Jox / Krones / Marckmann | Praxisbuch Advance Care Planning | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 598 Seiten

Jox / Krones / Marckmann Praxisbuch Advance Care Planning

Behandlungsentscheidungen gemeinsam vorausplanen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-036569-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Behandlungsentscheidungen gemeinsam vorausplanen

E-Book, Deutsch, 598 Seiten

ISBN: 978-3-17-036569-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Durch den medizinischen Fortschritt und die Alterung der Bevölkerung sind immer häufiger kritische Behandlungsentscheidungen zu treffen, während die betroffenen Personen sich nicht mehr selbst dazu äußern können. Nicht selten ist hierbei das Verhältnis von Chancen und Risiken der Behandlungsoptionen ungünstig. Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sollen helfen, im Sinne der betroffenen Person zu entscheiden, jedoch sind sie in ihrer herkömmlichen Nutzung oftmals unzureichend und können sogar irreführend und riskant sein. Um diese Situation zu verbessern, gibt es ein international bewährtes Konzept: Advance Care Planning (ACP). In den letzten Jahren hat es sich auch in Deutschland vor allem dank einer Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung (§ 132 SGB V) zunehmend etabliert. Dieses Angebot gibt es bisher nur für Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen oder in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben. Auch in Österreich und der Schweiz gibt es Projekte und politische Initiativen, ACP einzuführen. Was vielen nicht bekannt ist: ACP kann eine tiefgreifende Wirkung auf das Gesundheitswesen entfalten. Es trägt zu einem kulturellen Wandel im Gesundheitssystem bei, indem eine patientenzentrierte Gesprächskultur eingeübt, die Selbstbestimmung der Betroffenen konsequent respektiert und eine an individuellen Behandlungszielen orientierte, verantwortungsvoll abgewogene Patientenversorgung gefördert wird. In diesem Buch erläutern führende internationale Experten aus Wissenschaft und Praxis ethische und rechtliche Hintergründe, stellen erfolgreiche ACP-Modelle vor und bieten konkrete Empfehlungen für deren praktische Umsetzung. Neben ACP-Gesprächsbegleitern und Gesundheitsfachkräften finden auch diejenigen Orientierung, die ACP auf den verschiedenen Ebenen des Gesundheitssystems etablieren möchten.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Ralf J. Jox ist Palliativmediziner und Medizinethiker am Universitätsklinikum Lausanne. Prof. Dr. med. Dipl.-Soz. Tanja Krones ist Klinische Ethikerin am Universitätsspital Zürich. Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH, ist Medizinethiker an der LMU München. Prof. Dr. med. Jürgen in der Schmitten, MPH, ist Hausarzt und lehrt Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen. Mit Beiträgen von: Ralf J. Jox, Tanja Krones, Georg Marckmann, Jürgen in der Schmitten, Verena Albrecht, Stephanie Anderson, Aukje Bartsch-de Jong, Birgitta Behringer, Raoul Borbé, Linda A. Briggs, Josephine Clayton, Klara Doppler, Bianka Dörr, Berend Feddersen, Monika Führer, Lars Garten, Joni Gilissen, Jane Goodwin, Kornelia Götze, Julia Gramm, Andreas Günther, Bernhard Hammes, Thomas D. Harter, Claire Henry, Wolfram Höfling, Paul Hüster, Isabelle Karzig-Roduner, Gina King, Maria Kletecka-Pulker, Kathrin Knochel, Ida J. Korfage, Katja Kühlmeyer, Esther Liem, Volker Lipp, Barbara Loupatatzis, Christiane Luderer, Leigh Manson, Eva Katharina Masel, Settimio Monteverde, Carole Montgomery, Friedemann Nauck, Monika Obrist, Thomas Otten, Stefanie Otten-Marré, Theodore Otto-Achenbach, Anouk Overbeek, Sabine Petri, Nicole Poletti, Katrin Radenbach, Judith A. C. Rietjens, Daniela Ritzenthaler, Stephan Rixen, Niek Rogger, Ana Rosca, Frank Scherff, Jan Schildmann, Graig Sinclair, Henrikje Stanze, Thomas Strahleck, Lieve van den Block, Agnes van der Heide und Kerstin von der Hude.
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Vorwort der Herausgeber


