E-Book, Deutsch, 392 Seiten
Kallmaker Und auf einmal ist es Liebe
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-944576-53-4
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 392 Seiten
ISBN: 978-3-944576-53-4
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bei einer Fahrt mit der Achterbahn sitzen sie zufällig nebeneinander: Laura Izmani und Helen Baynor. Auf dem höchsten Punkt bleibt die Achterbahn plötzlich stehen. Eine technische Panne. Die Zeit zieht sich. Panik steigt in Helen auf - sie leidet an Höhenangst. Laura bemüht sich, Helen abzulenken; sie fragt sie nach ihren Karriereplänen, ihren Zukunftsträumen. Und erzählt von ihren eigenen. Nach dieser Begegnung schlagen beide Frauen neue Wege ein. Laura wird eine erfolgreiche Gourmetköchin, Helen jongliert Kinder und Karriere und brilliert als Schauspielerin am Broadway. Zwanzig Jahre später begegnen sie einander wieder. Und Laura ist erneut von Helen fasziniert ...
Karin Kallmaker, Jahrgang 1960, lebt mit ihrer Lebensgefährtin und ihren zwei Kindern in Castro Valley, Kalifornien. In den USA gilt sie längst als die 'Queen of Lesbian Romance', und auch hierzulande hat sie eine wachsende Fangemeinde. Mittlerweile sind acht ihrer Romane ins Deutsche übertragen worden, die alle auch als E-Book lieferbar sind. Karin Kallmakers Internetanschluss muss schnell sein, ihr iPod laut und ihre Schokolade heutzutage dunkel.
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Prolog
Ein weiterer Zug voller kreischender Menschen donnerte über Laura Izmanis Kopf hinweg. Fast hätte sie sich unwillkürlich geduckt. Dann wurde das verklingende Kreischen von dem schrillen metallischen Quietschen des Zuges auf den Schienen übertönt. Er war schon in der nächsten Kurve, als der Luftstoß in seinem Gefolge kleine Papierfetzen über die Holzplanken des Einstiegsbereichs wirbelte. Endlich schob sich die langgewundene Schlange ungeduldiger Teenager und Erwachsener aus dem drückend heißen Zugangstunnel hinaus. Laura hieß die frische Luft, die saubere Meeresbrise willkommen, aber der fehlende Schatten machte sich sofort bemerkbar. Sie fuhr sich mit der Fingerspitze über das Ohrläppchen – dort war die zarte Haut bereits kurz vor einem Sonnenbrand. Sie hatte sich das Santa-Cruz-Basecap so tief wie möglich über ihr kurzgeschorenes schwarzes Haar gezogen, aber ihre Ohren waren dennoch ungeschützt. Aufgeben wollte sie jetzt trotzdem nicht. Dreißig Minuten stand sie jetzt schon an der Achterbahn an. An diesem Tag nicht mit dem Giant Dipper zu fahren stand nicht zur Debatte. Es war der Jahrestag ihrer Rückkehr aus New York. Sie hatte einen Neuanfang gemacht – hier in der Stadt, in der sie wenige Jahre zuvor ihren Highschool-Abschluss erworben hatte. Damals war sie oft Achterbahn gefahren. Die Erinnerung daran war schön, unverfälscht und unbelastet. Das war vor dem Großen Fehler gewesen. Jetzt war sie wieder auf dem richtigen Weg, und am folgenden Morgen würde sie ein Flugzeug nach New York besteigen. Am darauffolgenden Tag würde sie zusehen, dass sie ihre Kochausbildung wieder aufnahm. Wieder stieg eine Gruppe Fahrgäste aus einem eingefahrenen Zug, und die Schlange bewegte sich voran. Laura trat in den Weg einiger Teenager, die schon geraume Zeit versuchten, sich vorzudrängeln. Sorry, Leute, aber wenn man schon mal in New York U-Bahn gefahren war, wusste man, wie man Vordränglern ein Schnippchen schlug. Wofür gab es schließlich Ellenbogen. Wenige Minuten später stand sie auf der obersten Treppe und hielt sich links, weil sie im ersten Wagen sitzen wollte. Das altmodische Bild an der Wand vor ihr, das eine Flutwelle zeigte, war genau so, wie sie es in Erinnerung hatte, ebenso wie der leuchtendrote Schriftzug, der verkündete: »The Giant Dipper – die phantastischste Holzachterbahn der Welt! Einzigartig – nur in Santa Cruz!