Jessen | Traumfrauen. Minirock und neue Zeiten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Jessen Traumfrauen. Minirock und neue Zeiten

Roman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-29645-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-641-29645-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hamburg, Anfang der 60er Jahre: Die junge Klara Paulsen hat ihre Stelle als Fotografin und Redakteurin bei der Frauenzeitschrift 'Claire' aufgegeben, um eine noch viel aufregendere Aufgabe zu übernehmen: Zusammen mit Freunden und Kollegen gründet sie 'Holly', eine moderne Zeitschrift für Musik und Mode. Es ist die Zeit von Rock'n'Roll und Minirock, die ganze Stadt vibriert. Und niemand hat ein besseres Gespür für prickelnde Themen als Klara, die sich ins größte Abenteuer ihres Lebens stürzt. Auch privat scheint es gut für sie zu laufen. Doch das Schicksal stellt sie vor harte Prüfungen ...

Anna Jessen liebt die Nordsee seit der Kindheit. Daher ist jede mögliche Reise dorthin eine willkommene Gelegenheit, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, Feuersteine zu sammeln und auf der Düne den Gedanken nachzuhängen. Helgoland ist für Anna Jessen die 'Insel der Wünsche', faszinierend durch die einzigartige Natur, die liebenswerten Menschen und nicht zuletzt durch die besondere Geschichte, die dieser Fels erlebt hat. Neben dem Reisen gilt die ausgesprochene Leidenschaft Anna Jessens dem Schreiben, der Musik und der Arbeit im Buchhandel.
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1.


»Rosa?«, fragte Gregor skeptisch. »Wer soll das sein?«

»Die Toilettenfrau.«

»Nicht dein Ernst.«

»Absolut!«, erwiderte Klara. »Sie ist ein Original.«

»Original wofür?«

»Du musst sie kennenlernen.«

Gregor winkte ab. »Ich glaube nicht, dass sich unsere Leserinnen für eine Toilettenfrau interessieren.«

»Für sie selbst vielleicht nicht wirklich«, stimmte Vicki zu und blies den Rauch ihrer Zigarette in die Luft. Mit der langen Zigarettenspitze zwischen den Fingern erinnerte sie an Audrey Hepburn in . »Aber für ihre Geschichten. Wenn sie denn welche erzählt.«

»Tja, und deshalb brauchen wir dich, Gregor«, ergänzte Klara, als wäre es das Offensichtlichste der Welt.

»Ach, braucht ihr mich«, erwiderte der Chefredakteur sarkastisch. »Dann weiß ich ja jetzt, dass ich doch zu etwas gut bin.«

Klara stand auf und warf die Arme in die Luft. »Wenn du es nicht machen willst …«, sagte sie. »Wir könnten auch Helga damit beauftragen.« Helga Achter, die bei der für die Dokumentation gearbeitet und dann ebenfalls zur gewechselt hatte, der neuen Zeitschrift, die sie selbst mitgegründet hatte.

»Warum schreibst du den Artikel nicht selbst?«, wollte Gregor wissen. Seit er die Verantwortung für eine ganze Redaktion trug, war aus dem stets spöttischen jungen Mann, der nichts ernst zu nehmen schien, ein Skeptiker geworden. Manchmal meinte Klara, ihn nicht wiederzuerkennen. Aber natürlich verstand sie ihn auch: An ihm hing alles. Ging er mit seiner Neugründung unter, würde er alle, die mit ihm gekommen waren, mit in den Abgrund ziehen. Sie alle hatten ihre sicheren und gut bezahlten Stellen bei der aufgegeben, um ihn bei seinem Abenteuer zu unterstützen: , einer jungen, frechen Zeitschrift über Musik, Mode, Stil und alles, was vor allem Frauen sonst interessierte, aber eben nicht nur Frauen, sondern alle jungen Menschen. Im Grunde machten sie ein Magazin für sich selbst.

»Das würde ich wahnsinnig gerne, Gregor«, erwiderte Klara. »Aber ich will die Fotos machen. Das ist mir wichtiger.«

»Fotos?«, fragte der Freund irritiert. »Was willst du ablichten? Klos? Waschbecken? Ihre Kittelschürze?«

»Ihr Hausboot.«

Jetzt kam Bewegung in die Mannschaft. »Sie hat ein Hausboot?«, fragte Heinz fasziniert.

