E-Book, Deutsch, Band 2, 340 Seiten
Reihe: Die Oma und der Punk
Jöst Die Oma und der Punk auf heißer Spur
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95824-211-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 340 Seiten
Reihe: Die Oma und der Punk
ISBN: 978-3-95824-211-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Simone Jöst lebt im Odenwald. Beflügelt von der Lust, sich ständig neue Geschichten auszudenken, stolperte sie beinahe zufällig in das Krimigenre. Seitdem publizierte sie zahlreiche Krimi-Kurzgeschichten und arbeitete als freie Mitarbeiterin in einem kleinen Verlag. Sie ist Herausgeberin diverser Krimianthologien und liebt nichts mehr als schwarzen Humor und weiße Schokolade. Bei dotbooks veröffentlicht sie: »Die Oma und der Punk« »Die Oma und der Punk auf heißer Spur« »Die Oma und der Punk - Gestorben wird später« Die Website der Autorin: www.simonejoest.de
Autoren/Hrsg.
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Montag
Emma hielt den Deckel der bauchigen Kanne fest und goss Tee in vier zarte Porzellantassen. Das goldbraune Getränk wirbelte in einem Strudel, bis es endlich zur Ruhe kam und feine Dampfwölkchen daraus in die Höhe tanzten.
»Bitte, bedient euch.« Emma stellte die Kanne auf den kleinen Couchtisch, nahm eine der Tassen und setzte sich in ihren Sessel. Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, als sie das letzte Mal ihre Nachbarinnen zur Teerunde eingeladen hatte. Früher brachten diese Treffen Abwechslung in ihr Leben, doch heute war das anders. Es fühlte sich an wie eine leidige Pflicht. Emma pustete über ihren Tee. Es hatte sich vieles verändert. Sie hatte sich verändert.
»Ich wusste gar nicht, dass man aus einem Altersheim auch wieder ausziehen kann.« Rosalie Rittmansperger, Emmas Nachbarin zur Linken, rührte mit einem goldenen Löffel und gespreiztem Finger in ihrer Tasse. Sie saß steif wie ein Brett auf der vorderen Kante des Sofas und trug wie immer ein pastellfarbenes Kostüm, dazu farblich passende Pumps und eine bis in die Haarspitzen perfekt modellierte Frisur.
»Ich dachte, wenn man erst einmal dort eingeliefert wird, bleibt man bis zum Schluss.« Verlegen räusperte sie sich über ihre unglückliche Wortwahl. »Ihr wisst schon, was ich meine«, fügte sie leise hinzu und nippte an ihrer Tasse. Ihr goldenes Armband klirrte bei jeder Bewegung.
»Ich kann dich verstehen, Emma«, sagte Hannelore Häkelsbacher, ihre Nachbarin zur Rechten. Sie tätschelte Emmas Knie und lächelte milde. Hanne war eine herzensgute Frau. Trotz ihres Reichtums war sie bescheiden geblieben und fürsorglich um ihren Mann bedacht, der seit seinem tragischen Reitunfall an den Rollstuhl gefesselt war.
»Solange man noch einigermaßen auf den Beinen ist, sollte man nicht in ein Altersheim gehen. Ich würde Julius niemals dorthin bringen«, sagte sie und seufzte leise.
»Obwohl eine Seniorenresidenz nicht die schlechteste Option ist.« Diese Aussage konnte nur von Patrizia von der Schleich kommen. Sie wohnte in der Villa gegenüber auf der anderen Straßenseite. Mit ihren 47 Jahren war sie um einiges jünger als die anderen Damen dieser Runde und verstand recht wenig vom Älterwerden. Ihre Klagen beschränkten sich auf erste Fältchen und grauen Haaransatz. Sie wusste noch nichts von Arthrose, Blasenschwäche oder anderen gesundheitlichen Beschwerden, die sich mit zunehmendem Alter bemerkbar machten. Patrizia schlug ihre makellosen Beine übereinander und strich lässig ihre blondierten Haare hinter das Ohr.
»Ich weiß nicht, warum du Konstantin das angetan hast und aus der Einrichtung geflohen bist. Er hatte sich alle Mühe gegeben, dir einen der luxuriösesten Heimplätze der Stadt zu organisieren, und du? Du hast ihn dermaßen hereingelegt«, sagte sie anklagend.
