganz auf und bedeutete ihr hereinzukommen. „Entschuldigen Sie mein legeres Erscheinungsbild. Ich hatte keine Klienten mehr erwartet.“ Von oben ertönte ein tiefes, warnendes Bellen, gefolgt vom schnellen Tapsen von Pfoten. Ein geschmeidiger roter Bluthund rannte die Treppe runter, blieb neben Marc stehen und bellte die Fremde an.
„Alles okay, Hero“, sagte Marc. „Ganz ruhig.“
Der Hund gehorchte sofort.
„Hero ist ein Spürhund und gehört zu unserem Team“, erklärte Marc. „Aber wenn Sie Angst vor Hunden haben, kann ich ihn nach oben verfrachten.“
Amanda schüttelte den Kopf. „Das brauchen Sie nicht. Ich mag Hunde.“
„Dann folgen Sie mir bitte in den Konferenzraum.“ Er zeigte auf die zweite Tür links und geleitete sie hinein.
„Hallo, Marc“, begrüßte ihn eine Stimme, gleichzeitig blinkten Lichter an einer Wand in Übereinstimmung mit dem Ton. „Du hast einen Besucher. Die Raumtemperatur beträgt achtzehn Grad. Soll ich sie erhöhen?“
„Ja, Yoda“, erwiderte Marc. „Auf einundzwanzig Grad bitte.“
„Die Temperatur wird in ungefähr sieben Minuten einundzwanzig Grad erreichen.“
„Prima. Danke.“ Marc bemerkte Amandas erstauntes Gesicht und lächelte. Sie wollte feststellen, wo die Stimme herkam.
„Das war Yoda“, teilte er ihr mit. „Eine der unerklärlichen Erfindungen von Ryan McKay, unserem Technikgenie. Er ist allwissend … und ganz harmlos.“ Marc zog einen Stuhl zurück. „Nehmen Sie Platz. Vielleicht wollen Sie den Mantel lieber anbehalten, bis es hier drin ein bisschen wärmer wird.“
„Vielen Dank. Sie sind sehr freundlich.“ Amanda ließ sich auf den Stuhl sinken, immer noch den Mantel und die Aktenmappe umklammernd. Sie wirkte wie ein verschreckter kleiner Vogel, hinter dem ein Raubtier her ist.
„Nun, dann verraten Sie mir mal, wie wir von Forensic Instincts Ihnen helfen können.“
Amanda holte unsicher Luft. „Indem Sie jemanden für mich finden. Wenn er noch am Leben ist.“
Marc ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken, um nicht bedrängend zu wirken, obwohl seine Gedanken rasten. „Um wen handelt es sich dabei, und warum wissen Sie nicht genau, ob er noch lebt?“
„Es geht um meinen Freund. Sein Verschwinden wurde zu einem Mord ohne Leiche erklärt. Die Polizei hat seinen Wagen gefunden, draußen beim Lake Montauk, der Fahrersitz und die Windschutzscheibe waren voller Blut. Es gab Spuren, dass man ihn zu einem anderen Auto geschleift hat. Die Polizei glaubt, dass er ermordet und im Ozean versenkt wurde. Die Küstenwache hat tagelang nach ihm gesucht, mit sämtlichen komplizierten Geräten, die sie haben. Aber sie haben nichts gefunden. Der Fall wurde zu den Akten gelegt.“
„Wann ist das passiert?“
„Im April.“
„Und nun kommen Sie acht Monate später zu uns. Wieso jetzt? Haben Sie irgendwelche neuen Hinweise, dass er vielleicht doch noch am Leben sein könnte?“
„Ich habe sowohl neue Hinweise als auch einen dringenden Grund, ihn sofort zu finden.“ Amanda beeilte sich, den auf der Hand liegenden Verdacht aus der Welt zu schaffen. „Ich weiß, Sie denken, wenn er noch lebt, will er vielleicht nicht gefunden werden. Selbst wenn das stimmen sollte, was ich nicht glaube, hat er keine Wahl. Jetzt nicht mehr.“
Marc beugte sich über den Tisch und zog einen Notizblock heran. Er machte sich Notizen lieber zunächst mit der Hand und gab sie später in den Computer ein. Auf einen Laptop einzuhämmern verschreckte manche Klienten, die eine persönliche Beziehung brauchten.
„Wie heißt dieser Mann?“
„Paul Everett.“
„Und warum müssen Sie ihn so dringend finden?“
Amanda schluckte und rang die Hände im Schoß. „Wir haben einen Sohn. Er ist jetzt drei Wochen alt. Kurz nach seiner Geburt habe ich die Diagnose bekommen, dass er etwas hat, das sich SCID nennt – Severe Combined Immunodeficiency, schwerer kombinierter Immundefekt. Er besitzt keine körpereigenen Abwehrkräfte, die kleinste Infektion kann ihn umbringen. Er braucht eine...