Klara nickte. »Im Sandtorhafen. Und das Beste: Sie nimmt auch mal Musiker bei sich auf. Soweit ich weiß, hat sie gerade einen von den jungen Engländern bei sich, die für Koschmider gespielt haben.«

»Für Koschmider«, murmelte Gregor, der jetzt auch eine Story witterte. »Er ist der größte Ganove, den’s in dem Geschäft gibt. Was heißt Hat er sie rausgeworfen?«

Jetzt mischte sich Rike ein, die manchmal, wenn sie Zeit hatte, an den Redaktionskonferenzen teilnahm. Gregor versuchte, sie seit den ersten Tagen des Projekts für die Zeitschrift zu gewinnen, doch sie wollte beim Rundfunk bleiben. »Seine Band will zum Top Ten Club wechseln«, wusste sie zu berichten.

Gregor lachte. »Kann ich ihnen nicht verdenken, dass sie nicht mehr für diesen Puffbetreiber spielen wollen.« Denn es war allgemein bekannt, dass der Kaiserkeller, in dem Koschmiders Musiker auftraten, vor allem der Anbahnung von »Geschäftsbeziehungen« zwischen gewissen Frauen und gewissen Männern diente.

Klara nickte. »Die haben bei Koschmider im Hinterzimmer seines Kinos geschlafen.«

Vicki stieß den Rauch ihrer Zigarette durch die Nase aus. »Sklaverei ist das«, sagte sie und schüttelte den Kopf.

»Alles, was der Mann betreibt, ist Sklaverei«, erklärte Heinz. »Meine Meinung.«

»Tja.« Gregor legte die Hände auf die Schreibtischplatte, als müsste er Pro und Kontra an ihnen abzählen. »Und du denkst, die Toilettenfrau hat was zu erzählen?«

»Ich , dass sie was zu erzählen hat.«

»Hast du schon mit ihr gesprochen?«

Klara nickte. »Ist alles schon erledigt. Sie steht uns zur Verfügung.« Mit einem Kichern fügte sie hinzu: »Ein Plausch vor den Toiletten, das ist ja auch was ganz Unauffälliges. Niemand wird sich was dabei denken.«

Da war es wieder, das spöttische Lächeln von Gregor Blum, mit dem er seine Mitmenschen gerne aus dem Konzept brachte. »Ich komme mit auf das Hausboot.«

Wie jeden Tag war es spät geworden, als Klara die Redaktion verließ. Schon früher, als sie noch beim Frisch Verlag gearbeitet hatte, war sie daran gewöhnt gewesen, niemals vor sechs oder sieben Uhr nach Hause gehen zu können. Jetzt aber wurde es oft acht oder neun Uhr – an manchen Tagen arbeitete sie, wie andere auch, bis weit in die Nacht hinein. Aber das war es wert! Denn mit der neu gegründeten Zeitschrift verband sie weit mehr als ein Arbeitsvertrag: Die war ihr eigentliches Zuhause. Und dass die Redaktion in die Räume eingezogen war, in denen einst das Fotoatelier Buschheuer residiert hatte, machte es doppelt heimelig für sie. Denn hier hatte sie schon als Schülerin aushilfsweise gearbeitet, mit ihrem Mentor Alfred Buschheuer, und hier hatte sie vor allem ihr Handwerk erlernt: das Fotografieren.

Und nun galt sie als die wichtigste Fotografin der , ständig unterwegs, um in der Hansestadt Geschichten zu entdecken, die sie in möglichst fesselnde Bilder zu verwandeln versuchte. Für die ersten Ausgaben des Magazins hatte sie Aufnahmen von Modenschauen und Schönheitswettbewerben gemacht, sie war auf rauschenden Festen im Atlantic Hotel und in der Laeisz-Halle gewesen, in einem Rock-’n’-Roll-Klub hatte sie Tony Sheridan porträtiert, bei einer Filmpremiere Jeanne Moreau … Das Leben hätte nicht aufregender sein können, weshalb sie so etwas wie Müdigkeit kaum kannte.

Sorgen allerdings kannte sie sehr wohl. Denn die Zeitschrift stand buchstäblich täglich vor der Pleite. Nachdem Gregor seinem Vater, dem mächtigen Verleger Hans-Herbert Curtius, den Rücken gekehrt und ihm mehrere Mitarbeiter abspenstig gemacht hatte, war er enterbt worden. Curtius hatte seine bis dahin großzügigen Zuwendungen eingestellt. Dass sein unehelicher Spross ihm allen Ernstes Konkurrenz zu machen beabsichtigte, hatte den sonst so großmütigen, souveränen Verleger zu einem rachsüchtigen Gegner werden lassen.

