E-Book, Deutsch, 127 Seiten
Jungmann / Koch / Schulz Überall stecken Gefühle drin
4. aktualisierte Auflage 2025
ISBN: 978-3-497-61969-6
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alltagsintegrierte Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen für 3- bis 6-jährige Kinder
E-Book, Deutsch, 127 Seiten
ISBN: 978-3-497-61969-6
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Tanja Jungmann, Dipl.-Psych., ist Professorin für Sprache und Kommunikation und ihre sonderpädagogische Förderung unter besonderer Berücksichtigung inklusiver Bildungsprozesse an der C. v. O. Universität Oldenburg.Prof. Dr. Katja Koch, Sonderschullehrerin, ist Professorin für frühe Sonderpädagogische Entwicklungsförderung an der Universität Rostock.Andrea Schulz, Dipl.-Päd. (Rehab.), ist als Päd-agogin in Mecklenburg-Vorpommern tätig.
Zielgruppe
Erzieher:innen, frühpädagogische Fachkräfte, Grundschullehrer:innen
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1 Soziale und emotionale Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . 11
1.1 Meilensteine in der sozial-emotionalen
Entwicklung . . . . . . . . 11
Eigene Gefühle erkennen und ausdrücken können
. . . . . . . . . 13
Gefühle anderer erkennen und verstehen . . . . . . . . . . . . . . 15
Empathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Gefühle regulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Verhalten regulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.2 Ausgewählte Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Temperament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Lernen am Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.3 Sozial-emotionale Auffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.4 Sozial-emotionale Entwicklung beobachten und dokumentieren . 31
1.5 Bedeutung für andere Entwicklungsbereiche
. . . . . . . . . . . . 36
2 Alltagsintegrierte Förderung sozial-emotionaler
Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.1 Was ist alltagsintegrierte Förderung?
. . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.2 Rolle der pädagogischen Fachkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.3 Förderliche Raumgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3 Ein Tag in der Kita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3.1 Übergreifende Förderaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3.2 Spezifische Alltagssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Morgenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Tagesplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Bilderbücher betrachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Freispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Mahlzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Gemeinsam malen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Beim Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Gemeinsam musizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4 Spielesammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
4.1 Gefühle ausdrücken und erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Spiel 1: Alles gelogen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Spiel 2: Würfel der Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Spiel 3: In unseren Fingern steckt Gefühl . . . . . . . . . . . . . . 88
Spiel 4: Mein rechter, rechter Platz ist leer . . . . . . . . . . . . . 88
Spiel 5: Der Ton macht die Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Spiel 6: Wie fühle ich mich, wenn ...? . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Spiel 7: Im Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Spiel 8: Emotionsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Spiel 9: Klanggeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Spiel 10: Pantomime . . . . . . . . . . .
2Alltagsintegrierte Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen
Die Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung aller Kinder in Alltagssituationen ist eine zentrale Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen. Zunächst wird geklärt, was unter alltagsintegrierter Förderung zu verstehen ist und wie sich diese von Förderprogrammen unterscheidet. Im Anschluss daran wird thematisiert, welche besondere Bedeutung dabei dem Spiel zukommt. Weiterhin wird auf die Rolle der pädagogischen Fachkraft eingegangen. Abschließend werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Gestaltung des Gruppenraums die alltagsintegrierte Förderung wirkungsvoll unterstützen kann.
2.1Was ist alltagsintegrierte Förderung?
Förderprogramme
Alarmiert durch vielfältige Berichte über Verhaltensauffälligkeiten im frühen Kindesalter wurde die Aufmerksamkeit in den letzten Jahren verstärkt auf die Entwicklung von strukturierten Programmen gerichtet. Sie sollen pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen ermöglichen, die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern gezielt zu unterstützen und Auffälligkeiten präventiv entgegenzuwirken. Weite Verbreitung haben die Programme „Papilio“ (Mayer et al. 2016) und „FAUSTLOS“ (Cierpka 2003) gefunden, deren Wirksamkeit in Evaluationsstudien nachgewiesen wurde. Voraussetzung für deren Durchführung ist zumeist die Teilnahme an einer programmspezifischen Schulung. Im Anschluss daran können die Papilio- oder FAUSTLOS-Materialien (z. B. Bildkarten, Marionetten oder Handpuppen) erworben werden, mit denen allgemeine soziale Verhaltensweisen in initiierten Situationen trainiert werden.
alltagsintegrierte Förderung
In Abgrenzung dazu ist die alltagsintegrierte Förderung in den Alltag der Kinder eingebettet. Dabei werden weder bestimmte Materialien oder Programmbausteine genutzt, noch geht es um eine strukturierte, standardisierte Abfolge von Fördermaßnahmen. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass bereits alltägliche Situationen in den Kindertageseinrichtungen zahlreiche Möglichkeiten zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen bieten.
