E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-7607-8713-8
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Eine Vampirgeschichte der ganz besonderen und vor allem besonders witzigen Art von Erfolgsautor Pete Johnson!
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Sonntag, 30. September
19.15 Uhr
Drei Sätze, die du niemals aus dem Mund deiner Eltern hören willst: »Wir sollten uns mal von Mann zu Mann unterhalten.« »Deine Mutter und ich legen jetzt eine flotte Sohle aufs Parkett.« »Bald wächst ein spitzer weißer Eckzahn in deinem Mund.« Meine Eltern haben mir gerade Letzteres mitgeteilt. Dann haben sie mir erzählt … nein, das kommt erst später. Heute ist mein dreizehnter Geburtstag. Zum ersten Mal in der gesamten Weltgeschichte haben mir meine Eltern etwas geschenkt, das ich mir wirklich gewünscht habe: einen iPod touch. Er soll gleichzeitig mein Weihnachtsgeschenk sein, aber das ist mir egal. Er ist einfach genial! Und er ist nicht größer als ein Handy, sodass ich ihn überallhin mitnehmen kann. Jetzt kann ich Computerspiele spielen, ins Internet gehen oder bloggen, wann immer ich will. Eigentlich wollte ich ja einen so sensationellen Blog schreiben, dass die Leute gar nicht genug davon bekommen können. Tja, mein Blog wird tatsächlich eine Sensation, aber leider wird ihn nie jemand lesen. Was ich dir jetzt anvertrauen werde, lieber Blog, ist nur für dich bestimmt – und muss für alle Zeiten hinter einem geheimen Passwort unter Verschluss bleiben. Merkwürdig, wie sich das Leben manchmal verändert, wenn man es am wenigsten erwartet. Ich saß vorhin ahnungslos im Wohnzimmer und futterte einen kleinen Snack, als Mum und Dad hereinmarschiert kamen. Mum stellte den Fernseher aus und die beiden setzten sich zu mir an den Tisch. »Wir möchten mit dir reden, Markus«, sagte Dad. Das überraschte mich nicht. Mum und Dad halten mir ständig endlose, stinklangweilige Vorträge. Das nervt vielleicht! Ich meine, wofür gehe ich denn in die Schule? »Wir haben gedacht«, begann Dad, »dies wäre ein guter Zeitpunkt«, er sah zu Mum, die ihm leicht zunickte, »um dir von einigen der wundervollen Veränderungen zu erzählen, die bald in deinem Körper stattfinden.« »Du meinst, dass ich massenhaft Pickel bekomme und meine Stimme anfängt zu kieksen?« »Es werden sich noch andere Dinge verändern«, sagte Mum sanft. Oh nein, dachte ich, jetzt kommt das berühmte Aufklärungsgespräch. Vor lauter Verlegenheit rollten sich mir schon die Fußnägel auf. »Bitte nicht beim Essen, Mum, sonst vergeht mir der Appetit«, sagte ich. »Außerdem haben wir das schon in Bio durchgenommen, ich kenne also alle schmutzigen Einzelheiten.« Dann lächelte ich und warf einen hoffnungsvollen Blick zur Tür. »War echt nett, mit euch zu plaudern, Mum und Dad. Macht’s gut und bis bald mal wieder!« Aber keiner von beiden rührte sich. Stattdessen tauschten sie einen weiteren schnellen Blick. Dann ergriff Dad das Wort. »Die Sache ist die, Markus: Du bist etwas Besonderes.« »Stimmt, ich bin der Beste!« Ich grinste. »Und ich bin wirklich froh, dass ihr das auch endlich gemerkt habt.« »Aber du wirst ein paar besondere Erfahrungen machen, die deine Freunde nicht machen werden«, fuhr Dad fort. »Zum Beispiel?«, fragte ich vorsichtig. »Nun ja, du wirst ziemlich schlecht riechen«, sagte Mum. Ich schnupperte an meinen Achseln. »Willst du mir etwa sagen, dass ich stinke?«, fragte ich. »Nein, nein«, sagte Mum. »Aber du wirst eine Weile furchtbaren Mundgeruch haben. Und du kannst nichts dagegen tun.« »Und bald«, sagte Dad, »wächst ein spitzer, weißer Eckzahn in deinem Mund.« Ich starrte ihn an. »Wovon zum Teufel sprichst du, Dad?« Doch er redete einfach weiter. »Der Zahn wird nach einem Tag wieder ausfallen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, das ist ganz normal für jemanden wie dich.« Dad sah aus, als wäre er drauf und dran, noch sehr viel mehr zu erzählen, aber da rief Mum: »Ich glaube, das reicht fürs Erste.« Sie stand auf. »Moment mal«, sagte ich. »Warum sollte mir ein spitzer Eckzahn wachsen? Wollt ihr mir etwa weismachen, dass ich mich in einen Vampir verwandle?« Ich begann zu lachen. Die Stimmung war auf einmal ziemlich angespannt, ohne dass ich richtig wusste, warum. Und wenn du unsicher bist, ist Lachen das Beste, was du machen kannst. Ich bin sowieso der Meinung, dass die Menschen viel mehr lachen sollten. Doch plötzlich fiel mir auf, dass Mum und Dad nicht einmal lächelten. Kleine Schweißperlen glänzten auf Dads Stirn. »Ihr zwei macht mir allmählich richtig Angst!«, rief ich. »Ihr habt es sogar geschafft, mir meinen Snack zu vermiesen, und das will was heißen … Jetzt spuckt es endlich aus. Was ist los?