Johansen | Die Abenteuer von MacLayston, Harry Rupert und anderen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 235 Seiten

Johansen Die Abenteuer von MacLayston, Harry Rupert und anderen


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96639-125-2
Verlag: Secession Verlag Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 235 Seiten

ISBN: 978-3-96639-125-2
Verlag: Secession Verlag Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der junge Wissenschaftler Harry Rupert erfindet ein künstliches Protein, das den Hunger auf der Welt besiegen könnte. Wären da nicht der New Yorker Chemie-Magnat MacLayston, der lüsterne und skrupellose Jim Reeps sowie der englische Professor Masseby, die sich das Rezept zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil unter den Nagel reißen wollen. Zum Glück hat Harry Rupert die Genossen Martin und James, den mysteriösen Andrij Wowk und die geläuterte Tochter MacLaystons auf seiner Seite. Inspiriert von der westeuropäischen und amerikanischen Abenteuer- und Detektivliteratur, von Jack London über Robert Louis Stevenson bis hin zu den Groschenheften um den amerikanischen Detektiv Nat Pinkerton, bieten Die Abenteuer von MacLayston, Harry Rupert und anderen eine spannende und rasante Handlung, deren Schauplätze von New York über Paris und London bis in die sowjetische Ukraine und das Kongogebiet reichen. Die trivialen Muster der Massenliteratur reichert Johansen mit poetischen Beschreibungen, intertextuellen Verweisen und bissigen Kommentaren auf Kapitalismus und Kolonialismus an und schafft so ein pralles und kurzweiliges Lesevergnügen, das noch heute seine Gültigkeit besitzt. Ursprünglich als zehnteiliger Fortsetzungsroman angelegt, wurde dieser Roman zum ersten Bestseller der Ukraine überhaupt und verkaufte sich bereits 1925 mit mehr als 100.000 Exemplaren.

Mike Johansen ist eine der zentralen Figuren der sogenannten »Erschossenen Renaissance« (Rosstriljane Widrodschennja) - der von Stalin 1937/38 ermordeten ukrainischen Avantgarde der 1920er Jahre. Seit der Unabhängigkeit 1991 wird Mike Johansen in der Ukraine als wichtigster Vorreiter einer eigenständigen ukrainisch-sprachigen Literatur angesehen. Sie Roman Die Reise des gelehrten Doktor Leonardo ... (Secession Verlag 2023) wird vom ukrainischen PEN zu den 100 wichtigsten Werken des Landes gezählt und ist Schullektüre in der Oberstufe. Die Abenteuer von MacLayston, Harry Rupert und anderen veröffentlichte Mike Johansen unter dem Pseudonym Willy Vecelius - ein Spiel mit Johansens Abstammung von einem deutschbaltischen Vater, mit Tizians Nachnamen Vecellio und dem ukrainischen Wort veselyj - fröhlich, lustig, heiter.
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KAPiTEL 1
DiE DAmE iN SChWARZ


Ein afrikanischer Panther. Flug im Aeroplan. Miss Drevins – die Haushälterin. Anspielung auf E.A. Poes Gedicht »Annabel Lee«. Hunger in Russland und der Ukraine. Der Buchhalterfinger. Betsy, Maud und Jenny. Die Dame in Schwarz. Doktor Reeps. Der Frachter Victoria. Ein Mann mit einem Vogel. Harry Rupert. Wieder Miss Drevins – die Haushälterin. Explosion auf hoher See. Eine Zigarette auf Algen. Was ein Albatros denken würde, wenn er rauchen könnte.

Genau eine Minute, nachdem die Pfote mit den gepflegten Krallen, die nicht nur niemals einen Webstuhl berührt, sondern ihrem Besitzer auch nie nur einen einzigen Knopf angenäht hatten,1ging die Tür des Schlafzimmers leise auf und der Panther sprang federleicht ins Zimmer.

Die grünen Augen des jungen, noch nicht ganz ausgewachsenen Tieres trafen auf die schläfrigen des Mädchens.

Es sprang aus dem Bett und begann, vom Schlaf erhitzt, mit seinem Liebling, der eher in den zentralafrikanischen Busch gepasst hätte als in das komfortable Zimmer von MacLaystons Tochter, zu spielen und herumzutollen.

In Südamerika gibt es nur Jaguare, einige Hunderttausend Pud Korn waren nötig gewesen, um an einen echten afrikanischen Panther zu gelangen.