Gregor hatte verkauft, was er zu verkaufen gehabt hatte, und die anderen – allen voran Klara, Vicki und Heinz – hatten all ihre Ersparnisse dazugegeben, um den neuen Verlag zu finanzieren. Die ersten Monate hatten sie ohne Gehälter gearbeitet, und sie waren alle in jeder freien Minute unterwegs gewesen, um Kioske und Hotels, Friseursalons und Arztpraxen abzuklappern, um das neue Magazin vorzustellen und Abonnenten zu werben. Mit Erfolg! Die ersten zwei Ausgaben waren so überzeugend, so mitreißend gewesen, dass sie schon bald einen großen Zeitschriftenvertrieb fanden, der das Heft bundesweit unter die Leute bringen wollte. Das allerdings wirkte sich ernüchternd auf den Ertrag aus. Denn plötzlich kam pro verkauftem Exemplar nur noch halb so viel Geld bei der Blum Verlags GmbH & Co. KG an. Und wieder hieß es sparen!

Doch trotz der prekären Lage hätte Klara nicht stolzer sein können auf ihr »Baby«: Die Zeitschrift war das Aufregendste, was es in der deutschen Magazinlandschaft gab – nicht zuletzt wegen ihrer Fotos.

»Holly?«, fragte Hans Knoche, der Pächter des Alsterpavillons, als sie ihm an diesem Abend ein Exemplar auf den Tisch legte. »Was soll das heißen?«

»Holly wie Hollywood«, erklärte Klara. »Und wie Holly Golightly!« Davon hatte auch Hans Knoche schon gehört. Er zog eine Augenbraue hoch und das Heft zu sich herüber. »Hm«, machte er. »Büschen extravagant, oder?«

»Aber hallo!«, stimmte Klara zu. »Das ist genau der Punkt. Normal sollen andere sein. Wir wollen besonders sein.« Und weil sie gelernt hatte, was Kunden hören wollten, fügte sie hinzu: »So wie Ihr Lokal hier! Ist ja auch extravagant, nicht wahr? Deshalb passen wir so gut zusammen, der Alsterpavillon und die .«

»Sie wollen doch nur, dass ich ein Abo abschließe«, stellte der Betreiber des beliebten Restaurants und Cafés fest.

»Aber nein, Herr Knoche!«, widersprach Klara.

»Nicht?«

»Nein. Ich will nicht, dass Sie ein Abo abschließen, ich will, dass Sie fünf abschließen.«

Der Gastwirt lachte laut. »Um Himmels willen! Was soll ich denn mit fünf Abonnements!«

»Sie legen das Heft in Ihrem Lokal aus«, legte ihm Klara dar. »Das ist Service. Andere Kaffeehäuser haben ihre Zeitungsständer …«

»Die haben wir auch.«

»Ich weiß, Herr Knoche. Aber in Zukunft haben Sie auch was Exklusiveres als nur die olle Tageszeitung. Die steht für Lebensart und Lebensfreude, wissen Sie? Und deshalb passt sie so gut zu …«

»Schon gut, schon gut!«, rief der Chef des Alsterpavillons. »Fünf Exemplare.« Er überlegte kurz. »Die werden nicht reichen«, erklärte er dann. »Nach zwei oder drei Tagen werden die Hefte völlig zerlesen aussehen. Und sie erscheint ja nur alle zwei Wochen, richtig?«

Klara nickte.

»Dann will ich zehn Abos. Für fünfzehn Exemplare.«

»Bitte?«

»Ich zahle zehn, ich bekomme fünfzehn. Das ist mein Angebot.«

Zehn Abos! Wenn sie die Hefte direkt lieferten, mussten sie dem Zeitschriftenvertrieb nichts abgeben, dann wäre das ein prächtiges Geschäft. »Einverstanden«, sagte Klara. »Sie bekommen fünfzehn...


Jessen, Anna
Anna Jessen liebt die Nordsee seit der Kindheit. Daher ist jede mögliche Reise dorthin eine willkommene Gelegenheit, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, Feuersteine zu sammeln und auf der Düne den Gedanken nachzuhängen. Helgoland ist für Anna Jessen die »Insel der Wünsche«, faszinierend durch die einzigartige Natur, die liebenswerten Menschen und nicht zuletzt durch die besondere Geschichte, die dieser Fels erlebt hat. Neben dem Reisen gilt die ausgesprochene Leidenschaft Anna Jessens dem Schreiben, der Musik und der Arbeit im Buchhandel.



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