« »Du bist kein Vampir«, sagte Dad langsam. »Nein, das hab ich auch nicht wirklich geglaubt«, sagte ich. »Es gibt schließlich keine Vampire, oder?« Dad antwortete nicht. Die nächsten Worte sagte er sehr langsam und vorsichtig, als würde er sie aus einer anderen Sprache übersetzen. »Deine Mutter und ich sind Halbvampire und wir sind stolz darauf. Na ja, genau genommen liegt der Vampir-Anteil eher bei vierzig Prozent. Aber wir nennen uns trotzdem Halbvampire, und wir glauben, dass du auch einer bist.« Wenn du etwas so Verrücktes hörst, springst du nicht gleich auf und drehst durch (das kommt erst später). Nein, du schluckst sehr, sehr schwer und denkst: Entweder ist das ein Traum und gleich kommt ein Schwein durchs Fenster geflogen. Oder meine Eltern sind TOTAL DURCHGEKNALLT. Genau, so muss es sein. Der Stress des modernen Alltags hat sie fertiggemacht. Also lächelte ich meinen bekloppten Eltern freundlich zu und fragte: »Seit wann haltet ihr euch denn für Halbvampire? Fangen wir mit dir an, Dad. Lehn dich einfach zurück, entspann dich und erzähl mir alles darüber.« »Es ist ein ziemlicher Schock, wenn man es zum ersten Mal hört, nicht wahr?«, fragte Dad. »Allerdings.« Ich nickte. »Vor allem, weil ich euch kein Wort glaube.« »Wir hätten dir nicht alles auf einmal erzählen dürfen.« Mum seufzte. »Laut Handbuch soll man die Informationen häppchenweise weitergeben.« »Was für ein Handbuch?«, fragte ich. »Oh, das ist nur ein kleiner Leitfaden für Leute in unserer Situation«, erklärte Mum. »Wir wollten doch unbedingt alles richtig machen.« »Wie viele Halbvampire gibt es denn?«, fragte ich. »Oder handelt es sich nur um euch zwei Verrückte – plus mich Glückspilz natürlich, den guten alten Markus?« »Es gibt mehr von uns, als du vielleicht glaubst«, sagte Dad. Seine Stimme klang vollkommen ruhig, und er machte eigentlich nicht den Eindruck, als würde er gerade durchdrehen. »Hör mal«, stieß ich hervor. »Korrigiere mich, wenn ich falschliege, aber haben Vampire nicht riesige Zähne und ziemlich merkwürdige Gewohnheiten? Ach ja, und zerfallen sie nicht in der Sonne zu Staub und werden fünfhundert Jahre alt? Ihr wollt mir doch nicht etwa erzählen, dass ihr beide zweihundertfünfzig Jahre alt seid, oder?« Mum und Dad entspannten sich ein bisschen und lächelten. Mum sagte: »Du darfst nicht alles glauben, was du hörst. Die meisten Geschichten sind völlig übertrieben und außerdem sind wir ja nur Halbvampire. Aber du weißt, dass weder dein Vater noch ich die Sonne besonders mögen.« Es traf mich wie ein Blitz, als mir einfiel, wie sorgfältig sich Mum und Dad an sonnigen Tagen immer anziehen. Wir fuhren in den Ferien auch nie in den Süden. Mum und Dad machten lieber Winterurlaub in der Nebensaison. Ich hatte immer gedacht, das täten sie, um Geld zu sparen. »Gelegentlich wissen wir auch ein Schlückchen Blut zu schätzen«, fuhr Mum fort. »Es ist in der Tat unglaublich erfrischend. Aber nur hin und wieder als herrliche kleine Leckerei. Und wir gehen nachts gern auf Friedhöfe. Dort ist es einfach wahnsinnig stimmungsvoll.« »Aber wir sind nicht älter, als du glaubst«, sagte Dad. »Auch wenn sich Halbvampire tatsächlich eines sehr langen und ausgefüllten Lebens erfreuen. Deine Urgroßmutter ist zum Beispiel so alt geworden, dass sie dich noch kennengelernt hat.« Dann holte Mum ein Foto hervor, das ein bemerkenswert hässliches Baby (mich) auf dem Schoß einer kleinen Frau zeigte, die aussah wie eine sehr ramponierte Puppe. »Ich kenne dieses Foto«, sagte ich. »Ja, aber wir haben dir nie erzählt, wie alt deine Urgroßmutter war, als es aufgenommen wurde«, sagte Mum eifrig. »Sie war einhundertvierundzwanzig Jahre alt.« »Und sie sieht keinen Tag älter aus als einhundertdreiundzwanzig«, sagte ich. »Erstaunlich. Also war sie auch ein Halbvampir?« »Ja, und sie war besonders stolz darauf.« Dad lächelte. »Sie sagte immer, durch unser langes Leben seien wir so etwas wie Zeitreisende. Und sie war bis zum Schluss sehr aktiv, genauso wie deine Großeltern. Auch wenn sie im Ruhestand sind, haben weder meine Eltern noch die deiner Mutter Lust, nur zu Hause herumzusitzen. Darum sind sie auch gerade mal wieder alle vier auf Reisen.« »Aber es gibt eine wichtige Regel für uns Halbvampire«, sagte Mum. »Wir müssen unsere wahre Identität geheim halten. Denn wenn die normalen Menschen von uns wüssten …« »Wir würden sie ziemlich nervös machen«, ergänzte Dad. »Es gibt einfach zu viele wilde Geschichten über uns, darum ist es besser, sie wissen nicht, wer wir wirklich sind.« »Und ich bin ganz sicher ein Halbvampir?«, fragte ich. ...