« Schließlich fuhr der letzte Zug vor ihrem los und verließ die Plattform nach links. Laura liebte das Klack-klack-klack der Kette, die den anfahrenden Zug im Kampf gegen die Schwerkraft die erste Steigung hinaufzog. Zu ihrer Rechten erschallten die Schreie der Fahrgäste in dem nächsten Zug, der direkt vor ihr eine Vollbremsung hinlegen würde. Es war erst wenige Jahre her, seit sie das letzte Mal mit dem Giant Dipper gefahren war, und seitdem hatte sie sich sehr verändert – größtenteils zum Guten, wie sie fand –, aber sie war fest entschlossen, die ganze Fahrt über voller Hochgefühl die Arme hochzurecken. Der sich nähernde Zug rauschte ratternd und mit quietschenden Bremsen um die letzte Kurve, als der Einweiser sie fragte, ob sie allein sei. Als sie nickte, rief er den hinter ihr Anstehenden zu: »Irgendjemand allein hier? Hier ist noch ein Platz frei!« Laura hatte ihr Basecap bereits auf den Sitz geworfen und setzte sich darauf, als eine Frau einstieg und neben ihr Platz nahm. Wortlos sortierten sie ihre Gurte und schnallten sich an. Gleich darauf klappten sie den Schoßbügel herunter und ließen ihn einrasten. Nachdem der Einweiser den ganzen Zug abgelaufen war und hie und da Schoßbügel heruntergeklappt hatte, verkündete eine Stimme über Lautsprecher knappe, unverständliche Sicherheitsregeln. Von früheren Durchsagen her reimte Laura sich zusammen, dass sie Hände und Füße während der ganzen Fahrt im Wagen lassen sollte. Mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung und erklomm die erste Steigung, den Tunnel, der aus überkreuzten Holzbalken und enggesetzten Latten bestand. Jede Verbindung war mit riesigen Nieten zusammengefügt. »Nicht gerade gut gepolstert diese Sitze«, bemerkte die Frau. Sie umklammerte den Schoßbügel so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Die stammen vermutlich aus einer Zeit, als die Menschen noch härter im Nehmen waren.« Laura schenkte ihr ein abwesendes Lächeln. Sie tauchten aus dem Tunnel auf, und Laura merkte, wie sie bei dem atemberaubenden Blick auf den quirligen Santa Cruz Boardwalk und die weite Bucht dahinter anfing zu strahlen. Sie hörte, wie die Frau neben ihr ebenfalls die Luft anhielt. »Los jetzt – Arme hoch!« Laura warf die Arme in die Luft, ihr Magen machte einen Satz in Erwartung des Scheitelpunkts, an dem die Schienenspur ins Nichts zu stürzen schien. Für einen Moment war allein der Himmel vor ihr – dann schoss der Zug so scharf nach rechts, dass die Räder auf den Schienen kreischten. Laura schrie vor Entzücken, als die Schwerkraft sie ergriff. Wendungen, kurze Anstiege, ein enger Abwärtswirbel, dann eine lange steile Auffahrt über die ganze Länge der Achterbahn, ein zweiter Anstieg, ihr Schwung kurz von einer Zugkette gebremst, dann schossen sie plötzlich wieder abwärts, und die ganze Zeit über schrie Laura, die Arme hoch über dem Kopf. Ein Jahr. Ein ganzes Jahr sauber! Ein Jahr harte Arbeit, gutes Essen, ohne jede Versuchung, und sie wusste, dass keine Droge der Welt je eine aufregendere Wirkung entfalten würde. Die Fahrt war genau so phantastisch, so prickelnd, so atemberaubend, aufwühlend und wundervoll, wie sie sie in Erinnerung hatte. Und es war noch nicht vorbei – sie erklommen die dritte Steigung, ruckten scharf und wurden von der letzten Kette zurückgehalten, was ihre Fallgeschwindigkeit dann noch steigern würde. Sie stiegen gut halb so hoch wie bei ihrem ersten Anstieg. Laura holte tief Luft, gönnte ihren Stimmbändern eine kurze Pause. Vor ihnen lagen die steilste Abfahrt und die letzten scharfen Kehren, bevor sie wieder am Ausgangspunkt ankommen würden. Klack-klack- Mit einem markerschütternden Ruck hielt der Zug wenige Meter vor dem höchsten Punkt. Laura brauchte einen Moment, bevor sie ausatmete. »Was ist denn nun los?