Emma schnaubte durch die Nase und musste sich beherrschen, dieser Schlange nicht den heißen Tee in ihre überschminkte Visage zu kippen. Sie sollte vorsichtig sein. Es würde sie nicht wundern, wenn Patrizia von der Schleich als Spionin für ihren Sohn fungierte.
»Ich habe Konstantin nicht hereingelegt, wie du es so schön formulierst, meine Liebe.« Emma bemühte sich, freundlich zu bleiben, doch ihr spitzer Unterton war nicht zu überhören. »Er und Barbara haben es bevorzugt, wieder in ihr altes Domizil am Stadtrand zu ziehen, weil ihnen das Leben in der Stadt nicht mehr gefiel.«
Patrizia lachte schnippisch. Sie kannte wahrscheinlich die Geschichte von Barbaras Intrigen und dem nur zum Teil geglückten Versuch, Emma in ein Altersheim abzuschieben, um selbst in die Villa ziehen zu können. Immerhin war das Anwesen eine der schönsten Immobilien im begehrten Nobelviertel der Stadt. Wenn Emma sich nicht zur Wehr gesetzt hätte, würden ihr Sohn und seine Frau heute noch hier residieren. Was die beiden Patrizia genau erzählt hatten, wusste Emma nicht, doch die Wahrheit auf keinen Fall. Die kannten nur wenige, und das sollte auch so bleiben.
»Das glaube ich dir nicht«, stieß Patrizia hervor. »Barbara trauert noch heute um den Verlust dieser Villa.«
»Ach, ihr habt noch Kontakt?«, stichelte Emma.
»Nein, nicht wirklich.« Patrizia richtete sich auf und straffte den Rücken. »Wir trafen uns neulich zufällig bei der Maniküre.«
Dieses dumme Geschwätz. Barbara hatte Patrizia zum Ausspionieren angestiftet, dessen war sich Emma sicher. Ihrer Schwiegertochter traute sie so ziemlich alles zu, und für Konstantin würde ihre Nachbarin sowieso alles tun.
Rosalie, die sie alle wegen ihrer pastellfarbenen Kleidung nur Rosa nannten, stellte ihre Tasse ab, faltete die Hände und legte sie in ihren Schoß. »Habt ihr das von Frau Westermann vergangene Nacht gehört?«, fragte sie.
Die Frauen schüttelten die Köpfe und warteten gespannt auf den Bericht, der nun so sicher wie das Amen in der Kirche folgen würde.
»Heute früh entdeckte ich zufällig einen Streifenwagen vor ihrer Tür.«
Emma lächelte. Von zufällig konnte keine Rede sein, denn Frau Westermann wohnte am anderen Ende der Straße. Von hier aus konnte man unmöglich bis dorthin schauen. Typisch Rosa, ständig auf Etikette und Diskretion bedacht, aber alle Nachbarn als Augen und Ohren missbrauchen.
»Letzte Nacht wurde bei ihr eingebrochen.«
»Ist ihr etwas passiert?«, fragte Hanne erschrocken.
»Zum Glück nicht«, tat sich Rosa wichtig, als ob sie persönlich anwesend gewesen wäre. »Sie hat den Einbrecher übertölpelt.«
»Frau Westermann?«, fragte Emma. »Wir reden von derselben Person? Diese Frau ist nicht mehr die Jüngste, klein und schmächtig, wie sollte sie einen Einbrecher überwältigen? Das ist unmöglich.«
»Doch! Sie hatte am Abend einen Schatten in ihrem Garten entdeckt«, fuhr Rosa fort. »Der Dieb muss sich hinter dem Geräteschuppen versteckt haben.«
»Warum hat sie nicht die Polizei gerufen? Gerade jetzt, da sich die Einbrüche in unserem Viertel häufen.« Hanne stellte ihre Tasse ab.
»Das wollte sie, aber die Telefonleitung war tot.«
»Das Gewitter?« Hanne klebte an Rosas Lippen.
»Woher weißt du das alles?« Emma blieb skeptisch. Rosa erzählte gern Geschichten und verbog die Wahrheit, wenn es sich für sie lohnte und sie sich wichtigtun konnte.
