E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: The Chosen
Jenkins The Chosen: Komm und sieh selbst
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96122-559-0
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: The Chosen
ISBN: 978-3-96122-559-0
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jerry B. Jenkins hat bereits fast 200 Bücher geschrieben, einschließlich 21 'New York Times'-Bestseller. Mehr als 71 Millionen Exemplare seiner Werke wurden inzwischen weltweit verkauft. Er ist bekannt für seine Bibel-Romane, seine Endzeit-Romane ('Finale'-Reihe), und viele weitere Genres. Außerdem unterstützte er Billy Graham bei dessen Autobiografie, und hat zahlreiche Sport-Biografien geschrieben. Gemeinsam mit seiner Frau Dianna lebt er in Colorado Springs im US-Bundesstaat Colorado. Sie haben drei erwachsene Söhne. Einer von ihnen, Dallas, ist der Erfinder, Co-Autor und Regisseur der TV-Serie 'The Chosen'.
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Kapitel 1
„… BEVOR ER MICH KANNTE“
Haus von Johannes, Ephesus, A. D. 44
Trauer. Nichts als Schmerz.
Am vierten Tag der Schiwa für seinen Bruder, den großen Jakobus, tut Johannes alles, um sich von seinem Schmerz abzulenken. Jakobus war auf Anweisung von König Herodes Agrippa von Judäa durch das Schwert hingerichtet worden. Der Jesus-Schüler, der immer davon überzeugt war, dass Jesus ihn ganz besonders liebte, hat seine wenigen Notizen aus der Zeit mit dem Rabbi aufbewahrt. Angetrieben durch diese jüngste Tragödie will er sie jetzt ausarbeiten, bevor ihm und seinen Kameraden dasselbe Schicksal widerfährt wie Jakobus. In seinem Bericht will er ihre Erlebnisse aus der Zeit mit dem Rabbi ganz genau schildern, und zu diesem Zweck hat Johannes die Freunde zu sich eingeladen, die zusammen mit ihm und seinem Bruder drei Jahre lang mit Jesus durch das Land gezogen sind. Diese drei Jahre haben einen bleibenden Eindruck bei ihnen allen hinterlassen. Kein Mensch könnte das jemals vergessen! Gemeinsam wollen sie ihre Erinnerungen austauschen. Die Gemeinden, die ganze Welt soll davon erfahren.
Im größten Raum seines bescheidenen Heimes hat Johannes Stühle und Bänke aufgestellt. Aber werden die anderen überhaupt kommen, an einem Abend wie diesem? Gemeinsam hatten sie selbstverständlich an der Beisetzung des großen Jakobus teilgenommen und waren am Abend an der Seite Marias, der Mutter von Jesus, und Johannes’ geblieben. Kann er von ihnen erwarten, dass sie während der siebentägigen Trauerzeit noch ein zweites Mal kommen? Das ist viel verlangt, trotzdem hat er sie darum gebeten, aber nicht nur, um ihm und Maria Trost und Unterstützung zu geben.
Dunkle Wolken sind am späten Nachmittag aufgezogen, und jetzt zucken Blitze über den dunklen Abendhimmel. Wenn seine Freunde nicht bald eintreffen, werden sie in einen Regenguss geraten. Vorsichtig öffnet Johannes die Haustür. Ein eisiger Windstoß zwingt ihn, sie festzuhalten, damit sie nicht gegen die Wand schlägt.
„Geduld“, mahnt Mutter Maria. Sie legt sich einen Schal um den Kopf. „Sie kommen bestimmt. Du weißt, dass sie kommen werden. Der Abend ist doch gerade erst angebrochen.“
Seit man ihren Sohn am Kreuz hingerichtet hat – vor langer Zeit –, lebt diese Frau mit der besonderen Ausstrahlung bei Johannes. Noch am Kreuz hatte Jesus zu ihr gesagt: „Das ist jetzt dein Sohn!“ Und zu Johannes: „Sie ist jetzt deine Mutter!“
Und so ist es tatsächlich. Maria ist für Johannes zu einer Mutter geworden, er liebt sie und weiß, dass sie ihn ebenfalls liebt. Die Jahre und der Kummer haben ihre Haare grau werden lassen, aber er liebt jede Falte in ihrem klaren, heiteren Gesicht.