Es liegt ein merkwürdiger Imperativ des Handelns in der Lebenserhaltung durch medizinische Maßnahmen. Merkwürdig insofern, als den medizinischen Akteuren an einem gewissen Punkt zweierlei aus dem Blick zu geraten scheint: Die Verhältnismäßigkeit des Nutzens angesichts schwindender Chancen und steigender Risiken, also die medizinische Indikation als Grundbedingung ärztlichen Handelns – und die individuelle Bewertung eines gegebenen Verhältnisses von Chancen und Risiken durch den Patienten1, also dessen wohlinformierte Einwilligung. Oder ist es nicht merkwürdig, dass medizinische Akteure sich unter bestimmten Umständen nicht mehr als loyale Dienstleister der ihnen anvertrauten Patienten erleben, sondern – im Gewand einer väterlichen oder mütterlichen ärztlichen Fürsorgeverpflichtung – den Kampf um die Erhaltung des Lebens zu ihrer unhinterfragbaren Maxime machen: vita aegroti suprema lex?

Man kann die Geschichte der westlichen Gesundheitskultur der letzten 130 Jahre als einen zähen Kampf lesen (und sich darüber verwundert die Augen reiben), in dem die Zivilgesellschaft eine Medizin, die solcherart ihr Maß verloren hat, Schritt für Schritt in ihre Schranken zurückweist. Es lohnt sich, einige rechtliche Meilensteine dieser Entwicklung kurz zu rekapitulieren und dabei auf die Sprache zu achten. Der Reichsgerichtshof hielt es 1894 für nötig, Ärzte daran zu erinnern, dass ihre Berufung durch einen Kranken ihnen nicht »eine unbeschränkte Gewaltherrschaft (sic!) über seine Person eingeräumt hat« und dieser den »Auftrag zum Heilverfahren jederzeit […] widerrufen« darf. Gut 20 Jahre später (1917) sekundierte der Oberste Gerichtshof der USA: »Every human being of adult years and sound mind has a right to determine what shall be done with his own body.« Und 1957 urteilte der Bundesgerichtshof der jungen Bundesrepublik Deutschland noch einmal in ähnlich drastischem Ton an die Adresse behandelnder Ärzte: »Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein sollte, seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden. […] Denn ein selbst lebensgefährlich Kranker kann triftige und sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er durch sie und nur durch sie von seinem Leiden befreit werden könnte«.

Schon bald wurde jedoch deutlich, dass es nicht genügt, die grundlegenden Rechte zu klären, weil nämlich in kritischer Lage das enorme Wissensgefälle, in Verbindung mit der Erfahrung von existenzieller Bedrohung, Not und Hilflosigkeit, eine selbstbestimmte Entscheidung auf Seiten des Patienten erheblich behindert. Dies brachte der US Supreme Court im gleichen Jahr (1957) zum Ausdruck: »[I]n discussing the element of risk a certain amount of discretion must be employed consistent with the full disclosure of facts necessary to an Informed Consent.«

»Informed Consent« (informierte Einwilligung) – damit schien endlich die ethisch-rechtliche Norm geschaffen, die den medizinischen Imperativ der Lebenserhaltung der individuellen Selbstbestimmung unterordnet, und diese Norm hat bis heute Gültigkeit. Und doch war es ein viele Jahrzehnte dauernder Prozess, das Patientenrecht auf Einwilligung nach Aufklärung zum einen formal zu verankern (in Deutschland zuletzt durch das Patientenrechtegesetz vom 20.02.2013), zum anderen es in die Realität der Praxen und Krankenhäuser zu bringen – viele würden sagen: Ein Großteil dieses Wegs ist noch zurückzulegen. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten der Akut- und Notfallmedizin gewachsen und stehen heute einer gealterten, zunehmend gebrechlichen oder chronisch kranken Bevölkerung gegenüber, deren Chancen bei gesundheitlichen Krisen vergleichsweise gering sind – bei hohen Belastungen und Risiken, sodass das Aufklärungserfordernis und ein kritischer Blick auf die Indikationen höher sind denn je.