»Ich war natürlich sofort bei ihr.«
»Natürlich.« Emma verdrehte die Augen. Was mochte hier wichtiger gewogen haben, die Anteilnahme am Wohl einer Nachbarin oder Rosas Neugier?
»Jedenfalls sagte Frau Westermann, dass sie, obwohl sie den Schatten bemerkt hatte, wie jeden Abend zu Bett gegangen sei. Sie habe wegen der Hitze das Fenster geöffnet und nur die Gardine zugezogen.«
»Wie blöd muss man aber auch sein?« Patrizia schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Tee. »Das war doch die perfekte Einladung für den Dieb. Die Leute brauchen sich nicht zu wundern, wenn bei uns ständig eingebrochen wird. Haben die noch nie etwas von Alarmanlagen gehört?«
»Und was geschah dann?«, fragte Hanne.
»Frau Westermann sagte, sie habe in ihrem Bett gelegen und gelauscht. Es donnerte und blitzte ständig. Irgendwann hörte sie, dass sich jemand an dem Rankgitter neben ihrem Fenster zu schaffen machte.«
»Mein Gott, ich wäre vor Angst gestorben.« Hannes Augen weiteten sich vor Schreck.
Emma erinnerte dieser nächtliche Einbruch an vergangene Abenteuer. Sie war auch schon bei Nacht und Nebel über Zäune geklettert. Zum ersten Mal bei ihrer Flucht aus der Seniorenresidenz. Wenn sie dabei nicht zufällig auf ihre Fluchthelferin Jule gestoßen wäre, hätte man sie sofort entdeckt und als unzurechnungsfähig weggesperrt. Das zweite Mal war sie mit Jule in ihren eigenen Keller eingebrochen. Das alles nur, weil sie wieder nach Hause in ihre Villa ziehen wollte, in der sich Konstantin und Barbara zwischenzeitlich eingenistet hatten.
»Frau Westermann hat nicht lange gezögert und die Pistole ihres verstorbenen Mannes aus dem Nachtkasten geholt und sie unter ihrem Deckbett versteckt.«
»Oh!« Hanne schlug die Hände vor ihren Mund.
Emma wusste, wie es sich anfühlte, wenn man plötzlich in die Mündung einer Waffe schaute. Ihre Abenteuer mit Jule waren riskant gewesen und hatten ihr einige brenzlige Situationen beschert, aber das Mädchen hatte ihr jedes Mal aus der Klemme geholfen. Andernfalls säße sie heute nicht hier.
»Damit der Mann sich in Sicherheit wähnen konnte«, fuhr Rosa fort, »tat Frau Westermann, als ob sie schliefe und schnarchte. Sie ließ sich nicht einmal vom Donner unterbrechen. Plötzlich tauchte eine schwarze Silhouette in ihrem Fenster auf. Der Einbrecher kletterte über das Sims, und Frau Westermann sagte, dass es sie große Mühe gekostet habe, nicht aufzuschreien.«
»Das glaube ich gern. Mir wäre das Herz in die Hose gerutscht!« Hanne seufzte.
»Diese Aktion war einfach nur dumm und leichtsinnig.« Patrizia warf den Kopf in den Nacken.
»Als der Dieb nun in ihrem Zimmer stand, zog Frau Westermann die Waffe unter der Decke hervor und richtet sie auf ihn. Im selben Moment muss es geblitzt haben, und vor lauter Schreck drückte sie versehentlich ab.«
»Hat sie den Einbrecher getötet?« Hanne riss die Augen auf.
Rosa rückte sich auf dem Sofa zurecht.
»Nein. Sie hat nicht ihn, sondern ihren Frisierspiegel getroffen, der mit Getöse zersplitterte.«
»Und was ist aus dem Dieb geworden?« Seit Emma selbst als Einbrecherin in ihrer eigenen Villa unterwegs gewesen war, hatte sie beinahe Mitleid mit dem Mann. Sie wusste, wie es war, wenn man Angst hatte, entdeckt zu werden, und der Puls bis zum Anschlag in den Schläfen pochte.
»Der Kerl hat natürlich sofort den Rückzug angetreten. Er ist wie der Wind aus dem Fenster geklettert und durch den...