Aber was zählt schon prosaisches Korn – in Amerika gibt es schließlich keinen Hunger, den gibt es in Sowjetrussland. In Amerika gibt es Dollars, Mister MacLayston hat Dollars – und MacLayston hat eine einzige Tochter, also hat Mr. MacLaystons Tochter Dollars.

Unterdessen hatte die Tochter MacLaystons genug vom Spielen mit Annabel, wie sie ihr Spielzeug entsprechend dem Gedicht von Edgar Allan Poe nannte, und schrieb, nachdem sie schnell zum Schreibtisch geflitzt war, in schludriger Schrift: »Guten Morgen, Papa! Schick mir heute den Herald«.

Dann steckte sie das Telegramm in Annabels Halsband, übergab das Tier einem Dienstmädchen und begann, auf eine Antwort zu warten, wobei sie im Lichterspiegel, der sich über die gesamte Wand erstreckte, ihr Gesicht betrachtete, das von Strähnen goldglänzenden Haars eingerahmt war … Zuerst hieß es wie folgt: der naive Duft des 18-jährigen, noch nicht voll erblühten Wesens, strömte aus jeder Ader dieser jungen … usw.

Aber, nach reiflicher Überlegung, beschloss der Autor, dies nicht zu schreiben, sondern den Leser zu ermuntern, sich selbst ein bildhübsches 18-jähriges Mädchen vorzustellen, das nach allen Regeln der Kunst großgezogen worden ist, ein mustergültiges Tierchen, ohne einen einzigen Makel, dessen Aufzucht tausende Tuberkulosefälle und tausend rachitische Kinder gekostet hat … kurz gesagt, jede Menge Dollars. Gerade wurde behauptet, das Tierchen wäre ohne einen einzigen Makel gewesen.

Aber das stimmt nicht ganz.

Einen Makel hatte die wohlerzogene Milliardärstochter – die Angewohnheit, Zeitung zu lesen.

Es gibt in der Geschichte Fälle, in denen etwas vollkommen Unvorhergesehenes und äußerst Unangenehmes aus der Zeitung selbst durch die dicke Schicht des bourgeoisen Lacks dringt.

Solches war am Abend zuvor geschehen. Miss Drevins, die leitende Haushälterin in Mr. Laystons Palast auf der Avenue, war säuerlich und fad, wie ein alter Hering, so drückte es Edith aus; um sie ein wenig zu ärgern, hatte Edith die Abendausgabe des Herald genommen und begonnen, daraus vorzulesen, wobei sie absichtlich falsche Betonungen setzte und die Worte nach dem Vorbild New Yorker Burschen aussprach: »New York, Datum, Monat. Die Gerüchte über den schrecklichen Hunger in Russland bewahrheiten sich. Eine noch nie dagewesene Hungersnot löscht ganze Landstriche aus. Hungrige Frauen essen ihre Kinder. Es wurden Fälle von Kannibalismus gemeldet …«

Schließlich hatte sie etwas gelesen, das sie zwang, die Zeitung auf der Stelle beiseitezulegen; sie war errötet von der Anstrengung, die es sie gekostet hatte, das plötzliche Gefühl des Schreckens zu verbergen.

Heute, auf dem Teppich vor dem Spiegel sitzend, war Edith derart in Gedanken versunken, dass sie vor Überraschung aufschrie, als Annabel sie, den schweren Kopf tief gesenkt, mit ihrer großen Katzennase berührte.

Mit einem Mal wurde Edith blass vor Wut; anstelle der erwarteten Zeitung befand sich am Halsband des Panthers ein Zettel, auf dem geschrieben stand: »Meine kleine Fee soll ihr Köpfchen nicht mit etwas verwirren, das sie zum Grübeln bringt. Mac.«

An diesem Morgen war Edith wütend auf ihre Zimmermädchen und warf während des Badens sogar mit dem Schwamm nach einem von ihnen. Der Schwamm traf es glücklicherweise direkt ins Gesicht, sodass die Spritzer parfümierten Wassers ihm halfen, die Tränen zu verbergen, die ihm in die geröteten Augen gestiegen waren.

Edith ging nicht mit ihrem Vater frühstücken, sondern hielt auf einer Spazierfahrt mit dem Automobil abrupt vor einem Zeitungskiosk. Nachdem sie ein paar Münzen gegen einen Stapel Zeitungen eingetauscht hatte, war sie fast schon beruhigt, weil sie dachte, ihre Laune befriedigt zu haben. Sie hielt es für eine Laune, weil Mr. Layston ihre Wünsche allesamt als solche bezeichnete.