Und doch hinterließen und hinterlassen der »Informed Consent«-Standard und die resultierenden Aufklärungspflichten bei vielen ein schales Gefühl: Bleiben in diesem technokratischen Prozess von Information und Einwilligung nicht zentrale Elemente gelungener Arzt-Patient-Beziehungen unberücksichtigt? Wird der Schatz ärztlicher Fürsorge nicht einem Popanz der Patientenautonomie geopfert, der auch bei Juristen und Ethikern in dem Moment jede Bedeutung verliert, wo sie selbst erkranken und das Bedürfnis erleben, sich einem medizinischen Behandlungsteam vorbehaltlos anvertrauen zu können?

Diese Fragen markieren das Aufkommen einer ergänzenden, seit den 1980er Jahren in Entwicklung befindlichen Norm in der Geschichte des Arzt-Patient-Verhältnisses, des Shared Decision Making (Gemeinsame Entscheidungsfindung). Hier treten Behandler und Patient in einen Austausch, der gleichermaßen von Fürsorge und von Achtung der Patientenselbstbestimmung geprägt ist. Dieser Austausch berücksichtigt gegebenenfalls Bedrohung, Not und Hilflosigkeit auf Seiten des Patienten, und an die Stelle von bloßer Information tritt eine bestmögliche Befähigung zur autonomen Entscheidung auf dem Boden einer vertrauensvollen Beziehung. Shared Decision Making ist der Prozess, der gerade in kritischen Situationen und insbesondere angesichts potenziell lebensbedrohlicher Erkrankungen erforderlich ist, um Menschen so zu begleiten, dass sie die für sie richtige Behandlungsentscheidung bestmöglich treffen können – wohlinformiert, könnte man sagen, um ein solcherart in Beziehung zustande gekommenes Einverständnis in Abgrenzung vom bloßen »Informed Consent« zu charakterisieren.

Das Selbstbestimmungsrecht erlischt nicht, wenn Menschen krankheitsbedingt nicht mehr selbst einwilligen können, und als Instrument, um auch in solchen Situationen das medizinische Handeln gemäß dem Willen des betroffenen Patienten zu lenken, gilt die Patientenverfügung. Vor dem vorstehenden medizinrechtlichen und -ethischen Schlaglicht wird in aller Schärfe erkennbar, wie wenig angemessen die in Deutschland und anderswo seit den 1970er Jahren verbreitete Praxis des Umgangs mit Patientenverfügungen war und ist. Patientenverfügungen, also im Voraus für künftige, mit Einwilligungsunfähigkeit einhergehende gesundheitliche Krisensituationen getroffene Behandlungsentscheidungen von Patienten, wurden und werden als für den Laien im Detail oft unverständliche (und inhaltlich meist fragwürdige sowie letztlich wirkungslose) Formulare verteilt, die von jedem und jeder angekreuzt und unterschrieben werden dürfen – ohne jegliche qualifizierte Aufklärung im Sinne des Patientenrechtegesetz, ganz zu schweigen von einem unterstützten Willensbildungsprozess im Sinne des Shared Decision Making. Damit korrespondiert, dass der »merkwürdige« Imperativ der Lebenserhaltung gegenüber Menschen, die kritisch erkrankt und dabei krankheitsbedingt nicht einwilligungsfähig sind, bis heute ungebrochen scheint.