« Sie merkte, dass die Frau neben ihr die Augen zusammengekniffen hatte und den Schoßbügel noch immer umklammerte, als hinge ihr Leben davon ab. Sie war ein wenig älter als Laura, aber nicht viel, und für eine weiße Frau war sie reichlich blass, doch jetzt war ihre Blässe so augenfällig, dass Laura zunächst fürchtete, sie sei ohnmächtig geworden. Dann setzte die Frau an zu sprechen, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern: »Bitte, lieber Gott, sag, dass wir nicht tot sind.« »Geht gleich weiter«, sagte Laura. Sie hatte noch nie erlebt, dass eine Achterbahn mittendrin anhielt. Aber es würde bestimmt nicht lange dauern. Sie warf ihrer Nachbarin einen weiteren Blick zu. »Alles in Ordnung?« »Nein.« »Wenn du Angst hast, Achterbahn zu fahren, warum tust du es dann?« Und warum, zum Teufel, steigst du dann auch noch in den ersten Wagen? Nach einem verkrampften Schlucken kam die Antwort: »Ich habe keine Angst vorm Achterbahnfahren. Ich habe Höhenangst.« »Okay. Und warum musste es dann die größte Herausforderung des ganzen Parks sein?« »Das ist mein Abschlusstest. Ich glaube, ich werde ihn nicht bestehen.« Laura war froh zu sehen, dass ein wenig Farbe in die Lippen der Frau zurückkehrte, aber die Augen waren nach wie vor geschlossen. »Du bist nicht hysterisch und du kotzt nicht – wieso solltest du also durchfallen?« »Gib mir noch eine Minute – und beides könnte passieren.« Ihre Lippen verzogen sich. »Sie hat gesagt, ich soll zur Strandpromenade gehen und ein paar Kirmeskarussells und so ausprobieren – es würde mir Spaß machen.« »Klingt, als würdest du für diesen Rat am liebsten jemanden umbringen.« »Meine Therapeutin. Sie wollte mich desensibilisieren.« Sie sprach den Fachbegriff aus wie beim Buchstabierwettbewerb. Laura schaute über den Wagenrand hinunter. Sie standen jetzt schon mindestens drei Minuten. »Es hätte schlimmer kommen können. Nur ein paar Sekunden später und wir würden nicht an die Rücklehnen gepresst, sondern würden in den Gurten und im Schoßbügel hängen.« Die Frau atmete zittrig ein. Dann sagte sie: »Das ist nicht sehr tröstlich.« »Ich heiße übrigens Laura.« »Helen. Helen Baynor.« Im Ton leicht geistesabwesender Routine fügte sie hinzu: »Merk dir den Namen! Eines Tages werde ich berühmt sein. Wenn ich das hier überlebe.« »Irgendwo habe ich gelesen, dass es in Vergnügungsparks jedes Jahr drei Tote gibt.« Helens Augen öffneten sich ein klein wenig, dann kniff sie sie wieder zusammen. »Oh, danke vielmals!« »In demselben Artikel hieß es, dass jedes Jahr neunzig Millionen Menschen einen Vergnügungspark besuchen. Du hast eine größere Chance, den Jackpot in der Powerball Lottery zu gewinnen, als in einem Vergnügungspark zu sterben.« »Sehr unwahrscheinlich.« »Meine Rede.« »Wir hängen am seidenen Faden hoch oben in der Luft – wie kommt es, dass du keine Angst hast?« Helen klang, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen. »Es ist kein seidener Faden. Es ist Stahl auf Stahl.« Warum muss ausgerechnet ich neben einer Irren sitzen, die unter Höhenangst leidet? »Und die da unten können eine Menge unternehmen. Es gibt Bremsen an den Wagen, die sie daran hindern, zurückzurollen. Sie können sie lösen, und wir würden auf dem Weg...