„Mach die Tür zu“, sagt sie und legt ihm sanft die Hand auf die Schulter.
Johannes kommt ihrer Aufforderung nach. Ein Windstoß bringt die Kerze auf dem Fenstersims zum Verlöschen. Ganz plötzlich setzt der Regen ein.
„Oh nein“, stöhnt er.
„Mach dir keine Sorgen“, beruhigt Maria ihn. „Die Männer sind an jedes Wetter gewöhnt …“
„Aber Maria aus Magdala wird bei ihnen sein …“
„Sie ist eine erwachsene Frau!“, erwidert sie lächelnd. „Und ganz bestimmt auf alles vorbereitet. Sieh nur zu, dass das Feuer hell brennt, und stell dich darauf ein, schmutzige Füße zu waschen.“
Eine Stunde später sind alle da, haben den Regen aus ihren Gewändern geschüttelt, ihre Füße sind gewaschen, und sie haben sich nacheinander am Feuer aufgewärmt. Johannes hat es leidgetan, dass er ihnen diese Strapaze zugemutet hat, aber nun ist er erleichtert und er freut sich auf die Begegnung. Die Stimmung ist nicht viel anders als am ersten Abend der Schiwa, aber die Freunde fühlen sich sichtlich nicht so recht wohl, wissen nicht, was sie sagen, was sie tun sollen.
„Heute Abend möchte ich nur reden“, beginnt er, um ihnen die Befangenheit zu nehmen.
Die Stimmung ist gedrückt, und er muss laut sprechen, um das Prasseln des Feuers und das Heulen des Windes zu übertönen. Er sitzt vor ihnen am Tisch, die im Windzug flackernden Kerzen werfen ihr Licht auf die Seiten, die er vor sich ausgebreitet hat. „Ich möchte einfach Fragen stellen und mir Notizen machen.“
„Über deinen Bruder?“, platzt Matthäus heraus.
„Ganz ohne Frage sind mein Herz und meine Gedanken bei ihm“, erwidert Johannes, „aber nein. Ich möchte über Jesus reden. Petrus, fangen wir mit dir an, wenn es dir recht ist. Schildere mir doch noch einmal deine erste Begegnung mit ihm.“
Petrus lächelt. Sein Bart ist mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen. „Du meinst, bevor er meinen Namen geändert hat? Hmm. Das erste Mal? Das weißt du doch, Johannes. Du warst auch da.“
„Erzähl’s noch mal.“
Petrus seufzt. „Ich war mit Andreas’ altem Fischerboot draußen auf dem See und hatte eine miese Nacht.“ Er blickt hoch. „Zuerst wusste ich gar nicht, dass er es war. Weißt du noch? Ich dachte, er wäre der Römer, der mein Leben ruinieren wollte.“ Lächelnd schüttelt er den Kopf.
„Und was ist dann passiert?“
Simon Petrus berichtet, wie er die Hilfe des Mannes zuerst abgelehnt, dann seinen Rat aber doch angenommen hatte, und wie sein Boot unter der Last der vielen Fische, die er gefangen hatte, beinahe gekentert wäre. Er hatte sich Jesus vor die Füße geworfen und gefleht: „Geh fort! Fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“ Aber Jesus hatte ihm darauf geantwortet, er solle keine Angst haben, sondern mit ihm gehen und ein Menschenfischer werden.
Thomas ist der Nächste. „Es war der Moment, als ich dachte, mein Lebenswerk sei zerstört und damit auch mein guter Ruf.“ Er kann sich ein strahlendes Lächeln nicht verkneifen, und Johannes findet das irgendwie tröstlich in einer Zeit, die der Trauer vorbehalten ist. Während Thomas berichtet, wie Jesus Wasser in Wein verwandelte und so ein Hochzeitsfest rettete und damit auch den Ruf von Thomas und Ramah, schreibt Johannes mit.