Alltagsintegrierte Förderung ist die zielgerichtete Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen in Alltagssituationen.
Hintergrund ist die sozial-konstruktivistische Lerntheorie, nach der angenommen wird, dass Kompetenzen im Kontext bedeutsamer Aktivitäten in alltäglichen Interaktionssituationen erworben werden. Die Aufgabe der pädagogischen Fachkraft besteht darin, den Alltag auf die Situationen hin zu analysieren, die Potenzial für die Förderung bestimmter Kompetenzen haben und diese Situationen zielgerichtet pädagogisch zu nutzen. Basis dafür ist ein grundlegendes Wissen über die sozial- emotionale Entwicklung im Kindesalter (Kap. 1).
Zielgruppe der alltagsintegrierten Förderung sind nicht nur Kinder mit Risiken oder bereits bestehenden Auffälligkeiten, sondern alle Kinder ab drei Jahren, die die Einrichtung besuchen.
Die alltagsintegrierte pädagogische Förderung in Kindertageseinrichtungen hat hauptsächlich eine entwicklungsunterstützende, aber auch eine präventive Funktion: Indem die Kinder in ihrer Entwicklung adäquat gefördert werden, soll dem Entstehen von Auffälligkeiten vorgebeugt werden.
Bedeutung des Spiels
Vor allem der Spielsituation wird bei der alltagsintegrierten Förderung im sozial-emotionalen Bereich eine große Bedeutung beigemessen. Kontakte und Interaktionen, die Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren haben, vollziehen sich überwiegend im Rahmen des sozialen Spiels.
Nach Howes / Matheson (1992) lassen sich sechs aufeinander aufbauende Stufen in der Entwicklung des sozialen Spiels identifizieren.
1 Zunächst spielen Kinder nebeneinander ohne sich gegenseitig Beachtung zu schenken (reines Parallelspiel).
2 In der darauffolgenden Stufe des Parallelspiels wird weiterhin nebeneinander gespielt, die Kinder schauen sich nun aber hin und wieder gegenseitig an.
3 In der Phase der ersten Kooperationen sprechen die Kinder miteinander und tauschen gelegentlich zum Spiel des jeweils anderen Kindes gehörende Gegenstände aus.
4 Beim Komplementärspiel (auch wechselseitiges oder reziprokes Spiel genannt) nehmen die Kinder nacheinander sich wechselseitig einbeziehende Rollen ein.
5 Das einfache kooperative Rollenspiel unterscheidet sich davon, weil die Rollen vorweg abgesprochen wurden.
6 Beim komplexeren kooperativen Rollenspiel werden schließlich auch die Rollen nach Absprache verändert und neue Handlungsabläufe gemeinsam festgelegt.
Die Komplexität des Sozialspiels wird als ein Indikator der sozialen Kompetenz eines Kindes betrachtet (Howes 1988). Kinder, die früher als erwartet soziale Spielformen entwickeln, werden als geselliger, prosozialer, weniger zurückgezogen und weniger aggressiv im Umgang mit ihren Peers eingeschätzt (Howes / Matheson 1992).
In Spielsituationen können entstehende soziale Interaktionen genutzt oder aber solche initiiert werden, die auf die Einübung sozial-emotionaler Kompetenzen abzielen. Ebenso eignen sich Spielsituationen gut für pädagogische Fachkräfte, um mit Kindern Gespräche zu führen, die förderlich für die Kompetenzentwicklung sind.
2.2Rolle der pädagogischen Fachkraft
Die Fachkraft muss das Förderpotenzial von Alltagssituationen erkennen und gezielt pädagogisch nutzen. Dieser Schlüsselposition entsprechend werden an die Fachkräfte wichtige Anforderungen gestellt.