In dieser Hinsicht würde ich Mr. Layston übrigens zustimmen. Für eine Milliardärstochter ist das Mitgefühl mit Hungernden in der Tat eine Laune, eine sadistische Zerstreuung. Eine ganze Woche lang saugte Edith alle Zeitungsnachrichten auf, an die sie entweder auf ihren Fahrten mit dem Automobil oder durch Bestechung der Dienerschaft hatte gelangen können. Der schreckliche Hunger, den die amerikanischen Zeitungen ausmalten, ohne an Farbe zu sparen, zog das junge Mädchen an wie das Feuer die Motte.

Sie konnte sich von diesem hypnoseähnlichen, unbekannten Gefühl nicht losreißen, das die Artikel über den Hunger in ihr hervorriefen.

Drei Tage vor dem verhängnisvollen Tag, daran erinnerte sich Mr. MacLayston gut, betrachtete er mit seiner Tochter, während sie in der Kabine des Aeroplan nebeneinandersaßen, die weit unter ihnen ausgebreiteten Schachbretter verschiedenfarbiger Felder. New York hüllte sich in violett-gelben Dunst und ein blauer Streifen des Ozeans lockte freundlich das mit sentimentalen Gedichten erzogene Mädchen. Plötzlich wandte sich Edith ihrem Vater zu (auch daran erinnerte sich Mr. MacLayston gut) und fragte: »Papa, warum gibt es in Russland Hunger?« Mr. Layston war überrascht. »Hunger … Den Hunger in Russland haben die Bolschewiken verursacht, sie haben den Bauern das Korn genommen.«

»Und warum habe ich dann in einer Zeitung gelesen, dass es diesen Hunger nicht gäbe, wenn die europäischen Staaten die Kriege in Russland nicht unterstützen würden?«

»Ich sehe schon, du liest zu viel«, sagte MacLayston ärgerlich und schwieg.

Wie er das später bereuen sollte!

»Das heißt, es gibt keine Möglichkeit, ihnen zu helfen?«, fragte Edith.

»Ich liefere Tausende Dosen Fett an die ARA«, sagte Layston. »Wir müssen auch den Heiden und Zöllnern helfen, sagt unser Herr Jesus Christus.«

Layston verstummte und machte es sich bequem, sodass sein Körper über die Armstütze, die Rückenlehne, ja, den ganzen Sitz quoll.

Es hatte sich herausgestellt, dass die Lieferung von Produkten an die ARA ein sehr profitables Geschäft war. Der Reingewinn betrug nicht weniger als 35 Prozent. Alle verdorbenen Waren landeten dort. Ein Hungernder ist schließlich kein Schwein – er frisst wirklich alles.

Darüber hinaus lagen die Geschicke der ARA nun in den Händen des Wohltäters der Menschheit, des Königs der chemischen Industrie, Mr. MacLayston. Und schließlich machte es einen ziemlich guten Eindruck – den hungernden Opfern des Bolschewismus zu helfen …

»Das ist die Victoria«, unterbrach der Mechaniker Laystons Gedanken und zeigte nach Nordosten.

»Wo?«, Edith sprang auf.

»Der kleine weiße Fleck da, rechts von der Freiheitsstatue. Auf der Reede.«

Edith richtete ihren Blick auf das weiße Fleckchen; die Victoria war ein Frachter der ARA auf dem Weg nach Russland. Mit ihm sollte, neben Spionen des Außenministeriums, auch der Sekretär des Chemical Trusts, der Doktor der Chemie, Jim Reeps fahren, der engste Mitarbeiter der Laystons.

In Laystons Vorstellung erschien die Bilanz im Hauptbuch des Chemical Trusts. Der Hauptbuchhalter Reeps hatte einen kahlen und krummen Finger. Als er seine Erklärungen beendet und auf die Spalte ›Reingewinn‹ gedeutet hatte, blieb unter den Ziffern eine dunkle Schweißspur zurück. »Ob er wohl eine Frau hat?«, dachte MacLayston und verließ mit Edith die Kabine.

Betsy, Jenny und Maud arbeiteten in einer organisch-chemischen Fabrik des Chemical Trusts.

Als sie an jenem Tag von der Arbeit nach Hause liefen, blieben alle drei vor einem Plakat stehen:

American Relief Administration (ARA)

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  1. Die Hungernden kommen.

  2. Das ausgestorbene Dorf und die Leichen der Verhungerten.

  3. Mütter, die ihre Kinder essen.

  4. Verrückt vor Hunger.

»Da müssen wir heute Abend hin«, sagte Jenny.

Sie zählten ihr Geld. Fünf Pence hatten sie noch.

Zu dritt gingen sie zu Maud....



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