Jetzt ist Nathanael an der Reihe. „Meine erste Begegnung mit ihm? Philippus sagte einfach nur: ‚Du musst mitkommen. Komm und sieh selbst.‘ Und das habe ich getan.“ Er hat den Blick eindringlich auf Johannes gerichtet. „Und ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll … aber er … er hat mich erkannt, bevor er mich kannte.“ In tiefem Schmerz hatte Nathanael kurz zuvor unter einem Feigenbaum gesessen. Der Rabbi hatte ihn dort gesehen, und er kannte ihn mit Namen.
„Jetzt ich?“, fragt Andreas lächelnd. „Ich habe neben Johannes dem Täufer gestanden …“
„Ja, dem gruseligen Johannes“, wirft Simon Petrus ein. Möglicherweise hat er vergessen, wo er ist und was der Anlass für ihre Zusammenkunft ist.
„… Und plötzlich war er da. Wie aus dem Nichts. Johannes war außer sich. Und er sagte nur: ‚Seht!‘“
„… ‚ich esse noch eine Heuschrecke!‘“, frotzelt Petrus.
Andreas versetzt ihm einen Rippenstoß.
Typisch für Simon Petrus, denkt Johannes.
Thaddäus sitzt neben Johannes und Jakobus dem Kleineren. „Meine erste Begegnung – er hat einfach nur dagesessen und zusammen mit den anderen Handwerkern Witze gerissen. Und zu Mittag gegessen.“ Bei der Erinnerung muss er lächeln, doch sofort wird er wieder ernst.
„Ich war gerade auf dem Weg nach Jerusalem“, berichtet der kleine Jakobus. Ganz unvermittelt ist es um seine Fassung geschehen. „Es tut mir leid. Es fällt mir nur so schwer, über all das zu sprechen. Denn dann merke ich, wie sehr ich ihn vermisse.“
„Aber es ist wichtig. Wir müssen darüber reden“, erwidert Johannes.
„Ich weiß. Es ist nur – mit anderen spreche ich jeden Tag über ihn. Aber mit euch ist das etwas anderes. Ihr habt ihn alle gekannt. Da fällt es mir sehr viel schwerer.“
Jetzt wendet sich Johannes an Maria aus Magdala, die ihm gegenüber am Tisch sitzt. Sie ist jetzt eine reife Frau, immer noch von dieser sanften Schönheit, die sich erst entfalten konnte, nachdem sie von den Dämonen befreit worden war. „Erzähl doch noch mal, wie es war, als du ihn zum ersten Mal gesehen hast.“
Sie lächelt verlegen. „Das war in einer Taverne.“ Maria nickt. „Er hat seine Hand auf meine gelegt.“ Sie blickt kurz in die Runde. „Das hört sich jetzt seltsam an. Vielleicht lassen wir diesen Teil lieber weg. Die Leute wundern sich sonst noch.“
„Ich weiß noch nicht, was ich verwenden werde“, erklärt Johannes. „Ich schreibe erst mal alles auf. Lieber erst einmal sammeln und später sortieren.“
„Gut“, erwidert sie und berichtet von ihrer Begegnung mit dem Fremden, den sie am Ende als ihren Befreier, ihren Erlöser erkannte. Er hatte sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen und ihr Leben von Grund auf verändert.
Johannes beschäftigt inzwischen der Unterschied zwischen dem Matthäus, der vor ihm sitzt, und dem Steuereintreiber, der er gewesen war, als Jesus ihn in seine Nachfolge rief. Immer wieder erstaunlich! Damals trug Matthäus kostbare Kleidung, die er sich mühelos leisten konnte, und sein jugendliches Gesicht war ohne Bart und glatt gewesen. Jetzt hat er einen Vollbart, und seine Kleidung ist genauso einfach und zerschlissen wie die der anderen.
„Es war der vierte Tag der dritten Woche des Monats Adar …“, beginnt Matthäus. „Irgendwann zur zweiten Stunde.“
Immer noch derselbe alte Matthäus. „So genau muss es nicht sein.“
Matthäus fährt...