Wissen über die Entwicklung
Entscheidend für eine entwicklungsadäquate Förderung sind umfangreiche Kenntnisse über die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern. Man muss also wissen, wie sich die sozial-emotionale Entwicklung vollzieht, welche Phasen von den Kindern in welcher Reihenfolge durchlaufen werden, welche wesentlichen, im konkreten Verhalten beobachtbaren Meilensteine dabei erreicht werden und welche inter- und intraindividuellen Unterschiede auftreten können. Ebenso muss man wissen, welche bedeutenden Einflussfaktoren auf diese Entwicklung einwirken (Kap. 1.1 und 1.2).
Eine wesentliche weitere Voraussetzung, „an der richtigen Stelle“ anzusetzen, ist eine regelmäßige und systematische Beobachtung des kindlichen Entwicklungsstandes (Kap. 1.4).
Einstellung zum Kind
Im Bereich der sozial-emotionalen Entwicklung ist es notwendig, dass sich die Fachkraft immer wieder mit ihren eigenen Einstellungen und Haltungen auseinandersetzt. Gerade Verhaltensauffälligkeiten bringen pädagogische Fachkräfte an ihre Grenzen. Dabei ist es wichtig, sich immer wieder vor Augen zu halten: Kinder verhalten sich niemals auffällig, weil sie jemanden ärgern wollen oder einfach nur Lust dazu haben. Jedes Verhalten hat für das Kind einen Sinn, der sich oft erst erschließt, wenn Einflussfaktoren, die im Kind oder in seinen bisherigen Sozialisationserfahrungen liegen, berücksichtigt werden (Kap. 1.3). Diese Erkenntnis erleichtert es wiederum, selbst adäquater und feinfühliger zu reagieren und dem Kind somit korrektive Beziehungserfahrungen zu ermöglichen.
Jörn fordert beim Bauen eines Hauses mit Legosteinen deutlich durch Rufen und Winken die Unterstützung der Fachkraft ein. Diese gibt ihm zu verstehen, dass sie gleich zu ihm kommen wird, wenn sie Lena beim Auffädeln von Perlen geholfen hat. Jörn zerstört daraufhin sein angefangenes Haus.
Beobachtungen der Fachkraft aus der Interaktion zwischen Jörn und seiner Mutter in der Begrüßungs- und Abholsituation lassen sie vermuten, dass Jörn es nicht gewohnt ist, dass auf seine Signale nach Nähe und Zuwendung zuverlässig und feinfühlig reagiert wird. Daraus erklärt sich auch seine geringe Frustrationstoleranz, wenn er auf Assistenz beim Bauen warten muss. Er zerstört sein Haus, um seiner Forderung nach schneller Aufmerksamkeit Nachdruck zu verleihen. Sein Verhalten hat für ihn also durchaus einen Sinn. Diesen zu erkennen, ist die Aufgabe der pädagogischen Fachkraft. Weiterhin gilt es herauszufinden, woraus Jörns Not (denn nichts anderes bedeutet es, wenn er sein gerade mühsam gebautes Haus selbst wieder zerstört) resultiert und wie die Fachkraft ihm helfen kann, einen anderen Verhaltensausdruck dafür zu finden. Ziel ist, dass Jörn Vertrauen entwickelt, weiß, dass er verstanden wird und ihm Zuwendung sicher ist.
Eine Grundhaltung, die Ursachen für Auffälligkeiten nicht allein im Kind, sondern in seinem Sozialisationsgefüge sucht, ist hilfreich, Konflikte auszuhalten, dem Kind korrektive Beziehungsangebote zu machen und – bezogen auf das obige Beispiel – trotz einer Abwehrreaktion weiterhin für Hilfestellung zur Verfügung zu stehen und konstruktiv nach Lösungen zu suchen.
Beziehung zu
den Kindern
Die Basis jeglicher Zusammenarbeit und Förderung ist der Aufbau einer stabilen und vertrauensvollen Beziehung zu jedem Kind in der Gruppe. Kinder müssen sich sicher und geborgen fühlen, um ihre Umwelt...