Nach jahrzehntelangem Ringen und einer Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen wurde die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen in Deutschland erst im Jahr 2009 gesetzlich bestätigt (in Österreich 2006 und in der Schweiz 2013), doch an ihrer solitären Existenz außerhalb des alle anderen medizinischen Entscheidungen umfassenden Aufklärungsgebotes hat sich ungeachtet dieser Gesetzgebung bis heute in der Breite nichts geändert. Chronisch kranke, alte und gebrechliche Menschen werden bis heute tagaus, tagein vom Rettungsdienst in Krankenhäuser transportiert und dort mit dem Ziel der Lebenserhaltung behandelt, häufig auch künstlich beatmet, reanimiert oder bei Schlaganfällen durch Infusionen am Leben erhalten, ohne dass der diesbezügliche Behandlungswille des Betreffenden irgendeinem Beteiligten bekannt wäre – oder gar, falls doch bekannt, beachtet würde. Dabei wissen wir längst aus Befragungen, dass viele dieser Menschen im Voraus anders, nämlich zugunsten eines palliativen Therapieziels entschieden hätten, wenn sie den nötigen Raum dafür erhalten hätten und dazu befähigt worden wären. Und auch am entgegengesetzten Ende des Spektrums bleibt der Wille der Betroffenen mitunter unberücksichtigt, nämlich dort, wo – gerade in jüngerer Zeit –Behandlungsteams unter dem Eindruck von schwerer chronischer Krankheit (auch bei jungen Menschen), Behinderung oder Gebrechlichkeit bzw. Hochaltrigkeit von einer medizinisch möglichen Lebenserhaltung in internem Einvernehmen Abstand nehmen, obwohl eine solche von den Betroffenen ungeachtet geringer Chancen noch gewollt und medizinisch vertretbar wäre.

Hier setzt Advance Care Planning an, ein in den 1990er Jahren in den USA entwickeltes Konzept, das Shared...


Prof. Dr. med. Dr. phil. Ralf J. Jox ist Palliativmediziner und Medizinethiker am Universitätsklinikum Lausanne.
Prof. Dr. med. Dipl.-Soz. Tanja Krones ist Klinische Ethikerin am Universitätsspital Zürich.
Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH, ist Medizinethiker an der LMU München.
Prof. Dr. med. Jürgen in der Schmitten, MPH, ist Hausarzt und lehrt Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen.

Mit Beiträgen von:
Ralf J. Jox, Tanja Krones, Georg Marckmann, Jürgen in der Schmitten, Verena Albrecht, Stephanie Anderson, Aukje Bartsch-de Jong, Birgitta Behringer, Raoul Borbé, Linda A. Briggs, Josephine Clayton, Klara Doppler, Bianka Dörr, Berend Feddersen, Monika Führer, Lars Garten, Joni Gilissen, Jane Goodwin, Kornelia Götze, Julia Gramm, Andreas Günther, Bernhard Hammes, Thomas D. Harter, Claire Henry, Wolfram Höfling, Paul Hüster, Isabelle Karzig-Roduner, Gina King, Maria Kletecka-Pulker, Kathrin Knochel, Ida J. Korfage, Katja Kühlmeyer, Esther Liem, Volker Lipp, Barbara Loupatatzis, Christiane Luderer, Leigh Manson, Eva Katharina Masel, Settimio Monteverde, Carole Montgomery, Friedemann Nauck, Monika Obrist, Thomas Otten, Stefanie Otten-Marré, Theodore Otto-Achenbach, Anouk Overbeek, Sabine Petri, Nicole Poletti, Katrin Radenbach, Judith A. C. Rietjens, Daniela Ritzenthaler, Stephan Rixen, Niek Rogger, Ana Rosca, Frank Scherff, Jan Schildmann, Graig Sinclair, Henrikje Stanze, Thomas Strahleck, Lieve van den Block, Agnes van der Heide und Kerstin von der Hude.



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